Sonntag, 24. September 2023

Kindergartenschüler beim VOLG auf die Strasse geschleudert

Dass die Stadlerstrasse durch den alten Ortskern ihres schnurgeraden Verlaufs wegen zu rasanter Fahrt verleitet, ist für Weiacherinnen und Weiacher eine Binsenweisheit. Diese Eigenschaft führt aber auch immer wieder zu Unfällen wie diesem hier im September 1995:

«Ein sechsjähriger Kindergartenschüler ist am frühen Montagnachmittag in Weiach von einem Personenwagen angefahren und leicht verletzt worden. Nach Angaben der Kantonspolizei fuhr ein 56jähriger Automobilist um 13 Uhr 15 auf der Stadlerstrasse aufwärts in Richtung Raat. Auf der Höhe des Volgs betrat der Knabe unvermittelt die Fahrbahn, wobei noch unklar ist, ob auf oder neben dem Fussgängerstreifen. Er wurde vom Auto erfasst und auf die Strasse geschleudert. Die Rettungsflugwacht brachte den Knaben, der keine offensichtlichen Verletzungen aufwies, zu Untersuchungen ins Spital.»

Man beachte das Zauberwort «Fussgängerstreifen». Wenige Jahre später war Weiach Schauplatz einer heftigen Kontroverse über die Frage, ob es zur Sicherheit der Schulkinder just an dieser Strasse Zebrastreifen brauche oder eben nicht.

Quelle und Literatur

Samstag, 23. September 2023

Eigentumswohnungen in Richtung Steinbruch

Ab dem Jahre 1993 hat die Steinbruchstrasse ihre Exklusivität sozusagen verloren. Bis dahin konnte man die Wohnhäuser an dieser Strasse an einer Hand abzählen:

Das Gehöft im Steinbruch stammt von 1876 (Nr. 21; mit Wohnhaus Nr. 19 von 1939), die Nr. 17 an der Verzweigung zur Rebbergstrasse (der obersten Rebstrasse) wurde laut Gebäudeversicherung 1924 erbaut. Und die zwei Einfamilienhäuser unterhalb der Strasse stammen aus den 60er-Jahren, Nr. 16 von 1962 und Nr. 18 von 1968.

Der grosse Bauboom kam in den 1990ern. Damals wurden die Mehrfamilienhäuser am zentrumsnäheren Teil der Strasse gebaut: 1993 die Nr. 2 und 4 und 1994 die Nr. 6. Zu diesen Angaben auf der Gebäudealterkarte passt dieses Inserat:


Besonders bemerkenswert: das Kärtchen. Wir haben hier den in früheren Jahrhunderten üblichen, mittlerweile aber sehr seltenen Fall einer geosteten Karte (d.h. Osten oben). 

Und wie wenn wir uns noch in den Zeiten der zwinglianischen Einheitsreligion befinden würden, ist hier auch die Kirche so bezeichnet, als hätte es damals am Kindergartenweg nicht auch noch eine neuapostolische Konkurrenz gegeben.

Die Gebäude Steinbruchstrasse 8a, 8b, 10a und 10b stammen übrigens von 1997, die Nr. 12 von 1999.

Quellen

Donnerstag, 21. September 2023

Für das Saxenholz musste Frau Regierungsrätin unterschreiben

Beim Schutz des Waldes kennt die Eidgenossenschaft kein Pardon. Da ist der Bund knallhart. Wenn ein bestocktes Stück Boden rechtlich als Wald gilt, dann darf man das nicht einfach abholzen. Nein, dafür braucht selbst ein Kanton die Bewilligung aus Bundesbern. Auch wenn es nur um 626 Quadratmeter geht. Wie 1992 im Rahmen der Melioration der Landwirtschaftsflächen auf dem Gebiet der Gemeinde Weiach.

Wassernot wegen Abholzungen

Dass die Vorschriften so streng sind, das hat mit den Umweltschäden zu tun, mit denen die Schweiz im 19. Jahrhundert konfrontiert wurde (Stichwort: Überschwemmungen). 

Noch in der Bundesverfassung von 1848 (die vor wenigen Tagen, am 12. September, 175 Jahre alt geworden ist) gab beim Wald keine Bundeskompetenz. Im ersten Vierteljahrhundert des Bundesstaates reifte dann aber die Einsicht, dass es ohne umfassende Schutzmassnahmen nicht mehr gehe. 

So erhielt die Bundesverfassung von 1874 den Artikel 24, welcher dem Bund die Hoheit über Wasserbaupolizei und Forstpolizei zuwies. Auf dieser Basis wurde 1876 die eidgenössische Oberaufsicht mit dem Grundsatz der Walderhaltung eingeführt. Vorerst galt der Artikel nur im Hochgebirge, nach einer Volksabstimmung im Jahre 1897 dann auch in allen anderen Gegenden. Auch wenn das einigen Kantonen gar nicht gefallen hat, wird seither sehr genau hingeschaut und kontrolliert. Und das hat sich auch mit dem neuen Waldgesetz von 1991 nicht geändert.

Fisibacherweg ausbauen ging nicht ohne Bundesbewilligung

Letztes Wochenende ging im und beim Schützenhaus Fisibach, hart an der Kantonsgrenze auf Aargauer Boden, das Halbrännär-Fäscht über die Bühne. Wer aufs Auto verzichtet hat und sich von Weiach aus zu Fuss auf den Weg dorthin gemacht hat, der oder die hatte auf dem Weg durchs Hasli die Wahl: südlich dem Hang nach (auf dem Fisibacherweg) oder an der Nordkante entlang (auf der Haslistrasse).

Nimmt man den Fisibacherweg, dann führt der heute unmittelbar vor der Kantonsgrenze auf einem kurzen Wegstück von ca. 80 Metern durch den Wald. Das ist aber erst seit wenigen Jahren so. Denn bis 1992 führte der Weg auf einer viel längeren Strecke durchs Saxenholz. Und nicht wie heute mehrheitlich der Waldkante entlang.

Was vor dreissig Jahren bewilligt wurde

Auf dem Situationsplan, den die Meliorationsgenossenschaft mitsamt vielen Formularen und Unterschriften, darunter die der Zürcher Regierungsrätin Hedi Lang, via Kanton beim Bund einreichen musste, sieht man auf der Fläche des Hasli (obere 80% des Planausschnitts) den Übergangszustand mit den alten Strassen und kleinteiligen Landwirtschaftsparzellen. Gelb eingezeichnet die projektierten (heutigen) Feldwege:

Das rot umrandete Gebiet in der unteren Bildhälfte ist der schmale Waldstreifen, der für den Ausbau des Fisibacherwegs gerodet werden musste. Die grün umrandete Fläche links davon zeigt, wo auf bisherigem Landwirtschaftsland aufgeforstet werden sollte. Und dann auch wurde.

N.B.: Die hier ersichtlichen Parzellennummern sind gleichzeitig eine Codierung der künftigen Eigentümerschaft. Gerodet und Ausgleich geschaffen wurde auf der künftigen Parzelle 2 des Eigentümers Nr. 165. Heute ist das Parzelle 1133, deren westliche Grenze zur damaligen Zeit ebenfalls Thema in einer Regierungsratssitzung wurde. Diese Story ist für einen späteren WeiachBlog-Beitrag reserviert.

Quelle

  • Bundesamt für Forstwesen und Landschaftsschutz. Rodungen und Ersatzaufforstungen in Bundeskompetenz. Gemeinde Weiach. Saxenholz: 9201020. Signatur: CH-BAR E3360-02#2010/174#1901*  [16 Seiten]

Dienstag, 19. September 2023

«Weiach kann Ihnen dies bieten». Träume oder Albträume?

Immobilienvermarkter jonglieren zuweilen ziemlich freihändig mit Werbeargumenten. Hauptsache, man findet für das angepriesene Objekt einen Käufer, der die geforderte Summe hinblättert. Wenn dessen Träume danach zu Albträumen mutieren, wen kümmert's?

Ein leider schon fast repräsentativ zu nennendes Beispiel aus diesem nicht enden wollenden Fundus der Schamlosigkeiten findet man in den Inseratenspalten einer alten Ausgabe der NZZ – der vom 15. Januar 1992:

Für die Aussage, Weiach sei eine «ruhige» Gegend, müsste man angesichts des damals bereits seit 1976 unüberhörbar vorhandenen Fluglärms eigentlich schon fast einen Waffenschein vorlegen können.

Aus heutiger, klimagrünbewegter Warte ist eine weitere Werbeaussage besonders interessant: «Hier entstehen Landhäuser und Eigentumswohnungen. Komfort, Alternativheizungen sowie die Verwendung von biologischen Materialien sind für uns selbstverständlich.» 

Was auch immer diese Limmattaler Firma unter «Alternativheizung» subsumiert haben mag: An Einfamilienhäuschen – und seien sie noch so sehr nach Minergie- oder Nullenergie-Standard gebaut – hätten heutige Grüne einiges zu kritisieren. Die sind für Verdichtung in Innenstädten. Und sicher nicht für eine am Agglomerationsrand platzierte «Hüslipest» (Benedikt Loderer, Hochparterre). Aber eben: «Auch das ist Weiach» (Stefan Arnold, Gemeindepräsident).

Quelle

Montag, 18. September 2023

Ersatzwasser? Sicherheitshalber andere Quellen genutzt.

Am 14. November 1990 abends um 20:11 ist die DC-9-32 der Alitalia am Haggenberg zerschellt. Hat eine Schneise in den Wald geschlagen. Tod und Zerstörung hinterlassen.

Über einen eher weniger bekannten Aspekt der Aufräumarbeiten berichtete die NZZ zwei Monate nach der Katastrophe. Unter dem etwas seltsam anmutenden Titel «Ersatzwasser infolge Flugzeugabsturz in Weiach» heisst es da kurz und bündig:

«mth. In unmittelbarer Nähe der Flugzeugabsturzstelle bei Weiach sind rund 300 m3 ölverschmutzter Erde ausgehoben und in die Deponie Wettswil gebracht worden. Da sich in der Nähe der Absturzstelle am Haggenberg drei Quellen befinden, bleiben sie weiterhin vom Wasserversorgungsnetz Weiach abgehängt, bis keine Gefährdung des Wassers mehr besteht. Die Quellen werden vom kantonalen Gewässerschutzamt überwacht.»

Mit den drei Quellen sind die anlässlich des letzten Bannumgangs besuchten Quellfassungen in Surgen gemeint, die unterhalb der Absturzstelle liegen und bei denen man daher eine Kontamination befürchten musste. Deshalb die Abbaggerung des mit Kerosen und anderen Kohlenwasserstoffen verschmutzten Waldbodens.

Was der NZZ-Redaktor mit der Wortschöpfung «Ersatzwasser» zum Ausdruck bringen wollte? Es wurden ja lediglich diese drei Quellen aus Sicherheitsgründen von der Leitung zum Reservoir an der Hinteren Bergstrasse 20 abgehängt. Das hat den Zufluss verringert. Und bei erhöhtem Bedarf musste man dann halt eine grössere Menge aus dem Grundwasser im Gebiet Sädel hochpumpen.

Quellen

  • Ersatzwasser infolge Flugzeugabsturz in Weiach. In: Neue Zürcher Zeitung, Nummer 10, 14. Januar 1991 – S. 27.
  • Bild: DHM 2021/22 ZH auf maps.zh.ch

Sonntag, 17. September 2023

Dreiste Politiker – ein Glücksfall?

«Frächheit gwünnt!», sagte sich der Hochadelige Lütold VII., Freiherr von Regensberg, im Jahre 1254 und wies seine Leute an, innerhalb des neu definierten Stadtbezirks von Kaiserstuhl von einem dort bereits vorher bestehenden Landwirtschaftsbetrieb die Steuern einzukassieren. 

Mit dem Städtegründen hatten die Regensberger in dieser Zeit Erfahrung: Glanzenberg an der Limmat, Kaiserstuhl am Rhein und eben Regensberg auf dem Lägernsporn – alles hauseigene Projekte und alle im gleichen Jahrzehnt durchgezogen.

Das Problem: Lütold hatte damit einem anderen in die Tasche gegriffen. Und das war dann auch noch ausgerechnet eine derjenigen Institutionen, zu deren Schutz sich sein Haus verpflichtet hatte: das Kloster St. Blasien im Schwarzwald.

Selbstbedienungsladen?

Was die Position als Schirmvogt oder Kastvogt «beim Adel so begehrt machte, war die Möglichkeit, über deren Kompetenzen die Wirtschaft der reichen Klöster und Stifte zu kontrollieren sowie (z.B. bei Abtwahlen) auf die Klosterpolitik Einfluss zu nehmen. Die Klöster versuchten auf verschiedenen Wegen, sich vor Übergriffen des Adels zu sichern: Sie fixierten vertraglich die jährlichen Einkünfte des Vogts und seinen Teil an Gerichtsbussen und Konfiskationen.» (Quelle: e-HLS Kastvogtei)

Diese Art von Machtmissbrauch, der Versuch, sich auf Kosten des Beschirmten Rechte zuzuschanzen, war also keineswegs ein Einzelfall. Damit war Lütold beim Abt von St. Blasien allerdings an den Falschen geraten. Spätestens als dessen Leute bei oben erwähntem Landwirt die Steuern eintreiben wollten, hat sich der natürlich gewehrt (wer will schon doppelt Steuern zahlen), womit die Sache aufgeflogen ist.

Zur Rückzahlung verpflichtet

«Gaats no???», empörte sich der Abt und reichte beim Bischof von Konstanz eine Klage ein. Worauf das bischöfliche Schiedsgericht den Freiherrn Lütold zur Rückzahlung von zwei Jahren widerrechtlich bezogenen Steuern verdonnerte.

Im von Karl Schib vorbereiteten und durch Paul Kläui finalisierten Aargauer Urkundenbuch Bd. XIII über die Urkunden im Stadtarchiv Kaiserstuhl liest sich das in der geschichtlichen Einleitung wie folgt:

«Freiherr Lütold VI. von Regensberg hat von etwa 1254 an das Städtchen errichtet und die Gründung jedenfalls bis zum Herbst 1255 zu einem entscheidenden Abschluß gebracht. Dabei hatte er keine Rücksicht auf die dort liegenden Güter des Klosters St. Blasien, dessen Vogt er war, genommen und mußte vom Bischof von Konstanz zur Wiedergutmachung gezwungen werden.» (Kläui 1955, S. 9)

Die Lütold-Zählung VII. (vgl. den ersten Absatz des Artikels) stammt von der Kaiserstuhl-Expertin Franziska Wenzinger Plüss (e-HLS-Artikel Kaiserstuhl) sowie von Johann Wilhelm Braun (Bearbeiter Urkundenbuch des Klosters Sankt Blasien im Schwarzwald v. 2003, S. 463 u. 471) und entspricht dem aktuellen Forschungsstand. Das nur der Vollständigkeit halber. Ob es Lütold VI. oder sein Sohn Lütold VII. war, das spielt für die Zwecke dieses Beitrags keine Rolle.

Datierungstechnisch eine Punktlandung

Was damals schriftliche Unterlagen zu einem Gerichtsverfahren hat entstehen lassen, das ist für heutige Historiker ein Glücksfall. Weil wir nämlich sonst nicht fast aufs Jahr genau sagen könnten, wann das Hochadeligen-Konsortium, bestehend aus den Freiherren von Kaiserstuhl (mit Sitz auf dem heutigen Schloss Röteln am Nordufer, Gde. Hohentengen am Hochrhein) und der mit ihnen verwandten Freiherren von Wart und eben den Regensbergern, sich angeschickt hat, die auffällige Dreiecksform der Umfassungsmauer des Städtchens an die Rheinhalde bauen zu lassen. Sonst wäre es wie beim Kaiserstuhler Rheinübergang, von dem wir nicht so genau wissen, wann dort die erste Brücke errichtet worden ist.

Fazit: Manchmal sind dreiste Abzocker in Führungspositionen und ein daraus entstehendes Gerichtsverfahren nach Jahrhunderten doch noch ganz nützlich. Hätte der Herr Adelige nämlich reumütig und auf erste Aufforderung die zu Unrecht kassierten Einkünfte dem Kloster übergeben lassen, dann wäre spätestens nach ein paar Jahrzehnten Gras über die Sache gewachsen. Hat er nicht. Und deshalb sind die Prozessunterlagen sorgfältig aufbewahrt worden, falls wieder einer auf die Idee komme, diese Masche durchziehen zu wollen.

Kaiserstuhl belastet die natürlichen Ressourcen

Für die Weiacher war diese Gründung nicht unbedingt ein Glücksfall. Für sie bedeutete die Entscheidung der Adelsfamilien, mit dem Bau von Kaiserstuhl den Versuch zu wagen, die Handelsströme dort durchzuleiten, nämlich, dass sie nun ihre Weidegebiete nördlich des Dorfes und im Hasli mit den Kaiserstuhlern teilen mussten. Das mag Mitte des 13. Jahrhunderts noch kein Problem gewesen sein. Spätestens im 16. Jahrhundert war es aber durch den Bevölkerungsdruck eines geworden.

Das Kalkül der Adeligen war nämlich nicht aufgegangen. Bereits 1267 gerieten die Regensberger in einen erbitterten Kleinkrieg (sog. Regensbergerfehde) mit der Stadt Zürich und ihrem Verbündeten, dem Grafen Rudolf von Habsburg, denen diese Städtegründungen überhaupt nicht gefielen. Von diesem Kampf erholten sich die Regensberger nie mehr. Und auch ihre Allianzpartner (die von Kaiserstuhl und von Wart) mussten die Segel streichen und ihre Besitztümer verscherbeln. 

So ging Weiach 1295 an den Fürstbischof von Konstanz, der damals gerade seine Territorialherrschaft ausbaute. Damit fungierte Kaiserstuhl zwar zwischen 1294 und 1798 als lokales Verwaltungszentrum. Doch aus dem von den Gründern erhofften grossen Reibach dank Handelsverkehrsaufkommen wurde nichts. Was letztlich der Grund dafür ist, dass die Kaiserstuhler – von wenigen Ausnahmen abgesehen – nur dank einer Erwerbskombination aus Handwerk und Kleinlandwirtschaft überleben konnten. Und die ging zu Lasten der Fisibacher, Hohentengemer und Weiacher (vgl. den Weidgangsstreit von 1594, AU XIII Nr. 287; WeiachBlog Nr. 1353, Stand 2019).

Freitag, 15. September 2023

Hauchdünne Mehrheit für «Zukunft8187»!

Fast drei Monate hat das Warten gedauert. Gestern um 14:26 hatte es ein Ende. Zu diesem Zeitpunkt teilte die Gemeinderatskanzlei auf der Website das seit Wochen geheim gehaltene Resultat mit. Der Gemeinderat schreibt dazu:

«Die Abstimmungsergebnisse zu den zwei Kreditvorlagen Gemeindeinfrastruktur-Bauprojekt «Zukunft8187» durften aufgrund einer Anordnung durch den Bezirksrat Dielsdorf vom 6. Juni 2023 bisher nicht publiziert werden.

Aufgrund der Verfügung vom 14. September 2023 des Verwaltungsgerichts Zürich wird der Gemeinderat Weiach nun angewiesen, das Ergebnis der Urnenabstimmung umgehend amtlich zu publizieren.»

Kommentar WeiachBlog

Diese Resultate schlagen ein wie eine Bombe. Einerseits haben die Behörden und die auf ihrer Seite stehenden Lobbyorganisationen (Eusi Schuel, Familienverein, Turnverein, etc.) einen Sieg erzielt. Allerdings einen sehr knappen. Die Ja-Seite zählt nur 11 Stimmen mehr als die Nein-Minderheit. Und das bei fünf Stimmenthaltungen (leere Stimmzettel) und einer für Weiach ungewöhnlich hohen Stimmbeteiligung von über 55 %. Die Vorlage hatte also eine ziemlich grosse Mobilisierungswirkung, die die Zahl der sonst Abstimmenden glatt verdoppelt hat.

Andererseits ist da die trotz der 2xJa-Kampagnen-Walze eindeutig auf die andere Seite gekippte Zusatzvorlage über den Bau einer Tiefgarage. Rund 55 % Nein sind ein deutliches Zeichen, dass es bei einer anderen Paketbildung (z.B. der Integration der Garage in die Hauptvorlage) möglicherweise nicht für ein Ja zur Hauptvorlage gereicht hätte.

Spannende Ausgangslage vor Gericht

Bei dieser Ausgangslage wird es nun noch interessanter zu verfolgen, welches Vorgehen das Verwaltungsgericht des Kantons Zürich in Sachen Beschwerde gegen den Beleuchtenden Bericht wählt und wie es mit der alles entscheidenden Frage umgeht: 

Handelt es sich bloss um Ungenauigkeiten (wie es der Bezirksrat sieht) und kann damit davon ausgegangen werden, dass keine unzulässige Beeinflussung der Stimmberechtigten vorliegt?

Oder sind in dieser für den Stimmbürger als allein massgebend erachteten Unterlage tatsächlich Unwahrheiten enthalten (wie der Rekurrent moniert)? 

Sollte letzteres der Fall ein, dann müsste man angesichts dieses hauchdünnen Resultats und des hohen Briefwahlanteils (fast 90 %) die Frage stellen, ob die Abstimmung nicht wiederholt werden muss. Und zwar nach Korrektur der zu beanstandenden Teile des Beleuchtenden Berichts.

Dienstag, 12. September 2023

Projekt Hofwies vor 50 Jahren regierungsrätlich genehmigt

Es ist schon ein seltsamer Zufall. Heute Abend hat der Gemeinderat eine Medienmitteilung zum Weiterzug des Bezirksratsentscheids in der Causa «Zukunft 8187» herausgegeben (vgl. Stimmrechtsbeschwerde gegen die Urnenabstimmung vom 18. Juni 2023 geht in die nächste Runde).

Ebenfalls heute, aber vor exakt 50 Jahren, hat der Regierungsrat sein Placet zum Schulhausneubau Hofwies gegeben: just demjenigen Bauprojekt, um dessen weiteres Schicksal sich der aktuelle, nun seit über drei Jahren schwelende Schulraumkonflikt im Kern dreht: Abriss oder Sanierung?

«Eine Kostensenkung ... ist jedoch anzustreben»

Und weil sich doch viele der (freiwilligen und unfreiwilligen!) Leserinnen und Leser des WeiachBlog für diese Infrastrukturfrage interessieren, so darf hier auch der volle Wortlaut des damaligen Beschlusses RRB 1973/4557 wiedergegeben werden:

«Die Primarschulpflege Weiach ersucht um Genehmigung des Projekts und um Zusicherung eines Staatsbeitrags für die Erweiterung der Schulanlage Weiach. Anlässlich der Genehmigung des entsprechenden Raumprogramms wurde der Schulpflege nahegelegt, das Bauvolumen im Hinblick auf die finanziellen Auswirkungen herabzusetzen und auf das Notwendigste zu beschränken.

Es ist daher vorgesehen, die Schulschwimmanlage unter der Turnhalle samt Nebenräumen sowie einige weitere Räume einstweilen nur im Rohbau zu erstellen. Das Raumprogramm für den Schulteil ist um ein Klassenzimmer, Sammlungs-, Material- und Abstellräume, einen Aussengeräteraum und eine Pausenhalle ergänzt worden. Die Aussenanlagen werden erweitert. Den Abweichungen vom genehmigten Raumprogramm kann zugestimmt werden.

Zum Projekt ist zu bemerken, dass der Einfügung ins Orts- und Landschaftsbild Rechnung getragen und bei den Aussenanlagen die besonderen nachbarlichen Verhältnisse berücksichtigt wurden. Der Anteil der Verkehrsfläche ist nicht zu beanstanden. Der Genehmigung steht nichts im Weg.

Die Kosten sind einschliesslich Landerwerb, im Rohbau belassene Gebäudeteile und Umgebungsarbeiten auf Fr. 5 093 792 veranschlagt. Die zusätzlichen Aufwendungen der Politischen Gemeinde für das Feuerwehrlokal, die Militärunterkunft, Zivilschutzeinbauten und eine Bühne belaufen sich auf Fr. 1 250 100. Die hohen Gesamtkosten sind im wesentlichen auf die erwähnten Anpassungen an die Umgebung, die Vorleistungen für spätere Bauetappen sowie die teilweise aufwendige Fassadengestaltung zurückzuführen. Sie werden als tragbar für die Gemeinde beurteilt.

Eine Kostensenkung ohne Beeinträchtigung der Qualität ist jedoch anzustreben.

Die subventionsberechtigten Gebäudekosten können bei 13 1/4 anrechenbaren Raumeinheiten auf Fr. 2 385 000 festgesetzt werden. Die weiteren beitragsberechtigten Kosten sind unter Berücksichtigung der §§ 29 und 30 der Verordnung zum Schulleistungsgesetz zu bestimmen, wenn die Bauabrechnung vorliegt.

Nicht aus Schulbaukrediten subventionsberechtigt sind die Mehrgrössen einzelner Räume, die im Rohbau belassenen Bauteile, schulfremden Zwecken dienende Anlagen und Einrichtungen, deren Kosten zum grössten Teil zu Lasten der Politischen Gemeinde gehen, ferner Mehrkosten einer aufwendigen gegenüber einer einfacheren Ausführung und Arbeiten ausserhalb des Schulareals. Für Platz- und Laufbahnbeläge samt Unterlage werden Fr. 55 pro m2 als beitragsberechtigt anerkannt.

Auf Antrag der Direktion des Erziehungswesens

beschliesst der Regierungsrat:

I. Das Projekt der Primarschulpflege Weiach über die Erweiterung der Schulanlage Weiach um im wesentlichen vier Klassenzimmer und eine Turnhalle im approximativen Kostenbetrag für den Schulteil von Fr. 5 093 792 wird genehmigt.

II. Ein Staatsbeitrag an die subventionsberechtigten Kosten wird zugesichert. Seine Höhe richtet sich nach den im Zeitpunkt der Subventionierung geltenden Bestimmungen. Die subventionsberechtigten Gebäudekosten werden auf Fr. 2 385 000 festgesetzt.

III. Bei der Durchführung des Bauvorhabens ist die Wegleitung für Schulbauten vom 14. Juni 1968 zu beachten.

IV. Mitteilung an die Primarschulpflege Weiach, die Bezirksschulpflege Dielsdorf, den kantonalen Turnexperten, R. Bühler, Stadel, sowie an die Direktionen des Innern, der Volkswirtschaft, der öffentlichen Bauten und des Erziehungswesens.»

Regierungsrätlicher Mahnfinger. Ein Kommentar. [Nachtrag 14.9./15.9.]

Nach einigen Tagen online sei hier dem Beitrag doch noch eine Bemerkung nachgereicht. Wie oben per Zwischentitel redaktionell hervorgehoben, hat die Zürcher Verwaltung hier offensichtlich versucht, mässigend auf die aus deren Sicht überbordenden Bauplanungen der Weiacherinnen und Weiacher einzuwirken. 

Da die Oberstufenschulgemeinde ihr 1964 durch die Stimmberechtigten bewilligtes Bauprojekt selbstverständlich auch dem Kanton vorlegen musste, hatte man an zuständiger Stelle ja mitbekommen, dass es nahe Schüpfheim bei Stadel (also nicht allzu weit entfernt) seit 1966 bereits eine solche Schulschwimmanlage gab. 

Dem Schulschwimmanlagen-Diktat entkommen?

Dass die Weiacher ihr eigenes Hallenschwimmbad geplant haben, das war aber wohl nicht ihre eigene Idee. Also auch kein Versuch, sozusagen mit den Stadlern gleichzuziehen, wie man annehmen könnte.

Die im Beschlussdispositiv Ziff. III erwähnte Wegleitung für Schulbauten von 1968 dürfte im Raumprogramm für Schulhäuser eine sogenannte Schulschwimmanlage fix vorgesehen haben. Denn eine solche kommt in den Regierungsratsbeschlüssen zu Raumprogrammen von Schulhausprojekten ab diesem Jahr auffällig gehäuft vor.

Selbst eine so kleine Gemeinde wie Hüntwangen (im Rafzerfeld, und von der damaligen Einwohnerzahl her mit uns vergleichbar) hatte eine solche 1971 im Raumprogramm (vgl. StAZH MM 3.132 RRB 1971/4597) und offenbar auch fertiggestellt. Ein ähnliches Phänomen ist 1973 bei der Gemeinde Marthalen festzustellen (im Weinland gelegen, damals ca. doppelt so viele Einwohner wie Weiach; vgl. StAZH MM 3.137 RRB 1973/0227). Die Schwimmbecken werden in den RRB überdies auffallend häufig mit den Standardmassen 8 x 16.66 m aufgeführt. Es sieht also ganz danach aus, als ob Weiach um eine zu dieser Zeit gerade in Mode stehende neue Anforderung der Erziehungsdirektion herumgekommen ist.

Kritisiert wurde durch die Experten, die den Regierungsratsbeschluss vorbereitet haben, auch die «teilweise aufwendige Fassadengestaltung». Ob das letztlich zu einer Projektüberarbeitung geführt hat, wäre noch abzuklären.

Die Geschichte dieser Bauetappe der Weiacher Schulanlage muss noch anhand der Akten im Archiv der Primarschulgemeinde sowie allfälliger im Staatsarchiv gelandeter Bestände der Bildungsdirektion en détail aufgearbeitet werden.

Quellen und Literatur

Sonntag, 10. September 2023

Die grössten Parzellen sind die Gemeindewaldungen

Die kleinsten Parzellen gehören der Gemeinde (warum das so ist, wird in WeiachBlog Nr. 1301 erklärt). Dasselbe gilt aber auch für die grössten Grundstücke. Auch sie sind Gemeindeeigentum. Die mit Abstand grösste Weiacher Parzelle ist die hier:



BFS-Nr 102 [d.h. Weiach]
Nummer 1144
EGRIS_EGRID CH942176778732
Fläche
[m²] 832211

So steht es im GIS des Kantons Zürich. Das sind dann also 0.832 km² oder 8.69 % der gesamten Gemeindefläche von 9'577'697 m² (Stand 2016, vgl. WeiachBlog Nr. 1286). Auch mit vereinten Quadratmetern können die Nummern 2 und 3 dieser geballten Grösse nichts entgegenhalten. 

Der eckige Wald im «Under Hard» ...

Auf Platz 2 liegt die Parzelle 607 mit dem Hardwald, 330'690 m², südlich begrenzt durch die Bahnlinie, westlich durch das Kieswerk-Areal, östlich durch die Grenze zu Glattfelden und nördlich durch die Rheinuferparzelle des Kantons. Als Enklave innerhalb der Parzelle 607 findet man übrigens das Mini-Grundstück Nr. 604 (183 m²), das den Perimeter der Römer-Warte auf dem sog. Verfluchten Platz umschliesst (vgl. Weiacher Geschichte(n) Nr. 108, PDF, 957 KB) und seit 1968 im Eigentum des Kantons Zürich steht.


... und ein Fantasietier am Haggenberg?

Auf Platz 3 liegt die Parzelle 947 an der höchsten Lage die Weiach zu bieten hat (vgl. WeiachBlog Nr. 1592) zwischen Müliboden und Haggenberg. Die 324'902 m² verteilen sich auf eine sehr spezielle Form. Das Grundstück sieht fast aus wie ein Tier, das an der Gemeindegrenze zu Bachs und Stadel sitzt.


Zusammen belegen die beiden grössten Parzellen 12.15% der gesamten Gemeindefläche, die drei grössten bringen es vereint auf 15.53 %.

Literatur

Freitag, 8. September 2023

Der Weiacher Gemeinderat hat weiterhin nur fünf Mitglieder

Wer den Zürcher Staatskalender 2023/2024 zur Hand nimmt (oder elektronisch drin blättert), der findet dort auch eine halbe Seite über Weiach. In der aktuellen, gerade erschienenen Ausgabe auf der Seite 571. Oben Weiach, unten Weiningen.

Was man da lernt? Nun, auch wenn Sie geglaubt haben, Weiach habe jetzt sechs Mitglieder im Gemeinderat (vier Männer und zwei Frauen), dann werden Sie hier eines Besseren belehrt. Es sind nur fünf:

Wer fehlt? Antwort: Die Schulpräsidentin, Frau Dania Peter. Nicht im Gemeinderat. Sagt der Kanton. Der gleiche Kanton, dessen Regierung am 2. Februar 2022 unsere kommunale Verfassung, die Gemeindeordnung GO Weiach 2022 genehmigt hat.

Die Gemeindeordnung ist klar und deutlich

Dort drin wird über den Gemeinderat in Art. 21 Abs. 1 zur Zusammensetzung bestimmt:

«Der Gemeinderat besteht mit Einschluss der Präsidentin bzw. des Präsidenten aus sechs Mitgliedern. Darin eingeschlossen ist die Präsidentin bzw. der Präsident der Schulpflege.»

Und über die «Schulpflege als eigenständige Kommission» in Art. 27 Abs. 2:

«Die Schulpräsidentin bzw. der Schulpräsident ist von Amts wegen Mitglied des Gemeinderats.»

Also doch. Sechs Mitglieder. Wieso sind dann oben nur fünf aufgeführt? Wer hat da nicht aufgepasst?

Irrtum Staatskanzlei...?

Auf der entsprechenden Ansprechpartnerseite Gemeinderat der Gemeindewebsite sind die Ratsmitglieder nach Rang und Anciennität aufgeführt: Arnold, Brüngger, Wunderlin, Petitpierre, Galimberti-Vogel, Peter. Gefolgt vom Gemeindeschreiber Diethelm.

Wer dort flüchtig hinschaut, erkennt nur, dass die ersten fünf Personen sowohl eine Funktion wie auch ein Aufgabenportfolio zugewiesen haben. Die letzten beiden, Dania Peter und Thomas Diethelm, jedoch lediglich eine Funktion. Und keine Aufgaben.

Hat man sich also bei der Staatskanzlei beim Zusammenziehen der aktuellen Daten geirrt?

... Irrtum Gemeindeverwaltung!

Nein, sagt die Staatskanzlei des Kantons Zürich auf Anfrage von WeiachBlog. Sie hätten nicht die Aufgabe, diese Daten à jour zu halten. Verständlich. Bei mittlerweile noch 160 Gemeinden wäre das eine ziemliche Rechercheleistung. Zumal die entsprechenden Websites in keiner Art und Weise normiert sind, sodass man die gesuchten Informationen nicht immer auf die gleiche Weise fände.

Die Gemeinden erhalten deshalb jährlich einen Probe-Abzug (sogenanntes Gut-zum-Druck), mit der Aufforderung, den Inhalt wo nötig zu korrigieren und der Redaktion des Staatskalenders einzusenden.

Und so ergibt es sich, dass man offenbar auf unserer Gemeindeverwaltung entweder nicht wirklich exakt arbeitet oder schlicht zu wenig Ahnung vom Inhalt der Gemeindeordnung hat. 

Der Fehler mit lediglich fünf Mitgliedern des Gemeinderates findet sich nämlich bereits in der Ausgabe 2022/2023 desselben Staatskalenders. Dort einfach noch mit dem Namen des damals verantwortlichen Gemeindeschreibers ad interim (von der Firma inoversum). Wie oben ersichtlich steht im aktuellen Kalender der Name des amtierenden Gemeindeschreibers Diethelm. Den hat man also korrigiert. Nur die zweite Gemeinderätin fehlt weiterhin.

Chefsache Gut-zum-Druck

Um solche Peinlichkeiten künftig zu vermeiden bleibt dem Verwaltungschef wohl keine andere Abhilfe als diese Korrektur selber in die Hand zu nehmen. Mindestens für die Ausgabe 2024/2025. 

Vorher wird das nämlich nicht korrigiert. Sagt die Staatskanzlei. Bis im September 2024 hat die Gemeinde Weiach nicht sechs, sondern staatskalenderoffiziell nur fünf Gemeinderatsmitglieder. Sorry, Frau Peter!

Sämi Meier 32 Tage ungenehmigt Gemeinderat

Nun, Frau Peter steht lediglich nicht im Staatskalender. Ist aber rechtsgültig als Gemeinderätin gewählt. Anders sah das bei ihrem Vorgänger Meier während der ersten Tage des Jahres 2022 aus. 

Wie man in den Übergangs- und Schlussbestimmungen lesen kann (Art. 46 Inkrafttreten) erlangte die Gemeindeordnung eigentlich erst nach Genehmigung durch die Zürcher Regierung ihre volle Rechtskraft:

«Diese Gemeindeordnung tritt nach ihrer Annahme durch die Stimmberechtigten an der Urnenabstimmung und nach der Genehmigung durch den Regierungsrat am 1. Januar 2022 in Kraft.

Der 1. Januar war die Planung. Die Realität sieht anders aus. Weiter unten auf derselben Seite steht nämlich explizit: «Vom Regierungsrat des Kantons Zürich am 2. Februar 2022 genehmigt.» Fazit: der Gemeinderat Weiach hat erst seit dem 2. Februar 2022 offiziell sechs Mitglieder.

Quelle

  • Kanton Zürich. Staatskalender 2023/2024. Herausgegeben von der Staatskanzlei des Kantons Zürich, 8090 Zürich. Stand Juli 2023; Publikationsdatum September 2023. Auflage: 1800 Exemplare (PDF | 670 Seiten | Deutsch | 9 MB).

Donnerstag, 7. September 2023

Causa «Zukunft 8187» ans Verwaltungsgericht weitergezogen

«Bald erfährt Weiach das Abstimmungsresultat vom 18. Juni», titelte der Zürcher Unterländer am 1. September. Womöglich muss ZU-Journalist Abazi nun aber die Definition von «bald» ausweiten.

Abazis Artikel war eine Reaktion auf eine Medienmitteilung, die der Gemeinderat Weiach am 30. August versandt hat (s. Quellen unten). Inhalt: der Entscheid des Bezirksrats Dielsdorf über den Stimmrechtsrekurs zur Vorlage «Zukunft 8187» vom 28. August.

Wie WeiachBlog nun vom Rekurrenten erfahren hat, ist gestern, 6. September, eine Beschwerde gegen diesen Beschluss per Post an das Verwaltungsgericht des Kantons Zürich abgegangen. 

Wie der Fristenlauf berechnet wird

Damit dürfte die fünftägige Frist ab Zustelldatum eingehalten und die Einsprache fristgereicht eingereicht sein. Denn solche Fristen werden in der Regel so bemessen, dass sie ab dem Tag laufen, der auf den Zustelltag folgt (vgl. Website des Verwaltungsgerichts des Kantons Zürich und § 22 Abs. 2 VRG). 

Im Fall des Rekurrenten hat er den Bescheid des Bezirksrats am 1. September abgeholt. Die Frist begann also am 2. September und nach Strübis Rächnigsbüechli endet sie am 6. September. Sie gilt als eingehalten, wenn die Eingabe am letzten Tag der Frist nachweislich der Schweizerischen Post übergeben wurde.

Das Resultat bleibt vorerst weiterhin geheim

Es könnte also noch etliche Wochen bis Monate dauern, bis das Verwaltungsgericht sich mit der Angelegenheit in ausreichendem Masse befasst hat, um entscheiden zu können, ob es die vorsorgliche Massnahme des Bezirksratspräsidenten kippt oder nicht. 

Diese Massnahme, die angeordnete Geheimhaltung des Abstimmungsresultats, gilt nun nämlich weiterhin, wie dem Beschluss des Bezirksrats vom 28. August zu entnehmen ist:

«Der Rekursgegner [d. h. die Gemeinde Weiach] wird angewiesen, das Abstimmungsergebnis vom 18. Juni 2023 nach Rechtskraft dieses Entscheids mit Rechtsmittelbelehrung zu publizieren. Die Stimmzettel sind weiterhin versiegelt zu behalten.» (Beschluss BezR, S. 33, Ziff. II des Beschlussdispositivs)

Denn rechtskräftig wird der Beschluss des Bezirksrats nach der seit gestern eingetretenen Sachlage erst dann, wenn ihn das Verwaltungsgericht in der Hauptsache bestätigt hat. Und der Rekurrent nicht noch ans Bundesgericht appelliert (sofern das überhaupt zulässig ist).

Quellen und Artikel zu den juristischen Auseinandersetzungen

Montag, 4. September 2023

Damals, 1984: Weiacher Steuerfuss in den Top 3

Stand heute (d.h. im Steuerjahr 2023) liegt Weiach mit seinem Gemeindesteuerfuss von 90 % (gerechnet ohne Kirchensteuern) auf Platz 22 der Kantonsrangliste, ex aequo mit Nürensdorf und Horgen (nach Daten des Statistischen Amts des Kantons Zürich).

Verglichen mit der roten Laterne (130 % auf Rang 160), der Gemeinde Maschwanden im Säuliamt, steht Weiach immer noch ziemlich gut da. Jedenfalls jetzt noch. 

Darüber, wie sich das in Zukunft entwickeln soll, bestehen ja bekanntlich höchst unterschiedliche Auffassungen, von alarmistischen, die Weiach als Steuerhölle auf dem Niveau von Bachs, Eglisau oder gar Maschwanden sehen, bis überoptimistischen, die schon wissen wollen, dass sich die Gemeinde vor den Millionen (aus Tiefenlager-Geldern, oder was auch immer) nicht mehr werde retten können.

Steuersenkungen auf breiter Front

Für die katholischen Neuen Zürcher Nachrichten war im Frühjahr 1984 die Rangliste jedenfalls nicht das Topthema. Wohl aber die Senkung, die der Mehrheit der Steuerzahlenden zuteil geworden ist:

«(sda) In 84 oder rund der Hälfte der Zürcher Gemeinden mit insgesamt zwei Dritteln der Wohnbevölkerung des Kantons Zürich ist der Steuerfuss (ohne Kirchensteuer) für 1984 gegenüber dem Vorjahr gesenkt worden. Wie das Statistische Amt des Kantons Zürich am Montag meldete, gehören dazu auch die Stadt Zürich mit einem Einwohneranteil von 32 Prozent sowie Winterthur mit rund 8 Prozent.

In 76 dieser Gemeinden wurde der Steuerfuss um weniger als 5 Prozent der einfachen Staatssteuer gesenkt; in acht Gemeinden zwischen 5 und 23 Prozent. Von höheren Steuerfüssen sind rund 3 Prozent der Kantonsbevölkerung in neun Gemeinden betroffen. In den übrigen 78 Gemeinden wurde der Steuerfuss nicht verändert. Das mit der Anzahl Steuerpflichtiger gewogene Mittel der Steuerfüsse aller Gemeinden ergibt 1984 - immer ohne Berücksichtigung der Kirchensteuer - mit 121,7 Prozent der einfachen Staatssteuer einen um 1,2 Steuerprozent niedrigeren Wert als im Vorjahr. Die Stadt Zürich weist 1984 mit 131 Prozent den höchsten Steuerfuss auf. Die Steuerfüsse der übrigen 170 Gemeinden reichen von 84 bis 127 Prozent. 1979 betrugen noch in 130 Gemeinden mit drei Viertel der kantonalen Wohnbevölkerung die Steuerfüsse 131 bis 155 Steuerprozent. Den tiefsten Steuerfuss findet man neu in Uitikon mit 84 Steuerprozenten, gefolgt von Küsnacht und Weiach mit 85.»

In der Retrospektive war es also so, dass Weiach Mitte der 1980 auf den Radarschirmen der Städter aufgetaucht ist. Als Kiesgüterwagen-Herkunftsort und Steueroase, die im Gegensatz zum sonst für wohlhabende Gemeinden üblichen Muster der Stadt- und Zürichsee-Nähe weiter vom Schuss liegt. Um nicht zu sagen: ein Kaff am A.d.W. darstellt.

Quelle

  • In Uitikon tiefster Steuerfuss. Steuerfuss wurde in 84 Gemeinden gesenkt. In: Neue Zürcher Nachrichten, Nummer 57, 8. März 1984 – S. 3
[Veröffentlicht am 5.9.2023 um 00:10 MESZ]

Sonntag, 3. September 2023

Der Hauspflegeverein Weiach im Herbst 1983

«In den nächsten Tagen», so wurde auf WeiachBlog im März 2010 angekündigt, werde «das eine oder andere Interview» aus der in den noch jungen Mitteilungen für die Gemeinde Weiach publizierten Reihe Unter uns... in elektronischer Form im Blog zur Verfügung gestellt (vgl. WeiachBlog Nr. 784).

Ein dehnbarer Begriff. Denn es sind mittlerweile 4930 Tage ins Land gezogen, bis nun auch das letzte der sechs damals unter «Literatur» aufgeführten Interviews zum Zug kommt: Das mit zwei Vertreterinnen des Hauspflegevereins Weiach. 

Dieser Verein hat in den 1950ern ein Konzept verwirklicht, das später in Stadel ebenfalls zur Gründung eines solchen Vereins geführt hat. Und das sich mittlerweile in der Form der SPITEX-Dienste Stadel-Bachs-Weiach konstituiert. 

Gegründet 1951

Geführt wurde das Interview (wie alle in der Reihe Unter uns...) durch Regula Brandenberger. Der Text in den MGW ist kursiv gestellt, die redaktionellen Ergänzungen des WeiachBlog stehen in eckigen Klammern, soweit es sich nicht um Zwischentitel handelt:

Dieses Mal wird nicht über eine bestimmte Person berichtet, sondern über eine Einrichtung, eine Dienstleistungsstelle: Ueber die Hauspflege.

Seit dem Frühjahr 1983 ist Frau Trudi Werren, Oberdorf, Tel. 858 25 55 die neue Hauspflege-Vermittlerin.

Rotraut «Trudi» Werren-Ulbing (27.11.1930-1.1.2023)
(Bildquelle: MGW, November 1983, S. 19)

Da dieses Amt für Frau T. Werren noch relativ neu ist, haben wir Frau Rösli Baumgartner gebeten, bei diesem Gespräch mitzuhelfen.  

[Rosa Baumgartner-Thut, *1932, war eine der ersten Hauspflegerinnen, vgl. WeiachBlog Nr. 185] 

R.B. - Seit wann gibt es in Weiach eine Hauspflege?

T.W. - Seit 1951.

R.B. - Wer hat diese Hauspflege gegründet?

Frau Pfarrer Hauser, mit Hilfe des Frauenvereins. 

[Gertrud Hauser-Pestalozzi, Ehefrau des damaligen Weiacher Pfarrers, Präsidentin des Frauenvereins Weiach 1947-1956, vgl. Weiacher Geschichte(n) Nr. 59 sowie WeiachBlog Nr. 219]

R.B. - Ist dieser Hauspflegeverein nach eigenen Ideen und Bedürfnissen entstanden, oder liegt ihm ein Modell einer andern Gemeinde zugrunde?

T.W. - Unser Hauspflegeverein ist weitgehend selbständig, nach eigenen Ideen entstanden; auch finanziell haben wir bei Null begonnen und die Anfänge finanziert mit Bazarerträgen.

R.B. - Ist der Verein immer noch gleich organisiert wie vor gut 30 Jahren?

T.W. - Ja, nämlich: 1 Präsident, 1 Aktuar, 1 Kassier, 1 Beisitzerin, 1 Vermittlerin. Seit der Krankenpflegedienst angegliedert ist, wurde die die [sic!] Beisitzerin ersetzt durch eine 2. Kassierin.

Ohne Moos, nix los

R.B. - Wie kommt der Hauspflegeverein zu den nötigen Finanzen?

T.W. - Am Anfang standen nur die Mitgliederbeiträge und Pflegetaxen und die Bazargelder zur Verfügung; heute setzt sich das Betriebskapital zusammen aus:

- Staatsbeitrag (richtet sich nach dem Gemeindesteuerfuss)
- Gemeindebeitrag (Defizitgarantie seit 1980)
- Armenpflegebeitrag
- Pflegetaxen
- Mitgliederbeiträge
- Spenden

R.B. - Haben sich diese Beiträge sehr erhöht seit früher?

T.W. - Früher, also in den 50er-Jahren, war der Mitgliederbeitrag Fr. 5.-, heute ist er Fr. 15.-; Bei Engpässen liess sich immer ein Kompromiss finden, z.B. mit der Hilfshauspflege.  

[Man kann da nach wie vor Mitglied werden. Aktueller Mitgliederbeitrag gemäss Website der Spitex Stadel-Bachs-Weiach: CHF 40 für Einzelpersonen und Familien. Inflationsbereinigt nach dem Historischen Lohnindex HLI von swistoval.ch ist der Mitgliederbeitrag also im Vergleich zur Gründungszeit nicht gestiegen]

Anforderungen an die Pflegerin

R.B. - Wie kann ein Arbeitstag einer Hauspflegerin aussehen?

T.W. - Ueber kürzere oder auch längere Zeit
- Ganztagesstelle,
- Halbtagsstelle;
- stundenweise (Hilfshauspflege); letzteres entweder bei: Arbeitsüberlastung, oder auch Mangel an grösseren Einsätzen.

R.B. - Wie steht es mit der Ausbildung der Hauspflegerin?

T.W. - Früher hatte die Hauspflegerin keine spezielle Ausbildung; die praktische Erfahrung wurde ergänzt durch Fachkurse. Heute gibt es Hauspflegerinnenschulen, die allerdings vom Staat noch nicht anerkannt werden.

Wichtigste Voraussetzungen, in beiden Fällen: 
- Freude und Erfahrung im Haushalten (Beweglichkeit!)
- Begabung im Umgang mit Gesunden und Kranken
- Verschwiegenheit

Trennung von den Aargauern erzwang Neuausrichtung

R.B. - Welchen Wunsch soll ich anbringen aus der Sicht der Vermittlerin oder der Vertreterin des Vorstandes?

T.W. - Wir möchten unsere Hauspflege in unserem Dorf sehr gerne vermitteln; man braucht nicht schwer krank zu sein, um sie zu beanspruchen! Sie kann auch einmal als Aushilfe einspringen; da Fisibach und Kaiserstuhl seit 1983 einen [sic!] eigenen Regionalkreis angeschlossen sind, ist das Arbeitsgebiet unserer Hauspflegerin sehr zusammengeschrumpft!

[Die kantonsgrenzenübergreifende Zusammenarbeit hatte die Auslastung der Weiacher Hauspflegerin signifikant verbessert, was nach deren Wegfall eine Neuausrichtung unumgänglich gemacht hat.]

Unsere Zusammenarbeit mit Stadel war seit jeher gut und erfreulich; wenn wir die Hauspflege mehr beanspruchen würden, wäre das nicht zu Ungunsten der Stadler, sondern zur besseren Auslastung dieses Vollamtes. 

--------

Anschliessend zur Erinnerung beide Adressen:

Vermittlerin: Frau Trudi Werren, Oberdorf, Weiach [Tel-Nr. wie oben]
Hauspflegerin: Frl. Maja Bührer, Stäglistr. 14, Stadel [keine Tel-Nr. angegeben]

Weiach, 25. Okt. 1983  R. Brandenberger 

Hinweis: Zu beachten ist, dass vor den Antworten im Original das Kürzel T.W./R.B. steht, getreu dem Umstand, dass die Antwort in vielen Fällen von Rösli Baumgartner gegeben worden sein dürfte. Da aber die Initialen der Interviewerin zufälligerweise gleich sind wie diejenigen von einer der Interviewten, sind diese vorstehend zur Vermeidung von Verwirrung weggelassen worden.

Quelle und Literatur

  • Brandenberger, R.: Unter uns... Hauspflege. In: Mitteilungen für die Gemeinde Weiach, November 1983 – S. 19-20.
  • Brandenberger, U.:  Unter uns... Dörfliche Amtsträger im Interview. WeiachBlog Nr. 784 v. 5. März 2010.

Samstag, 2. September 2023

Zähneknirschendes «Ja, aber...» zu NAGRA-Bohrgesuch

«1978 verschärfte ein Bundesbeschluss die Vorschriften des Atomgesetzes über die Entsorgung der radioaktiven Abfälle, ein Problem, an dem die 1972 gegründete Nationale Genossenschaft für die Lagerung radioaktiver Abfälle (Nagra) arbeitet, das aber ungelöst blieb», schreibt Peter Hug im Historischen Lexikon der Schweiz. 

Dreistellige Millionenbeträge hat die Nagra auf der Suche nach Standorten schon verbraten und verkauft sich und ihr Tiefenlagerprojekt Nördlich Lägern nun mit dem Argument Gotthardbasistunnel. Der zeige ja, dass die Schweiz Grossprojekte könne. Bauen. Ja. Aber betreiben? Da gibt es dann doch einige Sicherheitsprobleme, die nicht genügend adressiert wurden. Kerntechnische Abfälle sind allerdings eine ganz andere Hausnummer als ein entgleister Güterzug.

Konsultativabstimmung: 98% Nein zu Probebohrung

Schon damals schlug der Nagra grösstes Misstrauen entgegen, als sie das Ansinnen bekanntgab, auf Weiacher Gebiet eine Probebohrung abteufen zu wollen. Und der Gemeinderat sah das als Auftrag, bei der Bewilligungsfrage sehr genau hinzuschauen, wie man der NZZ vom 19. Februar 1982 entnehmen kann:

«(sda) Der Gemeinderat von Weiach wird dem Gesuch der Nagra für Probebohrungen entsprechen, allerdings unter ganz bestimmten Bedingungen. Da sich in der Gemeinde ein grösseres Grundwasserschutzgebiet befindet, soll dieser Frage besondere Bedeutung beigemessen werden, betonte Gemeindepräsident Ernst Baumgartner. Aber auch hinsichtlich Verkehrsregelung, Sicherheit und Ordnung, wofür der Kanton zuständig ist, will Weiach entsprechende Zusicherungen. Vorerst wartet man jedoch die genau formulierten Bedingungen des Bundes, unter welchen die Probebohrungen vorgenommen werden sollen, ab. Weiach war auf das Ende 1980 eingereichte Bohrgesuch der Nagra vorerst nicht eingetreten, da die Standortbewilligung des Bundes noch nicht vorlag. In einer Konsultativabstimmung hatten die Einwohner von Weiach sich mit 104:2 Stimmen gegen die Probebohrungen ausgesprochen.»

Diese Abstimmung fand – laut der Schweizer Kernenergiechronik – am 17. September 1980 statt. Unter Ermst Baumgartner-Brennwald, einem Präsidenten mit dem Finger am Puls der Bevölkerung.

Viereinhalb Jahrzehnte sind seither vergangen. Und der Kontrast in der Art und Weise wie seitens des Gemeinderates heute mit der Frontorganisation Nagra umgegangen wird, könnte nicht grösser sein.

Wie gross ist die Zustimmung zum Tiefenlager wirklich?

Heute, unter Stefan Arnold-Wäckerlin, ist weit und breit keine Spur von einer solchen Abstimmung zu sehen. Im Gegenteil: Da ist Weiach gar der GMF Europe, einer europäischen Vereinigung von Gemeinden mit Atomanlagen beigetreten, obwohl auf unserem Gemeindegebiet nichts dergleichen geplant ist (die Oberflächenanlage NL-6 kommt jetzt ja im Gebiet von Windlach beim Haberstal zu stehen). Und auch zu diesem Beitritt hatten die Weiacher Stimmbürger rein gar nichts zu sagen.

Die Stadler Gemeindeoberen machen immerhin eine Bevölkerungsumfrage. Die Ergebnisse lassen erahnen, dass die vom Weiacher Gemeindepräsidenten Arnold in einem PR-Video der Nagra als quasi gegeben hingestellte, sozusagen kollektive Bereitschaft der Weiacher, Verantwortung zu übernehmen, längst nicht von allen Hiesigen geteilt werden dürfte. 

Quellen und Literatur

  • Weiach und die Nagra-Probebohrungen. Bewilligung mit gewissen Auflagen. In: Neue Zürcher Zeitung, Nummer 41, 19. Februar 1982 – S. 52
  • Peter Hug, P.: Atomenergie. In: Historisches Lexikon der Schweiz (e-HLS), Version vom 20.04.2011.
  • Gemeinderat Stadel (Hrsg.): Die Bevölkerungsumfrage zeigt: Stadel steht dem Tiefenlager kritisch gegenüber. In: Website stadel.ch, 29. August 2023.

Freitag, 1. September 2023

Unumstrittene Pfarrerwahl und Kampfwahl in die Kirchenpflege

Vor einigen Tagen wurde wieder einmal eine sogenannt «stille Wahl» verkündet. Eine Ersatzwahl in die Rechnungsprüfungskommission. Da sich nur ein Kandidat auf die todesfallbedingte Vakanz gemeldet hatte und sich dieser Umstand auch nach Einberaumung einer Nachfrist nicht änderte, erklärte die Wahlbehörde Dieter Brocks als gewählt (vgl. Amtliche Publikation vom 25. August 2023).

Das kann aber auch anders laufen, wie man der NZZ vom 6. April 1981 entnimmt. Hilmar Höber berichtet über die Wahl des neuen Pfarrers und einen Eklat um die Kirchenpflege. Die erstere musste ohnehin durchgeführt werden, bei der zweiten kam der Sprengkandidat für die Kirchenpflege eher überraschend:

«hhö. Die reformierte Kirchgemeinde Weiach erhält einen neuen Pfarrer. Die Stimmbürgerschaft sanktionierte die Berufungswahl von Thomas Kölliker, zurzeit Pfarrer in Fällanden, mit 166 zu 2 Stimmen. Eine Kampfwahl gab es um den verwaisten Sitz in der Kirchenpflege. Gewählt wurde bei einem absoluten Mehr von 85 Stimmen Hans-Rudolf Meierhofer mit 127 Stimmen, während die offizielle Kandidatin Regula Brandenberger mit 36 Stimmen deutlich auf der Strecke blieb. Die Wahlbeteiligung erreichte 53 Prozent.»

Zur Strecke gebracht?

Der Klassiker, wie ihn Weiach schon mehrfach erlebt hat: Alteingesessener schlägt Neuzuzüger aus dem Feld. Eine ziemlich herbe Niederlage für die Kandidatin, die das aber offenbar gut weggesteckt hat, vor- wie nachher im kulturellen Leben der Gemeinde verschiedene Aufgaben übernahm (Frauenverein, Ortsmuseumskommission, Weiacher Aktions-Gemeinschaft, etc.) und später sogar in die kantonale Kirchensynode gewählt wurde.

Mit Pfarrer Thomas Kölliker (vgl. WeiachBlog Nr. 1513, in dem die Nichtgewählte den Gewählten interviewt) hat Weiach eine sehr gute Wahl getroffen. Er war einer der letzten Pfarrer, den die Weiacher im Gesamtpaket mit seiner Ehefrau Christine als Seelsorger quasi adoptiert haben und wo das Pfarrhaus noch ein offenes Haus war. Diese Art von Offenheit muss einem aber auch gegeben sein, denn die Wechselfälle des Lebens halten sich bekanntermassen weder an Dienstpläne noch an Tageszeiten.

Quelle

Mittwoch, 30. August 2023

Ein Skelett mit schneeweissen Zähnen

Unser altes Bahnhofsgebäude hat in wenigen Monaten bereits 150 Jahre auf dem Buckel. Und dabei war es doch nur als Provisorium gedacht: Im Eilverfahren an die Station Weiach-Kaiserstuhl hingestellt, weil die Nordostbahn auf Termin mit der Streckeneröffnung per 1. August 1876 die Konzessionsbedingungen einhalten musste.

Bei den Erdarbeiten zum Bau dieses Gebäudes oder in seiner unmittelbaren Umgebung – so muss man zumindest annehmen – wurde ein ganz spezieller Fund gemacht. Einer, über den heutige Archäologen und auch der hier schreibende Ortshistoriker gerne mehr gewusst hätten, der jedoch offenbar nirgends mehr in einem Magazin liegt, nicht einmal in Form von Notizen.

Was bislang darüber bekannt ist, steht in der NZZ vom 30. August 1873, einer Zeitung, die damals pro Ausgabe zwar nur gerade vier Seiten dünn war, aber dafür 13-mal pro Woche erschienen ist: An Sonn- und Festtagen mit einer Ausgabe und an den übrigen Tagen mit zweien.

Gefundener Bericht über einen Fund

In der zweiten Ausgabe dieses Tages, heute vor genau 150 Jahren, da rückte der Redaktor einen Fund aus einem Regionalblatt ein:

«Man meldet dem „Volksfreund“, daß letzte Woche auf dem Stationsplatz zwischen Weiach und Kaiserstuhl in der Tiefe von 3' ein vollständiges Skelett von 5' Länge ausgegraben worden sei. Die Knochen waren alle noch vollständig aneinandergereiht vom Scheitel bis zu den Fußknochen, auch die Zähne waren noch alle vollkommen und schneeweiß. Spuren von Kleidern waren keine vorhanden.»

Die 1866 gegründete Zeitung, die den Primeur über diesen Skelettfund gebracht hat, hiess damals «Bülach-Dielsdorfer Volksfreund» und wurde 1957 in «Neues Bülacher Tagblatt» umbenannt.

Die offenbar sorgfältig bestattete Person lag also auf ca. 90 cm Tiefe. Und war zu Lebzeiten rund anderthalb Meter gross. Sie lag ausserhalb der grossen archäologischen Zone, die die Kantonsarchäologie in Vorbereitung auf das Kiesabbau-Vorhaben im Hasli in Prospektion genommen hat, vgl. WeiachBlog Nr. 1813.

Nachforschungsbedarf. Resultate hier nachzureichen

Bei einem nächsten Bibliotheksbesuch (zu dem es vor dem 150. Jahrestag nicht mehr gereicht hat) wird noch zu eruieren sein, welche Informationen im «Volksfreund» zu finden sind. WeiachBlog wird den Volltext als Nachtrag in diesen Beitrag stellen.

Quelle

Dienstag, 29. August 2023

Stadtzürcher Sozialist wollte Kehrichtschlacke in Weiach entsorgen

Unerwünschte Abfallprodukte der eigenen wirtschaftlichen Tätigkeit will man nicht vor der eigenen Haustüre. Dafür ist dann das Unterland als Mistkübel der Metropole am Zürichseebecken (Goldküste inklusive) gerade gut genug.

Sei es beim Lärm (In welche Richtungen sollen die Pisten des Flughafens nun gerade verlängert werden? Vgl. das vom Kantonsrat gestern Montag durchgewunkene Vorhaben...) oder eben bei Rückständen aus Kehrichtverbrennungsanlagen, es ist das klassische St. Florians-Prinzip (oder amerikanisch formuliert: NIMBY, not in my backyard). Wo diese Hinterhöfe des Kantons liegen sollen, das hat ein Sozialist aus der Stadt Zürich unmissverständlich klargemacht:

«-ir. Gemeinderat Ernst Hauser (soz.) weist in einer Schriftlichen Anfrage an den Stadtrat daraufhin, dass die immer grösser werdenden Schlackenhalden der Kehrichtverbrennung wegen des Fehlens einer Schlackenaufbereitungsanlage zu einem immer dringenderen Problem werden. Hauser fragt den Stadtrat an, ob die Schlacken nicht als Auffüllmaterial in den ehemaligen Kiesgruben von Hüntwangen, Weiach oder Rafz deponiert werden könnten?»

So zu lesen in der NZZ vom 7. September 1979. 

Der Schutz der Trinkwasseranreicherungsfunktion geht vor!

Von der Stadtzürcher Verwaltung wurde diesem Parlamentarier-Ansinnen aber gleich die rote Karte gezeigt:

«Der Antwort des Stadtrates ist zu entnehmen: «Eine Ablagerung von Kehrichtschlacken in den Kiesgruben des Rafzerfeldes oder bei Weiach kommt aus Gründen des Gewässerschutzes nicht in Frage. In den dortigen Schottergebieten finden sich die letzten grossen Trinkwasserreserven des Kantons Zürich.»»

Denn den Experten der Stadt war klar, dass man sich bei der Kantonsverwaltung schon länger Gedanken um die langfristige Sicherung der Lebensgrundlagen gemacht hat. 

Wenn man sich den in den letzten fünf Jahrzehnten erfolgten exorbitanten Bevölkerungszuwachs des Kantons ansieht, die sich seither akkumuliert haben (1970: 1.11 Mio.; 2020: 1.55 Mio.), dann war das die einzig richtige Antwort (vgl. auch den aktuell gültigen Kantonalen Richtplan): 

Kantonaler Richtplan mit den geplanten Grundwasseranreicherungseinrichtungen im kümmerlichen Rest des Weiacher Hardwaldes wie er bis zum 2. Weltkrieg Bestand hatte (inkl. das damals urbar gemachte Gebiet Rodig, heute Ackerland, in dem kein Kies abgebaut werden darf)  

Bei aller Polemik (wie oben durchexerziert) ist natürlich zu konzedieren, dass es sich bei dem Problem bereits um eine Folge der Volumenreduktionspolitik handelt, ohne die es noch viel grösser gewesen wäre. Denn schon die Kehrichtverbrennungsanlagen sind u.a. aus der Not geboren worden, auf dem dicht besiedelten Gebiet nicht genügend Deponieplätze zu haben. Die Frage, wo man mit den Schlackenbergen hin sollte, war (und ist!) also eine berechtigte.

Einbau von Schlacken in den Strassenkörper?

Und so sahen die damaligen Lösungsversuche laut der (in der NZZ zitierten) Antwort der Stadt auf die Schriftliche Anfrage im Stadtparlament aus:

««Seit Jahren bemüht sich das Gesundheits- und Wirtschaftsamt bisher ohne Erfolg um Deponien für die Schlackenhalden. 1977 schien ein geeigneter Standort für eine Schlackenaufbereitungsanlage im Industriegebiet von Bassersdorf gefunden zu sein. Ein positiver Vorentscheid des Gemeinderates lag vor. Das Baugesuch wurde jedoch abgelehnt. Um das akute Problem der wachsenden Schlackenhalden bei der Kehrichtverbrennungsanlage 2 Hagenholz zu entschärfen, hat die kantonale Baudirektion die Zusage erteilt, noch im Laufe des Sommers 1979 mit dem Abbau zur Verwendung im Nationalstrassenbau zu beginnen. Ausserdem hat der Kanton seine guten Dienste bei der Suche nach einem neuen Standort für eine Deponie angeboten.»»

Schlacken in den Strassenkörper einzubauen stellt natürlich auch nur eine weitere Verlagerung des Problems dar. Statt einer Konzentration (in einer Deponie) wird eine Verdünnung erzielt. Aus diesen Strassen können dann nach und nach Schadstoffe ausgeschwemmt werden, was diese Art der Verwertung besonders in Grundwasserschutzgebieten alles andere als angeraten sein lässt.

Ein altes Problem auf der Suche nach Lösungen

Wie man einem 15-seitigen Artikel von Dr.-Ing. Markus Franz aus dem Jahre 2016 entnehmen kann (vgl. Link in den Quellen), begleitet das Schlackenproblem die Abfallwirtschaft in der Schweiz seit mindestens 120 Jahren. Spätestens mit der Eröffnung der KVA Josefstrasse mitten im Zürcher Industriequartier fielen auch diese Schlacken an.

Den aktuellen Stand findet man u.a. beim Internetauftritt des AWEL zum Thema Kehrichtverwertungsanlagen. Die Schlacke ist – wen wundert's – immer noch eine Knacknuss, allein schon aufgrund der anfallenden Mengen: «Durch die thermische Verwertung von Abfällen wird die Masse des angelieferten Abfalls um rund 80 Prozent reduziert. Es fallen jährlich rund 150'000 Tonnen Rohschlacke und 19'000 Tonnen Rauchgasreinigungsrückstände an, die weiter behandelt und entsorgt werden.» 

Zu den heutigen Strategien gehören die Optimierung der Metallrückgewinnung aus KVA-Schlacke sowie die Minimierung des Totalen Organischen Kohlenstoffs (TOC) in der KVA-Schlacke

Die 2010 gegründete Stiftung «Zentrum für nachhaltige Abfall- und Ressourcennutzung» (www.zar-ch.ch), mit einem Standort bei der KEZO in Hinwil (schon anfangs der 80er-Jahre bei der Schlackenverwertung führend) arbeitet an zukunftsweisenden Lösungen.

Quellen

Montag, 28. August 2023

«In letzter Minute inszenierte Abschussaktion...»

So einen Satzteil würde man in einem Boulevardblatt erwarten, nicht wahr? Man findet ihn aber in einem höchst distinguierten Presseerzeugnis, der «alten Dame» von der Stadtzürcher Falkenstrasse. 

Diesen begrifflichen Zweihänder hat NZZ-Redaktor Hilmar Höber, damals bereits seit Jahren für Berichte über das Zürcher Unterland zuständig, im Februar 1978 zu einem Vorgang in der Weiacher Gemeindepolitik geschwungen:

«hhö. In Weiach ist eine in letzter Minute inszenierte Abschussaktion gegen den bisherigen Gemeindepräsidenten Ernst Baumgartner misslungen; der Kampfkandidat Peter Bresch vermochte nur wenige Stimmen auf sich zu vereinigen. Bei einem absoluten Mehr von 123 Stimmen wurden in die Exekutive gewählt: Ernst Baumgartner, zugleich Präsident, 234, Peter Bresch 209, Hans Griesser 253, Paul Odermatt (alle bisher) 206 und Werner Fruet (neu) 199. Mit 53 Stimmen blieb Willy Rusterholz weit zurück und wurde nicht gewählt. Die Wahlen in die Primarschulpflege und in die reformierte Kirchenpflege erfolgten kampflos. Das Primarschulpräsidium übernimmt neu Gustav Duttweiler. Die Wahlbeteiligung betrug 62 Prozent.»

Dazu muss man nun wissen, dass Ernst Baumgartner-Brennwald bereits seit 1966 den Gemeinderat präsidiert hat. Und noch bis 1982 in diesem Amt war, d.h. während 16 Jahren. Davor war er bereits 16 Jahre als Kirchengutsverwalter der evangelisch-reformierten Kirche tätig gewesen.

Immerhin hat Höber diesen – in unserer Politikgeschichte keineswegs einmaligen Vorgang – nicht gerade als Wildwest-Geschehen eingeordnet. 

Die letzte Aktion dieser Art hat Weiach übrigens bei den Wahlen 2010 erlebt, als der sozusagen in letzter Sekunde portierte Kampfkandidat Paul Willi lanciert wurde, um einen Gemeindepräsidenten Galimberti zu verhindern. In diesem jüngeren Fall war der Coup allerdings erfolgreich. Allerdings auch nur, weil sich die mit der tiefsten Stimmenzahl gewählte Elsbeth Ziörjen-Baumgartner zurückgezogen hat, um dem Volkswillen zu entsprechen. Nach dem Buchstaben des Gesetzes hätte dieser Postenschacher jedenfalls nie und immer Bestand haben dürfen (vgl. WeiachBlog Nr. 766).

Quellen

Sonntag, 27. August 2023

Weiacherstrasse oder doch Glattfelderstrasse?

Die Rechts-Links-Kombination zwischen dem Ofenhof (Gemeinde Weiach) und dem Anschluss an die Umfahrung Glattfelden (A50 auf Zweidler Boden) hat es schon länger in sich. Seit Jahrzehnten ist das ein bekannter Unfallschwerpunkt, an dem Fahrzeuglenker die Herrschaft über ihr Automobil verlieren.

Der letzte Grosseinsatz an dieser Stelle musste gestern Samstagabend gefahren werden. In den Worten des Zürcher Unterländers von heute Sonntag, 08:14 Uhr:

«Gemeinsam mit der Kantonspolizei Zürich standen die Feuerwehren Glattfelden-Stadel-Weiach sowie Bülach, eine Patrouille der Stadtpolizei Bülach, Rettungswagen von Schutz & Rettung Zürich und dem Spital Bülach, ein Rettungshelikopter der Alpine Air Ambulance sowie die Staatsanwaltschaft Winterthur-Unterland im Einsatz.»

Zum Zeitpunkt als die Journalistin des Zürcher Unterländer auf den Auslöser gedrückt hat, waren v.a. Fahrzeuge der Feuerwehr Gla-Sta-Wei sowie Ambulanzen vor Ort:

Bildquelle: zuonline.ch, 27.8.2023

An der Grenze gelegen

Die Medienkommunikation zu diesem Unfall mit zwei Verletzten wirft nun doch einige Fragen auf. Die Orientierungstafel rechts neben dem Mast ist eindeutig auf der Glattfelder Seite. Die Gemeindegrenze zieht sich dem Westrand der im Hintergrund sichtbaren Strasse ins Dorf Zweidlen entlang und stösst in etwa dort auf die Hauptstrasse Nr. 7 Basel-Winterthur, wo die Ambulanzfahrzeuge stehen.

Die Bildlegende des Unterländer sagt, die Unfallstelle befinde sich auf Weiacher Gemeindegebiet. Das wäre dann ein Punkt auf der Glattfelderstrasse. Nimmt man sich die Karte mit eingezeichneter Grenze vor, dann müsste sie also links (d.h. westlich) der schwarzen Grenzlinie liegen:

Bildquelle: maps.zh.ch

Geht man jetzt auf die Medienmitteilung der Kantonspolizei, dann ist dort durchgehend von einer Weiacherstrasse die Rede. Und die befindet sich eindeutig und ausschliesslich auf der Glattfelder Seite, rechts (d.h. östlich) der schwarzen Grenzlinie. 

Auf welchem Territorium hat es geknallt?

Bei der Beantwortung der Frage, ob die Unfallstelle tatsächlich auf Weiacher Gebiet ist (wie vom ZU behauptet), kann nur das der Medienmitteilung beigefügte Bild helfen, auf dem der Unfallfotodienst bei der Arbeit abgebildet ist. 

Bildquelle: kapo.zh.ch

Haifischzähne, Tafel und Zaunbogen

Der auf der Fahrbahn der Hauptstrasse stehende Polizist, der Bilder von der Endlage der Unfallfahrzeuge schiesst, befindet sich ziemlich exakt auf der Gemeindegrenze, mit Blickrichtung A50. Im Hintergrund ist die Orientierungstafel zu sehen, auf der die Verzweigung angekündigt wird (vgl. das Bild der ZU-Journalistin). 

Am rechten Bildrand sind ganz knapp noch die Haifischzähne (Bodenmarkierung «Kein Vortritt») der Hardstrasse (Gemeindestrasse Richtung Zweidlen) zu erkennen. Um die muss es sich handeln, denn das sind im Umkreis von über 100 Metern die einzigen Markierungen dieser Art, wie man auf dem Orthofoto auf maps.zh.ch sieht. Weiteres Detail das für diese Lokalisierung spricht: der Zaun um die Kiesgrube Neuwingert, der hinter dem zweiten orange Gewandeten verläuft und genau dort eine Ecke bildet. Auch den sieht man auf dem Orthofoto deutlich.

Mit anderen Worten: die Endlage der Fahrzeuge ist eindeutig auf Glattfelder Boden. Aber hart an der Grenze.

Kapo-Medienstelle schiesst aus der Hüfte. ZU-Redaktion übernimmt ungeprüft

Nun zum Text der Medienmitteilung, der obigen Befund zwar nicht konterkariert, aber eben auch nicht in allen Belangen den tatsächlichen Verhältnissen gerecht wird. Nachstehend ein auszugsweises Zitat direkt von der Website des Kantons:

«Gemäss ersten Erkenntnissen fuhr ein 22-jähriger Mann mit seinem Personenwagen auf der Weiacherstrasse Richtung A50. In einer langgezogenen Rechtskurve geriet sein Fahrzeug aus bislang unbekannten Gründen auf die Gegenfahrbahn. Es kam zu einer heftigen Frontalkollision mit einem entgegenkommenden Auto eines 44-jährgen [sic!] Lenker. Beide Autofahrer erlitten mittelschwere Verletzungen und mussten mit einem Rettungshelikopter beziehungsweise einem Rettungswagen in Spitäler gebracht werden. Wegen des Unfalles musste die Weiacherstrasse für rund drei Stunden gesperrt werden; die Feuerwehr signalisierte eine Umleitung.»

Diese langgezogene Rechtskurve befindet sich eindeutig auf Weiacher Gebiet, weswegen die im ersten Satz beschriebene Strasse entweder gleich als «Hauptstrasse Nr. 7» oder dann eben korrekt mit «Glattfelderstrasse» hätte benannt werden müssen. 

Auch die musste übrigens faktisch in ihrem gesamten Verlauf ab der Sternenkreuzung Weiach über den genannten Zeitraum hinweg für den Durchgangsverkehr gesperrt werden. Diese 2.7 Kilometer sind dann doch eine ganz andere Hausnummer als die (in der Medienmitteilung weiter unten erwähnte) nur rund 300 Meter lange Weiacherstrasse auf Glattfelder Territorium, die selbstverständlich zu 100% gesperrt werden musste.

Anmerkung: Den orthographischen Schnitzer (vgl. das «[sic!]» oben) hat die ZU-Redaktion übrigens bemerkt und korrigiert.

Quellen

Samstag, 26. August 2023

Autobahnende war bei Neu-Weiach vorgesehen

Wer in Weiach wohnt, der kennt sie wohl beide: die Umfahrung Glattfelden (im Verkehrsjargon A50 genannt). Und die Hochleistungsstrasse Kloten–Bülach (genannt A51). Ihre Besonderheit: beide sind nicht vignettenpflichtig.

Erstere wurde nach vier Jahren Bauzeit auf den 1. September 1978 eröffnet. Letztere, die HLS, in zwei Etappen: Das Teilstück von Kloten bis Bachenbülach Ende November 1970. Und die eigentliche Umfahrung der Stadt Bülach bis zum Hardwald ein Jahr später, Ende November 1971.

Während die Umfahrung Glattfelden einen Raumbedarf von fast 40 Metern Breite aufweist, kommt die HLS mit 22 Metern wesentlich schlanker weg, zumindest in ihrem südlichen Teilstück. Und der Grund ist einfach: diese in den 60ern geplante kantonale Autobahn hat zwar einen Randstreifen, aber keine eigentlichen Pannenstreifen (von ein paar wenigen Metern abgesehen, z.B. Bülach–Nord bis Bülach–West in Fahrtrichtung Kloten). Die 1971 beschlossene Umfahrung Glattfelden weist Pannenstreifen auf über die gesamte Länge von 4.4 Kilometern, wenn auch nicht überall in der Breite eines vollen Fahrstreifens.

Das einzige wirklich gebaute Teilstück

Was viele nicht wissen: diese Umfahrung Glattfelden ist bis heute das einzige Teilstück einer in den 70er-Jahren von einigen mit Nachdruck geforderten, von anderen mit ebensoviel Nachdruck bekämpften Hochleistungsstrasse Wülflingen–Weiach.

Wäre sie gebaut worden, dann hätten wir heute auch einen Autotunnel durch den Dättenberg zwischen Bülach und Eglisau (und nicht nur einen für die Eisenbahn, wie ihn die Nordostbahn 1876 eröffnet hat).

Vor allem aber hätten wir hier bei uns ein Autobahnende, das irgendwo zwischen dem Bedmen und der Kantonsgrenze in die Hauptstrasse Nr. 7 einmündet. Dass dieses westlichste Teilstück nie zustandegekommen ist, das haben wir wohl unter anderem auch der Weiacher Kies AG zu verdanken.

Bildunterschrift: «Die geplante Hochleistungsstrasse von Winterthur nach Weiach. Die Zunahme des Güterverkehrs hat im unteren Tösstal bereits zu unhaltbaren Zuständen in den betroffenen Ortschaften geführt.»

Zu den Abkürzungen: Unter einer HVS wird eine Hauptverkehrsstrasse verstanden, diejenige von Winterthur über Weiach nach Zurzach wurde in den 1970ern als HVS-U bezeichnet. Eine HLS (Hochleistungsstrasse) wurde nicht zwingend als Schnellverkehrsstrasse verstanden, sondern eher als solche, auf der es nicht zu Stockungen kommt, weil Kreuzungen mit dem Lokalverkehr auf wenige Anschlusspunkte beschränkt werden (vgl. StAZH MM 3.118 RRB 1966/4387 vom 17. November 1966, S. 4/6 in der Transkriptversion).

Quelle

Freitag, 25. August 2023

Bau des Reservoirs Haggenberg genehmigt

In seiner Chronologie des 20. Jahrhunderts erwähnt Willi Baumgartner-Thut für das Jahr 1976 den «Bau des neuen Reservoirs im Hochbuck» (Weiach – Aus der Geschichte eines Unterländer Dorfes, 6. Aufl., S. 93). Diese Flur ist südwestlich der Gebäude Vorder Berg und Hinder Berg situiert und ihr Name wird auch in den Formen Im hohe Buck (Zollinger 1972) bzw. Hochenbuck überliefert (vgl. Eintrag bei ortsnamen.ch).

Neues und altes Reservoir

Wo ein neues Reservoir gebaut wird, da dürfte es ein altes geben. Dem ist auch so. Das alte Reservoir (genannt Reservoir Berg) stammt aus dem Jahre 1890 und befindet sich auf 419 m ü. M. im Vorder Berg, an der heutigen Bergstrasse 35 (gleich vis-à-vis des Hauses Buckley, Bergstr. 36).

Das neue Reservoir (genannt Reservoir Haggenberg) liegt rund 40 Meter höher auf 459 m ü.M., wurde 1977 dem Betrieb übergeben und trägt heute die Adresse Hintere Bergstrasse 20. So sieht es jedenfalls die kantonale Gebäudeversicherung, die diese technischen Gebäudealter in ihrer Datenbank führt.

Der diesjährige Weiacher Bannumgang führt am 2. September an den Quellfassungen im Surgen vorbei, die diese Reservoirs speisen. Und danach am neuen und am alten Reservoir. Bei ersterem wird vielleicht auch ein kleiner Einblick gewährt.

Zwei Kammern vorgesehen

Über die Genehmigung des Bauvorhabens berichtete NZZ-Redaktor Hilmar Höber in einer Wochenendausgabe (heute wäre das die NZZaS):

«hhö. An der Gemeindeversammlung hiessen die Weiacher Stimmbürger den Kredit von 812 000 Franken für die Erstellung des neuen Reservoirs Haggenberg mitsamt der dazugehörenden Hauptzuleitung mit nur einer Gegenstimme gut. Der neue Wasserbehälter wird sowohl durch Quell- als auch durch Grundwasser gespeist. Die beiden Kammern – je eine für Brauch- und Feuerlöschwasser – fassen zusammen 750 Kubikmeter. An die Erstellungskosten sind namhafte Subventionen zu erwarten. Die Versammlung genehmigte auch die beiden Kredite von total 676 000 Franken für den Ausbau der Riemli- und der Dorfstrasse. Der Gesamtsteuerfuss bleibt für das Jahr 1975 mit 160 Prozent für reformierte Steuerpflichtige unverändert. Um den mutmasslichen Ausgabenüberschuss im Ordentlichen Verkehr des Politischen Gemeindegutes decken zu können, wird ein Steueransatz von 49 Prozent erhoben.»

Was den Ausbau der «Dorfstrasse» betrifft, der in derselben Gemeindeversammlung genehmigt wurde, muss es sich um die Oberdorfstrasse handeln. Womit dieser NZZ-Fehler nach bald einem halben Jahrhundert auch noch korrigiert sein dürfte.

Fassungsvermögen 700 Kubikmeter

Tatsächlich gebaut wurden dann zwei Kammern mit je 350 Kubikmetern, d.h. zusammen 700 Kubikmeter, wie WeiachBlog auf Anfrage beim Brunnenmeister Peter Brunner in Erfahrung bringen konnte. Davon sind 300 Kubikmeter die gemäss den Vorschriften vorzuhaltende Löschwasserreserve. Diese darf nicht angetastet werden. 

Die Weiacher Haushalte können aus dem Reservoir Haggenberg also maximal 400 Kubikmeter beziehen. Wenn der Strom ausfällt, dann kann man kein Grundwasser hochpumpen. Dann sind nur noch die Quellfassungen mit einer Schüttung von rund 70-80 Minutenlitern verfügbar. Es dauert also rund dreieinhalb Tage bis so viel Trinkwasser von den Fassungen am Haggenberg ins Reservoir geflossen ist.

Hoher Steuerfuss der Politischen Gemeinde

Umgerechnet auf die Geldwerte im 21. Jahrhundert (Jahr 2009; swistoval.ch) würde sich der damalige Reservoir-Baukredit je nach verwendeter Indexierung auf zwischen 1.7 und 2 Millionen belaufen.

All diese Bauvorhaben belasteten die Gemeindekasse enorm. Wie wir in WeiachBlog Nr. 1972 gesehen haben lag der Ansatz des Gemeindeguts drei Jahre vorher noch bei 33 Prozent. Nun mussten 49 (!) erhoben werden, was seinen Grund in der intensiven Bautätigkeit bei gleichzeitig konservativer Finanzierungsstrategie haben dürfte. Und dass da gebaut wurde, das konnte jedermann sehen, der nicht blind an der Hofwiese vorbeilief.

Quellen