Montag, 29. September 2008

Viermal Nein beim Sonderfall am Rhein

In der Gemeinde Weiach hat sich am gestrigen Abstimmungssonntag wieder einmal bestätigt, dass eine Mehrheit der zur Urne Gehenden Neuerungen aus der Stadt ablehnend gegenübersteht. Die beiden kantonalen Vorlagen zum Rauchverbot in Gaststätten (Initiative "Schutz vor Passivrauchen") sowie das Berufsbildungsgesetz (mit oder ohne Fonds) wurden samt und sonders verworfen.

Angst vor Beizensterben?

«Bei beiden Vorlagen konnte man aus eher konservativen Gründen (Schutz des Gewerbes vor Mehraufwand bzw. Furcht vor dem Beizentod) wie auch aus grundsätzlich liberalen Bedenken gegen mehr staatliche Regulierung Einwände erheben», schreibt Peter Moser (Statistisches Amt des Kantons Zürich) in seiner Abstimmungsanalyse.

In unserem Fall war es wohl eher der Ärger darüber, dass beide noch bestehenden Wirtschaften im Dorf, das «Wiesental» wie die «Linde» (beides Beizen in denen die Stammkunden traditionellerweise eins paffen), kaum Platz für ein separates Fumoir haben. Vom zu investierenden Geld einmal ganz abgesehen. Es droht also ein Beizensterben, das auch die Imbissstube Mr. Bigfood treffen könnte - dort ist der Platz ähnlich begrenzt. Nur die jüngst eröffnete Caffè-Bar Chamäleon hat damit kein Problem. Sie ist schon rauchfrei konzipiert.

Das durchgehende Nein der Weiacher wurde vom Tages-Anzeiger Unterland sogar mit einem Untertitel bedacht:

«Weiach als Sonderfall

Unterschiedlich fielen die Meinungen in den Unterländer Gemeinden auch zum Berufsbildungsfonds aus. Im Bezirk Bülach lehnten sieben Gemeinden die Hauptvorlage ab, im Bezirk Dielsdorf sogar deren zwölf. Die letztlich nicht weiterverfolgte Gesetzesvariante ohne Berufsbildungsfonds hätten bis auf Weiach alle Unterländer Gemeinden angenommen.
»

Es ist sogar noch auffallender: Weiach hat als einzige Gemeinde im ganzen Kanton viermal Nein gesagt. In der Tat ein Sonderfall. Das noch viel ländlichere Bachs beispielsweise hat den Gegenvorschlag zur Volksinitiative Passivrauchen mit immerhin 58.9% Ja-Stimmen deutlich angenommen. Weiach hat diese Variante hingegen mit nur 38.1% Ja-Stimmen dagegen ebenso deutlich abgelehnt.

Quellen

  • Sechs Unterländer Gemeinden waren gegen Rauchverbot in Restaurants. In: Tages-Anzeiger Unterland, 29. September 2008 - S. 60.
  • Moser, P.: Für einen Berufsbildungsfonds und gegen den Qualm in den Gaststätten. Eine Analyse der Resultate der kantonalen Abstimmungen vom 28.9.2008. Statistik.info 09/08 - S. 1.

Samstag, 27. September 2008

Wie Weiach zu einem Ortsmuseum kam

Morgen Sonntag, 28. September ist der zweite und letzte diesjährige Tag der offenen Türen im Ortsmuseum Weiach. Gezeigt wird eine Retrospektive über die letzten 40 Jahre seit der Eröffnung (vgl. für die Öffnungszeiten den WeiachBlog-Artikel vom 20.September).

Selbstverständlich ist es ja nicht, dass eine kleine Gemeinde mit heute um die 1000 Einwohnern seit vier Jahrzehnten ein eigenes Ortsmuseum hat. Vor allem wenn man berücksichtigt, dass Mitte der 60er-Jahre noch wesentlich weniger Menschen in Weiach wohnhaft waren (nämlich ca. 650).

Wenn der Lehrer mit dem Bahnhofsvorstand

Um eine Neuerung einzuführen braucht es treibende Kräfte. Weiter solche, die sie zumindest nicht verhindern. Und nicht zuletzt ein paar glückliche Zufälle.

Die treibenden Kräfte waren der Bahnhofvorstand Emil Maurer und der Lehrer Walter Zollinger. Beide waren in der Kirchenpflege und auch sonst im Dorfleben aktiv. Und beide waren auch sehr an der Bewahrung der schnell verschwindenden alten Volkskultur interessiert.

Maurer liess zwei kleine Broschüren erscheinen: «Die Kirche zu Weiach» (1965) sowie «Eine neue Orgel für die Kirche Weiach» (1966), welche für die Ortsgeschichtsschreibung wertvolle Impulse darstellten. Denn bisher hatten solche Aufzeichnungen die Studierstuben der Pfarrherren und Lehrer nicht in gedruckter Form verlassen.

Er legte sich auch vor der entscheidenden Gemeindeversammlung mächtig ins Zeug. Seine «Gedanken und Bitte zur Weiacher Gemeindeversammlung» wurden am 27. September 1966 im Zürichbieter abgedruckt.

Ebenso starke Impulse erhielt das «Projekt Ortsmuseum» aber von Walter Zollinger (1896-1986), seit 1919 Weiacher Primarschullehrer und während etlicher Jahre in vielen Behörden und Vereinen tätig, so auch in der Kirchenpflege.

Nachbarschaft entscheidet

Zollinger war mit einer Tochter des Mühlenbesitzers Funk verheiratet und wohnte im Haus Müliweg 4. Als Nachbar hatte er zur letzten Besitzerin des Lieberthauses (Müliweg 1) sehr guten Kontakt.

So erfuhr er von ihr auch manch Interessantes, das den Weg in seine Notizhefte und von da ins Ortsmuseum gefunden hat.

Kiesgeld macht's möglich

Die für die Gemeindefinanzen positive Eröffnung des Kieswerks der Weiacher Kies AG im Hard (ab 1961) erlaubte den Weiachern den Luxus, sich etwas so «Unnötiges» wie ein Museum zu leisten. Ohne das Kiesgeld hätte es die Vorlage, das Lieberthaus zum Zwecke der Einrichtung eines Ortsmuseums anzukaufen, wohl kaum durch die Gemeindeversammlung geschafft.

Literatur
  • Maurer, E.: Gedanken und Bitte zur Weiacher Gemeindeversammlung. In: Zürichbieter, 27. September 1966.
  • Furrer, G.: Das Ortsmuseum Weiach stellt sich vor. In: Zürichbieter, 13. Juli 1968.
  • Furrer, G.: Eröffnung des Ortsmuseums Weiach. In: Zürichbieter, 18. Juli 1968.
  • Furrer, G.: Ein Weiacher Dorfmuseum. In: Neue Zürcher Zeitung, 24. Juli 1968, Mittagausgabe Nr. 450 – S. 3.
  • Altes und Modernes im Ortsmuseum Weiach, dem «Liebert-Haus». Ausstellung Fritz Schmid in der «Galerie Liebert». In: Neues Bülacher Tagblatt, Nr. 232, 5. Oktober 1968.
  • Ortsmuseum und Galerie Weiach unter einem Dach. In: Tages-Anzeiger, 11. Okt. 1968.
  • Höber, H.: 700 Jahre Weiach. Eine interessante Sonderausstellung im Ortsmuseum. In: Zürichbieter, Nr. 435, 18. September 1971.

Donnerstag, 25. September 2008

Fünfundzwanzigtausend Besucher

Man glaubt es kaum. WeiachBlog ist noch keine drei Jahre alt (Startschuss war am 31. Oktober 2005) und hat trotz dem ziemlich eng umgrenzten Orchideenthema «Weiach» jeden Tag im Durchschnitt 25 Besucher. Jedenfalls wenn man seit dem Beginn der Zählung mit Sitemeter am 27. Dezember 2005 rechnet. Seither sind genau 1003 Tage vergangen.

Zur Zeit zählt man durchschnittlich 32 Einzelabfragen mit 43 Page views pro Tag, die mittlere Verweildauer beträgt 1 Minute 7 Sekunden. Heute am «Sep 25 2008 10:51:20 am» registriert der Zähler den Unique Visitor Nr. 25'000:

Domain Name: hispeed.ch (Switzerland)
IP Address: 77.59.193.# (Cablecom GmbH)
ISP: Cablecom GmbH


Also ein Internet-Nutzer aus der Schweiz. Und zwar einer von denen, die WeiachBlog per Feedreader lesen.

Wo die meisten Zugriffe erfolgen

Und was interessiert diese Leserinnen und Leser am meisten? Nach wie vor gehört das Gros zur Laufkundschaft, die nur dank einer Suchabfrage über Google auf einen Artikel im WeiachBlog stösst.

Viele User stossen auch über den Begriff «Zeitungsnamen» auf WeiachBlog. Grosser Beliebtheit erfreut sich auch ein Übersichts-Artikel zu alten Monatsnamen, der bei der Eingabe der Abfrage «Alte Monatsnamen» zuoberst auf der Google-Liste erscheint.

Womit sich wieder einmal bestätigt, wie wichtig die Platzierung auf dieser Liste ist. Nur bei selten vorkommenden exotischen Themen (z.B. «entspelzt») schafft es WeiachBlog auf die erste Seite oder gar an die Spitze.

Am meisten Zugriffe generiert aber nach wie vor der Alitalia-Flugzeugabsturz am 14. November 1990. Der Horrorfaktor bewirkt auch nach bald 18 Jahren noch fast täglich einen Zugriff.

[Veröffentlicht am 27.9.2008]

Dienstag, 23. September 2008

«Es Dörfli» - eine Hommage an Weiach

In der September-Ausgabe der Mitteilungen für die Gemeinde Weiach (MGW) ist unter der Rubrik «Geschichtliches» vor den Weiacher Geschichte(n) Nr. 106 ein Gedicht abgedruckt worden.

Die Gemeinde hat es nach Angaben der Redaktorin vom Verwalter des Altersheims Eichi in Niederglatt zugesandt erhalten. Stammen soll es von der dort lebenden 88-jährigen Luise Wagner. Ich schreibe hier «soll» weil es im Dorf Stimmen gibt, die andere Verfasser nennen. [vgl. Nachtrag ganz unten]

WeiachBlog druckt das Gedicht genau so ab, wie es in den MGW drin steht und gibt anschliessend einige Kommentare zu den erwähnten Örtlichkeiten.

Es Dörfli

«Ich käne es Dörfli
es isch zunderscht im Land
es hèèrzigs Näschtli
mit Züri verwandt.

Ich gsee’s vor mir
wie’s aartig da liit
vo Obstböim beschatted
vor Sumerziit.

Im Mäie doch erscht
wie schön isch’s im Mäie
im Blüet muesch’s go gschaue
yuhäie.

Im Hèrbscht wänn d’Zwiigli
hanged voll Frücht
und alls amene hèrrliche Gaarte gliicht.

Es Chirchli staat da
es isch tuusig nett.
Im Büel äne lueget’s
vom Türmli deet
es lueget soo früntli uf d’Hüüser und Lüüt
wie geschter esoo soorget’s all na hütt.

Vo Hofwiese grüesst es heimeligs Huus
fascht täglich springt d’Jungmannschaft ii und uus.
Es wird nöd nu läse und schriibe drin gleert
au d'Wiisheit wo s'Läbe so vil isch wärt.

Im Dorf obe chlapperet d'Müli am Bach
si lauft mit de Ziit
verstaat iires Fach.
Maalt und sortiert
s'Määl schmackhaft und zart
us Chèèrne us em Hasli und usem Hard.

Wiiter une flüsst s'Bächli
wider in Teich
es müend halt d'Wasserchräft
uusgnützt sii z'Weich.

E Wèrchstatt triibt's scho vili Jaar
ja, früener hät me det dröschet sogar.

I d'Saagi hindere gaat's d'Chäle uf
em Holz fèèlt's nanig für de Prueff
si bringet's zum Schtocki vom Sanntebèèrg
vom Issebüeli isch's grad esoo bigäärt.

De Bettme ii mues me,
wämmer per Paan
z'Bsuech oder uf Züri will gaa.
Is Holzwèrch oder i Gschäftliaastalt
is Rhiistedtli oder Kaiserstuel
wänn’s eim gfallt.

Und prachtvolli Wiise hät s’Ackerland
es ghört ja zum löbliche Puurestand.
Es hät ja hèrrliche Wald
na e chlii Rääb und Chlee
vill Gäisse und Hüener
fäissi Söi und schööns Vee.

Im Früelig natüürli
lockt d’Fasnacht flue
ganz bsunders s’junge Volch
gèèrn zuenere ue.
De Blick uf s’Rafzerfäld
uf de lieb Rhii
und de Römerturm tuet’s aazie.

Ame Sunntig drum
öppe wänn d’Sunne lacht
wird sones gfröits Tüürli
i d’Höchi gmacht.

Es wird gsunge und gjuuchset
und gmüetlich taa
es wott Strüüssli vom Mäie
jedes no haa.

Dur d’Wuche dur Puurets
vom Bèèrg bis an Rhii
potz wüeschte Faane
wie hänket’s daa ii.

Scho mängi Aarbet
muess eläktrisch gaa.
Mit Raat und Taat
gänd d’Eltere naa.

Obwool äis Wèrch
am andere folgt
so werdet im Sumer
vill Beeri gholt.

Im Stocki, im Schwändi,
im Büechli au
sind’s debii zfriede
im Weiachergau.

Drum wämmer’s eso mache wie sii
wöisched mer Gottes Sääge no drii
und legged mer ales I sini Hand
öises so liebi Weiacherland.
»

Früher gab es wesentlich mehr Obstbäume

Man erkennt nicht nur an der Sprache, dass dieses in der Unterländer Mundart verfasste Gedicht von einem älteren Semester zu Papier gebracht worden sein muss. Auch der Hinweis auf die vielen Obstbäume («vo Obstböim beschatted») deutet klar auf frühere Zeiten hin. Denn heute gibt es längst nicht mehr so viele Obstbäume wie noch vor 40 oder 50 Jahren. Das kann bei einem Vergleich von alten Fotos mit dem heutigen Zustand leicht überprüft werden.

Frau Wagner wohnte an der Chälenstrasse 25. Dass sie die Verfasserin ist, würde durch den Blickwinkel des implizite vorhandenen Erzählers gestützt. Er kann nicht bei der Kirche im Büel wohnen, weil man von seinem Standpunkt aus das Büel mit der Kirche sehen kann [Betrachterstandpunkt muss nicht seinem Wohnort entsprechen; vgl. ganz unten den Nachtrag].

Auch beim Alten Schulhaus (1833-1836 auf der «Hofwiese» erbaut) wohnte er nicht. Und dass auch das Oberdorf als Wohnort ausfällt, erkennt man an der Beschreibung des Standorts der Mühle (heute: Müliweg 7).

Verschwundener Mühleweiher mitten im Dorf

Der Abschnitt «Wiiter une flüsst s'Bächli wider in Teich, es müend halt d'Wasserchräft uusgnützt sii z'Weich» ist besonders interessant, könnte er doch darauf hindeuten, dass diese Zeilen schon vor langer Zeit verfasst wurden. Möglicherweise sogar noch zu Schulzeiten der Verfasserin, denn dort wo dieser Teich lag (Oberdorfstrasse 21) befindet sich seit 1934 eine Scheune mit Werkstatt (Assekuranznummer 281).

Eingetragene Wasserrechte

Dass am Mülibach oder Dorfbach die Wasserkraft intensiv genutzt wurde sieht man schon daran, dass zwischen 1859 und 1863 allein drei Wasserrechte eingetragen wurden, eines für den Betrieb einer Mühle und zwei für eine Schleiferei/Drechslerei (vgl. Staatsarchiv des Kantons Zürich, Z 1.1112-1114).

Der folgende Satz: «E Wèrchstatt triibt's scho vili Jaar ja, früener hät me det dröschet sogar» bezieht sich auf die mechanische Werkstätte in der heutigen Liegenschaft Meierhofer-Järventaus. Zwischen diesem und Werner Attingers Haus an der Büelstrasse verlief noch bis weit ins 20. Jahrhundert hinein der Dorfbach (heute ist in Röhren unter die Oberdorf- bzw. Stadlerstrasse verlegt). Eines der oben erwähnten Wasserrechte (StAZH Z 1.1114) umfasst die Genehmigung, eine Dreschmaschine zu betreiben.

Holzbearbeitung, Schuhschäfte und Freizeitvergnügen

Natürlich wird auch die (mittlerweile infolge Baufälligkeit eingestürzte) Sägerei im Tälchen Richtung Bachs erwähnt, wo man das Holz vom Sanzenberg und Isenbüeli hinbrachte.

Die Worte «Is Holzwèrch oder i Gschäftliaastalt» deuten auf das grosse Sägewerk und die ehemalige Schäftefabrik Walder (später Fruet AG) beim Alten Bahnhof Weiach-Kaiserstuhl hin.

Interessant ist auch, wo die Jungen früher am Sonntag herumhingen: «lockt d’Fasnacht flue ganz bsunders s’junge Volch». Von der südwestexponierten Fasnachtsflue hat man einen sehr schönen Blick aufs Dorf, nach Kaiserstuhl und ins Badische.

Wo man damals Beeren fand ist auch mit den Flurnamen beschrieben. Das erwähnte «Büechli au» meint ziemlich sicher das noch heute bekannte «Büechlihau».

So ist dieses Gedicht gut in der heimischen Geographie verankert und erzählt zwischen den Zeilen manches Detail von früherem Leben und Glauben.

N.B.: Wer weitere Zusammenhänge entdeckt ist herzlich eingeladen, einen Kommentar abzugeben.

Nachtrag vom Sonntag, 28. September

WeiachBlog hat Frau Luise Wagner heute im Eichi besucht. Sie hat betont, dass das Gedicht nicht von ihr verfasst worden sei. So etwas könne sie doch nicht, meinte sie bescheiden. Sie habe es nur auswendig gelernt und dann aufgeschrieben.

Eigentlich, so Luise Wagner, stamme das Gedicht von einem Mann namens Demuth, der im Näpferhüsli (abgerissenes Kleinbauernhaus neben dem Alten Gemeindehaus an der Bühlstrasse) gewohnt habe. Er sei schon lange gestorben und das Gedicht wohl vor 1920 entstanden.

Wir haben es also mit einem klassischen Irrtum zu tun. «Von Person X» reicht als Quellenangabe einfach nicht aus. Um solche Missverständnisse wie in diesem Fall zu vermeiden, müsste man schon den Vermerk «Von Person X erhalten» oder eben «Von Person X verfasst» anbringen. Das würde die Angelegenheit sofort klären.

Quelle
  • Es Dörfli. In: Mitteilungen für die Gemeinde Weiach, September 2008 - S. 11.

Montag, 22. September 2008

Korrekte Fakten sind Glückssache

Manchmal fragt man sich schon, wofür Journalisten eigentlich bezahlt werden. Zum Beispiel dafür, ein paar simple Fakten richtig auf die Reihe zu bekommen. Würde ein ausserhalb des Medienkuchens Stehender annehmen.

Dass dies aber längst nicht immer der Fall ist, zeigte sich heute wieder einmal in der Zürcher Landzeitung. Da berichtet Szilvia Früh unter dem Titel «Alter Glanz unter neuem Dach» über die Ausstellung «40 Jahre unter stilvoll saniertem Dach» im Ortsmuseum Weiach.

Nett und handwerklich eigentlich nicht schlecht geschrieben ist er, das muss man dem Artikel lassen. Nur schnitzert Früh leider bei den Namen und Fachbegriffen.

Namen verschreiben inklusive

Im Lauftext wird unser Gemeindepräsident «Georg Trachsel» genannt, in der Bildunterschrift gar «Georg Trachsler». Diese Diskrepanz hätte zumindest beim Lektorat eine Rückfrage auslösen müssen. Der Mann heisst richtig übrigens «Gregor Trachsel», was man mit einer simplen Abfrage der Gemeindewebsite hätte herausfinden können. Fazit: Hier wurde geschlampt.

Auch Fachbegriffe werden freihändig in den Text gemixt. Da findet man die Ortsmuseumskommission (korrekte Bezeichnung) als «fünfköpfiges Museumskomitee» wieder, oder es ist gar von «Armeejacken und Waffen aus den Kriegszeiten» die Rede. Korrekt wäre die Bezeichnung «Armeeuniformen».

Ok, das ist ein Detail. Aber dass die Schweiz nicht nur in Kriegszeiten eine Milizarmee unterhält - und es daher zu jeder Zeit solche Uniformen gab, sollte eigentlich auch einer Journalistin bekannt sein (zumal wenn sie einen Studienabschluss vorweisen kann).

Dieser Fall betrifft die Zürcher Landzeitung. Die Konkurrenz ist da aber zuweilen kein Haar besser - im Gegenteil.

Fehler im Multipack - samt freihändiger Interpretation

Auch beim Tages-Anzeiger Unterland ist Wischen vor der eigenen Haustüre angesagt. Denn auch dort wird zuweilen sehr freihändig mit Tatsachen hantiert. Das konnte man im Januar 2008 in einem Artikel von Dorothée Baumgartner sehen. Sie nahm sich das Thema «Postauto-Anschlüsse» vor und schrieb in Anlehnung an Informationen aus WeiachBlog über das Ärgernis, einen Anschlussbus in Bülach zu verpassen:

«Wie er [gemeint: der Verfasser von WeiachBlog] in seinem Blog auf der Website der Gemeinde Weiach schreibt, passiere es ihm öfter, dass er den Anschlussbus in Bülach Richtung Weiach verpasse. Allerdings nicht während der Stosszeiten, sondern um Mitternacht. [...] Da die S 5 auch noch um diese Zeit hinter dem Taktfahrplan herhinkt, reicht es dem Weiacher nicht mehr auf ein öffentliches Verkehrsmittel. Ihm bleibt nichts anderes übrig, als ein Taxi nach Hause zu nehmen. Er ist verärgert und fragt sich: "Muss ich das selber bezahlen, oder zahlt mir die Postauto AG irgendwann meine Taxiauslagen?"»

Der Abschnitt basiert wahrscheinlich auf folgenden drei WeiachBlog-Artikeln:
Da kann man sich wirklich nur noch ratlos am Kopf kratzen, ob dieser Schreibe. Denn Baumgartner hat da gleich im Multipack geschnitzert:
1. Quellenkritik: Fehlanzeige
Behauptet wird, es handle sich bei WeiachBlog um einen «Blog auf der Website der Gemeinde Weiach». Das ist völlig falsch. Der Blog wird nicht vom Provider der Gemeinde Weiach gehostet, er wird nicht von der Gemeinde finanziert, ja er wird nicht einmal von der offiziellen Website der Gemeinde aus direkt verlinkt. Nur die Website der Gemeinde vom Blog aus. Sonst nichts. Fazit: Die Dame scheint nicht gerade mit Leseverständnis gesegnet zu sein.
2. Zeitplanung: Fehlanzeige
Baumgartner wandte sich am 8. Januar um 13:41 per e-mail an mich, stellte ein paar Fragen und schloss mit den Worten: «Da der Text auf morgen ist, bitte ich Sie mir so schnell wie möglich zu antworten. Das wäre sehr nett. Ich sollte Ihre Antworten bis spätestens 14.30 Uhr haben».

Tolle Zeitplanung, nicht? Und das für einen Artikel, der nicht im Geringsten zeitkritisch war. Über das oben erwähnte Ärgernis hätte man ja auch irgendwann später berichten können. So blieben mir ganze 49 Minuten Antwortzeit! Zu dumm wenn man nicht ständig den E-mail-Client offen hat oder tagelang ohne jeden PC-Anschluss auskommt.
Nun muss das nicht unbedingt der Fehler der Journalistin allein sein. Der Blattmacher sollte sich auch überlegen, wieviel Vorlauf für einen nicht zeitkritischen Füllartikel angemessen ist - zumal wenn man noch Zitate verifizieren sollte. Da reichen ein paar Minuten zwischen Redaktionskonferenz und Redaktionsschluss am selben Tag wohl nicht.

3. Wortvergewaltigungen: wenn «erneut» zu «öfter» wird
Aus dem Wort «erneut» (im WeiachBlog-Artikel «Vom Postauto im Regen stehengelassen») herauszudestillieren, das würde mir persönlich «öfter» «passieren, ist eine völlige Verkennung der Tatsachen. Ich habe nur darüber geschrieben, dass es mir «erneut» passiert ist. Daraus kann man aber nicht ableiten, dass jedesmal ICH selber diesen Bus verpasst hätte - ich habe lediglich hochgerechnet, was die Anzahl sein muss, wenn es schon allein mir zweimal innert wenigen Wochen passiert. Obwohl ich gar nicht so oft derart spät unterwegs bin.
4. Verunglückte Informationsfusionen
Noch schlimmer kommt es heraus, wenn Versatzstücke aus mehreren Artikeln (die sich zu verwandten, aber doch verschiedenen Themen äussern) frischfröhlich neu zusammengemixt werden, wie z.B. hier:
«Da die S 5 auch noch um diese Zeit [gemeint: um Mitternacht] hinter dem Taktfahrplan herhinkt, reicht es dem Weiacher nicht mehr auf ein öffentliches Verkehrsmittel.» Auch hier sind mehrere der oben referenzierten Artikel in faktisch falscher Weise und bar jeder Logik zusammengeschnurpft worden.
Wenn die S5 im Bahnhof Museumsstrasse im gleichen Masse Verspätung hat wie die Züge nach Zürich HB (z.B. ab Olten), dann erwischt man die S5 (fahrplanmässig ab 23:37) nach Bülach locker - es braucht minimal 4 Minuten Übergangszeit. Wenn man einmal auf der S5 ist, dann ist fast alles paletti. Denn das letzte Postauto nach Weiach muss bis zu 20 Minuten warten, wenn eine S-Bahn aus Zürich oder Winterthur Verspätung hat. Deshalb funktioniert es ja auch fast immer mit den Anschlüssen von der S-Bahn aufs Postauto.

Noch ein Beispiel für Faktenvermischung: «Ihm bleibt nichts anderes übrig, als ein Taxi nach Hause zu nehmen. Er ist verärgert und fragt sich: "Muss ich das selber bezahlen, oder zahlt mir die Postauto AG irgendwann meine Taxiauslagen?"»
Mein Original: «Ich bin ja gespannt, wie kulant sich die SBB geben werden, wenn ich dereinst mit der Quittung eines Bülacher Taxi-Unternehmers beim Kundendienst vorbeischaue.»
Merke: SBB, nicht Postauto! Mein Original stammt aus dem Artikel «Die SBB definieren den Anschluss neu». Da geht es um etwas völlig anderes als in den beiden anderen oben referenzierten Artikeln.
Im Falle der Postautos, die einfach abfahren, obwohl der Zug weniger als 20 Minuten Verspätung hat, muss letztlich zwar die Postauto Zürich bezahlen. Das kommt aber ziemlich selten vor. Meist ist die SBB die Schuldige und müsste zahlen, wenn ihre S5 den Schnellzug nicht abwartet. Für diese These spricht: Die SBB haben mir die Taxikosten übrigens jedesmal anstandslos zurückerstattet.
Ob sie das aber auch noch tun würden, wenn man einen Zug nimmt (z.B. von Olten, Zürich an 23:31 Uhr) , von dem es bei fahrplanmässiger Ankunft in Zürich HB gut auf den Anschluss auf die S5 im Tiefbahnhof Museumsstrasse reicht, das ist eine ganz andere Frage (vgl. den WeiachBlog-Artikel «Die SBB definieren den Anschluss neu»).
Denn offiziell ist der genannte Zug im Fahrplan nicht als Anschluss auf die S5 aufgeführt, weil die SBB über das ganze Gelände des Zürcher HB strikt von 7 Minuten Übergangszeit ausgehen. Sie könnten also darauf bestehen, der Kunde hätte einen früheren Zug nehmen müssen. Wenn es gemäss Fahrplan schon keinen Anschluss gebe, seien sie nicht verpflichtet, seine Taxikosten zu übernehmen, wenn er den späteren Zug genommen hat.
Was soll man davon halten?
Nach einer Zeitungs-Lektüre wie dieser weiss man nicht recht, wie man seiner Verwunderung über solch unprofessionelles Verhalten Ausdruck verleihen soll.
Denn eigentlich sollte doch gelten: Wenn man jemanden schon direkt zitiert, dann bitte nur mit Worten, die wirklich so geschrieben oder gesagt wurden. Auch den Rest sollte man getreu den Fakten beschreiben - wenn nötig nach erfolgter Rücksprache. Die war aber in meinem Fall nicht möglich. Entsprechend abverheit ist der Abschnitt herausgekommen.
Es scheint, dass im vorliegenden Fall etliche journalistische Sorgfaltsregeln über Bord geworfen wurden, nur um einen Artikel a tout prix noch ins Blatt bringen zu können, der in keiner Art und Weise zeitkritisch gewesen wäre.
Zwei Beispiele aus der Landzeitung und dem Tagi. Sind das die Folgen der modernen Produktionsbedingungen? Oder habe ich nur zu hohe Ansprüche?

Quellen
  • Baumgartner, D.: Kein Postauto-Anschluss in Bülach während der Stosszeiten. In: Tages-Anzeiger Unterland, 9. Januar 2008 - S. 53.
  • Früh, S.: Alter Glanz unter neuem Dach. Weiach - Jubiläumsausstellung der letzten 40 Jahre im Ortsmuseum. In: Zürcher Landzeitung/ZU/NBT, 22. September 2008 - S. 6.

Samstag, 20. September 2008

Ausstellung «40 Jahre Ortsmuseum Weiach»

Es herbstet sehr und damit ist auch schon wieder Zeit für die einmal jährlich von der Ortsmuseumskommission organisierte Ausstellung im Lieberthaus, dem Weiacher Dorfmuseum. Diesmal steht sie im Zeichen des erneuerten Daches.

Am 17. Dezember 2005 wurde offensichtlich, dass das alte, mit Biberschwanzziegeln gedeckte Haus einen Dachschaden hat. In die Brandmeldeanlage eindringendes Wasser alarmierte in dieser Nacht gleich zweimal hintereinander die Feuerwehr (vgl. WeiachBlog vom 5. Februar 2006). Es gab also Handlungsbedarf für die Eigentümerin, die politische Gemeinde Weiach.

Investition hat sich gelohnt

Anfang 2008 bewilligte der Gemeinderat Weiach endlich einen Kredit für die Renovation und weitere Arbeiten. Die Investition von 70'000 Franken hat sich gelohnt, der Dachschaden wurde diesen Sommer repariert. Dabei hat man darauf geachtet, dass die alte Substanz wo immer möglich wiederverwendet wurde und traditionelle Verfahren zum Einsatz kamen (vgl. Zürcher Unterländer vom 8. Juli 2008).

Längere Öffnungszeiten

Auch dieses Jahr ist das Museum wieder an zwei Daten geöffnet: am 21. und 28. September. Länger als auch schon sind die Öffnungszeiten: von 11.00 – 17.00 Uhr, also nicht erst nach, sondern schon vor dem Mittag.

Zu sehen gibt es gemäss Angaben der Ortsmuseumskommission eine Art Retrospektive:

  • Ein Querschnitt über die Ausstellungen der letzten 40 Jahre
  • Gezeigt wird auch der Weiacher-Film vom ehemaligen Lehrer Kurt Ackerknecht
  • Für das leibliche Wohl sorgt ab 11.00 Uhr die Gulaschkanone
Man darf gespannt sein, was der Präsident der Ortsmuseumskommission, Daniel Bryner, mit seinem Team alles ausgegraben und bereitgestellt hat.

Verraten sei hier nur so viel: unter anderem wird die alte Fahne des Gesangvereins Weiach von 1860 zu sehen sein. Samt Erläuterungen aus den Weiacher Geschichte(n).

Warmes Essen ist deshalb nicht das einzige Argument für einen Besuch im Ortsmuseum - es entschädigt einen aber für die kalte Witterung.

Quellen

  • Brandmelder entdeckt Dachschaden. In: WeiachBlog, 5. Februar 2006
  • Neues Dach mit alten Ziegeln. Weiach Sorgfältige Renovation des Ortsmuseums. In: Zürcher Unterländer, 8. Juli 2008
  • Ortsmuseumskommission: 40 Jahre unter stilvoll saniertem Dach. Einladung zur Ausstellung 2008. In: Mitteilungen für die Gemeinde Weiach, September 2008 - S. 26.

Sonntag, 7. September 2008

Züri-Metzgete 2008 streift Weiach

Wenn jemand sich durch eine schwierige Situation gekämpft hat, dann sagen die älteren Semester unter den Hiesigen, er oder sie habe sich «guet gmetzget». Zum Beispiel bei einem Wettkampf in einer Ausdauersportart.

Ein Fahrradrennen auf einer ungeteerten, staubigen Strasse mit der Technik von Anno dazumal war kein Schleck und nicht für jedermann zu bewältigen. Daher kommt wohl auch der Übername - und mittlerweile offizielle Titel «Züri-Metzgete» - für die «Meisterschaft von Zürich», dem populären Radsportklassiker per excellence in unserem Kanton.

Neustart nach Finanzdebakel 2006

Da die Elektrizitätswerke des Kantons Zürich dieses Jahr der Hauptsponsor sind, heisst der Anlass jetzt «EKZ Züri-Metzgete». Selbstverständlich ist es nicht, dass 2008 wieder eine Metzgete stattfindet. Im letzten Jahr musste die Veranstaltung nämlich mangels Sponsoren abgesagt werden - erstmals seit Jahren, wie auch der geschichtliche Überblick auf der Website der Veranstalter erkennen lässt.

Begonnen hat alles 1910 mit einem Amateurrennen, das durch einen Vorläufer des heute wieder als Organisator auftretenden Radfahrer-Verein Zürich organisiert wurde. Früh wurde dieses Rennen auch im Zürcher Unterland ausgetragen.

Die Organisatoren haben sich nach dem hohen Defizit des Jahres 2006 entschieden, zu den Wurzeln zurückzukehren. Sie heben mit der Ausschreibung einer Volks-Metzgete den Breitensport-Charakter wieder hervor. Weiter haben sie eine Strecke abseits der grossen Heerstrassen ausgesucht, einen Rundkurs durchs Zürcher Unterland mit Start und Ziel in Buchs im Furttal. Alle Teilnehmer passieren auf der Hauptstrasse Nr. 7 auch das Gemeindegebiet von Weiach.

Trachsel hat eine Heimpartie

Deshalb ist es nur logisch, dass auch die Weiacher Rennfahrerin Sereina Trachsel, welche mit dem BIGLA-Team startet, sich auf diese Heimpartie freut. Als erprobte Bergspezialistin schreckt sie die Vorstellung, sowohl den Siglistorfer wie den Regensberger gleich zweimal bewältigen zu müssen, überhaupt nicht. Im Gegenteil: diese Höger machen ihr Freude. Wer die ruppigen Steigungen in unserer Nachbarschaft schon einmal im Velosattel bewältigt hat, weiss was die Fahrerinnen und Fahrer heute leisten.

Dabei profitieren alle von modernster Technik. Alle Teilnehmer tragen nämlich einen Transponder, mit dem bei Überqueren der Start- bzw. Zielllinie und an anderen Kontrollpunkten die Zeit gemessen und erfasst wird.

Quellen
  • Website der Züri-Metzgete: http://www.zueri-metzgete.ch
  • «Ein Sieg bei der EKZ Züri Metzgete, das wäre was !» Portrait Sereina Trachsel. In: Programmheft EKZ Züri-Metzgete, 7. September 2008 - S. 3.

Freitag, 5. September 2008

Aus Franselen wurde Ramselen

Mit Flurnamen ist es so eine Sache. Über die Jahrzehnte und Jahrhunderte verändern sie nicht nur ihre Schreibweise, sondern wandern auch oft noch - teilweise um mehrere hundert Meter. Wenn also keine hinreichend genauen alten Karten vorliegen, dann ist grösste Vorsicht geboten.

Südöstlich des Dorfes Weiach gibt es auf dem Nordostabhang des Haggenberg eine Flur, auf der noch vor etwas mehr als 150 Jahren ein Gebäude stand. Sie wurde gemäss der so genannten Wild-Karte «Franselen» genannt (Original im Massstab 1:25'000; entstanden zwischen 1843 und 1851):

Auf der heutigen Karte des kantonalen Amtes für Raumordnung und Vermessung (ARV; zum Vergrössern anklicken) ist an derselben Stelle der Flurname «Ramselen» zu finden. Eine ganz erstaunliche Metamorphose - oder lässt sich das linguistisch erklären?

Der blaue Punkt auf der Strasse zwischen Stadel und Weiach steht übrigens für die Postauto-Haltestelle «Weiach, Steinbruch».

Dienstag, 2. September 2008

Vor grossen Lochereien

Die Stadt Zürich wird ja manchmal scherzhaft als «die freundliche Baustelle an der Limmat» bezeichnet. Nicht ganz zu unrecht, denn in der Stadt werden jedes Jahr kilometerweise Strassen aufgerissen und Leitungen ersetzt. Das ist aber kein Wunder, denn Wasser- und Abwasserleitungen halten nicht ewig. Nach 80-100 Jahren müssen sie ersetzt werden. Man kann sich da leicht ausrechnen, wieviele Kilometer Jahr für Jahr fällig sind, wenn man das ganze Strassennetz durch 100 dividiert. Weniger Sanierungsaktivitäten wäre gleichbedeutend mit unaufhaltsamem Zerfall und «Sanierung by zufälliger Rohrbruch».

Löbliche Koordination

Von Vorteil ist es, wenn man mit diesen Massnahmen auch gleich die Neugestaltung des Strassenkörpers ins Auge fasst, so wie dieser Tage in Weiach. Es ist sehr lobenswert, dass gleichzeitig mit der anstehenden Sanierung des Strassenbelags der Stadlerstrasse von der Einmündung in die Hauptstrasse Nr. 7 (Koblenz-Winterthur) bis auf die Höhe der Querstrasse im Oberdorf auch gleich die kommunalen Werkleitungen ersetzt werden.

Wie die Baudirektion des Kantons Zürich in einem Flugblatt mitteilt, beginnen die Arbeiten an der Stadlerstrasse am 8. September und dauern bis Juni 2009. Gleichzeitig erneuere die Gemeinde alte Wasserleitungen und eine Kanalisationsleitung in diesem Bereich (vgl. Flugblatt-Vorderseite unten; zum Vergrössern anklicken):

Heute berichtet der Tages-Anzeiger über den Beschluss des Weiacher Gemeinderates, Geld für diese Sanierungen in die Hand zu nehmen:

Werkleitungen müssen ersetzt werden

«Weiach . – Mit der Sanierung der Stadlerstrasse sind in Weiach auch Werkleitungen zu ersetzen. Für die Abwasserleitung Schulweg/Oberdorfstrasse hat der Gemeinderat nun einen Kredit von 90 000 Franken bewilligt. Für die Wasserleitungen Chälenstrasse–Büelstrasse, Stadlerstrasse–Querstrasse und entlang der Stadlerstrasse beim Schulhaus/Bushaltestelle Oberdorfstrasse hat er einen Kredit von 210 000 Franken gutgeheissen. (db) »

Quellen

  • Tiefbauamt Kt. ZH: Weiach, Bauarbeiten an der Stadlerstrasse. Baustellen-Info. Flugblatt vom 25. August 2008.
  • Werkleitungen müssen ersetzt werden. In: Tages-Anzeiger Unterland, 2.9.2008 - S. 57

Montag, 1. September 2008

Gefährlicher Leuenchopf

Der «Leuenchopf», eine Felsnase östlich des Dorfes und auf Gemeindegebiet von Weiach gelegen, ist gestern Sonntagnachmittag unversehens in den Schlagzeilen der landesweiten Nachrichtenagenturen gelandet. Der Anlass? Unglücksfälle und Verbrechen - wie fast immer, wenn der Name einer kleinen Ortschaft über die Ticker geht und dort nicht per Zufall ein Servelat-Promi wohnt. Von den Online-Medien wurde diese Story jedenfalls begierig aufgesogen:

«Weiach: Pilzsucher abgestürzt

Am Sonntagmorgen (31.08.2008) ist in Weiach ein Mann beim Sammeln von Pilzen rund 20 Meter tief abgestürzt und schwer verletzt worden. Gegen 10 Uhr 30 suchte ein 41-jähriger Mann im Gebiet ‚Leuenchopf’ nach Pilzen. Dabei stürzte er einen rund 20 Meter tiefen und steilen Abhang hinunter. Aufgrund der schweren Verletzungen und der Lage, musste er mit dem Rettungshelikopter der REGA mit einer sog. Windenrettung mit Horizontalnetz aus dem waldigen Gebiet geborgen werden. Die Kantonspolizei Zürich wurde durch einen weiteren Pilzsammler orientiert, der die Hilfeschreie des Abgestürzten gehört hatte.
»
Quelle: Oberlin, S.: Weiach - Pilzsucher abgestürzt. Medienmitteilung der KAPO Zürich (31. August 2008)

(Diese Meldung wurde um 14:22 Uhr von der Website Polizeinews.ch übernommen. Unverändert. Nur das einleitende «Weiach:» im Titel fiel weg.)

Alte Verteidigungsanlage - zum Pilzlen nicht geeignet

Man staunt, welche Risiken für ein paar feine Pilze eingegangen werden. Vielleicht hätte etwas mehr Ortskunde nicht geschadet. Denn in Weiach weiss jedes Schulkind, dass bei diesem Nagelfluhfelsen akute Absturzgefahr besteht, wenn man nicht höllisch gut aufpasst, wo man hintritt. Da geht es nämlich an einigen Stellen meterweit senkrecht und gar überhängend nach unten. Auch den Geocacher-Jägern dürfte dies wohl bekannt sein.

Der Fall hat wenigstens gezeigt, dass der steile nördliche Abhang des Wörndel (im unteren Teil auch bekannt als Fürstenhalde) sowie der Fels auf dem die alte Wallanlage auf dem Leuenchopf steht, auch heute noch gegen infanteristische Angriffe zu schützen vermöchte. In welcher Zeit diese Befestigung entstanden ist, darüber wurde schon viel spekuliert, die Kantonsarchäologie will sich jedenfalls nicht festlegen (vgl. die Weiacher Geschichte(n) Nr. 76 und Nr. 77 zur sogenannten «Helvetierhypothese»).

Pilzzucher und andere Medienunfälle

Dem Abgestürzten wünschen wir gute Besserung und wenden uns dafür einem amüsanteren und doch bedenklichen Thema zu - der Monokultur medialer Rezeption, welche ihre Ursache in der personellen Ausdünnung der Redaktionsstuben hat.

Denn diese kleine, oben wiedergegebene Medienmitteilung ist mit verwunderlicher Fehlerquote online-journalistisch verwurstet worden. Wir können unter anderem ablesen, welche Redaktion keine Qualitätskontrolle hat und wer von wem kopiert (von Abschreiben kann ja keine Rede sein, sonst hätten wohl einige auch den Ortsnamen «Weiach» noch zu «Weichach» verschrieben).

Wem das Verdienst zukommt den «Pilzzucher» erfunden zu haben? Könnte es sich um den SDA-Journi handeln, der die Polizeimeldung auf der KAPO-Website gefunden und zum eigenen Text umgebaut um 15:08 über die Leitung gejagt hat? Nein, wahrscheinlich nicht.

Meldung der Schweizerischen Depeschenagentur als Basis

Beim Boten der Urschweiz liest sich die SDA-Meldung wie folgt:

«Pilzsucher verletzt sich in Weiach bei Absturz schwer

Im zürcherischen Weiach ist am Morgen ein 41-jähriger Pilzsammler einen steilen Abhang hinunter gestürzt. Dabei verletzte er sich schwer. Er wurde von der Rega per Helikopter und Seilwinde aus dem waldigen Gebiet gerettet.
Weiach. – Der Unfall passierte gegen 10.30 Uhr, als der Mann im Gebiet "Leuenchopf" nach Pilzen suchte. Dabei stürzte er rund 20 Meter einen steilen Abhang hinunter. Ein anderer Pilzsammler, der die Hilfeschreie des Abgestürzten hörte, alarmierte daraufhin die Polizei. Der schwer verletzte Pilzsucher wurde von der Rega aus seiner misslichen Lage befreit. (sda)
»

Quelle: Bote der Urschweiz, Online-Ausgabe, 31. August 2008 – 15:08 – Vermischtes

Beim Blick und beim Bieler Tagblatt findet man den tupfgenau gleichen Text. Nur der Titel lautet anders: «Pilzzucher in Weiach schwer verletzt». Ob die wohl nur Cut&Paste machen und gar nichts mehr durchlesen? Nicht einmal den selbstgetippten neuen Titel?

Noch besser die SZ Online und die Mittellandzeitung Bern. Dort lautet der Titel der Meldung gar «Pilzzucher im Weiach schwer verletzt». Reife Leistung. Wirklich. Zumal im Titel der Webseite steht: «Pilzsucher verletzt sich in Weiach bei Absturz schwer».

Derselbe Titel wie beim Boten der Urschweiz. Den verwenden auch Punkt.ch sowie Nachrichten.ch und übernehmen den Artikel ansonsten unverändert. Man kann daraus schliessen, dass dies das Original ist. Und beim Blick und anderen die Schlagzeile auf redaktionssystemkonforme Länge gekürzt werden musste. Umso peinlicher sind die Fehler im Titel.

Associated Press-Meldung verwertet

Fragt sich noch, wieviel eigene Arbeit der Tages-Anzeiger Unterland investiert hat:

«Pilzsammler abgestürzt und schwer verletzt

Ein 41-jähriger Mann ist am Sonntagmorgen in Weiach beim Pilzsammeln einen rund 20 Meter tiefen Abhang hinuntergestürzt und dabei schwer verletzt worden. Der Mann musste von einem Rettungshelikopter der Rega mit der Winde aus dem waldigen Gebiet geborgen werden, wie die Kantonspolizei Zürich mitteilt. Die Rettungskräfte sind von einem anderen Pilzsammler alarmiert worden, der die Hilfeschreie des Abgestürzten gehört hatte. (bru/ap)
»

Der Zeitstempel (Erstellt: 31.08.2008, 14:35 Uhr) zeigt, dass der Tagi nicht auf der SDA-Meldung basiert - sondern auf einer AP-Meldung. Wie sah das Original aus? Vielleicht so wie bei 20 Minuten?

«Pilzsammler abgestürzt und schwer verletzt

Ein 41-jähriger Mann ist in Weiach im Kanton Zürich beim Pilzsammeln einen rund 20 Meter tiefen Abhang hinuntergestürzt und dabei schwer verletzt worden. Er musste am Sonntagmorgen von einem Rettungshelikopter der Rega mit der Winde aus dem waldigen Gebiet geborgen werden, wie die Kantonspolizei Zürich mitteilte. Die Polizei war von einem anderen Pilzsammler alarmiert worden, der die Hilfeschreie des Abgestürzten gehört hatte. Quelle: AP
» [Akt. 31.08.08; 14:51 Pub. 31.08.08; 14:51]

Keine Stunde später brachte 20 Minuten eine weitere Version - wohl von einem anderen Online-Journi erstellt. Sie basiert auf der SDA-Meldung:

«Pilzsucher 20 Meter abgestürzt

In Weiach ZH ist am Sonntagmorgen ein 41-jähriger Pilzsammler einen steilen Abhang hinunter gestürzt. Dabei verletzte er sich schwer. Er wurde von der Rega per Helikopter und Seilwinde aus dem waldigen Gebiet gerettet. Der Unfall passierte gegen 10.30 Uhr, als der Mann im Gebiet «Leuenchopf» nach Pilzen suchte. Dabei stürzte er rund 20 Meter einen steilen Abhang hinunter. Ein anderer Pilzsammler, der die Hilfeschreie des Abgestürzten hörte, alarmierte daraufhin die Polizei. Der schwer verletzte Pilzsucher wurde von der Rega aus seiner misslichen Lage befreit.
Quelle: SDA/ATS
» [Akt. 31.08.08; 16:03 Pub. 31.08.08; 15:40]

Direkt von der Kapo

Wortgleiche Texte aus anderer Quelle sind auf Limmattalonline.ch sowie Affolternonline.ch zu finden:

«Weiach. Pilzsucher abgestürzt

Am Sonntagmorgen ist in Weiach ein Mann beim Sammeln von Pilzen rund 20 Meter tief abgestürzt und schwer verletzt worden.Gegen 10.30 Uhr suchte ein 41-jähriger Mann im Gebiet «Leuenchopf» nach Pilzen. Dabei stürzte er nach Angaben der Kantonspolizei Zürich einen rund 20 Meter tiefen und steilen Abhang hinunter. Aufgrund der schweren Verletzungen und der ungünstigen Lage musste er mit dem Rettungshelikopter der REGA mit einer sogenannten Windenrettung mit Horizontalnetz aus dem waldigen Gebiet geborgen werden. Die Kantonspolizei Zürich wurde durch einen weiteren Pilzsammler orientiert, der die Hilfeschreie des Abgestürzten gehört hatte. (pd/aen)
»

Der Vermerk PD (für Public Domain) deutet darauf hin, dass hier die Medienmitteilung der Kantonspolizei direkt verarbeitet wurde. Und tatsächlich wurde diese Wort für Wort übernommen.

Nachtrag aus der «Fachpresse» (2.9.08)

Auf der Fach-Website Feuerwehr-Schweiz.ch ist bereits am Sonntag ein Artikel mit interessanten Details erschienen:

«Weiach: Rega birgt abgestürzten Pilzsammler»

Der Beginn der Pilzsaison macht sich auch bei der Rega bemerkbar: In dieser Jahreszeit sind die Rega-Helis immer wieder im Einsatz, um verunfallten Pilzsammlern Hilfe zu bringen.

Am Sonntagmittag hat die Crew der St. Galler Rega-Basis einen in Not geratenen Pilzsammler bei Weiach (ZH) geborgen. Der „Pilzler" war im Gebiet „Leuenchopf" oberhalb von Weiach ausgerutscht und 20 Meter tief einen steilen Abhang hinunter gefallen, wobei er sich erhebliche Verletzungen zugezogen hatte. Ein weiterer Pilzsammler hörte die Hilferufe des Abgestürzten und alarmierte per Handy die Polizei. Die ausgerückte Feuerwehr sowie der Rettungsdienst Bülach konnten den Patienten am Unfallort versorgen.

Da der Heli der Dübendorfer Rega-Basis über keine Rettungswinde verfügt, wurde die Crew der St. Galler Rega-Basis aufgeboten, um den Patienten mit der Rettungswinde aus dem abschüssigen Gelände zu bergen. Die Rega flog ihn darauf mit mittelschweren Verletzungen ins Universitätsspital Zürich.

Sonntag, 31. Aug 2008
Einsatzart: Hilfeleistung
Meldung von: REGA
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