Mittwoch, 31. Januar 2007

Schneller Ersatz für Pfarrer Brennwald

Im gestrigen Artikel haben wir den Lexikoneintrag zu Weyach in den Memorabilia Tigurina von 1742 im vollen Wortlaut zitiert.

Wie im Zeitalter der Enzyklopädien den Gepflogenheiten entsprechend, war der Titel ellenlang: 12 Zeilen. Die erspare ich dem geneigten Leser hier. Wer mehr darüber wissen will, kann sich den entsprechenden Wikipedia-Artikel zu Gemüte führen.

Der Kurztitel sagt aber auch, worum es geht: um «Memorabilia», um alles «was sich ... merckwürdiges zugetragen» hat. Um Dinge also, die es wert sind, dass man sie sich merkt.

Vom Erbauer der Kirche zum Amtszeitrekordhalter

Aus der Kurznotation zum Pfarrherrn: «Dermahlen, Rudolff Wolff, An. 1707» lässt sich ablesen, dass der damals 35-jährige Pfarrer Wolf offenbar schon kurz nach dem Ableben seines Vorgängers Pfr. Hans Heinrich Brennwald (gestorben am 23. November 1707) die Amtsgeschäfte übernommen hatte.

Die Eckdaten zu beiden Pfarrern habe ich übrigens aus einem Lexikon jüngeren Datums, dem «Pfarrerbuch 1519-1952»:

«Brennwald, 7) Hans Heinrich (1654 bis 23.11.1707). Sohn von 12). Ord. 1676, war 1677 bis 1678 Vikar in Glattfelden, dann Hauslehrer in Zürich, 1682 Diakon in Eglisau, 1693 Pfr. in Weiach.»

«Wolf, 34) Hans Rudolf (1672-1747). Ord. 1695, seit 1696 Katechet in Wiedikon, 1698 Pfr. in Wipkingen, 1708 in Weiach, 1715 Dekan. Werk: De vita et obitu J. H. Suiceri, 1745.»

Man sieht, dass beide Pfarrer aus Klerikerfamilien stammen. Im Falle Brennwalds standen schon der Vater und der Grossvater im Dienst der Zürcher Kirche. Der Grossvater Brennwalds war 1566 sogar kurze Zeit Pfarrer von Weiach.

Pfr. Wolf hielt es von allen bisherigen Pfarrern am längsten in Weiach aus: ganze 40 Jahre war er im Amt.

Quellen
  • Bluntschli, J.H.: Memorabilia Tigurina, oder Merckwürdigkeiten Der Stadt und Landschafft Zürich ... Samt einem Geschlechter-, Burgerlichen Dienst- und Aemter-Büchlein. Erstausgabe Zürich, 1704. Zweite Ausg.: Zürich, 1711. Dritte Ausgabe: Zürich, 1742
  • Dejung, E.; Wuhrmann, W.: Zürcher Pfarrerbuch 1519–1952. Zürich, 1953.

[Veröffentlicht am 15.2.2007]

Dienstag, 30. Januar 2007

Alte Lexika, herrschaftspolitisch betrachtet

Im Enchiridion Helveticum Constantiae Episcopalis (vgl. WeiachBlog vom 28. Mai 2006) ist Weyach zwar am Rande erwähnt - aber das irgendwie nur widerwillig:

«Zu der Herrschaft und Obervogtey Kaiserstuhl gehöret auch mit denen niederen Gerichten das Dorf Weyach, eine viertel Stund von der Stadt in einer schönen Ebne, und der zürichischen Hoheit des neuen Amts gelegen, welches gänzlichen der reformirten Religion ist.»

Das Unbehagen, das aus diesen Worten spricht, ist verständlich, denn mit der Ausübung der seit 1295 im Besitz des Fürstbischofs stehenden niederen Gerichtsbarkeit war es bei dieser zürcherischen Grenzgemeinde so eine Sache.

Die reformierten Weyacher und ihre Gnädigen Herren zu Zürich taten nämlich alles, um die bischöflichen Rechte immer wieder von Neuem in Frage zu stellen. Nicht grundsätzlich zwar und auch nicht aktiv, dafür umso eher indem man da und dort mehr als nur ein Auge zudrückte. Viel mehr als das Verfassen von Protestnoten blieb der fürstbischöflichen Verwaltung in Meersburg am Bodensee nicht übrig.

Memorabilia vs. Enchiridion

Interessant ist es deshalb zu lesen, wie Weyach in den «Memorabilia Tigurina», dem ausschliesslich Stadt und Landschaft Zürich gewidmeten Lexikon aus dem 18. Jahrhundert beschrieben wird:

«Ein Dorff und Pfarr in der Ober-Vogtey Neu-Amt, eine viertel Stund ob Kayserstuhl gelegen. Darvon die Collatur der Stadt Zürich gehört. Erster Pfarrer daselbst ware, Nicolaus Ländern, An. 1540. Dermahlen, Rudolff Wolff, An. 1707. Conf. Tit. Kirchen-Gebäu, ad. An. 1707»

Kurz und knapp ist er, dieser Eintrag, der übrigens erst in der 3. Auflage von 1742 erstmals erscheint (in der ersten Auflage von 1704 und der zweiten von 1711 sucht man einen Eintrag zu Weyach vergebens).

Wichtig war offensichtlich, dass die Pfarreinsatzrechte an diesem Eckpunkt des zürcherischen Herrschaftsgebiets dem Rat der Stadt Zürich gehörten - kein Wunder, denn einen eigenen Weiacher Pfarrer gab es erst seit 1540 (d.h. nach der Reformation). Die selbstständige Pfarrei Weiach war sogar erst 1591 gegründet worden.

Ein Stachel im Fleisch der Verwaltung des Fürstbistums.

Quelle
  • Weyach im 18. Jahrhundert – alte Lexika erzählen (Teil 2). Weiacher Geschichte(n) 6. In: Mitteilungen für die Gemeinde Weiach, Mai 2000 – S. 43.

[Veröffentlicht am 15.2.2007]

Montag, 29. Januar 2007

Januarwetter 1957

Man kann ja nun nicht behaupten, dass es sich bei diesem Januar um einen typischen Vertreter seiner Zunft gehandelt hat. Alles in allem war er viel zu warm - so warm, dass Befürchtungen laut wurden, wenn es dann z'grächtem Frühling werde, dann komme eine Zeckeninvasion der gröberen Sorte auf uns zu. Hoffen wir also noch auf etliche sehr kalte, arktische Tage.

Vor 50 Jahren war der Januar zwar durchzogen, aber in der Summe doch recht winterlich - so, wie man es eben erwartet. Von einem grossen Sturm à la Kyrill schreibt Walter Zollinger in seiner Jahreschronik 1957 nichts:

«Gleich in den ersten acht Tagen des neuen Jahres verschwand die Ende 1956 geschilderte „winterliche Landschaft“ wieder. Schon der dritte Januar brachte Tauwetter mit Temperaturen von z.T. über +5°C und in der Nacht vom 3./4. fiel etwas Regen, der die sowieso bescheidene „fernrige“ Schneekruste ganz wegfegte; ein föhniger SW-Wind half dabei mit. Die Temperaturen stiegen an den nachfolgenden Tagen, besonders an den Nachmittagen, sogar noch höher (+9°, +11°) und am 6.1. abends etwas nach 21 Uhr setzte für kurze Zeit „beinahe stürmischer Regenfall“ ein. – Schon der 7.1. aber begann wieder mit leichtem Reif und die Temperatur blieb nun in den nächsten drei Wochen meist unter 0°. Weil es dazu öfters neblig wurde, entstand an den Bäumen der umliegenden Wälder ein herrlicher Rauhreif. Am 10.1. begann es nachm. 16 Uhr heftig zu schneien, sodass abends 19 Uhr bereits eine ca. 8 cm tiefe Schneeschicht lag. Diese Schneefälle wiederholten sich in den nachfolgenden Tagen noch öfters; auch das Thermometer stand nun beständig unter 0°, am 18.1. abends -12°, am 19.1. morgens -13°C, sonst meist von -2 bis -8°. Das war also wieder einmal ein normaler, echt winterlicher Jänner, schneebedeckte Fluren und dennoch nicht übermässig kalt. Erst in den letzten Tagen des Monats, am 27.& 28., stieg die Temperatur wieder (+2°,+7°,+4°) und vom 29. bis 31. Januar hatten wir wohl noch kalte Morgen mit unter-Null-Graden, nachmittags aber immer darüber. Der Schnee musste daher ziemlich rasch „reisen“.

Zusammengefasst zeigte der Januar 9 Tage mit Hochnebel, 10 Tage mit nebligen Vormittagen & sonnigen Nachmittagen, 10 „helle“ Tage vom Morgen bis zum Abend, zweimal nachmittags Nebel. Schnee fiel 7 mal, Regen nur 3 mal.
»

Eine derart akribische Statistik kann wirklich nur jemand führen, der tagein, tagaus am selben Ort und in derselben Gemeinde lebt und nicht geschäftlich bedingte grössere Abwesenheiten zum normalen Verlauf seines Berufslebens zählen muss.

Bereits im WeiachBlog erschienene Wetterartikel

Quelle

  • Zollinger, W.: Gemeinde Weiach. Chronik des Jahres 1957 – S. 3 (Original in der Zentralbibliothek Zürich, Handschriftenabteilung, Signatur: G-Ch Weiach 1957)
[Veröffentlicht am 12.2.2007]

Sonntag, 28. Januar 2007

Viereinhalb Jahrzehnte als Lehrerin in Weiach

In der heutigen Zeit des job hopping und der Tendenz, sich alle paar Jahre wieder eine neue «Herausforderung» zu suchen, muten jahrzehntelange Arbeitsverhältnisse eigenartig an. Was für eine Loyalität einem Arbeitgeber gegenüber, ja einem einzelnen Ort, wenn man sein ganzes Arbeitsleben dort verbringt!

Fräulein Luise Vollenweider war so ein Mensch. Sie blieb zeitlebens ledig. Und ihre einzige Leidenschaft scheint das Lehrerdasein gewesen zu sein. Zumindest wohnte sie gleich im Schulhaus.

Ruth Schulthess-Bersinger schrieb in ihrem im November 1941 gehaltenen Schüler-Vortrag: «Die Weiacher Lehrerin, (Luise Vollenweider) und ihre Schwester (Ida) wohnen schon über 35 Jahre in diesem grossen Gebäude.» Gemeint ist das (heute als das «alte» bezeichnete) Schulhaus aus der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts.

Kampf den schlechten Theater-Vorführungen!

Auch in den Protokollen des Frauenvereins taucht Fräulein Vollenweider auf. Da heisst es zum Beispiel über einen der Vereinsabende im November 1949: «In lebhaften und praktischen Beispielen zeigte uns die Referentin [nicht Frl. Vollenweider, Anm. d.Vf.] wie sich unsere Gespräch[e] auswirken auf die Kinder, und wie ein gutes Wort einen Menschen auf seinem Lebensweg begleiten kann. Wohl alle wurden sich bewusst, dass wir uns viel zu wenig besinnen, was und wie wir sprechen und welchen Einfluss wir dadurch auf die Kinder ausüben! Mit neuen Vorsätzen gingen wir nach einer kurzen Disskusion auseinander.» (Zit. nach Weiacher Geschichte(n) Nr. 59)

Bereits im Dezember wurde obiges Thema, bei dem Lehrerin Vollenweider natürlich im Element war, erneut aufgenommen : «Frau Pfarrer [Hauser-Pestalozzi] war an der Kindervorstellung des Turnvereins. Sie sagte solch schlechte Theater seien doch nichts für die Kinder, und wir möchten nun die Vereine anfragen, ob Sie in Zukunft diese Kindervorstellungen nicht weglassen möchten? Frl. Vollenweider unterstützte dies lebhaft. Um dies zu erreichen wurden Unterschriften gesammelt. (ca 25)» (ebenfalls zit. nach Weiacher Geschichte(n) Nr. 59)

Lehrerin in Weiach von 1906-1952

In der im Oktober 2004 zum 75-jährigen Bestehen des Frauenvereins Weiach publizierten Fassung der Weiacher Geschichte(n) Nr. 59 habe ich irrtümlich geschrieben, Frl. Vollenweider sei 1911-1952 Lehrerin in Weiach gewesen.

Wer die Jahreschronik 1954 von Walter Zollinger aber genau liest, der stellt fest, dass sie schon früher in unserem Dorf tätig war:

«1906/11» führte «Fräulein L. Vollenweider» die «Realabteilung (incl. 7.8. Kl.)» und «1911/52» ein «Fräulein Louise Vollenweider» die «Elementarabteilung (1.-4., später 1.-3. Kl.)»

Folgerichtig schreibt ihr langjähriger Lehrerkollege Walter Zollinger in seiner Jahreschronik 1957: «Die während 46 Jahren an unserer Schule tätig gewesene a. Lehrerin Frl. L. Vollenweider (1952 pensioniert u. seither in ihrem Heimatort Langnau/ZH wohnhaft) erhält von der Schulpflege anlässlich ihres 70. Geburtstages (am 28. Jan.) ein prächtiges Blumenangebinde.» (G-Ch 1957, S. 12)

Dass über 40 Jahre Treue auch damals nicht selbstverständlich waren, scheinen die Weiacher durchaus erkannt zu haben. In der Gemeindeversammlung vom 10. Mai 1957 «bewilligten die Schulgenossen an die Ruhegehalte von Frl. Vollenweider a. Lehrerin und Frau Berta Stegmüller a. Nähschullehrerin freiwillige Ergänzungszulagen von jährlich Fr. 300.- bzw. Fr. 100.-.» (G-Ch 1957, S. 13)

Nöd grad de Huufe. Deshalb gedenken wir heute einer treuen Seele, die mit dem heutigen Tag just 120 Jahre alt geworden wäre.

Quellen

  • Bersinger, R.: "Weiach!" 20Min-Vortrag in der Bezirksschule Kaiserstuhl. Handschrift, 10 Seiten. Zusammengestellt im November 1941. Xero-Kopie im Archiv des Ortsmuseums Weiach.
  • Zollinger, W.: Gemeinde Weiach. Chronik des Jahres 1957 – S. 12 & 13 (Original in der Zentralbibliothek Zürich, Handschriftenabteilung, Signatur: G-Ch Weiach 1957)
  • Brandenberger, U.: Gemeinnützigkeit auf die Fahne geschrieben. 75 Jahre Frauenverein Weiach, 1929-2004. Weiacher Geschichte(n) 59. In: Mitteilungen für die Gemeinde Weiach, Oktober 2004 – S. 15-22.

[Veröffentlicht am 11.2.2007]

Samstag, 27. Januar 2007

Der Kanalisationserstellung dritte Etappe

Die Kanalisationsbauten der Gemeinde Weiach entstanden gestaffelt über mehrere Jahre hinweg. Und zwar vom Rhein her rückwärts bis in die bewohnten Gebiete hinein.

Mitte Januar 1955 begann man mit den Aushubarbeiten auf der untersten Strecke, vom Rhein bis zum Haus "Allenwinden" und im Oktober desselben Jahres wurden die Arbeiten auf das gesamte Stationsgebiet ausgedehnt. Die zweite Etappe umfasste 1956 die Strecke von der Strassenbeugung bei der Liegenschaft Allenwinden bis zum Bedmen (vgl. dazu auch die unter Quellen aufgeführten früheren WeiachBlog-Artikel).

1957 stand eine weitere Tranche an: «Im Verlaufe dieses Jahres wurde die III. Etappe der Kanalisation, nämlich das Stück vom Bedmen bis zum "Sternen" durchgeführt: Kosten Fr. 18'862.10 (Kreditbewilligung vom 9.6.56 = Fr. 20000).»

Nach gut drei Jahren war man also am Siedlungsschwerpunkt der Gemeinde angelangt.

Quelle

[Veröffentlicht am 12.2.2007]

Freitag, 26. Januar 2007

Weisser Rauch von der Pfarrwahlkommission

«Habemus Verbi Divini Ministrum», hätte die Pfarrwahlkommission verkünden könnnen. Aber Weiach ist nicht der Vatikan. Uns reicht ein bodenständiger Pfarrer (Verbi Divini Minister) - ohne Brimborium und weissen Rauch von verbrannten Wahlzetteln.

Und so ist denn auch die dazugehörende Meldung in der Regionalpresse eine denkbare schlichte. Unter dem Titel Christian Weber soll Pfarrer werden findet man den Lead: «Die Weiacher Pfarrwahlkommission schlägt Pfarrer Christian Weber zur Wahl vor. Er ist seit Juli Pfarrverweser in der Gemeinde.»

Try & hire - die Chemie stimmt

Nachstehend der dem Lead folgende Artikel von Unterländer-Redaktor Florian Riesen:

«Die Pfarrwahlkommission hat ihre Tätigkeit im vergangenen Herbst aufgenommen. Nun hat sie sich für Christian Weber entschieden. «Wir hatten die Gelegenheit, uns in den letzten Monaten gegenseitig kennen und schätzen zu lernen», erklärt Elsbeth Meierhofer, Präsidentin der Pfarrwahlkommission. «Die Chemie stimmt.» Die Wahl soll an einer ausserordentlichen Kirchgemeindeversammlung nach dem Gottesdienst vom 1. April stattfinden.

Christian Weber hat im vergangenen Juli seinen Antrittsgottesdienst gehalten. «Ich habe mich in Weiach gut eingelebt», erklärt der reformierte Pfarrer. «Von den Leuten hier bin ich sehr herzlich aufgenommen worden.» Webers Pfarrstelle in Weiach entspricht einem 70-Prozent-Pensum. Die restlichen 30 Stellenprozente arbeitet der 40-jährige in der Spitalseelsorge im Kantonsspital Winterthur.

Weber wird demnächst zusammen mit seiner zukünftigen Frau ins Weiacher Pfarrhaus einziehen. Am 28. April lassen sich die beiden vom Stadler Pfarrer Hans Caspers in der Kirche Weiach trauen. (fr)
»

Die eigentliche Wahl: wohl eine reine Formsache

Schon allein der feststehende Zügeltermin und die fix gebuchte kirchliche Trauung zeigen, dass es sich bei der Wahl vom 1. April nicht um einen Aprilscherz, sondern wohl nur noch um eine Formsache handeln dürfte. Denn wenn nicht wirklich Feuer im Dach ist, dann folgen die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger der evangelisch-reformierten Kirchgemeinde nämlich in aller Regel dem Antrag ihrer Kirchenpfleger.

Quelle
  • Riesen, F.: Weiach - Christian Weber soll Pfarrer werden. In: Zürcher Landzeitung/ZU/NBT, 25. Januar 2007 - S. 9.

[Veröffentlicht am 12.2.2007]

Donnerstag, 25. Januar 2007

«Buschzulage» für den Herrn Pfarrer

Nach der Selbstauflösung der DDR und der «Wende» sprach man in Deutschland im Zusammenhang mit den Sonderzulagen der in den Osten entsandten West-Beamten von der sogenannten «Buschzulage».

Sind wir gleichermassen Entwicklungsgebiet? In gewisser Hinsicht schon. Das Pfarramt Weiach war und ist keine Vollstelle. Es umfasst heute gerade einmal ein 70%-Pensum. Wenn man bedenkt, dass es auch vor 50 Jahren nicht einfach war, unter dieser Prämisse einen Pfarrer in unser Dorf zu locken und ihn dort zu halten (vgl. den Artikel Pfarrer Ryhiners Amtseinsetzung vom 21. Januar 2007), dann kann man schon versucht sein, das Folgende eine «Buschzulage» zu nennen:

«Die freiwillige Gemeindezulage an den Pfarrer wurde auf Fr. 1000.- bis Fr. 1600.- mit jährlicher Erhöhung um 100.- festgesetzt. Die Besoldung unseres Pfarrers setzt sich zusammen aus der staatlichen Besoldung, dieser freiwilligen Gemeindezulage, einer Entschädigung des Schulgutes für den Religionsunterricht der 7.8.Kl. und einer solchen der Bezirksschule Kaiserstuhl.» (G-Ch 1957, S. 9)

Immerhin musste der Herr Pfarrer nicht mehr eigenhändig zum Nebenerwerbsbauern werden, wollte er seine Familie durchbringen. Dass sich sein Gehalt aus (mindestens) fünf separaten Kassen speiste, dürfte er verschmerzt haben.

Quelle
  • Zollinger, W.: Gemeinde Weiach. Chronik des Jahres 1957 – S. 9 (Original in der Zentralbibliothek Zürich, Handschriftenabteilung, Signatur: G-Ch Weiach 1957)
[Veröffentlicht am 12.2.2007]

Mittwoch, 24. Januar 2007

Elektrisch geläutet wird erst seit 50 Jahren

Über Jahrhunderte war das Läuten der Weiacher Kirchenglocken reine Handarbeit. Da musste man sich richtig hineinhängen. Und das auch noch pünktlich und genau so lange wie vorgegeben. Denn die Dorfbevölkerung schaute dem Sigrist (auch Mesmer genannt) genau auf die Finger:

«S' hät immer so Schpezialischte gha, wo mit der Uhr sind go kontrolliere ob me gnueg lang glütet hät», sagte Emma Erb, die Ehefrau des letzten Sigristen der noch von Hand läuten musste, im Gespräch mit dem Autor der Weiacher Geschichte(n).

So ist es leicht verständlich, dass sich die Sigristenfamilie über die Ankunft der elektrischen Heinzelmännchen freute, wie Walter Zollinger in seiner Jahreschronik schreibt:

«Ein längst gehegter Wunsch des Mesmers, Herr Albert Erb, ging endlich in Erfüllung: der Einbau des elektrischen Antriebes des Kirchengeläutes und der Umbau der Turmuhr auf el.-automatischen Aufzug. Die Gesamtkosten betrugen Fr. 4'853.40 bzw. Fr. 3'357.70. An diese bewilligte das politische Gut gesamthaft Fr. 4'665.15.» (G-Ch 1957, S. 9)

Warum die Gemeinde auch etwas daran bezahlte ist schnell erklärt. Jeder Einwohner, ob reformiert oder nicht, hatte schliesslich etwas vom regelmässigen Gang der Turmuhr und den Läutezeichen. Glocken und Uhr strukturierten den Tagesablauf für alle - auch für die Katholiken.

Automatisch läuten = Weniger Lohn

Die Kosten liessen die Kirchenoberen aber dennoch ans Sparen denken. «So, jetzt gits weniger Lohn», habe der Kirchenpflegepräsident zu ihnen gesagt, als die elektrische Läutung endlich installiert war.

Das fand die Familie Erb dann doch mehr als knauserig. Vor allem wenn man bedenkt wie wenig sie bisher schon für das täglich mehrmals fällige Läuten ausbezahlt erhielten - ganze 1200 Franken im Jahr.

Nach heutigem Geldwert sind dies nicht einmal 5000 Franken (Index 1914=100; 1957=245.1; 2006=1000). Wahrlich nicht viel Geld wenn man sich ausrechnet, wieviele Einsätze dafür bei jedem Wetter und zu allen Tageszeiten zu leisten waren.

Quellen

  • Zollinger, W.: Gemeinde Weiach. Chronik des Jahres 1957 – S. 9 (Original in der Zentralbibliothek Zürich, Handschriftenabteilung, Signatur: G-Ch Weiach 1957)
  • Persönliches Gespräch des Verfassers mit Frau Emma Erb am 21. Oktober 2005 im Altersheim Eichi, Niederglatt
  • Albert Erb-Saller (* 4.11.1905 † 16.12.2001). Erinnerungen an einen der letzten Vertreter des Wagner-Handwerks. Weiacher Geschichte(n) 72. In: Mitteilungen für die Gemeinde Weiach, November 2005 – S. 13-17.

[Veröffentlicht am 11.2.2007]

Dienstag, 23. Januar 2007

Weiach, Germany: haarscharf daneben

Schon Ende März 2006 mussten wir in einem Artikel mit dem Titel La ampliación del cementerio de Weiach feststellen, dass Weiach zu Alemania gehört. Jedenfalls aus der Sicht der Öffentlichkeitsarbeiter der IV Biennal Europea de Paisatge Rosa Barba. So stand es nämlich damals in den Zeitungen spanischer und katalanischer Sprache.

Und so findet man es bis heute auf der Website der Landschaftsarchitektur-Biennale. Auch ein e-mail, das auf die falsche Benennung hinweist, scheint nichts zu nützen. «Weiach, Germany» ist zwar auf einer Weltkarte nur haarscharf daneben - aber eben daneben.

Bis man im fernen Barcelona begreift, dass Weiach historisch gesehen zwar sehr wohl zur Alemannia (dem Stammland der Alamannen) und der deutschsprachigen Schweiz, nicht aber zum heutigen Deutschland gehört, heisst halt auch der Dateiname dieses fast 2 MB grossen Fotos auf der Website des Col·legi d'Arquitectes de Catalunya weiterhin: Cementery_Extension_Weiach_Germany.jpg.
Der Passant hinter dem Bretterzaun ist dennoch eindeutig ein Schweizer. Nämlich unser Gemeindepräsident Gregor Trachsel.

Quelle

[Veröffentlicht am 11.2.2007]

Montag, 22. Januar 2007

Limitierte Privatsphäre bei Künstlernachlässen

Manchmal stösst man beim Durchkämmen des Webs mittels Suchmaschinen auf wirklich Überraschendes. So auf das Inventar des Archivs einer noch lebenden Schriftstellerin, der 1922 geborenen Erika Burkart. Und darin auf eine unverhoffte Verbindung nach Weiach. Aber der Reihe nach.

Die Kurzbiographie des Ammann-Verlags, bei dem sie einige ihrer Werke publizierte, verrät ein paar Eckdaten:

«Nach dem Lehrerinnenseminar arbeitete Erika Burkart 1942-1952 als Primarlehrerin. Sie ist verheiratet mit dem Autor Ernst Halter und lebt als freie Schriftstellerin im »Kapf«, einem alten Äbtehaus in Althäusern/Kt. Aargau. Dieses Haus und die es umgebende Landschaft spielen eine wichtige Rolle in Erika Burkarts Werk. Erika Burkarts Gedichte stehen in der Nachbarschaft derjenigen von Huchel, Eich und Bobrowski; sie markieren einen Höhepunkt der modernen Schweizer Lyrik.»

Letztgenannte Einschätzung wird dadurch untermauert, dass Burkart in den vergangenen fünfzig Jahren eine ganze Reihe von Preisen gewonnen hat:
- Meersburger Droste-Preis 1957
- Conrad-Ferdinand-Meyer-Preis 1961
- Johann-Peter-Hebel-Preis 1978
- Literaturpreis des Kantons Aargau 1980
- Mozart-Preis 1990
- Gottfried-Keller-Preis 1991
- Joseph-Breitbach-Preis 2002
- Großer Schillerpreis 2005

Im Archiv gelandet. Verstauben war gestern

Wenn man älter wird macht man sich in der Regel Gedanken, wem man seine irdischen Güter vermachen will. Bei Künstlern ist das mitunter eine recht umfangreiche Angelegenheit.

Burkart übergab ihre Materialsammlung dem Schweizerischen Literaturarchiv, das in den Räumen der Schweizerischen Nationalbibliothek an der Hallwylstrasse 15 in Bern untergebracht ist (und auch URL-mässig zu dieser gehört).

Der akribischen Aufstellung des Schweizerischen Literaturarchivserstellt von Corinna Jäger-Trees») ist zu entnehmen, was sich aus der Zeit von 1950-2005 alles in der Sammlung Burkart befindet:

«Zusammenfassung : Das Archiv Burkarts umfasst bezüglich des literarischen Materials (A) Manuskripte von drei Romanen und einigen Gedichten; sehr umfangreich erhalten sind Typoskripte der Gedichte und Romane, ausserdem Manuskripthefte mit Notizen und Skizzen zu Werken, Briefen und tagebuchartigen Notaten. Ausserdem enthält ihr Archiv Korrespondenzen (B) und persönlich-literarische Tagebücher der Jahre 1984-1999 (C), die sich allerdings noch bei der Autorin befinden. Die Rubrik Sammlungen (D) umfasst eine grosse Sammlung mit Presseausschnitten zu Leben und Werk der Autorin, die dazugehörige Sekundärliteratur, in Zeitungen und Zeitschriften abgedruckte Texte Burkarts sowie Fotos. Etliche Materialien der Rubriken B-D befinden sich nach wie vor bei der Autorin. Das erweiterte Archiv (E) umfasst Briefsammlungen von Briefen Erika Burkarts an Luzia Elmer und Carl Naef.
Umfang : 48 Schachteln
Signatur : SLA-EBUR
»

Postkarte aus Weiach

Man ahnt, dass es da auch sehr persönliche Dinge drin hat. Und tatsächlich - es hat. Zum Beispiel erfährt man, dass sie von dem vor Jahren im unteren Bühl zu Weiach wohnhaften und tätigen Komponisten und Dirigenten René Dublanc zwei Karten erhalten hat:

B-2-DUBL Dublanc, René
Rohr/ Weiach
1990-12-18
1998-05-20
2 Kt.


Was da drauf steht muss noch nicht einmal bekannt sein. Das Fazit ist klar: Wer Schriftstellern Postkarten schickt, der muss damit rechnen, dereinst noch zu Lebzeiten über die minutiöse archivalische Erfassung von deren Nachlass unfreiwillig geoutet zu werden. Schöne neue Internet-Welt.

[Veröffentlicht am 11.2.2007]

Sonntag, 21. Januar 2007

Pfarrer Ryhiners Amtseinsetzung

Momentan hat die Kirchgemeinde Weiach ja wieder einmal keinen gewählten Pfarrer. Es war noch nie einfach, jemanden dazu zu bewegen, seinen Wirkungskreis weit weg von der Stadt aufzubauen - zumal in früheren Jahrhunderten, als das Kirchengut eher zum Sterben denn zum Leben reichte.

Vor 50 Jahren musste sich der Weiacher Pfarrer zwar nicht mehr um das physische Überleben seiner Familie sorgen. Die ländliche Abgeschiedenheit war jedoch geblieben.

Umso grösser dürfte die Freude der Weiacher vor fast genau einem halben Jahrhundert gewesen sein, als sie am 20. Januar 1957 ihren neuen Pfarrherrn offiziell in sein Amt einsetzen liessen. Zum festlichen Anlass wurde eigens eine Einladung gedruckt:

[Zum Vergrössern: Bild anklicken]

Walter Zollinger schrieb dazu in seiner Jahreschronik 1957:

«Unter dem Geläute der Kirchenglocken zog am 15. Januar unser neugewählte Herr Pfarrer W. Ryhiner mit seiner Braut, Fräulein El. Landenberger, ins Dorf ein. Da im Pfarrhaus durch den Kanton aber noch umfangreiche Renovationsarbeiten erst fertig gemacht werden müssen, wohnt Herr Pfr. R. vorerst in der z.Zt. grad leeren Wohnung über dem neuen Postbüro. - Am 20.1. sodann fand in der fast überfüllten Kirche die Pfarreinsatzfeier statt. Die Weihe vollzog Herr Dekan O. Studer aus Buchs/ZH; Kirchen- und Männerchor wirkten selbstverständlich wacker mit.» (G-Ch Weiach 1957)

Willi Ryhiner war der 86. Pfarrer von Weiach seit 1542 (nach der Zählung des «Zürcher Pfarrerbuch 1519-1952»). Sein Name wird manchmal auch zu «Rihyner» verschrieben (so im Anhang zu «Die Kirche zu Weiach» aus dem Jahre 1965).

Bereits nach fünf Jahren verliess Ryhiner die Weiacher wieder und übernahm das Pfarramt von Dussnang-Bichelsee an der Grenze vom Hinterthurgau zum Zürcher Oberland.

Quelle

  • Zollinger, W.: Gemeinde Weiach. Chronik des Jahres 1957 – S. 10 (Original in der Zentralbibliothek Zürich, Handschriftenabteilung, Signatur: G-Ch Weiach 1957)

[Veröffentlicht am 11.2.2007]

Samstag, 20. Januar 2007

Dorfmusik Weiach - vor 50 Jahren aus der Taufe gehoben

Oder doch schon vor 55 Jahren? Wenn man die publizierte Literatur (Weiach 1271-1971) konsultiert, dann muss man das Geburtsjahr 1952 annehmen. Wenn man sich jedoch auf eine ältere, unpublizierte Jahreschronik desselben Autors stützt, das Jahr 1957.

Wenig Publiziertes

Gesichert erscheint momentan, dass in Weiach 1903 ein Posaunenchor gegründet wurde, woraus 1913 eine erste Dorfmusik entstand. Was weiter mit ihr passierte, darüber gibt Walter Zollinger in der Fussnote 77 seiner 1972 erschienenen Monographie Auskunft:

«Der Erste Weltkrieg hemmte leider ihr Weiterbestehen, 1915 löste sie sich auf. Erst 1952 ist sie neu erstanden», steht da kurz und sec.

Für die Neuauflage von 2003 wurden diese Informationen in die Fussnote 150 übernommen und ergänzt:

«Der Erste Weltkrieg hemmte leider ihr Weiterbestehen, 1915 löste sie sich auf. Erst 1952 ist sie neu erstanden, kämpfte jedoch an der Wende zum 21. Jahrhundert mit geringen Mitgliederzahlen. Die Dorfmusik stand im Jahre 2002 vor ihrer Auflösung.»

In der Überarbeitung zur vierten, als pdf-Datei erhältlichen Auflage wurden durch Abänderung des letzten Satzes auch die jüngsten Entwicklungen reflektiert:

«Die Dorfmusik hat sich Mitte 2003 aufgelöst. Ihre Mitglieder spielen nun teilweise in Kaiserstuhl und Glattfelden.»

Die Jahreschronik vermittelt ein anderes Bild

Aufgrund der Angaben in Zollingers Jahreschronik 1957 muss man nun an der Geburtsangabe 1952 zweifeln. Denn in diesem Typoskript steht auf Seite 14:

«Ende letzten Jahres [also 1956] erliessen einige Freunde der Blasmusik einen Aufruf zur Wiederauflebung eines Musikvereins; es hatte nämlich vor rd. 45 Jahren bereits einer bestanden, der dann aber bei Ausbruch des ersten Weltkrieges eingegangen war. – Mit Neujahr 1957 konnte nun die „Dorfmusik Weiach“ ihre Neugründung mit 20 Mitgliedern melden. Durch Gemeindebeiträge und eine private Sammlung wurde die Anschaffung von Blechinstrumenten ermöglicht und sogleich begann ein eifriges Ueben im Saal zum „Sternen“ und unter Anleitung eines begabten Bläsers. Anlässlich der Bundesfeier auf dem Schulhausplatz konnten sich dann die „neugebackenen Blasmusiker“ zur grossen Freude der Einwohnerschaft zum erstenmal produzieren und am 13.9. gaben sie ihr erstes Platzkonzertchen im Dorf. Am 22.9. wirkten sie anlässlich des Absendens des Veteranenschiessens, wie der Männerchor, mit, und endlich beteiligten sie sich auch schon an der kirchlichen Sylvesterfeier.»

Stattlicher Gemeindebeitrag

Etwas weiter vorn in derselben Jahreschronik 1957 findet sich auf Seite 9 ein Eintrag zur Gemeindeversammlung vom 19. Oktober:

«a. Ausrichtung eines Beitrages von Fr. 1300.- pro 1957 und von Fr. 1900.- pro 1958 an die Dorfmusik zur Anschaffung von Musikinstrumenten. Dabei wurde mitgeteilt, dass die private Sammlung hiefür Fr. 2500.- ergeben habe.»

Aufgrund dieser beiden Fundstellen neige ich heute zur Ansicht, dass sich Zollinger in seiner Monographie zur Geschichte von Weiach im Gründungsjahr geirrt haben könnte.

Deshalb steht gegenwärtig folgender Text in der aktuellen Fassung der oben erwähnten Fussnote 150:

«Der Erste Weltkrieg hemmte leider ihr Weiterbestehen, 1915 löste sie sich auf. Erst 1957 ist sie neu erstanden, kämpfte jedoch ab den Neunzigerjahren mangels Mitgliedern ums Überleben. Die Dorfmusik hat sich Mitte 2003 selbst aufgelöst. Ehemalige Mitglieder spielen nun teils in Kaiserstuhl bzw. Glattfelden.»

Quellen

  • Zollinger, W.: Gemeinde Weiach. Chronik des Jahres 1957 – S. 9 & 14 (Original in der Zentralbibliothek Zürich, Handschriftenabteilung, Signatur: G-Ch Weiach 1957)
  • Zollinger, W.: Aus der Vergangenheit des Dorfes Weiach. (Chronik Weiach. 1271-1971). Hrsg.: Gemeinderat Weiach. 1. Auflage 1972; 2., ergänzte Auflage 1984.
  • Brandenberger, U.: Weiach – Aus der Geschichte eines Unterländer Dorfes. Dritte, überarbeitete Auflage von Walter Zollingers «Weiach. 1271-1971. Aus der Vergangenheit des Dorfes Weiach». Oktober 2003 – 80 S. (Hrsg. von der Gemeinde Weiach). Aktuellste Fassung auf Anfrage beim Verfasser erhältlich.

[Veröffentlicht am 11.2.2007]

Freitag, 19. Januar 2007

Die Grenzwache verlässt die Grenze

«Schengen» hat Folgen. Das Voranschreiten der europäischen Integration löst einen tiefgreifenden Strukturwandel aus. Auch bei uns. Denn die Schweiz kann sich diesem Entwicklungssog nicht entziehen. Und Weiach liegt an der Grenze. Da spürt man den Wandel besonders gut.

Am augenfälligsten wird «Schengen» mit der Neuorganisation des GWK nach Regionen und dem damit verbundenen Rückzug der Grenzwache von der Landesgrenze. Die physische Präsenz an der Grenzlinie löst sich quasi in Luft auf.

Das Festungswachtkorps zeichnet das Schicksal vor

Schon seit längerem ist das Grenzwachtkorps zum Einsatz mobiler Patrouillen übergegangen, der Not der immer dünneren Personaldecke der Oberzolldirektion gehorchend.

Es hat schon fast Seltenheitswert, zwei Grenzwächter zusammen auf Patrouille zu entdecken. Meist besteht das Zweierteam aus einem Grenzwächter und einem Berufssoldaten der Militärischen Sicherheit (MilSich) als Begleitschutz.

Die Entwicklung des früheren Festungswachtkorps zur heutigen MilSich kann man wohl als Vorläufer dessen ansehen, was mit dem Grenzwachtkorps mittel- bis langfristig passieren wird. Auch ein Blick nach Norden über die Grenze zeigt den Trend. Der deutsche Bundesgrenzschutz (BGS) wurde jüngst in «Bundespolizei» umbenannt.

Bauliche Relikte nahe der Grenze

Das sogenannte Zöllnerhaus am Dörndlihag 6 in Weiach hat diese Entwicklung schon längst vorausgenommen. 1960 wurde es vom Bund als Wohnung für Grenz- und Festungswächter sowie deren Familien errichtet. Heute ist es von anderen Mietern belegt.

[Veröffentlicht am 10.2.07]

Donnerstag, 18. Januar 2007

Fischzüge des Tages-Anzeigers - eine Bilanz

Die seit dem 6. November erscheinende Regional-Ausgabe Unterland des Tages-Anzeigers hat zu einer Zunahme von Zeitungs-Artikeln mit Bezug zu unserer Gemeinde geführt. In den letzten zehn Wochen sind es immerhin 18 Artikel, in denen der Name Weiach zumindest erwähnt wird. Das kann man der folgenden Übersicht aus der Pressedatenbank "Swissdox" entnehmen:

27-Nov-06: Bülach und Dielsdorf lehnen Ostmilliarde ab (Tages-Anzeiger)
28-Nov-06: Auch in Weiach kann man glücklich sein (Tages-Anzeiger)
28-Nov-06: Weiach: «Mehr Kinder wären gut» (Tages-Anzeiger)
29-Nov-06: Bunkeranlagen am Rhein der Nachwelt erhalten (Tages-Anzeiger)
29-Nov-06: Zeitzeugen entlang dem Rhein erhalten (Tages-Anzeiger) (Tages-Anzeiger)
29-Nov-06: ...ohne Titel... (Tages-Anzeiger)
29-Nov-06: Kaiserstuhl Fisibach Wahlen in der Kirchgemeinde (Mittelland Zeitung)
01-Dez-06: Nachts bald schneller zu Hause. Fisibach/Kaiserstuhl/Schneisingen Nachtnetz wird ab 10. Dezember ausgebaut. (Mittelland Zeitung)
08-Dez-06: Sie wissen nicht, wovon sie reden (Tages-Anzeiger)
08-Dez-06: BEZIRK DIELSDORF. Trinkwasser vom Langgrabenhof ist ok (Tages-Anzeiger)
11-Dez-06: «Klasse» contra «Mode»: (Neue Zürcher Zeitung)
13-Dez-06: Neues Mitglied für die Kirchensynode (Tages-Anzeiger)
28-Dez-06: Der Orkan Lothar hat dem Wald auch gut getan (Tages-Anzeiger)
30-Dez-06: Es sah immerhin so aus, als wäre Winter (Tages-Anzeiger)
03-Jan-07: BEZIRK DIELSDORF (Tages-Anzeiger)
04-Jan-07: FRAG-WÜRDIG: DIE WEIACHER BRÜDER BENJAMIN UND TOBIAS BAUMGARTNER NACH DEM SECHSTAGERENNEN. «Die Stimmung im Final war grossartig» (Tages-Anzeiger)
08-Jan-07: Weiach hat aufs neue Jahr angestossen (Tages-Anzeiger)
11-Jan-07: Schöne neue Fernsehwelt: Schweizer Familie
13-Jan-07: ...ohne Titel... (Tages-Anzeiger)
16-Jan-07: TAGESTIPP (Tages-Anzeiger)
17-Jan-07: Höri und das Neeracherried vom Durchgangsverkehr befreien (Tages-Anzeiger)
18-Jan-07: Schwimmunterricht gefährdet? (Tages-Anzeiger)

Da kann die NZZ höchstens noch über ihre Zürcher Landzeitung(en) mithalten. Leider auch da um einen hohen Preis. Das Neue Bülacher Tagblatt erscheint weitgehend gleichgeschaltet mit dem Zürcher Unterländer, nicht nur was das Layout der Website betrifft. Auch die Inhalte sind offenbar weitgehend dieselben. Jammerschade.

Sonntag, 14. Januar 2007

Die Pest aus Marseille

Im gestrigen Beitrag war die Rede von der sogenannten Marsilianischen Pest, also der Pest in der südfranzösischen Hafenstadt Marseille.

Dass die Massnahmen des Zürcher Sanitätsrates vollauf gerechtfertigt waren (vgl. Weiacher Geschichte(n) Nr. 9 und Nr. 10) zeigt sich, wenn man die Suchmaschinen mit den Stichworten "Pest", "Marseille" und "1720" füttert.

Letzte Pest in Europa 1720

«Im Mai 1720 kam die Pest zum letzten Mal nach Europa. Angeblich eingeschleppt von einem Schiff, bei dessen Abfertigung die Quarantänebestimmungen nicht korrekt angewandt wurden, verbreitete sich die Krankheit von 172o bis 1722 über Marseille und die Provence. Die Pest von Marseille löste überall in Europa Maßnahmen aus. So erließ der Kurfürst von Sachsen am 10. Oktober 1721 ein „Mandat Wegen der in dem Koenigreiche Franckreich Sich je mehr und mehr ausbreitenden CONTAGION und Derer, dagegen anbefohlenen Anstalten". Da diese Epidemie auf den Süden Frankreichs beschränkt blieb, konnte der preußische König am 15. Juni 1723 die seit 1721 bestehenden Beschränkungen und Verbote des Handels mit Frankreich wieder aufheben, wie das, wie in der Verordnung ausdrücklich vermerkt wird, andere Staaten bereits getan hatten.» (Gesundheitsamt Garmisch-Partenkirchen)

Auch in Sachsen war man also vorsichtig, wenn auch wesentlich später als in Zürich. Man konnte ja schliesslich nicht zum Voraus wissen, dass sich die Seuche nicht so rasant ausbreiten würde wie in früheren Fällen.

Eine andere Internetseite nennt sogar den Namen des Schiffes und weitere Details:

«Im Jahr 1720 lief die "Le Grand Saint Antoine" aus Syrien ein. Bereits während ihrer Seereise starben mehrere Matrosen an Bord an einer seltsamen Krankheit und hohem Fiber. Seit vielen Jahren schützt sich die Hafenstadt gegen Seuchen durch eine strikte Quarantäne verdächtiger Schiffe auf den Frioul Inseln. Doch dieses Mal - allem Anschein nach auch auf Druck einflussreicher Kaufleute aus der Umgebung, die die Waren an Bord des Schiffes sehnlichst erwarten - wird die strikte Verfahrensweise gelockert. Dies erwies sich schon bald als fataler Fehler. Die nun ausbrechende Pest-Epidemie tötete etwa 100.000 Menschen, davon allein 50.000 der 90.000 Marseillais.» (Huber)

Dass eine mysteriöse Krankheit mit hoher Todesrate als Pest bezeichnet wird ist nicht ganz abwegig. Unabhängig davon, um was es sich bei der Marsilianischen Pest gehandelt haben mag, gilt: Eine Katastrophe von solch gewaltigem Ausmass lässt sich nicht vertuschen.

Die alarmierenden Nachrichten darüber erklären, weshalb die Zürcher selbst Soldaten mit Kanonen an die Grenze stellten, um ihrer Entschlossenheit zur Seuchenquarantäne und damit dem Schutz ihres Landes Ausdruck zu verleihen.

Quellen und weitere Artikel

Samstag, 13. Januar 2007

5 Prozent Tote, jedes Jahr

Ja, das war bei uns vor 300 Jahren mit teils über 40 Toten in einem einzigen Jahr traurige Realität. Und die Todesursache ist nicht etwa in Kriegswirren zu suchen. Da handelte es sich vielmehr um ein «Drittweltproblem» wie man dem Abschnitt über Krankheiten von Walter Zollingers «Chronik Weiach» entnehmen kann:

«Zwischen 1676 und 1782 ist eine recht grosse Sterblichkeit (auch unter Kleinkindern) zu beobachten, die jährlich bei beständig 30 und mehr Personen liegt. Die Todesursachen waren manigfaltige; neben der Pest traten damals gerne auf: Pocken, Typhus, Ruhr, Auszehrung, Kindbettfieber. Sicherlich fehlte auch weitgehend die ärztliche Betreuung in den abgelegenen Orten der Landschaft. So starben im Jahre 1706 (Zeit des Kirchenbaues) 41, Anno 1707 und 1759 gar je 42 Dorfgenossen.

Um der Einschleppung solcher Epidemien entgegenzuwirken waren unsere Behörden oft zu drastischen Massnahmen genötigt; so zum Beispiel im Jahre 1720: "Bey Anlass der Marsilianischen Pest ward an diesem Gränzort nächst by dem Eichwald vor dem Dorf ein Quarantäne-Schopf erbauwet, ein Mörser dabey aufgepflanzet und eine Wache dazu gesetzet, auch alle dahin gebrachten Waaren ausgelegt und gereinigt."
»

Diese Quarantäne-Massnahmen fanden selbst in den damaligen Lexika über den Stadtstaat Zürich Erwähnung. Es scheint sich also um ziemlich drastische Eingriffe gehandelt zu haben. Beim herrschenden schlechten Hygiene-Standard und mangelndem medizinischen Wissen war das aber wohl die einzig mögliche Schutzmassnahme.

Quellen und weiterführende Artikel

  • Zollinger, W.: Von Krankheiten, Viehseuchen, Brandfällen, Erdbeben und Unwettern. In: Aus der Vergangenheit des Dorfes Weiach. (Chronik Weiach. 1271-1971). 1. Aufl. 1972 (erschienen an Ostern), Staatsarchiv des Kantons Zürich: Dc W 28, Zentralbibliothek Zürich: FU 3003; 2. ergänzte Aufl. 1984. [Die 3., überarbeitete Auflage, erschien 2003 unter dem Titel: Weiach – Aus der Geschichte eines Unterländer Dorfes]
  • Mit Mörsern gegen die Pest. Das «Erlufftungshaus» von 1720/21 (Teil 1). Weiacher Geschichte(n) 9. In: Mitteilungen für die Gemeinde Weiach, August 2000 – S. 9.
  • Europäisches Handelshemmnis und lokale Einnahmequelle. Das «Erlufftungshaus» von 1720/21 (Teil 2). Weiacher Geschichte(n) 10. In: Mitteilungen für die Gemeinde Weiach, September 2000 – S. 13-14.

Freitag, 12. Januar 2007

Die Einheitskrankenkasse auf dem Podium

Ein gelber Zettel landete in den letzten Tagen in den Weiacher Briefkästen. Mit den Logos von SP und SVP. Eine Einladung. Zu einer «Öffentlichen Podiumsdiskussion am Mittwoch, 17. Januar 2007, 20 Uhr».

Das Thema: «Ist die Volksinitiative "Für eine solidarische Einheitskrankenkasse" die richtige oder die falsche Medizin für unser Gesundheitswesen?» Die Moderation übernimmt Urs Tremp, ein Redaktor des Tages-Anzeigers Unterland.

Das Thema ist aktuell, die Zeit nicht ungewöhnlich: es sind ja bald wieder Wahlen, da wollen sich die Politiker öffentlich zeigen. Dass dem so ist zeigen die Funktionen der Podiumsredner.

In diesem Fall handelt es sich bei den Kontrahenten auf der Pro-Seite nämlich um SP-Kantonsrat Thomas Hardegger, Rümlang und einen Kandidaten aus Oberglatt. Auf der Contra-Seite: SVP-Kantonsrat Werner Bosshard, ebenfalls aus Rümlang und einen Kandidaten aus Schleinikon.

Und was hat das jetzt mit Weiach zu tun?

Das Ungewöhnliche ist der Veranstaltungsort: Gemeindesaal Weiach. In den letzten Mitteilungen für die Gemeinde Weiach war über diese Veranstaltung kein Sterbenswörtchen erwähnt.

Das lässt eigentlich nur einen Schluss zu: dass hier Auswärtige als Veranstalter auftreten - etwa die Regionalredaktion Unterland des Tages-Anzeigers? Gut möglich. Dass es Auswärtige ohne wirkliche Ortskenntnisse sein müssen, das zeigt schon allein die Strassenangabe Schulweg 6 für den Gemeindesaal. Das ist die Adresse des neuen Schulhauses. Der Gemeindesaal hingegen liegt unter der Turnhalle und die Eingangstüre öffnet sich eindeutig auf der Seite Stadlerstrasse. «Bei der Bushaltestelle Weiach, Gemeindehaus» wäre eine wesentlich zielführendere Bezeichnung gewesen.

Sei's drum. WeiachBlog fragt sich nur noch was die ungenannt bleibenden Veranstalter dazu bewegt haben könnte, ihr Podiumsgespräch ausgerechnet am Rand des Kantons durchzuführen. Hey Leute, hier wohnen nur ein paar hundert Wähler!

Donnerstag, 11. Januar 2007

Wenn Frau will geht's in Rekordzeit

Das Bernbiet hat den Weiachern manches beschert. Nicht nur den derzeit ältesten Einwohner, den vor Jahrzehnten hierher gezogenen, mittlerweile 96-jährigen Paul Friedli. Nein, auch handfeste Bauwerke. Und das ging so:

«Die Milchgenossenschaft Weiach hat nun nach mehrmaligem Zögern doch beschlossen, eine sog. "Gemeinschafts-Tiefkühlanlage" zu erstellen. Am 11. Jan. nachmittags referierte eine Bäuerin aus Herzogenbuchsee, Frau Gerber, über die Nützlichkeit und Verwendungsmöglichkeit einer solchen Anlage gerade für die Bauernfamilien. Das Interesse, vor allem unserer Bauersfrauen, war derart gross, dass sofort an die Errichtung geschritten und die gesamte Anlage schon am 24. August dem Betrieb übergeben werden durfte. (Miete für je 100 Liter-Fach Fr. 35.- pro Jahr.).» (S. 15)


Das alte Tiefkühl-Häuschen (Vers.-Nr. 378) zwischen dem Volg und der Liegenschaft Wolf. (Aufnahme Weiacher Geschichte(n) vom 27. November 2004)

Durchschlagskraft - auch ohne Frauenstimmrecht

Heute vor 50 Jahren beschlossen also die Frauen von Weiach, eine solche Anlage müsse her. Und die stand dann auch in Rekordzeit - gemessen an heute üblichen Bewilligungs-, Finanzierungs- und Planungszeiträumen. Zugegeben: es handelt sich um ein kleines Häuschen von den Abmessungen her in der Grösse einer Doppelgarage (oder nicht einmal), aber trotzdem: Bereits am 15. März erfolgte die Bauausschreibung in der Zeitung. Der Rest war in weniger als einem Jahr fixfertig installiert.


Übrigens ebenfalls heute vor 50 Jahren: «Der Schweiz. Schul- und Volkskino zeigt den lieblichen Tonfilm "Heidi und Peter".» (S. 11)

Quelle

  • Zollinger, W.: Gemeinde Weiach. Chronik des Jahres 1957 – S. 11 & 15 (Original in der Zentralbibliothek Zürich, Handschriftenabteilung, Signatur: G-Ch Weiach 1957)

Montag, 8. Januar 2007

Hausjubiläen 2007

Hohe Geburtstage von Einwohnern unserer Gemeinde findet man in den Mitteilungen für die Gemeinde Weiach.

Wenn ein Haus Geburtstag feiert, dann erfährt man das in der Regel nicht aus der Zeitung. Man muss entweder beim Hausbesitzer, bei der Gebäudeversicherung, im Staatsarchiv oder auf dem Grundbuchamt nachfragen. Oder eben hier hineinschauen - bei WeiachBlog.

Der Verfasser der Weiacher Geschichte(n) sammelt schon seit Jahren Informationen über die Gebäude in der Gemeinde. Sie stammen vor allem aus den sogenannten Lagerbüchern der Kantonalen Brandassecuranz (heute: Gebäudeversicherung des Kantons Zürich). Aus dieser und anderen Quellen lassen sich folgende Jubilare herausdestillieren:

300 Jahre

Pfarrscheune und Pfarrhaus. Obwohl 1707 noch keine Gebäudeversicherung bestand, kann man aufgrund verschiedener Indizien annehmen, dass beide Gebäude in etwa dieses Alter haben. Das glauben zumindest manche Experten. Andere sind vehement anderer Meinung. Für die Pfarrscheune gibt die Gebäudeversicherung z.B. das technische Erstellungsjahr 1895 an. Und für das Pfarrhaus gibt es Altersschätzungen auf die Jahre 1564, 1591 und 1706. Sicher ist nur, dass es im Fall der Pfarrscheune wiederverwendete Gebäudeteile gibt, die dendrochronologisch nachgewiesen ein noch viel höheres Alter aufweisen. Eine eichene Fachwerkschwelle ist nach diesen Analysen rund 500 Jahre alt (Dendro: um 1515) [Jahrzahl Dendro korrigiert am 3.10.2017; Fälschliche Bezeichnung als Türschwelle am 28.9.2020 korrigiert; vgl. WeiachBlog Nr. 1591].

200 Jahre

Ein wesentlich unscheinbareres Häuschen an der heutigen Stockistrasse 9 (Vers.-Nr. 567) wird von der Gebäudeversicherung auf das Jahr 1807 datiert. Die Lagerbücher zeigen, dass dieses Haus mit der traditionell angebauten Scheune ab 1812 die Nummer 118 und ab 1895 die Assekuranznummer 137 trug. Interessant ist auch die Ortsangabe im ersten Lagerbucheintrag von 1812: "In Kellen".

150 Jahre

Bekannter ist das 1857 errichtete Alte Gemeindehaus an der Büelstrasse. Es wird heute von der Gebäudeversicherung als "Friedhofgebäude" bezeichnet. Das entbehrt nicht einer gewissen Logik, denn vom Friedhof aus sind die im Untergeschoss des Hauses eingebauten Toiletten und weitere Räume erreichbar. Das Haus trug nach dem Nummerierungsschema 1812 die Bezeichnung 48A, ab 1895 die Assekuranznummer 81 und seit 1955 die Versicherungsnummer 237. Als Ortsangabe wird 1812 "Im Bühl" angegeben, als Funktion: "Löschgerätheschopf". Auch das stimmt, denn das Gemeindehaus diente einst nicht nur als Sitzungs- und Archivraum, sondern auch als Feuerwehrmagazin.

100 Jahre

Exakt hundertjährige Gebäude gibt es heute in Weiach keine. Der einzige Kandidat, das erste Schützenhaus der Gemeinde Weiach, wurde wohl nach dem Bau des neuen im Jahre 1948 abgetragen. Das alte trug nach dem Nummerierungsplan von 1895 die Assekuranznummer 169, das neue die Nummer 230. Eine Versicherungsnummer ist nach 1955 aber lediglich für das neue Schützenhaus bekannt: die Nr. 100 an der Haslistr. 4.

Vor exakt einhundert Jahren verschwunden ist übrigens ein (wohl beim Bau der Linie Winterthur-Koblenz im Jahre 1873-1876) im Hard errichtetes Bahnwärterhäuschen der Schweizerischen Nordostbahngesellschaft.

50 Jahre

Eine ganze Reihe Häuser können auf ihr 50-jähriges Bestehen zurückblicken:
  • Ein Wohnhaus mit Werkstatt an der Kaiserstuhlerstr. 10, d.h. die Tankstelle der Familie Willi (Vers.-Nr. 606)
  • Dann ein Schopf bei der Liegenschaft Büelstrasse 1 (Vers.-Nr. 221)
  • Das Lagergebäude der Landwirtschaftlichen Genossenschaft Weiach an der Kaiserstuhlerstrasse 44 (Vers.-Nr. 672)
  • Das Einfamilienhaus Zeindler an der Stadlerstr. 22 (Vers.-Nr. 410)
  • Und schliesslich die ehemalige Gemeinschafts-Tiefkühlanlage (von der Gebäudeversicherung 2002 noch als "Kühlhaus" bezeichnet) hinter dem Volg an der Stadlerstrasse (Vers.-Nr. 378)

Sonntag, 7. Januar 2007

Glückliches Schlusslicht

«In Neerach lebt sichs am besten, nach Weiach soll man besser nicht zügeln. Stimmt das Bezirk-Dielsdorf-Rating der ZKB tatsächlich?» So fragte die noch junge Regionalredaktion des Tages-Anzeigers am 28. November 2006 provokativ.

«Weiach bleibt hinter Stadel und Bachs das Schlusslicht», heisst es im Artikel weiter. Die Redaktoren Simon Eppenberger, Manuela Moser und Lorenz Schmid begaben sich aus diesem Anlass zu den Einwohnern von Neerach (Bezirkssieger) und Weiach (Schlusslicht im Bezirk) und machten das, was Journalisten tun, wenn ihnen nichts besseres einfällt - eine Umfrage.

Abgedruckt wurden in der Tages-Anzeiger-Regionalausgabe Unterland vom 28. November die im gestrigen Beitrag bereits kommentierten Statements von vier Weiacherinnen und Weiachern.

Heute schauen wir uns noch den Hauptartikel mit dem tröstenden Titel «Auch in Weiach kann man glücklich sein» genauer an, aus dessen Lead wir eingangs schon zitiert haben.

Weiche Kriterien fehlen

Das Regionenrating stammt aus der Küche der Researchabteilung der Zürcher Kantonalbank, die es im Auftrag des Tages-Anzeigers durchführt. Zwar wird behauptet, die Kriterien umfassten alle wesentlichen Parameter um einen Standort zu bewerten. Das ist aber offensichtlich nicht der Fall, wie die Tages-Anzeiger-Redaktoren selber zugeben müssen:

«Die Studie bewertet die Gemeinden nach harten ökonomischen Kriterien. So erstaunt es nicht, dass beispielsweise Neerach mit seinen tiefen Steuern und der hohen Steuerkraft massiv punkten kann. Auch die hohen Immobilienpreise sprechen laut den Verfassern für Neerach. Beobachtet wurden aber auch demografische Kriterien wie der Anteil an Familien, die Altersstruktur der Gemeinde sowie die Bilanz der Zu- und Wegzüge.»

Wie sich die Dynamik der Zu- und Wegzüge genau auf die Standortqualität auswirkt, dürfte ziemlich umstritten sein. Je grösser die Fluktuation, desto grösser ist wohl auch die soziale Unrast und Entwurzelungstendenz. Kleine Fluktuation muss demgegenüber nicht bedeuten, dass eine Gemeinde als Wohnort unattraktiv ist - im Gegenteil.

Schon dieser Mangel lässt einen an der Tauglichkeit der Kriterienauswahl und dem Wert der Analyse zweifeln. Aber es kommt noch besser:

Lebensqualität nicht erfasst

«Das Regionenrating hält sich klar an die messbaren Fakten. Aspekte, die hingegen nicht direkt in einen Zahlwert umgemünzt werden können, jedoch für den Einwohner hinsichtlich seiner Lebensqualität nicht weniger interessant sind, werden weggelassen. So ist die verkehrstechnische Erreichbarkeit von Zürich ein Kriterium in dem Rating, die Einkaufsmöglichkeiten im Dorf werden aber nicht bewertet. Kann eine gute Anbindung an Zürich nicht auch negative Auswirkungen auf den Verkehr haben? Auch Faktoren wie Naherholungsgebiete, Freizeitangebote und nicht zuletzt der Fluglärm prägen eine Gemeinde.»

Der bereits vor Ort Wohnende hat also weniger Gewicht als der Neuzuzüger mit seinem kürzlichen Entscheid. Was man auch sieht, ist, dass das Rating einseitig Zürich-orientiert konstruiert wurde. Bei einer von der Stadt aus denkenden Zeitung und einer ebensolchen Kantonalbank auch nicht verwunderlich.

Dass allerdings die Einkaufsmöglichkeiten im Dorf überhaupt nicht bewertet werden, ist unverzeihlich. Denn das macht - vor allem für ältere und weniger mobile Menschen - einen grossen Unterschied. Nur eben: das ist nicht das hochmobile, tendentiell finanzkräftige Personensegment, dessen Entscheidungen in diesem Rating den Ausschlag geben.

Die Einheimischen beeindruckt das kaum

Deshalb ist auch das Fazit der Umfrage absehbar:

«Wie verhält es sich also in den Gemeinden wirklich? Der «Tages-Anzeiger» hat sich bei den Bewohnern der Tabellenschlusslicht-Gemeinde Weiach und bei den Einwohnern der Spitzenreitergemeinde Neerach umgehört.

Dass sie in der «schlechtesten» Gemeinde wohnen, kümmert die Weiacher kaum. Ähnlich gelassen reagierten die befragten Einwohner von Neerach auf ihre erneute Spitzenplatzierung. Es zeigte sich, dass man sich in beiden Gemeinden über den tiefen Steuerfuss zwar freut, doch dass dieser für viele kein entscheidendes Kriterium bedeutet. Die Leute schätzen vielmehr das Ländliche an ihrem Dorf, auch wenn teilweise ungünstige Verbindungen des öffentlichen Verkehrs bestehen. Es werden aber auch kritische Stimmen laut: Die hohen Immobilienpreise in Neerach oder die durch das Wachstum zunehmende Anonymität im Dorf beschäftigen die Bewohner.
»

Letzteres gilt auch für Weiach. Die enorme Zunahme der Bautätigkeit in den 90er-Jahren hat sich in einem massiven Wachstum der Bevölkerung und einem höheren Anteil der neu Zugezogenen niedergeschlagen.

Der tiefe Steuerfuss dürfte überdies - wie in Neerach - dazu beitragen, dass etliche dieser Neuzuzüger den Wohnort nur nach Steuerkriterien gewählt haben und gar nicht gewillt sind, eine tiefergehende Beziehung zu ihm aufzubauen. Erfreulich aber auch, dass ein höherer Steuerfuss für viele dann doch kein Grund fürs Wegziehen wäre.

So weit zu diesem Umfrage-Artikel.

Gehen wir noch etwas näher ans Regionenrating heran. Im Tages-Anzeiger vom 28. November findet man ein FAQ, zusammengestellt von Andreas Valda. Die Kommentare sind auch hier von WeiachBlog:

Die 5 häufigsten Leserfragen und ihre Antworten

Wer bestimmt die TA-Gesamtnote je Gemeinde?

«Indirekt die Mieter und Käufer von Immobilien. Indem sie einen Miet- oder Kaufvertrag abschliessen, verraten sie indirekt ihre Vorlieben für ein Angebot. Diese Vorlieben oder Präferenzen werden von Wissenschaftlern systematisch analysiert und bewertet. Sie errechnen darauf die so genannte «Kaufbereitschaft» für eine besondere Eigenschaft, sei es Lage, Gemeinde, Grösse, Standard und Qualität. Je wichtiger den Käufern und Mietern eine Eigenschaft ist, desto mehr sind sie auch bereit zu zahlen. Dem TA-Rating liegt nun das umgekehrte Prinzip zu Grunde: Je höher die durchschnittliche Kaufbereitschaft beträgt, desto grösser ist die Wertschätzung für eine Gemeinde.»

Kommentar: Bei nur wenigen Transaktionen gibt das Statistische Amt die Daten nicht frei. Eine Aussage zu wagen ist also für eine systematische Analyse höchst problematisch.

Ist die TA-Gesamtnote ein Durchschnitt aus den Einzelnoten?

«Nein. Die Einzelnoten der verschiedenen Kriterien dienen nur zu Veranschaulichung einer bestimmten Qualität. Ein Bezug zwischen der Gesamtnote und einigen Kriterien kann aber hergestellt werden, so etwa der Nähe zu Zürich oder der Steuerbelastung Privater. Oft gilt: je näher eine Gemeinde bei Zürich liegt und je tiefer die Steuerbelastung, um so höher die Gesamtnote. Diese Parallelität verdeutlicht, was Immobilienkäufern und Mietern in ihrem Standortentscheid wichtig ist: Die Nähe zu Zürich und tiefe Steuern.»

Kommentar: Hier sieht man besonders deutlich, wie der Blickwinkel auf die Immobilientransaktionen (und damit auf die Neuzuzüger) die Beurteilung der Attraktivität verzerrt.

Wer bestimmt die Einzelnoten?

«Sie werden von einem Computer errechnet. Als Grundlage verwenden die ZKB-Wissenschaftler die Erhebungen des Kantons, des Bundesamtes für Statistik und hauseigene Erhebungen der ZKB für die Wohnbautätigkeit und das Kauf-/Mietpreis-Verhältnis.»

Kommentar: Transparenz ist bei diesem Vorgehen natürlich nicht gegeben. Hauseigene Daten und den Algorithmus wird die ZKB ja wohl nicht offenlegen wollen.

Warum findet man bei dieser zweiten Runde des TA-Regionenratings eine Mehrzahl neue Einzelkriterien?

«Das letzte Mal lag der Fokus auf Kriterien, die mehrheitlich Immobilienkäufer interessierten. In der zweiten Runde stehen demographische und Mieter-Kriterien im Vordergrund. Zudem: Die Mehrzahl der bisherigen Beurteilungen, so etwa die der Fern- und Bergsicht, Erschliessung mit Schulen oder Einkaufsmöglichkeiten verändern sich kaum oder gar nicht. Sie gelten weiterhin und sind auch weiterhin im Internet abrufbar.»

Kommentar: Da kann man sich fragen, ob überhaupt eine Vergleichbarkeit mit dem ersten Rating gegeben ist. Auch hier wäre es überdies hilfreich, mehr über die genauen Beurteilungsschemata zu erfahren. Beispielsweise darüber, welches demographische Profil aus welchen Gründen als besser gilt als ein anderes.

Ist die Benotung von Gemeinden aus verschiedenen Bezirken vergleichbar?

«Nein. Die Noten beziehen sich immer auf die Gemeinden im Bezirk. Gut möglich, dass die eine Gemeinde im Bezirksvergleich eine 6 hat, aber im Vergleich zur Gemeinde eines anderen Bezirks nur eine 3 hätte. Der Gesamtvergleich wird es am Ende des zweiten Ratings publiziert werden.»

Kommentar: Hier sieht man, woran das Regionenrating schon prinzipiell krankt. Je nach Abgrenzung der Region sind die Resultate nämlich irreführend - um nicht zu sagen unbrauchbar. Es macht absolut keinen Sinn, gewisse Gemeinden des Bezirks Dielsdorf miteinander zu vergleichen. Hüttikon und Weiach (um zwei eher ländliche Gemeinden herauszugreifen), liegen in zwei völlig verschiedenen Geländekammern und haben miteinander herzlich wenig zu tun. Schon allein aus geographischen und verkehrstechnischen Gründen. Viel wichtiger wäre ein Vergleich von Weiach mit den Rafzerfeld-Gemeinden, mit der Nachbargemeinde Glattfelden, mit Kaiserstuhl und Fisibach oder gar mit Hohentengen. Auf den Gesamtvergleich darf man gespannt sein.

Weitere Informationen zum Regionenrating

Alle bisherigen Regionenratings und Erläuterungen zur Methodik findet man unter www.tagesanzeiger.ch/regionenrating. Wer dennoch ratlos bleibe, könne sich an den Betreuer der Serie, Andreas Valda wenden: andreas.valda@tages-anzeiger.ch.

Offenbar wirft das Rating doch ziemlich hohe Wellen. Kein Wunder. Da geht es schliesslich um den Wert von Liegenschaften. Und damit um Vermögenswerte in Millionenhöhe. Mit dem Rating bewaffnet kann man in Weiach als Käufer versuchen, die Preise zu drücken - mit dem Argument der mangelnden Gunst der übrigen Marktteilnehmer.

Quellen
  • Eppenberger, S.; Moser, M.; Schmid, L.: Auch in Weiach kann man glücklich sein. In: Tages-Anzeiger, 28. November 2006 – S. 61 Unterland.
  • Valda, A.: Rümlang ist der überraschende Aufsteiger. In: Tages-Anzeiger, 28. November 2006 – S. 19.

Samstag, 6. Januar 2007

Kinder statt Rinder

Das Wortspiel soll eine Anspielung auf ein lokales Langzeitproblem sein. Nicht eine politische Aussage im Sinne des berühmt gewordenen Wahlkampfslogans «Kinder statt Inder» der deutschen Republikaner (vgl. den Wikipedia-Artikel über den CDU-Politiker Jürgen Rüttgers).

Angesichts der sinkenden Tendenz bei den Schülerzahlen ist es wahrscheinlich, dass die ehemals kinderreiche Bauerngemeinde Weiach sich vorbehaltlos zum Credo «Mehr Kinder wären gut» (einem Titel in der Unterland-Ausgabe des Tages-Anzeigers von Ende November) bekennen würde. Und das auch in einer breiter angelegten Umfrage (vgl. die vier Statements weiter unten).

Schlusslicht im Tagi-Rating über den Bezirk Dielsdorf

Anlass für den Besuch des Tagi in Weiach und die erwähnte Schlagzeile war das alle vier Jahre erneuerte Regionenrating aus dem Hause Tamedia. Dort bekam Weiach erneut die rote Laterne des Bezirks Dielsdorf verpasst: Note 1. Ein vernichtendes Urteil, das als Verdikt des Immobilienmarktes hingestellt wird:

«In der Gesamtnote des Regionenratings spiegelt sich der Wert der Lagen in der jeweiligen Gemeinde im Vergleich zu den anderen bewerteten Gemeinden wieder. Der Gesamtwert der Lage ergibt sich in der Analyse nicht aus einer Reihe von Expertenmeinungen, sondern er stammt unmittelbar und ausschliesslich aus der Analyse der Markttransaktionen. Sie entsprechen deshalb der aktuellen Wertschätzung aller Teilnehmer am Zürcher Immobilienmarkt.»

(Lead des Artikels TA-Immogesamtnote im Tages-Anzeiger vom 12.04.2005. Erstaunlich, dass ein Tagi-Journalist die Falschschreibung «wiederspiegeln» statt korrekt «widerspiegeln» verwendet. Noch erstaunlicher, dass dies beim Korrekturlesen durchging. Da wurde am Korrektorat wohl etwas gar zuviel gespart.)

Weiacher haben wenig «Pfupf»

Doch zurück zum Beitrag «Mehr Kinder wären gut» vom 28. November. Er steht als Kasten neben dem Hauptartikel mit dem Titel «Auch in Weiach kann man glücklich sein».

Zu Wort kamen in diesem Kasten vier Personen, von denen mindestens zwei den in der Öffentlichkeit Aktiven zugerechnet werden können (Kissling und d'Overschie).

Wie immer bei Zeitungs-O-Ton muss man Zitate mit etlicher Vorsicht geniessen. Dass die Zitate von den Zitierten gegengelesen wurden, erachte ich in diesem Fall als unwahrscheinlich.

Den Anfang macht der seit Jahren mit Herzblut in der Pfadi-Jugendarbeit engagierte Kissling (unter Pfadern als «Gufae» bekannt):

«Frank Kissling (36): Ich habe früher in Neerach gewohnt, doch weil ich als Leiter die Pfadi in Weiach aufgebaut habe, bin ich hierher gezogen. Die Weiacher sind etwas träge, haben wenig «Pfupf», nehmen nicht am Dorfleben teil. Die Neeracher sind da ganz anders. Doch ich lebe trotzdem sehr gern in Weiach. Es ist ländlich, überschaubar, man kennt sich. Ich habe kein Auto und bin auf den öffentlichen Verkehr angewiesen. Jeden Tag fahre ich zur Arbeit nach Zürich. Der Halbstundentakt am Morgen und am Abend ist ausreichend für mich. Tagsüber gibt es immerhin jede Stunde eine Verbindung. Mehr als der Fluglärm stören mich die vielen Autos, die durchs Dorf rasen. Und leider gibt es hier wenige Kinder. Doch das wird sich hoffentlich ändern.»

Das sind harte Worte von einem, dem man eine direkte Vergleichsmöglichkeit zubilligen muss. Der WeiachBlogger nimmt sich bei dieser Kritik durchaus nicht aus. Seine Teilnahme am Dorfleben beschränkt sich nämlich weitgehend auf die passive Beobachterrolle.

Dass sich Kissling an den Autos stört, hängt wohl mit seiner Wohnlage direkt an der Stadlerstrasse zusammen.

Ein Skaterpark muss her - die Bunkerdisco haben wir schon

Dann folgt ein junger Weiacher, der in der Gegend des Riemli oberhalb dem Bedmen wohnt, Gabriel B. (12):

«In Weiach ist wenig los. Mein jüngerer Bruder hat Unterschriften für einen Skaterpark gesammelt. Bald wird er genügend zusammenhaben. Denn wenn wir im Dorf skaten wollen, werden wir dauernd vertrieben und beschimpft, dass wir zu laut seien. Ich selbst werde zusammen mit vier Kollegen eine Disco auf die Beine stellen. Jeden zweiten Samstag wollen wir in einem privaten Bunker tanzen. Die Glitzerkugel haben wir schon, jetzt kann es losgehen. Ein CD-Laden oder ein Snowboard-Geschäft, das wäre schon toll. Immerhin gibt es hier einen Jugendtreff. In die Schule nach Stadel fahre ich mit einem Extrabus. Die Verbindung ist sehr gut. Und das Billet kriegen wir geschenkt. Ich habe gute Kollegen hier, darum wohne ich gerne in Weiach.»

Das Engagement ist beeindruckend. Ob Gabriel und sein Bruder allerdings mit ihrer Petition für einen eigenen Skaterpark durchdringen werden, ist fraglich. Denn beim Oberstufenschulhaus Neuwis-Hus in der Gemeinde Stadel gibt es so einen Skaterplatz bereits.

Der erwähnte Bunker wurde im Zweiten Weltkrieg für das Grenzfüsilierbataillon 269 erstellt. Er steht gleich oberhalb von Gabriels Elternhaus und gehört seit kurzem seinem Grossvater.

Zum Gratis-Abo für die Fahrten nach Stadel siehe den WeiachBlog-Artikel Harley-tramp-mein-Sohn für Weiacher Schüler vom 11. November 2006.

Was, wenn das Kies ausgeht?

Die Tagi-Reporter blieben vor Ort und interviewten gleich noch die Mutter des oben zitierten Zwölfjährigen, Theresa B. (38):

«Ich lebe seit 15 Jahren in Weiach. Was heute für viele Leute zählt, sind gute Verkehrsverbindungen, kein Nebel, ein grosses Freizeitangebot. Das alles kann Weiach nicht bieten. Doch es gefällt mir trotzdem hier. Ich habe meinen Mann in Weiach kennengelernt und bin von Amerika hierher gezogen. Wir führen zusammen das Restaurant «Wiesental» und sind daher an den Ort gebunden. In zehn Jahren wird Weiach überaltert sein. Deshalb braucht es mehr Angebote für die Jungen. Der tiefe Steuerfuss ist ein Vorteil. Doch wir haben ihn nur wegen des Kieswerks – wie lange noch? Das meiste Kies ist ausgeschöpft. Wenn die Steuern hochgehen, dann laufen noch mehr Leute weg.»

Viel deutlicher kann man es nicht ausdrücken. Theresa B. bringt das Kernproblem der Gemeinde auf den Punkt. Die Frage nämlich, welches Profil Weiach künftig haben soll, wenn die Steuererhöhungen nach dem Wegfall des Kiesgeldes unumgänglich werden. Wollen wir zum Industrie- und Gewerbestandort werden? Wo sind die entsprechenden Entwicklungs-Massnahmen? Und wenn die Reise in Richtung Naturpark (z.B. wie Bachs) gehen soll, dann müsste man sich für diese Richtung bewusst entscheiden. Momentan ist weder das eine noch das andere klar zu erkennen.

Note 1 ist Chabis

Als vierte und letzte Einwohnerin kommt eine Weiacherin zu Wort, die noch nicht zu den Alteingesessenen gehört:

«Isabelle d’Overschie (42): Hier gefällt es mir sehr gut. Die Note 1 im Regionenrating stimmt überhaupt nicht. Es ist richtig, dass wenige hierher ziehen. Wir wollen das ändern. Deshalb haben wir das «Forum von Weiach» gegründet. Unser Ziel ist es, dass hier wieder mehr Kinder leben. Sonst hat es in ein paar Jahren kleinere Klassen und weniger Lehrer. Wir werden beispielsweise einen Mittagstisch organisieren. Uns ist auch wichtig, dass der Volg und die Post erhalten bleiben und der öffentliche Verkehr verbessert wird. Dafür, dass wir ein kleines Dorf sind, ist das Schulniveau sehr gut.»

Da hat d'Overschie zweifellos recht. Es ist nicht nur so, dass wenige hinziehen. Per Saldo nimmt die Bevölkerungszahl nach einem Höchststand von 1014 Einwohnern (am 31. Dezember 2002) bereits wieder klar ab - und zwar durch Wegzug. Je schlechter das Infrastruktur-Gesamtpaket, desto unattraktiver wird das Dorf für Familien mit Kindern. Da vermag der tiefe Steuerfuss nicht wirklich Remedur schaffen.

In Neerach und Riedt hat man an einigen Lagen immerhin noch Fernsicht auf die Alpenkette, das zählt im Rating - und kompensiert, dass dort die Erreichbarkeit der Schulen im Tagi-Rating auch nur Note 2 erhält. Umso deutlicher sieht man, dass Note 1 für Weiach und Note 6 für Neerach aus dem Blickwinkel eines Immobilienmaklers zwar zutreffen mag. Nicht aber aus dem einer Familienfrau.

Quelle

  • Weiach: «Mehr Kinder wären gut». In: Tages-Anzeiger, 28. November 2006 – S. 61 Unterland.


Nachtrag vom 2. Mai 2011

Der zum Zeitpunkt der Publikation des TA-Artikels 12-jährige Gabriel B. hat mich heute gebeten, seinen Namen zu anonymisieren.

Ich komme diesem Ersuchen nach, da er zum Zeitpunkt des Interviews mit dem Tages-Anzeiger die Tragweite des "Für-immer-im-Internet-mit-Aussage-und-Namen-gespeichert-Seins" noch nicht erfassen konnte.

Um die Anonymisierung nicht gleich ad absurdum zu führen, sind in diesem Artikel auch der Name seiner Mutter sowie weitere Erwähnungen des Familiennamens B. zur Initiale umgebaut worden.

Freitag, 5. Januar 2007

Weiacher Feuerwehrabzeichen

Die beiden hier abgebildeten Herren waren schon einmal auf WeiachBlog zu sehen: Am 27. Mai 2006 im Artikel über den Jubiläumsanlass des Bezirksfeuerwehrverbands Dielsdorf (BFVD).

Es sind dies Gemeinderat Max Griesser und Ortsfeuerwehrchef Hauptmann Otto Meier.

Im Bild die wohl lokalpatriotischsten Gradabzeichen, die es aus Weiacher Sicht derzeit gibt. In genau einem Exemplar. Und sogar das ist dem Vernehmen nach ein Auslaufexemplar. Umso wichtiger, dass man es für die Nachwelt festhält.

Denn die ehedem mannschaftsstarke, selbstständige Weiacher Ortsfeuerwehr ist ja nun schon seit mehr als einem Jahrzehnt Geschichte.

Donnerstag, 4. Januar 2007

Traktorenausstellung statt Pferdeweide

Die Chälenstrasse zeichnet sich dadurch aus, dass sie in ihrem vorderen Teil nicht lückenlos von Gebäuden gesäumt ist. Die Chälen und der Rest des Dorfes haben so immer noch eine gewisse Eigenständigkeit im Ortsbild - wenn auch nur für den aufmerksamen Beobachter, der aus diesem Fehlen von Gebäuden die richtigen Schlüsse zieht.

Nun soll eine der Wiesen zugebaut werden und zwar die zwischen den Liegenschaften Fölsch/Burckhardt (Chälenstr. 12, links im Bild), Gander (Chälenstr. 10, im Hintergrund) und Werthmüller (Chälenstr. 6, rechts nur das Grenzweglein sichtbar):


Vom Pferd zum Traktor

Und was soll da entstehen? Nachdem hochfliegende Pläne für ein Mehrfamilienhaus offenbar begraben werden mussten, ist nun ein neues Bauprojekt auf dem Tapet:

«Andreas Gander, Chälenstr. 20, 8187 Weiach
Neubau Traktorenausstellungsgebäude mit ausbaubarem Estrich
AV-Kat.-Nr. 130, Chälenstrasse, Kernzone A KA

Planauflage/Rechtsbehelfe

20 Tage bei der Gemeinderatskanzlei Weiach. Während dieser Zeit können Baurechtsentscheideschriftlich beim Gemeinderat angefordert werden. Wer das Begehren nicht innert Frist stellt, hat das Rekursrecht verwirkt. Die Rekursfrist läuft ab Zustellung des Entscheides (§§ 314 bis 316 PBG).
»

Noch ist allerdings gar nichts gelaufen. Die baumbestandene, als Pferdeweide genutzte Wiese ist nach wie vor unberührt. Und wenn es nach dem Schreibenden ginge, dann dürfte sie das auch noch lange bleiben. Denn wenige Meter quer über die Strasse gibt es ja bereits seit Jahren die Traktorenwerkstatt der Gebrüder Meier.

Dort könnte man die Boliden der Ackerfurche doch genauso gut besichtigen, findet der WeiachBlogger.

Quelle

  • Ausschreibung eines Bauprojektes. In: Mitteilungen für die Gemeinde Weiach, Oktober 2006 - S. 5.

Mittwoch, 3. Januar 2007

MGW in neuer Aufmachung

Die Mitteilungen für die Gemeinde Weiach kommen mit der Januar-Nummer 2007 in neuer Aufmachung daher.

Zum Vergleich mag das alte Erscheinungsbild mit dem Impressum auf der Titelseite dienen: Artikel vom 4. November 2005.

Eindruck: Puristisch modern. Mit viel leerem Raum auf der Titelseite. Schade ist nur, dass die in alle Haushaltungen verteilte Printausgabe im Gegensatz zu der von der Gemeindewebsite herunterladbaren Acrobat-Datei nur in schwarz-weiss gedruckt ist. Da geht doch viel von der farbenfrohen Schönheit des Neujahrsgrusses von Hans Rutschmann verloren, finden Sie nicht auch?

Blättert man weiter, findet man das neue Text-Layout im offiziellen Teil der Herausgeberin, der politischen Gemeinde (vgl. nächste Abbildung). Das sieht dann doch arg nach einer uniformen Bleiwüste aus. Die alte Struktur hat dem WeiachBlogger wesentlich besser gefallen und war besser lesbar. Aber immerhin prangt jetzt das Logo der politischen Gemeinde über deren Beiträgen. Das ist wiederum ein positiver Punkt.

Kein offiziöser Anstrich mehr

Neu ist auch eine überarbeitete Kapitelstruktur. Erstmals erhalten die Weiacher Geschichte(n) eine eigene Rubrik: «Geschichtliches». Vorteil: Die Beiträge des Ortshistorikers aus der Chälen verlieren ihren quasioffiziellen Charakter.

Die Weiacher Geschichte(n) erscheinen nun auch im Inhaltsverzeichnis als das, was sie schon immer waren: Eine privat finanzierte Liebhaberei, die nicht im Auftrag der Gemeinde entsteht. Der Autor erhält kein Honorar, dafür bezahlt er keine Druckkosten.

Quelle

Dienstag, 2. Januar 2007

Eine vom Wind verwehte Halle steht für Weiach

Am heutigen Bächtelistag ist der traditionelle Ausgabetag der sogenannten Neujahrsblätter.

Dasjenige der Antiquarischen Gesellschaft in Zürich hat der WeiachBlogger dieses Jahr gespannt erwartet. Denn angekündigt war, dass aus Anlass des 175-jährigen Bestehens der Gesellschaft ein Buch mit einem architektonischen Beispiel aus jeder Gemeinde des Kantons herausgegeben werde.

So pilgerte der Blogger am 2. Januar kurz nach 10 Uhr in die Zentralbibliothek am Zähringerplatz und erstand gegen Bareinzahlung seines Mitgliederbeitrags einen dicken, in blau gehaltenen Band. Ohne grosszügige Druckkostenzuschüsse wäre die Produktion nicht möglich gewesen, das steht fest.



Lagerhalle, 1969-1999

Schon der Titel «Vom Grabhügel zur Ökosiedlung» zeigt, welche Spanne von Bauwerken zu einer Besprechung gekommen ist.

Für Weiach ist es nicht etwa die 300-jährige Pfarrkirche im Bühl, auch nicht eines der alten Bauernhäuser. Nein, ausgewählt wurde ein Bau, der für Weiach aus heutiger Stadtzürcher Sicht typisch ist: eine Lagerhalle auf dem Areal der Weiacher Kies AG im Hard.

Genau genommen gibt es die imposante 30 Meter hohe Halle gar nicht mehr. Sie wurde nach 30 Jahren Ende Dezember 1999 buchstäblich vom Winde verweht. Eine besonders wuchtige Böe des Sturms «Lothar» riss das Dach (80 m lang, 40 m breit) aus allen Verankerungen und warf es kopfüber in den östlich angrenzenden Wald.

Deshalb kam die Eigentümerin unverhofft zu einer neuen Halle, die an derselben Stelle errichtet wurde und neu auch Teile der Verpackungsanlage beherbergt.

«Albert Meiershofer»?

Der Artikel über die Lagerhalle zu Weiach wurde von Sebastian Brändli, einem der Herausgeber der «Zürcher Bau-Geschichten», verfasst. Der promovierte Historiker ist im Berufsleben «Amtschef des Hochschulamts des Kantons Zürich» und im Ehrenamt der gegenwärtige Präsident der Antiquarischen Gesellschaft.

Sein Beitrag entstand nicht im luftleeren Raum. Über die besagte Lagerhalle gibt es schon mindestens zwei Vorläuferpublikationen, die Brändli inspiriert haben dürften - beide erschienen im Werk Verlag (vgl. Quellen und Literatur). Weiter hat er einen Zeitungsbericht des Zürcher Unterländers über das spektakuläre Ende der Halle als Opfer Lothars verwendet und zitiert.

Auch die älteste im Druck weit verbreitete Monografie Walter Zollingers zur Geschichte von Weiach (erschienen 1972) hat in Brändlis Beitrag ihren Niederschlag gefunden: Mit Zollingers Trauer über den durch den Kiesabbau noch beschleunigten Rückgang der Landwirtschaft.

Alles in allem ist der Beitrag durchaus gelungen, sowohl was die Themenwahl wie auch die Darstellung anbelangt. Etwas getrübt wird das Bild durch die falsche Schreibung des Namens von Albert Meierhofer-Nauer, des Hauptpromotoren unseres Kieswerks.

Den Familiennamen «Meiershofer» gibt es schlicht nicht. Überlegte Brändli da gerade an «Meyers Lexikon» herum? Dort ist Weiach genauso wenig mit einem eigenen Eintrag vertreten, wie es je ein «s» in einem der häufigsten Familiennamen des Dorfes gegeben hat.

Quellen und Literatur

  • Offene Lagerhalle für Feinsand in Weiach ZH. Konstruktion Häring und Co. AG, Pratteln. In: Werk 58:10 (1971: Okt) - S. 656-657.
  • 540 Offene Lagerhalle für Feinsand der Weiacher Kies AG 1969, Weiach.
    Häring&Co., Pratteln. In: Schweizer Architekturführer 1920-1990. Band 1 - Nordost- und Zentralschweiz - S. 133. Werk Verlag; Zürich 1992 [ZBZ LS 70 DUR 530:1].
  • Brändli, S.: Lagerhalle (Weiach, 1969). In: Vom Grabhügel zur Ökosiedlung. Zürcher Bau-Geschichten. Mitteilungen der Antiquarischen Gesellschaft in Zürich, Band 74 (171. Neujahrsblatt) - S. 330-331.

Montag, 1. Januar 2007

Lukratives Wohnen

Die Marketingsprache ist ein seltsames Instrument der Sprachschöpfung. Geboren aus dem Zwang, beim potentiellen Kunden genau die richtigen Knöpfe zu drücken, die bei ihm Interesse oder gar den Kaufentscheid auslösen, werden da frischfröhlich sprachliche Neukompositionen auf den Schild gehoben und ins Kampfgetümmel geworfen.

Die zum Titel dieses Neujahrsbeitrags erkorene Kombination habe ich auf Immohit.ch gefunden. Da wird sogar noch eins draufgesetzt. Gleich zwei Reizwörter rüsten auf zur Killerapplikation:

«Lukratives Wohnen im sehr steuergünstigen Weiach (Zürich Unterland)»

Wenn es darum geht, den Antisteuern-Reflex im Menschen auszulösen, dann ist eine solche Schlagzeile natürlich unschlagbar. Aber wahrscheinlich ist das auch nötig, wenn man eine grad jüngst neu erstellte 4½-Zimmer-Wohnung (115 m2) an der Stockistrasse 2a (d.h. im Ortsteil Chälen und damit nicht am Sonnenhang) für 2'130 Franken im Monat vermieten will.

Etwas weniger marktschreierisch aber immer noch klar auf die monetäre Karte setzend, die Headline «Steuergünstig Wohnen» für eine 5-Zimmer-Wohnung an der Bergstr. 6 (120 m2 für 2'211 Franken pro Monat).

Werben mit der Steuergunst ist wirklich sehr beliebt. «Gemütliche Dachwohnung im steuergünstigen Weiach» ist schon das dritte Beispiel auf immohit.ch - hier für eine Dach-Wohnung an der Stadlerstrasse 17 (dem mittleren Post-Gebäude, vgl. WeiachBlog vom 1. Mai 2006). Nur 3 Zimmer, aber 115 m2. Zum Spotpreis von 1'600 Franken. Ok, die Wohnung liegt an der Kantonsstrasse mitten durchs Dorf. Günstig ist das dennoch nicht.

«Wohnen wird sich für Sie lohnen...»

Der Preis für die sprachliche Kür im privaten Steueroptimierungswettbewerb geht aber klar an eine Wohnung an der Winkelstrasse, die zum Kauf steht: 4½ Zimmer, 103 m2, Fr. 337'000.-

Irgendwie muss man schliesslich aus der NZZ-Schlagzeile «Die Weiacher haben deutlich mehr vom Lohn» etwas herauszuholen versuchen. Die zahlungskräftigen Zeitgenossen sollen schliesslich nicht alle in den Kanton Zug oder noch weiter weg in die Zentralschweiz abhauen.

Scheele Blicke aus dem Zurzibiet

Dass solche Marktschreierei nichts Neues ist, konnte man schon vor etwas über zwei Jahren in der Aargauer Zeitung lesen. Die liess sich über das Marketing des Bezirks Zurzach und einiger Weiacher wie folgt aus:

«Die Zurzibieter sind sich der Schönheiten ihrer Gegend bewusst und wissen diese mittlerweile auch zu vermarkten. Standortmarketing heisst das Zauberwort. Ensprechend wird im Bezirk geweibelt, organisiert, über die Bezirksgrenzen hinaus lobbyiert. Mit dem Ziel, hoffnungsvolle und erfolgreiche Unternehmen, Arbeitsplätze und damit auch neue Steuerzahler in den Bezirk zu holen. Man hat erkannt, dass Stillstand Rückschritt bedeutet. Allerdings wäre es manchmal besser, wenn der Hebel auch in den eigenen Gemeinden angesetzt würde.

Denn im gemeinsamen Gemeinde-Mitteilungsblatt von Fisibach und Kaiserstuhl ist ein rund halbseitiges Inserat erschienen, das nicht unbedingt den Standortmarketing-Bemühungen im Zurzibiet entspricht. «Wohneigentum in der Steueroase Weiach», lautet der Titel. Angeboten werden Eigentumswohnungen in einer «ästhetisch ansprechenden Überbauung mit vier Mehrfamilienhäusern in klassischer Architektur».

Die Vorzüge Weiachs werden mit den wohlklingendsten Adjektiven angepriesen. Wie zum Beispiel «Autobahnanschluss in nur 2 Kilometer Entfernung». Immerhin gibts dann doch noch einen positiven Bezug zum Zurzbiet: «Direkte Busverbindung zum Nachbarort Kaiserstuhl», heisst es. Das liesse auch den Umkehrschluss zu, dass die Weiacher ebenso gut ins aargauische Städtlein ziehen könnten und weiterhin eine gute Verbindung in ihre Gemeinde hätten.
»

Mittlerweile hat das Zurzibiet mit einer eigenen Image-Kampagne samt Website reagiert. Und der WeiachBlogger ist gespannt, was die künftigen Jahre an Marketingsprüchen noch bringen werden. Besonders interessant wird es dann, wenn mit der Erschöpfung der abbaubaren Kiesreserven die Zeit der tiefen Steuerfüsse unwiederbringlich zu Ende geht.

Quellen
  • Am Wochenende des grossen Weinfestes Wasser gepredigt. In: Aargauer Zeitung, 9. Oktober 2004.
  • Die Weiacher haben deutlich mehr vom Lohn. Wo das Leben im Grossraum Zürich wie teuer ist. In: Neue Zürcher Zeitung, 27. Juli 2006.