Sonntag, 31. Oktober 2010

WeiachBlog wird fünf Jahre alt

Wissen Sie, was ein Orchideenfach ist? Ein «ausgefallenes, ungewöhnliches, seltenes» Studiengebiet - sagt der entsprechende Wikipedia-Artikel. Orchideen sind zwar schön, haben aber abgesehen davon für den Durchschnittsmenschen wenig praktischen Nutzen. Trotzdem benötigen sie richtig viel Pflege. Ein richtiger Luxus eben.

So ähnlich ergeht es einem, wenn man sich den «Wiachiana» widmet. Kaum jemand interessiert sich für dieses ausgefallene Studienobjekt namens «Weiach». Es sei denn er/sie habe einen persönlichen Bezug dazu, weil es der Wohnort oder Heimatort ist oder sonst ein wichtiger Punkt im Leben war. In Weiach leben rund 1000 Menschen. Die zentrale Zielgruppe ist also nur einige hundert Personen gross.

Gute Plattform für ein Nischenprodukt: der Blog hat überlebt

Eine ideale Konstellation für einen Blog, denn dieses Kommunikationsgefäss ist wie geschaffen für solche Nischenprodukte des sogenannten «Long Tail»: tiefe Angebotskosten, tiefe Eintrittsschwelle, hohe Reichweite.

Heute vor genau fünf Jahren, am 31. Oktober 2005, ist WeiachBlog erstmals ans Netz gegangen. Das neue Gefäss solle «als Plattform und virtuelle Chronikstube dienen», schrieb ich damals. Und als Ergänzung zu den «Weiacher Geschichte(n)». Letztere wurde nach 120 Beiträgen im Erscheinen eingestellt (vgl. Archiv hier).

WeiachBlog aber gibt es nach wie vor. Hier gibt es keine Seitenbegrenzung und keinen Redaktionsschluss wie in den «Mitteilungen für die Gemeinde Weiach» (MGW). Und korrigieren kann man die Artikel bei Bedarf auch gleich online. Alles Vorteile, die dem Verfasser entgegenkommen. Schliesslich hat er ja noch ein Berufsleben und ein Privatleben.

Been there, done that...

Wenn wir nun die obligate Statistik aufschlagen, dann finden wir, dass in den verflossenen 5 Jahren:
  • 946 Beiträge gepostet wurden (also im Schnitt jeden zweiten Tag einer),
  • es darauf insgesamt 529 veröffentlichte Kommentare gab (Spam wurde nicht veröffentlicht) und
  • dieses Material formatiert auf Lauftext-Grösse «Arial 12 Punkt» rund 1300 A4-Seiten ergibt.
Was die Nutzung anbelangt, so sind
  • rund 58'000 Besucher zu verzeichnen (also etwa 32 pro Tag),
  • gerade einmal 7.38% der Zugriffe direkte Anfragen;
  • der Rest gelangt von Verweis-Websites (wie Wikipedia oder Blogger) bzw. über Suchmaschinen hierher.
Welche Seiten wie oft aufgerufen wurden

Bei der ewigen Top Ten-Liste gibt es keine Überraschungen:

1. Root: 9786 hits
2. /2005/11/vor-15-jahren-absturz-alitalia-az-404.html: 5417 hits
3. /2007/02/alte-monatsnamen.html: 1514 hits
4. /2006/02/wie-gross-ist-ein-juchart-mass-und.html: 1453 hits
5. /2007/05/komplizierte-zeitungsnamen-geschichte.html: 708 hits
6. /2006/02/februarwetter-1956.html: 680 Hits
7. /2007_05_01_archive.html: 622 (über 100 hits auf «bexon gmbh» und «gerard swaenepoel»)
8. /2006/12/adventsfenster-leuchten-ab-heute-in.html: 605 hits 9. /2007_04_01_archive.html: 586 (davon 9 auf Stichwort «Abwasserverbund Hohentengen»)
10. /2006/12/kirche-zu-verkaufen.html: 516

Auch hier sieht man sehr schön den Long-Tail-Effekt. Nur ganz wenige Beiträge gehören zu den absoluten Überfliegern. Und eine der Monatsarchivseiten hat eindeutig vom Interesse für eine ganz bestimmte Firma profitiert, die ihre Prospekte weitherum streut.

Der Hauptharst der rund 1000 Internetadressen (946 Artikel plus 60 Monatsarchivseiten) von WeiachBlog liegt weit unter den ca. 9800 Hits der Startseite oder den vielen tausend Besuchen auf den Beiträgen zum Alitalia-Absturz vor bald 20 Jahren.

Wenn man die Seiten nach Besucherzahlen sortiert und den Median ermittelt (50% darüber, 50 darunter), also beim 500. Rang nachschaut, dann wurde dieser Artikel genau 13 Mal aufgerufen.

Suchbegriffe, mit denen man hier landet

Wer sich nach Suchbegriffen orientiert, dem kann verraten werden, dass für ingesamt 16'776 verschiedene Anfragen schliesslich ein Treffer bei WeiachBlog angeklickt wurde. Hier die «beliebtesten» 20 Begriffe und Begriffskombinationen:

1. zeitungsnamen [559 hits]
2. weiachblog [550 hits]
3. alte monatsnamen [502 hits]
4. entspelzt [339 hits]
5. adventsfenster [312 hits]
6. weiach blog [212 hits]
7. weiacher blog [194 hits]
8. jucharte [169 hits]
9. bächtelistag [158 hits]
10. alitalia absturz [153 hits]
11. alitalia 404 [139 hits]
12. kirche zu verkaufen [133 hits]
13. landi weiach [130 hits]
14. kopfblattsystem [121 hits]
15. chaibe [110 hits]
16. wetter 1956 [109 hits]
17. wetter vor 50 jahren [104 hits]
18. weiach +internet anschluss [103 hits]
19. kupferschindeln [99 hits]
20. bauvorschriften weiach [95 hits]

Generell ist es so, dass ein Suchbegriff umso eher zu einem Zugriff auf eine passende Seite von WeiachBlog führt, als er genügend selten vorkommt und in der Trefferliste von Google ganz oben landet. So z.B. bei den Begriffen «Chaibe» oder «Zältli». Dialekt ist Trumpf.

Stippvisiten und regelmässige Besuche

Die Mehrzahl dieser Besuche dauerte nur ganz kurz. Im Schnitt unter einer Minute. Meist wurde bei einem solchen Besuch auch keine weitere Seite auf WeiachBlog angesurft.

Wer hingegen «weiachblog», «weiach blog» oder «weiacher blog» als Suchbegriffe wählt, den kann man zum interessierten Zielpublikum rechnen. Diese Besucher blieben in der Regel über 2 Minuten. In den meisten Fällen dürften sie die seit dem letzten Besuch neu geposteten Beiträge überflogen haben. Kein Problem: die jüngsten zehn Artikel sind ja jeweils auf der Startseite verfügbar.

Und wie geht es weiter?

Wenn Sie sich bis hierhin durch den Datenhaufen gelesen haben, interessiert vielleicht noch wie es weitergeht mit WeiachBlog. Sicher gemächlicher als bisher. Denn die Zeit für das Pflegen von Orchideen wird mir knapper zugemessen. Da ich aber immer noch Freude dran habe wird ab und zu doch der eine oder andere Beitrag erscheinen. Also wie gehabt: manchmal gibt es längere Unterbrüche. Dann wieder erscheint eine Zeitlang jeden Tag ein Artikel. Stay tuned!

Wollen Sie etwas Bestimmtes über das Orchideenthema Weiach wissen? e-mail genügt. Vielleicht habe ich ja etwas darüber auf Lager.

Und zum Schluss noch einmal derselbe Satz wie vor fünf Jahren: Feedback ist selbstverständlich erwünscht, sei's per e-mail oder als Kommentar auf dem Blog.

Samstag, 30. Oktober 2010

«Nur Futter vom eigenen Hof»

«Sündiger Sonntagsbraten», titelte der Tages-Anzeiger am 4. Mai 2010. Dabei stellte der Autor Hans-Martin Brandt schon im Artikelanriss die plakative Behauptung auf, Tierfabriken produzierten Fleisch klimaschonender als Kleinbauern. 

Diese Aussage findet man interessanterweise nur noch in Swissdox und den vielen Blogposts, welche über den Artikel berichten - in der Online-Ausgabe des Artikels selbst nicht mehr (siehe Link oben). Heute lautet der Online-Titel: «Tierfabriken schlagen Kleinbauern». Und seltsamerweise wird der Autorenname schlicht unterschlagen (den findet man auch nur in Swissdox).

Zu stark abkürzen verfälscht die Tatsachen 

Aber selbst mit dieser Kosmetik-Massnahme zeigt sich: Journalistische Vereinfachungen können furchtbar in die Hose gehen. Selbst im zweiten Versuch. Wie in dieser Passage des Beitrags (Online-Version): «Sogar in den ärmsten Ländern der Welt entstehen immer mehr Tierfabriken. Positiv daran ist, dass sie immerhin den Ausstoss von Klimagasen pro Kilogramm Fleisch vermindern, weil viel weniger Land pro Tier notwendig ist. «Intensivierung der Produktion kann die Freisetzung von Treibhausgasen durch Abholzung und Überweidung reduzieren», schreibt die FAO.» 

Der Umstand, dass auch Rinder in Tierfabriken Methan erzeugen und dieses ein wesentlich stärkeres Treibhausgas ist als das durch Abholzung entstehende Kohlendioxid, kommt hier nicht zur Sprache. 

Die eigentlich wichtigen Punkte sind die Transportdistanz und die Frage nach der standortgerechten Nutzung des Bodens. Also klassische Fragen der Nachhaltigkeit. Ansätze, diese ins Zentrum zu stellen, gibt es im Artikel durchaus:

«Regula Kennel von Proviande, der Branchenorganisation der Schweizer Fleischwirtschaft, warnt davor, ausländisches mit Schweizer Fleisch zu vergleichen. Zwar entstünden auch bei der Produktion von Steaks in der Schweiz klimaschädigende Gase. Doch das einheimische Produkt habe deutliche Vorteile: «Bei uns wird Land für Fleischproduktion genutzt, das sonst nicht nutzbar ist. Und die Transportwege zum Verbraucher sind kurz.» 

Wieviele Tiere gibt das in der Schweiz produzierte Futter her?

Leider steht das Kennel'sche Zitat im Zusammenhang des Artikels ziemlich verloren in der Landschaft. Peter Straub aus Näfels nahm diesen journalistischen Kunstfehler auf der TA-Leserbriefseite vom 5. Mai auf's Korn: 

«Regula Kennel von der Proviande darf uns im Artikel sagen, bei uns werde das Fleisch auf Land produziert, das sonst nicht nutzbar sei. Dass das unkommentiert abgedruckt wird, ist äusserst unschön. Bei uns werden Milch und Fleisch zu einem schönen Teil so produziert, wie in allen Industriestaaten: mit Heu aus Polen, Weizen aus Kanada, Mais aus den USA und Soja aus Brasilien. Und weil es für die Produktion von einem Kilogramm Fleisch sieben Kilogramm Futter braucht, sind die Transportwege unter dem Strich viel länger, als wenn wir das Fleisch importieren würden. Der einzige Grund, «Industriefleisch» hier zu produzieren, liegt darin, dass «Schweizer» Fleisch für ein Mehrfaches des Weltmarktpreises verkauft werden kann.» 

Den Einwand aus dem nördlichen Glarnerland konterte Katharina Baumgartner aus Weiach mit einem Leserbrief, der am 7. Mai 2010 auf der Leserbriefseite publiziert wurde:

«Herr Straub ärgert sich über den Satz von Regula Kennel im Artikel vom 4. Mai, worin sie erwähnt, dass bei uns Fleisch auf Land produziert werde, das sonst nicht nutzbar sei. Dieser Satz stimmt vollumfänglich. Wir bewirtschaften einen Hof im Zürcher Unterland mit einer Mutterkuhherde, welche wir zu 100 Prozent mit hofeigenem Futter ernähren. 95 Prozent besteht aus Gras (inkl. Heu, Emd, Silage), welches an für die Getreideproduktion zu steilen oder zu nassen und schattigen Orten wächst. Nur rund 5 Prozent füttern wir Mais dazu, ebenfalls hofeigener. Unsere Kühe fressen niemandem etwas weg. Dasselbe gilt für viele Betriebe in der Schweiz, vor allem in hügeligem Gebiet. Auf die gleiche Weise werden Schafe ernährt. Unser Fleisch wird von Coop als Naturabeef verkauft, ein Label, das für eine naturnahe Haltung mit sehr viel Auslauf für Kühe und Kälber steht.» 

Fassen wir zusammen.

Fakt ist: In einem schon vor Jahrhunderten (durch den mittelalterlichen Landesausbau) gerodeten und für Landwirtschaft nutzbar gemachten Gebiet wie der Schweiz gibt es viele Lagen, welche sich für Ackerbau nicht eignen. Für dieses Grasland kann es eigentlich nur eine sinnvolle Nutzung geben: Futterbau für Tierhaltung. Sonst bliebe nur noch, das Land sich selber zu überlassen. Das Resultat wäre Verbuschung und Verwaldung. 

Fakt ist aber auch, dass sehr grosse Mengen an Futtermitteln in die Schweiz importiert werden - und damit hierzulande viele Tiere aufgezogen werden können, welche der einheimische Futterbau nicht wirklich hergibt, vgl. dazu den Kassensturz vom 1. September 2009

Fazit: Es gibt Unterschiede zwischen alten Kulturlandschaften wie der Schweiz und neu für agroindustrielle Zwecke verwüsteten Flächen in Südamerika. Und es gibt die Importproblematik, welche die beiden miteinander verbindet.

Die Lösung? Nur Futter vom eigenen Hof!

Importverzicht für Futtermittel-Bestandteile würde bedeuten, dass in der Schweiz weniger Tiere aufgezogen werden können. Wenn man ihnen kein Kraftfutter gibt, wachsen sie langsamer, stehen länger auf dem Hof und kosten den Landwirt dadurch mehr. Dasselbe gilt für strenge Vorschriften über Auslauf und tierfreundliche Stallhaltung, sowie die Bedingung, dass das Futter praktisch nur vom eigenen Betrieb stammt, wie es u.a. die Label «Bio-Knospe» und «Coop Naturaplan» zwingend vorschreiben. 

All das ermöglicht zwar eine artgerechte Tierhaltung und ökologische Produktion von Fleisch und Milch. Aber es kostet mehr. Entweder ist nun der Verkaufspreis im Laden höher als der für konventionell aufgezogene Tiere oder die Mehrkosten/Mindererlöse werden durch staatliche Direktzahlungen ausgeglichen. Wenn die durch den von billigen fossilen Energien befeuerten globalisierten Markt erzeugten Verzerrungen nicht durch solche Massnahmen ausgeglichen werden, dann wird unweigerlich Futtermittel von weit her importiert. Oder eben gleich Fleisch. Solange man das Geld dazu hat. 

Würden die Konsumenten der Industriestaaten nur noch lokal produziertes Biofleisch und vor Ort angepflanzte Früchte und Gemüse konsumieren (wie anderswo mangels finanzieller Ressourcen immer noch üblich), dann wäre für das globale Nährstoffgleichgewicht, den Umweltschutz und den Klimaschutz viel gewonnen.

Fleisch wäre dann allerdings wieder ein selteneres Vergnügen. So wie Jahrtausende zuvor - und danach. Denn unser fossiles Zeitalter ist vor dem Hintergrund der menschlichen Kulturgeschichte wohl nur «a single match in the darkness of eternity».

Quellen
  • Baumgartner, K.: Nur Futter vom eigenen Hof. Leserbrief zum Artikel: Fleischkonsum  Ein sündiger Sonntagsbraten, TA vom 4. Mai. In: Tages-Anzeiger, 7. Mai 2010 – S. 11.

Freitag, 29. Oktober 2010

Wo der «Sternen» und die Ziegelhütte standen

In der Graphischen Sammlung der Zentralbibliothek Zürich liegt PAS 547, ein Band mit kolorierten Handskizzen des Kartenzeichners Heinrich Keller d.Ä. (1778-1862).

Diesem fleissigen Kartographen und Panoramazeichner verdanken wir den frühesten erhalten gebliebenen topographischen Plan des Ortskerns von Weyach, der auch die Proportionen massstäblich ziemlich korrekt abbildet.

Ungewöhnliche Signaturen

Wenn man Blatt 66 des genannten Bandes PAS 547 genau unter die Lupe nimmt, dann entdeckt man neben den Quadraten, die die gewöhnlichen Wohnhäuser bezeichnen, auch Signaturen wie ein «Pf». Diese Abkürzung steht für das Pfarrhaus, das gleich neben der Kirche liegt:

Oder einen ausgefransten grünen Punkt direkt am zentralen Dorfplatz und daneben die Bezeichnung «Linden». Da muss damals wohl ein markanter Baum gestanden haben. War es die alte Dorflinde von der Walter Zollinger erzählt?

«Nach Aussage ältester Gemeindebürger soll einst eine Linde gegenüber der Alten Post (an der alten Zürcherstrasse) gestanden haben», schreibt er in seiner Monographie «Weiach 1271-1971» (vgl. 4. Auflage, S. 33). Nach Kellers Plänchen zu schliessen, dürften Zollingers Gewährsleute recht gehabt haben.

Gebäude von öffentlichem Interesse

Und dann sind da noch weitere, seltsame Signaturen: zwei übereinander liegende Winkel sowie ein Dreieck, dessen nach Süden zeigende Spitze einen Grundstrich aufweist. Wie beim Pfarrhaus handelt es sich bei diesen beiden Objekten um Häuser mit obrigkeitlichem Privileg.

Die beiden Winkel stehen für die Ziegelhütte, welche an der Verzweigung Büelstrasse/Luppenstrasse am Platz des heutigen Gebäudes Luppenstrasse 2 stand. Diese Ziegelhütte ist seit dem Spätmittelalter bezeugt (wenn auch nicht sicher ist, dass sie immer am selben Platz stand) und hatte ein obrigkeitlich garantiertes Monopol. Im Austausch dafür musste der Ziegler seine Produkte zu verbilligtem Preis u.a. an die Stadt Kaiserstuhl liefern.

Wann hat der «Sternen» gezügelt?

Das Dreieck mit Grundstrich steht für den «Sternen», während Jahrhunderten das einzige mit obrigkeitlichem Tavernenrecht ausgestattete Wirtshaus in Weiach. Diese Signatur findet man auf der Kellerschen Karten-Skizze nicht an der Hauptstrasse (Basel-Winterthur), wo man sie heute erwarten würde, sondern am früheren zentralen Dorfplatz: der heutigen weichenartigen Verzweigung von Oberdorfstrasse, Alter Post-Strasse und Winkelstrasse.

Der «Sternen» stand damals auf dem Platz zwischen Winkelstrasse und Oberdorfstrasse, wo heute das Bauernhaus Oberdorfstrasse 7 zu finden ist. Dieses Gebäude wurde gemäss kantonaler Gebäudeversicherung in seinen tragenden Teilen im Jahre 1801 errichtet.

Wenn man diese Information mit einem Auszug aus der Schrift «Die zürcherischen Tavernenrechte» von Edwin Hauser aus dem Jahre 1935 kombiniert, dann wird klar, dass man dieses Haus eigentlich auch «Zum alten Sternen» nennen könnte:

«Verlegung bewilligt: Der Regierungsrat bewilligt am 5. November 1829 den Gebrüdern Hans Ulrich, Hans Jakob und Johannes Schenkel in Weiach, ihre Taverne von ihrer bisherigen, zu einer Wirtschaft nicht geeigneten Wohnung auf ein an der Landstrasse nach Kaiserstuhl neu zu erbauendes Haus zu verlegen.»

Das Baujahr des heutigen «Sternen» (Stadlerstrasse 2) ist also in seinen Grundzügen auf das Jahr 1830 oder kurz danach zu veranschlagen.

Aus all diesen Informationen ergibt sich, dass Kellers Weyacher Plänchen wohl vor 1830 entstanden ist. Vielleicht 1828, denn das in ähnlichem Stil gezeichnete Plänchen von Glattfelden hat er selber auf den 10. Juni 1828 datiert.

Quellen und weiterführende Literatur
  • Keller, Heinrich: Weyach. Signatur: ZBZ PAS 547 fol. 66
  • Billeter, Gustav: Die ehehaften Tavernenrechte im Kanton Zürich. Diss. Univ. Zürich, 1928.
  • Hauser, Edwin: Die zürcherischen Tavernenrechte: Übersicht für die Finanzdirektion und das Staatsarchiv zusammengestellt vom Adjunkten des Staatsarchivs. Zürich 1935
  • Brandenberger, Ulrich: Weiach. Aus der Geschichte eines Unterländer Dorfes. Vierte, überarbeitete Auflage von Walter Zollingers «Weiach. 1271-1971. Aus der Vergangenheit des Dorfes Weiach». Online-Ausgabe Dezember 2009 - S. 33.

Donnerstag, 28. Oktober 2010

Zürich-Bote bereits im 18. Jahrhundert unterwegs?

Boten und Postkutschen transportierten in früherer Zeit schriftliche Nachrichten von und nach der Hauptstadt, die immerhin gut fünfeinviertel Stunden Fussmarsch von Weiach entfernt liegt (bezüglich Marschzeiten vgl. den Beitrag Vor 220 Jahren zu Fuss quer durch die Schweiz, WeiachBlog Nr. 801, 22. März 2010).

Walter Zollinger gab 1972 in seiner Monographie über die Geschichte von Weiach eine erste Zeitangabe, seit wann es diese Dienstleistung gibt:

«Bereits um 1800 hatte die Gemeinde ihre Stadtboten, die vor allem die amtliche Post für den Staat und das Militärwesen zu vermitteln hatten. Anno 1835 stellte Weiach dann einen eigenen Zürcher Freitagsboten in Jakob Meyer, der im einstigen Winzelnhof wohnte. Dieser führte auch private Aufträge nach und von der Stadt aus. Bei starkem Verkehr bewilligte man ihm ein Pferd. Später war es ein weiterer Gemeindebürger namens Griesser, der jetzt schon zweimal wöchentlich und per Fuhrwerk zur Stadt fuhr.» (Fassung nach Brandenberger 2009 - S. 50)

Schon vor 1800? Hinweis durch Zuname

Nun kann einer amtlichen Publikation aus der Zeit der Helvetik entnommen werden, dass es den Weiacher Zürich-Boten wohl schon im späten 18. Jahrhundert gegeben hat - nicht erst um 1800:

«Der von Elisabetha Heer von Märstetten, im Canton Thurgäu, dermahlen zu Weyach sich aufhaltend, der Paternität angeklagte Jakob Meyenhofer, Botten Sohn von Weyach, wird hierdurch von Seite des Distriktsgericht Bülach peremtorie & sub poena contumatie aufgefordert auf Mittwochen den 26. May a.c. Morgens um 7 Uhr vor dem Distriktsgericht zu Bülach zu erscheinen, und sich gegen diese Klage zu verantworten, ausbleibenden Falls in Contumatiam darüber abgesprochen werden wird. Geben vor dem Distriktsgericht Bülach den 28. Aprill 1802. Gerichts Canzley Bülach.» (Zürcherisches Wochen-Blatt, Nro. 38, Donnstag den 13. May 1802)

Mit anderen Worten: da bei dieser Vaterschaftsklage einer Thurgauerin vom (wohl volljährigen) Sohn eines Meyerhofer die Rede ist, der den lokal gebräuchlichen Zunamen «Botten» trägt, liegt der schriftliche Beweis vor, dass es das Boten-Amt bereits in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts gegeben haben muss.

Solche professions- bzw. amtsbezogene Namen bilden sich nämlich in aller Regel erst dann aus, wenn das Familienoberhaupt die fragliche Tätigkeit während längerer Zeit ausgeübt hat. Denn schliesslich musste jedermann klar sein, welcher Jakob Meyerhofer hier gemeint ist.

Peremtorie? Sub poena contumaciae?

Zu dem in dieser Vaterschaftsangelegenheit verwendeten Begriff «peremtorie» findet man im «Grossen Universal-Lexicon» des 18. Jahrhunderts von Johann Heinrich Zedler die Erklärung: «peremtorie heisst unverzüglich zum letzten mahl und ohne weitere Frist» (Sieben und zwanzigster Band, pag. 355)

Die Rechtsformel «sub poena contumaciae» war damals bei Gerichten sehr beliebt. Warum wird in Meyers Konversations-Lexikon von 1888 (Band 10, S. 52) erklärt:

«Kontumaz (lat. contumacia), in der Rechtssprache der Ungehorsam gegen eine gerichtliche Auflage oder Ladung. Der Ungehorsame heißt Kontumax. Folgen der Kontumaz sind in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten: Ausschluß (Präklusion) der betreffenden prozessualischen Handlung, welche Gegenstand der richterlichen Verfügung war, oder fingiertes Zugeständnis der in Frage stehenden Behauptung der Gegenpartei. So wird z. B. der Beklagte, welcher sich auf eine Klage in dem dazu gesetzten Termin nicht einläßt, »zur Strafe Ungehorsams« der Klage für geständig erachtet und nach dem Klagegesuch (»in contumaciam«) verurteilt.

Das Verfahren in solchem Fall wird Versäumnisverfahren genannt. Der Antrag der Gegenpartei, daß auf die Folgen der Kontumaz erkannt werden möge, heißt Ungehorsamsbeschuldigung (Kontumazklage), das dem entsprechend erteilte Erkenntnis Versäumnisurteil oder Kontumazialbescheid (s. Versäumnis). Im Strafverfahren wird das Kontumazialverfahren von der deutschen Strafprozeßordnung als das »Verfahren gegen Abwesende« (§ 318 ff.) bezeichnet und behandelt, das Verfahren gegen Abwesende, welche sich der Wehrpflicht entzogen haben, insbesondere § 470 (s. Ungehorsam). In einem andern Sinn bedeutet Kontumaz s. v. w. Quarantäne (s. d.). – Kontumazieren, wegen Nichterscheinens verurteilen.
»

Vgl. dazu den Artikel Weiacher Geschichte(n) Nr. 11, welcher über eine Vorladung desselben Distriktgerichts Bülach berichtet, die am 28. Oktober 1800 in der «Züricher Zeitung» (heutige NZZ) publiziert wurde. Auch dort wurden diese beiden Rechtsbegriffe verwendet.

Das Verfahren gegen Abwesende war übrigens auch noch Jahrzehnte später beliebt. Das geht aus dem am 26. Oktober auf WeiachBlog publizierten Beitrag über die Scheidungsklage «Meierhofer Seidenruedis» deutlich hervor. Die Rechtsfolgen sind 1867 lediglich für den juristischen Laien verständlicher umschrieben als noch in den Jahren 1800 bzw. 1802.

Quellen und weiterführende Artikel
  • Zürcherisches Wochen-Blatt, Nro. 38, Donnstag den 13. May 1802
  • Ehefrau davongelaufen – eine Klage vor Distriktgericht (Teil 1). Weiacher Geschichte(n) Nr. 11. In: Mitteilungen für die Gemeinde Weiach, Oktober 2000.
  • Brandenberger, U.: Weiach – Aus der Geschichte eines Unterländer Dorfes. Vierte, überarbeitete Auflage von Walter Zollingers «Weiach. 1271-1971. Aus der Vergangenheit des Dorfes Weiach». Online-Ausgabe, Dezember 2009 - S. 50.

Mittwoch, 27. Oktober 2010

Weiacher Klassentreffen Jg. 66-70: Bald Anmeldeschluss

Am 18. März hat WeiachBlog bereits über das geplante Klassentreffen Primarschule Weiach der Jahrgänge 66-70 berichtet. Damals waren Zeit und Ort «noch eher unbekannt (wie gesagt, nähe weiach, zeit vermutlich nov 2010)».

Mittlerweile ist der Termin klar (13. November) und der Anmeldeschluss steht kurz bevor (Ende Oktober). Die offizielle Einladung sieht so aus:

Im Inneren des Faltblatts wird der Anlass wie folgt beworben:

«Liebe ehemalige Klassenkolleginnen und –kollegen
Liebe Lehrerinnen und Lehrer

Wir freuen uns, euch nach 9 Jahren wiederum zu einem Klassentreffen der Jahrgänge 1966 – 1970 der Primarschule Weiach einladen zu können und hoffen sehr, viele von euch zu sehen!

Samstag, 13. November 2010

Programm:
16 Uhr Geführter Spaziergang im Dorf Weiach
ab 18 Uhr Eintreffen und Apéro im Gemeindesaal Weiach
19 Uhr Nachtessen im Gemeindesaal Weiach

Treffpunkt:
Jeweils zur genannten Zeit beim Gemeindesaal (unterhalb der
Turnhalle) in Weiach. Selbstverständlich kann man auch nur an einem
der beiden Programmpunkte teilnehmen.

Kosten:
Wir behalten die Tradition des Spaghettibuffets bei und haben ein solches beim Wiesental Catering bestellt, ebenso Salat. Im weiteren sind Dessert und nicht-alkoholische Getränke im Preis inbegriffen. Kosten pro Person Fr. 45.-. In diesem Betrag sind auch Saal- und Organisationskosten eingeschlossen. Wein wird zum Selbstkostenpreis am Abend verkauft.

Anmeldung bis Ende Oktober 2010 an eine der folgenden Adressen,
am liebsten per mail, aber gerne auch per Post
».

Wer sich noch anmelden will, muss sich also beeilen. Kontaktadressen auf der Innenseite des Flyers (zum Vergrössern klicken):


Weiterer Artikel

Dienstag, 26. Oktober 2010

Meierhofer Seidenrudis. Eine Ehe landet vor dem Bezirksgericht

Dass es um die Ehe von Johannes Meierhofer nicht zum Besten stand erfuhr eine breitere Öffentlichkeit im Juni 1867 aus dem Amtsblatt. Da wurde Johannes nämlich nach Regensberg ins alte Landvogteischloss zitiert:

«Johannes Meierhofer, genannt Zieglers, Seidenrudis, von Weiach, unbekannt abwesend, wird hiemit aufgefordert, Mittwoch den 12. dieß, Morgens 7 Uhr, vor Bezirksgericht im Schlosse dahier zu erscheinen, zur Behandlung der von seiner Ehefrau gegen ihn erhobenen Scheidungsklage, unter der Androhung, daß im Falle unentschuldigten Ausbleibens angenommen würde, er anerkenne die thatsächlichen Angaben seiner Ehefrau als richtig, und verzichte auf die Geltendmachung von Einreden.»

Diese ziemlich harsche Aufforderung wurde «Im Namen des Bezirksgerichtes» erlassen. Und zwar in «Regensberg, den 3. Brachmonat 1867» durch den Gerichtsschreiber Bucher. Ob Meierhofer vor Ort erschienen ist oder nicht, müsste man dem Protokoll entnehmen können.

Ein Geflecht von Zunamen

Interessant ist neben der Scheidungsangelegenheit vor allem die ausführliche Namensnennung. Sie enthält nämlich gleich zwei Zunamen, welche als Wohnstätten- oder Berufsbezeichnungen angesehen werden können.

Der Familienname Meierhofer hatte sich zu diesem Zeitpunkt offensichtlich fest eingebürgert. Deshalb brauchte man dorfintern Zunamen um die vielen Meierhofer unterscheiden zu können.

Meierhofer «Seidenruedis» war ein Zweig, der entweder im Seidenhof (einem Gebäude nahe dem heutigen Restaurant Linde) gewohnt hat oder sogar selber im Seidengewerbe tätig war.

Der Zuname «genannt Zieglers» dürfte jüngeren Datums sein als die «Seidenruedis» und auf die aktuelle Tätigkeit von Johannes Meierhofer oder seines Vaters hinweisen: als Betreiber einer Ziegelhütte.

Ob es sich dabei um den ehemals obrigkeitlich konzessionierten Monopol-Betrieb im Büel handelt, ist nicht klar, da auch im Oberdorf eine Ziegelbrennerei bestand (Oberdorfstrasse 25).

Quelle

  • Amtsblatt des Kantons Zürich, 1867, S. 1129, Nr. 35

Montag, 25. Oktober 2010

Woher das Büel seinen Namen hat

Konsultiert man die deutschsprachige Wikipedia, so findet man eine Erklärung dieses häufigen Flurnamens im Artikel «Hügel». Das Wort «Hügel» sei erst im 16. Jahrhundert im Sprachgebrauch aufgetaucht heisst es da, und weiter:

«Das alte, im süddeutschen Raum verbreitete Wort für Hügel, Bühel oder Pichl, ist seit den frühesten Zeiten reich namensbildend. Wurzel ist althochdeutsch buhil 'Hügel, Anhöhe', mhd. bühel. Im Sprachschatz im Gebrauch ist es noch im Tirolisch/Salzburgischen und im Vorarlbergisch/Westschweizerischen, wo es allgemein im Dialekt das Wort anstelle des nicht heimischen 'Hügel' ist. Die Varianten sind vielfältig: Bühel, Bühl, Büel[...]»

Gemeint ist wohl statt «Westschweizerisch» der Ostschweizer Dialekt. Ob dieser Lapsus wikipediabedingt ist oder auf die Quelle, den «dtv-Atlas Namenkunde», zurückgeht, müsste noch geklärt werden.

Eindeutig eine Anhöhe

Doch nun zum Weiacher Büel. Die Büelstrasse erstreckt sich von der Stadlerstrasse (vis-à-vis der Einmündung der Chälenstrasse) hinauf bis zum Baumgartner-Jucker-Haus, wo sie in die Oberdorfstrasse mündet. Sie steigt von der Nummer 4 bis zum Alten Gemeindehaus (Büelstr. 13) nicht einmal 10 Meter an und führt an der evangelisch-reformierten Pfarrkirche und dem Pfarrhaus vorbei (welche somit ebenfalls die Adresse «Büelstr.» tragen).

Historisch gesehen verläuft die Grenze zwischen Büel und Oberdorf zwischen Kirche und Pfarrhaus - jedenfalls wenn man sich an den ab 1812 erfolgten Einträgen im Lagerbuch der kantonalen Gebäudeversicherung orientiert.

Hofname vom Bewirtschafter?

Woher der Name Büel kommt, wird spätestens dann klar, wenn man nördlich vom Weiacher Ortskern (zum Beispiel beim Eschterhof) steht und nach Süden blickt. Die Kirche und die Gebäude an der Luppenstrasse liegen auf einer Anhöhe, eben auf einem Büel.

Es ist deshalb fraglich, ob der Historiker Konrad Wanner recht hatte, als er 1984 über den «Bühlhof des Klosters St. Blasien» schrieb, der Name dieses Weiacher Hofes sei «vom Familiennamen der Bauern, die ihn bis 1352 bewirtschafteten, abgeleitet» worden (vgl. den Text in Weiacher Geschichte(n) Nr. 52).

Die von Wanner als Beleg angeführte Urkunde StAZH C II 6, Nr. 769 aus dem Jahre 1352 lautet im Regest wie folgt: «Die Brüder Johann, Ulrich und Konrad, ihre Schwester Hedwig sowie ihre Mutter, "die man aelli nemmet am Buel von Wiiach", geben den "hof, der gelegen ist ze Wiiach in dem torf", dem Kloster St. Blasien auf, von dem sie ihn bisher zu Lehen hatten.»

Wanner führt weiter aus, dass es sich bei diesem Mitte des 14. Jahrhunderts erwähnten Hof um den Bühlhof gehandelt habe, «der nach den Quellen des 16. Jahrhunderts diesem Kloster gehörte», und verweist auf die Signaturen StAZH F II b 245 (1573) sowie StAZH F II b 245a (1596).

Diese Kontinuität eines Hofnamens ist durchaus plausibel, wurde doch in Klöstern immer wieder aus uralten Güterverzeichnissen kopiert.

These auf wackeligen Füssen

Aber leitet sich der Hofname nun tatsächlich von demjenigen seiner Bewirtschafter ab, wie Wanner meint? Wohl eher nicht. Seine These steht auf wackeligen Füssen. Denn schon die in der Urkunde von 1352 gewählte Benennung der Bewirtschafter als «am Buel von Wiiach» deutet auf das Gegenteil hin.

Zum einen haben sich Familiennamen in dieser frühen Zeit noch kaum als dauerhafte Bezeichnungen von Personengruppen durchgesetzt, zum andern ist es auch sonst sehr viel wahrscheinlicher, dass ein Zuname aus einem Hof- oder Flurnamen entsteht (und nicht umgekehrt). Denn Geländestrukturen sind viel dauerhafter als Besitzverhältnisse, weshalb auch ein passender Name so lange daran haftet, als sich dessen Nutzer darunter ganz konkret etwas vorstellen können.

In diesem Fall eben eine für jedermann sichtbare Anhöhe. Und so wäre dann auch der Name der Ambühl von Weiach eine Ableitung von dieser Geländestruktur. Vergleiche dazu auch die Ausführungen im Wikipedia-Artikel Genanntname.

Quellen
  • Konrad Wanner: Siedlungen, Kontinuität und Wüstungen im nördlichen Kanton Zürich (9.-15. Jahrhundert). Bern 1984.
  • Konrad Kunze: dtv-Atlas Namenkunde. 1 Auflage. dtv-Band 2490, dtv, München 1998, ISBN 3-423-03266-9, Oberflächengestalt der Landschaft. Bodenerhebungen, S. 97 Sp. 2.

Sonntag, 24. Oktober 2010

Die Normalität im Wahnsinn des Krieges

Aktuell sind die Hinterlassenschaften von zwei Weltkriegen und dem Kalten Krieg wieder in den Schlagzeilen. Tausende von sogenannten Kampfbauten (Bunker und Festungen) sollen in den nächsten Jahren rückgebaut werden, sagt das VBS (vgl. NZZ vom Freitag, 22. Oktober 2010).

Ebenfalls letzten Freitag brachte der «Zürcher Unterländer» einen Artikel von Katrin Brunner, der an den heute noch sichtbaren Zeugen des 2. Weltkriegs anknüpft und eine people story daraus macht. «Schweizer Soldaten suchten die Normalität im Wahnsinn», lautet der Untertitel. Viele Bunker und Stellungen am Zürcher Rhein wurden nämlich von Aktivdienst-Soldaten gebaut. Und die wollten nicht immerzu an den drohenden Überfall durch Hitlers Truppen denken. Man lebte ja schliesslich auch noch.

Grenztruppen im Einsatz

Schon vor den ersten Kampfhandlungen zwischen Deutschland und Polen am 1. September hatte der Bundesrat die Grenztruppen mobilisiert:

«29. August 1939: Ein warmer und heiterer Tag. Die Nacht war mondhell. So steht es im Tagebuch der ersten Kompanie des Grenzfüsilierbataillons 269. Am Tag zuvor war um 9 Uhr das Verlesen mit anschliessendem Materialfassen. Nachmittags rückte die Truppe nach Weiach aus, um in der Nacht mit Grabungsarbeiten an Schützengräben, Bunkern und Panzersperren anzufangen. Der Feind sollte vom geschäftigen Treiben der Schweizer möglichst nichts mitbekommen.»

So normal wie möglich, bitte

Aus einigen etwas ausführlicher als befohlen gestalteten Einträgen in den offiziellen Kommandantentagebüchern wissen wir, was die Soldaten taten um sich das Leben so erträglich wie möglich zu gestalten. Unter dem Zwischentitel «Bissige Gäste» nimmt Brunner auf die praktischen Aspekte des Küchendienstes Bezug:

«13. September 1939: Zur Verwertung von Rüstabfällen und Essensresten kaufte sich die erste Kompanie des Bataillons 269 ein Schwein für 107,20 Franken. Bereits am Abend machte «Jda» aber ihren Stall zur Sau und büxte aus in Richtung Wald, wo sie nur mit grösster Mühe wieder eingefangen wurde.»

Anfangs nur Nachtarbeit

Dann stellt die Journalistin aber wieder den Hauptauftrag der Truppe ins Zentrum: «Ansonsten stellten sich beim Bau der Befestigungsanlagen keine grösseren Probleme, obwohl es oft an Material fehlte und das Vorhandene auch mal Mängel aufwies. Die Tagesabläufe waren in den ersten Wochen des Aktivdienstes fest vorgeschrieben. So meldet das Kompanietagebuch Arbeiten an der Verteidigungslinie zwischen Mitternacht und 4.30 Uhr. Danach zurück ins Quartier, wo es um 6 Uhr Frühstück gab. Bis 10 Uhr hatten die Soldaten Ruhe. Dann wurden die Waffen gepflegt. Der Nachmittag verging wieder mit Ausruhen und diversen Arbeiten rund ums Quartier. Um 20 Uhr ging es unter anderem wieder ans «Erstellen von Drahthindernissen». Vermehrt wurde nun auch bei Tag an den Stellungen gearbeitet.»

Ewiger Regen, kleines Jagdglück und ein Festessen

Dem Tagebuchführer der Kompanie I/269 verdanken wir weitere amüsante Vorkommnisse, die von Brunner in ihrem Artikel aufgenommen wurden:

«Bei Wind und ewigem Regen wird bei Weiach im Oktober 1939 eine Baracke erstellt. Dabei fangen die Männer einen Siebenschläfer und quartieren das vermeintlich putzige Tierchen im Büro des Kommandanten ein. Etwas später bricht auch dieses Tier, aus und es dauert etwas, bis das bissige Pelzknäuel wieder im Käfig ist.

5. November 1939: Schwein Jda erfüllt ihren Dienst am Vaterland und wird zu Wurst und Voressen verarbeitet. Um 22 Uhr sind vom Rafzerfeld her Fliegerlärm und Maschinengewehrsalven hörbar.
»

Was beim in der Gegend von Weiach stationierten Grenzfüsilierbataillon 269 während dieser Zeit trotz (oder gerade wegen) latenter Kriegsgefahr sonst noch so an Zwischenmenschlichem passierte, kann man den nachstehend aufgeführten Beiträgen entnehmen.

Quelle und weiterführende Artikel

Samstag, 23. Oktober 2010

Die Pfarrfrau steht für die Pro Senectute

Wie jedes Jahr im Herbst meldet sich auch heuer wieder die Pro Senectute mit ihrer Herbstsammlung zu Wort.

«Ist Lebensfreude selbstverständlich?», fragt sie auf dem Umschlag. Und gibt im Brief gleich selber die Antwort: Sie sei es nicht. Vor allem dann nicht, wenn Betagte zu wenig Geld zur Deckung der laufenden monatlichen Kosten hätten.

Ein weiteres Problem wird im Brief höchstens indirekt angesprochen: die oft anzutreffende Vereinsamung im Alter. Diese lässt sich monetär nicht beziffern, dürfte aber ein noch grösseres Problem sein als das rein finanzielle Durchkommen.

Lokales Engagement hat Tradition

Wie schon vor drei Jahren setzt die 1917 gegründete Stiftung auf ihre Verankerungen in den Gemeinden. Jede Ortsvertretung kann die Vorlage mit eigenen Textbausteinen ergänzen und so die lokal Ansässigen direkt ansprechen. Die Leiterin der Ortsvertretung Weiach, Christina Weber, ist als Frau unseres Pfarrers in der Gemeinde vielseitig engagiert. Dieser Bekanntheitgrad hilft beim Spendensammeln.

2007 las sich unser Textbaustein so: «In Weiach gratulieren die Freiwilligen von Pro Senectute den Hochbetagten zum Geburtstag und organisieren den beliebten Spielnachmittag. Das wöchentliche Turnen bringt frohe Gemeinschaft und hilft mit, beweglich zu bleiben.»

Dieses Jahr hat man ihn etwas anders formuliert: «In Weiach findet für alle, die sich gerne bewegen, wöchentlich das Seniorenturnen statt. Jeweils mittwochs findet ein Spielnachmittag statt, zu dem alle, die Freude daran haben, herzlich eingeladen sind. Die Freiwilligen des Besuchsdiensts freuen sich jeweils, die hochbetagten Jubilarinnen und Jubilare zu besuchen und ihnen ein kleines Präsent zum Geburtstag zu überreichen.»

Der Besuchsdienst hat übrigens schon eine lange Tradition - ohne enge Zusammenarbeit mit dem Frauenverein wäre er aber nicht möglich.

Weiterführende Artikel


[Veröffentlicht am 24. Oktober 2010]

Donnerstag, 21. Oktober 2010

Frauenfreier Gemeinderat

Frauen in höchsten Ämtern? Noch dazu an der Spitze? Das mag vielleicht auf Bundesebene so sein, wo National- und Ständerat von Frauen präsidiert werden und mittlerweile die Mehrheit des Bundesrates weiblich ist. Aber nicht im Zürcher Unterland. Da ist das noch gar nicht üblich.

Parteilose öffentliche Ämter

Weiach liegt im Trend des Unterlands. Diesen Eindruck kann man mindestens haben, wenn man man einen gestern vom «Zürcher Unterländer» publizierten Artikel über die Exekutivmitglieder unserer Gegend liest.

Unter dem Zwischentitel «Frauenarme, bürgerliche Region» heisst es da:

«In den 45 Unterländer Gemeinden amten derzeit 257 Exekutivmitglieder (Gemeinderäte oder Stadträte). Davon sind 101 parteilos (39 Prozent), 75 sind Mitglied der SVP (29 Prozent), 44 der FDP (17 Prozent), 9 der SP (4 Prozent) und 8 der CVP (3 Prozent).»

Hier ist Weiach ausnahmslos im Feld der relativen Mehrheit der Parteilosen anzutreffen. Bei uns kommt niemand auf die Idee, sich als Parteimitglied in ein öffentliches Amt wählen zu lassen. Man ist vielleicht als Privatperson Mitglied, hängt das aber nicht an die grosse Glocke, wenn es um die Gemeindewahlen geht. Parteien sind nach Ansicht vieler Weiacherinnen und Weiacher Privatsache und haben in der Gemeindepolitik nichts verloren.

Frauenfreie Zone

Und Frauen auch nicht? Der «Unterländer» zum Thema Gemeinderäte weiter: «Lediglich 49 sind Frauen, womit der Frauenanteil in Unterländer Exekutiven mit 19 Prozent unter dem Schweizer Durchschnitt liegt – in den 9 Gemeinden Bülach, Glattfelden, Wil, Winkel, Bachs, Niederhasli, Otelfingen, Steinmaur und Weiach sitzt gar keine Frau in der Exekutive.»

In 20 Prozent der Unterländer Exekutiven sitzt also keine Frau. Und Weiach gehört auch 2010 noch zu dieser altväterischen Bastion.

Wenn jeweils von einer Exekutive die Rede ist, dann eben nur von der der politischen Gemeinde. In der Schulpflege, der Kirchenpflege oder anderen Gremien sind die Weiacher Frauen stark vertreten. Die evangelisch-reformierte Kirchenpflege wird gar seit Jahren von Frauen präsidiert.

Nur in den prestigeträchtigsten Bereich, den Gemeinderat, hat es in Weiach bisher keine Frau geschafft. Um genau zu sein: nicht dauerhaft geschafft. Elsbeth Ziörjen, die einzige bisher rechtmässig in den Weiacher Gemeinderat gewählte Frau, hat sich vor einigen Monaten kurz nach der Wahl zurückgezogen, als klar wurde, dass der erst in letzter Minute für das Amt des Gemeindepräsidenten aufgestellte Paul Willi dem Stimmvolk wohl eher zugesagt hätte (vgl. WeiachBlog-Beiträge vom 31. Januar 2010 und 7. Februar 2010).

Quellen

Mittwoch, 20. Oktober 2010

Anzahl Websites in Weiach gemäss SWITCH

Ende 2009 zählte die Schweiz 7'593'494 Einwohner. Diese Zahl nennt SWITCH, eine Stiftung der Schweizer Hochschulen, welche Teleinformatikdienste für Lehre und Forschung anbietet und im Auftrag des Bundesamtes für Kommunikation auch die Internet-Toplevel-Domain «.ch» verwaltet.

Wer eine Internet-Domain im Bereich «.ch» registrieren will, muss dies bei SWITCH tun. Per Jahresende 2009 waren 1'225'115 Domain-Namen registriert. Auf jeden sechsten Schweizer kommt also bereits ein Domain-Name. BTW: Bei einer Jahresgebühr von CHF 17.- pro Domainname ergibt das Einnahmen von rund 21 Mio Franken.

Jede Gemeinde ist abrufbar - von Corippo bis Zürich

Wer wissen will, welcher Kanton oder welche Gemeinden in Sachen Domainnamen die Nase vorn haben, kann die seit 2008 verfügbare interaktive Domainnamen-Dichtekarte konsultieren. Für jede Gemeinde sind zu den Jahren 1999 bis 2009 die Bevölkerungszahl sowie die Anzahl registrierter Domainnamen abrufbar. Ausschlaggebend für die Zuteilung zu einer Gemeinde sind offenbar die Adressangaben des Domaininhabers.

Man kann sich die Entwicklung seit 1999 sogar wie eine Diaschau vorspielen lassen und dabei erleben, in welchen Zentren (nämlich Zürich und Zug) das Domainnamen-Registrieren zuerst abgehoben hat.

Weiach mit Wachstumsknick

«Zoomen Sie in unsere interaktive Karte und finden Sie heraus, wo Ihre Gemeinde rangiert!», fordert SWITCH auf. Um zu den absoluten Zahlen zu gelangen, muss man den Mauszeiger auf dem Gemeindegebiet positionieren. Und erhält dann für Weiach die folgenden Zahlen:

Man sieht deutlich, dass das Wachstum nicht immer stetig war. Nach den ersten rund 50 Domains stagnierte die Anzahl rund drei Jahre lang. Von 2005 bis 2009 ist wieder eine starke Zunahme festzustellen.

Ob allerdings all diese Domains aktive Internet-Auftritte anbieten, darf bezweifelt werden.

Dienstag, 19. Oktober 2010

Weycher Möcke

Noch vor wenigen Jahrzehnten stand es um die Zahngesundheit bei der Bevölkerung noch nicht so gut wie heutzutage. Da hatten vor allem ältere Leute an harten Lebensmitteln schwer zu beissen.

Also weichten sie das Brot zum Beispiel im Kaffee auf. «Kafimöcke» waren eine beliebte Art und Weise Brot so weich zu machen, dass man es problemlos essen konnte - auch ohne gute Zähne.

Womit wir beim Wort «Möcke» wären, das ganz allgemein für Brocken von etwas steht. So in der Zusammensetzung «Mess-Mocke», welche im Schweizerischen Idiotikon erklärt wird als «dicker, kurzer Zuckerstengel (parfümiert, auch etwa mit Chokolade, Mandeln usw. vermischt), eine Spezialität der Messe und bei der Jugend sehr beliebt.» (Id. IV, 141)

Ein Scherz der Neeremer

«Möcke» mussten aber nicht zwangsläufig süss sein. Das belegt die in der Gemeinde Neerach offenbar gebräuchliche Bezeichnung «We'icher-Möcken = Herdöpfelmöckli ZNer.». Gemeint ist eine Mahlzeit mit Kartoffelstückchen als Hauptbestandteil.

Als Erklärung geben die Idiotikon-Redaktoren an: «Benannt nach der benachbarten Gem. Weiach, wo wie es scheint, dieses Gericht bes. häufig auf den Tisch kommt. Übrigens ist jene ganze Landesgegend kartoffelreich, daher die dorthin führende Bahn scherzweise die Herdöpfel-ban genannt wird.» (Id. IV, 142)

Wie man die Kartoffeln genau zubereitet hat, ob sie nur gesotten oder gebraten wurden etc., wird im Idiotikon leider nicht erwähnt.

Da die Weiacher aber damals ziemlich zahlreich und nicht gerade auf Rosen gebettet waren, kann man sich durchaus vorstellen, dass diese Bezeichnung ebenso neckisch gemeint war, wie die Herdöpfelbahn.

Gemeint ist die von 1865-1877 bestehende Bülach-Regensberg-Bahn, die von Zürich-Oerlikon nach Oberglatt führte und sich dort nach Dielsdorf bzw. Bülach verzweigte. Der Name kommt angeblich vom hauptsächlichen Transportgut - eben Kartoffeln.

Quellen
  • Schweizerisches Idiotikon. Wörterbuch der schweizerdeutschen Sprache. Gesammelt auf Veranstaltung der Antiquarischen Gesellschaft in Zürich unter Beihülfe aus allen Kreisen des Schweizervolkes. Herausgegeben mit Unterstützung des Bundes und der Kantone. 1881-2010ff (bislang erschienen: 217 Hefte in 16 Bänden). Hier Band IV, Spalten 141 u. 142.
  • Bülach-Regensberg-Bahn. Private Website von Fabian Sollberger (Dampfbahn-Verein Zürcher Oberland; WWW.DVZO.CH.VU)

Montag, 18. Oktober 2010

Ein Häftling versucht, sich umzubringen

Vor rund 150 Jahren nahm man es mit dem Schutz der Persönlichkeitsrechte noch nicht so genau wie heute. Da wurden Namen und Wohnorte in amtlichen Jahresberichten und öffentlichen Zeitungen offen genannt. Dass Delinquenten dadurch an den Pranger gestellt wurden, nahm man in Kauf - vielleicht auch weil diesem Umstand eine generalpräventive Wirkung zuschrieben wurde.

Nachfolgend ein Beispiel: Nichts von «U. R. aus W.»! 1865 konnte jedermann aus dem «Jahresbericht des Arztes an der Kantonal-Strafanstalt» entnehmen, dass Ulrich Rüdlinger aus Weiach nicht nur im Gefängnis war, sondern dies offensichtlich auch schlecht ertrug.

Eine erfolgreiche Selbsttötung, zwei Suizidversuche

Dr. Zwicky, der Arzt der kantonalen Strafanstalt, ging im Jahresbericht 1864 über die Verwaltung des Medizinalwesens auf folgende ungewöhnlicheren Fälle aus seinem Bereich ein: «Außerdem wurden von 3 männlichen Sträflingen Selbstmordsversuche gemacht, von denen aber nur einer mit dem Tode endigte.»

Unter den drei Genannten ist auch ein Weiacher: «Ulrich Rüedlinger von Weiach, 47 Jahre alt, brachte sich mit einem ziemlich stumpfen Brodmesser am 22. März eine oberflächliche Wunde seitlich am Halse bei, die keinen bedeutenden Blutverlust herbeiführte und nach einigen Wochen ganz geheilt war.»

Was genau Ulrich Rüedlinger, geb. 1817, zu diesem Selbstmordversuch veranlasste, wird wohl sein Geheimnis bleiben. Was ihn ins Gefängnis gebracht hatte, müsste man in den Gerichtsakten nachlesen können. Weitere Angaben zu seinem Leben, Eltern, allfällige Heirat und Kinder sind den Kirchenbüchern zu entnehmen. Alles Stoff für weitere Nachforschungen genealogisch Interessierter.

Weniger Gefängnis-Insassen

Interessant sind übrigens Zwickys Angaben zur Anzahl der Insassen in der Kantonal-Strafanstalt: 249 seien «am 31. Dezember 1863 verblieben und 229 im folgenden Jahre neu eingetreten». Und weiter: «Der höchste Stand der Gefangenen war am 24. November 1864: 265, der niedrigste am 26. Juni: 237. Die tägliche Durchschnittszahl betrug 251.»

Vor rund 150 Jahren sassen etwa 0.1 Prozent der Kantonsbevölkerung von ca. 275'000 Personen in der kantonalen Strafanstalt (1860: 266'265 Einwohner; 1870: 284'047 Einwohner, vgl. Statistische Berichte 1/1992). Zum Vergleich: Ende 2009 lag dieser Wert bei rund 0.06 Prozent. Der Kanton Zürich hatte nämlich 1'344'900 Einwohner und verfügt über rund 850 Vollzugsplätze. Prozentual also tendentiell weniger.

Quelle
  • Jahresbericht über die Verwaltung des Medizinalwesens. Die öffentlichen Krankenanstalten und den allgemeinen Gesundheitszustand des Kantons Zürich im Jahr 1864 nebst Mittheilungen aus der Praxis der Aerzte und Thierärzte erstattet von der Direktion der Medizinalangelegenheiten. Zürich, Druck von Zürcher und Furrer. 1865 - S. 78-79. (Jahresbericht des Arztes an der Kantonal-Strafanstalt; von Herrn Dr. Zwicky).
  • Die Bevölkerungsentwicklung des Kantons Zürich 1850-1990, und wie geht es weiter? Statistische Berichte des Kantons Zürich Heft 1/1992 - S. 8.

Sonntag, 17. Oktober 2010

Kein Ortszuschlag für Bundespersonal in Weiach?

Zuweilen findet man einen Ortsnamen an höchst unerwarteter Stelle. Oder hätten Sie gedacht, dass Weiach im Anhang der «Verordnung des EFD zur Bundespersonalverordnung» (VBPV, SR 172.220.111.31) auftaucht?

Um die Entlöhnung der Bundesangestellten an die unterschiedlichen Verhältnisse der einzelnen Dienstorte anzupassen, hat das Eidgenössische Finanzdepartement eine Liste von über 2400 Gemeinden und teils deren Ortsteilen angelegt. Jeder dieser Orte ist mit einer Ortszuschlag-Stufe bewertet.

Fein verästelte Bestimmungen

Gemäss Art. 15 Abs. 4 des Bundespersonalgesetzes (BPG) können Zuschläge zum Lohn vorgesehen werden, «um diesen an die regionale Arbeitsmarktlage, an die örtliche Infrastruktur und an die branchenspezifischen Bedürfnisse anzupassen.»

Artikel 43 der Bundespersonalverordnung (BPV) legt basierend auf Art. 15 BPG fest: «Zum Lohn wird ein Ortszuschlag ausgerichtet, der abgestuft ist nach den Lebenskosten, den Steuern sowie der Grösse und Lage des Arbeitsortes. Der Ortszuschlag darf 6000 Franken nicht übersteigen.»

Nochmals weiter eingeschränkt werden diese Bestimmungen durch Art. 11 der eingangs erwähnten EFD-Verordnung (VBPV) die sich auf Art. 43 BPV bezieht: «Der Ortszuschlag beträgt im Jahr höchstens 4953 Franken (Indexstand 2001). Die Arbeitsorte mit Ortszuschlag werden in 13 Stufen eingereiht. Die Beträge sind in Anhang 1 aufgeführt. Ist der Ortszuschlag für den Wohnort der angestellten Person höher als derjenige für den Arbeitsort, so wird er nach dem Wohnort festgesetzt.»

Nicht einmal auf der untersten Stufe

Weiach ist mit Stufe 0 bewertet. Wer hier wohnt und arbeitet erhält keinen Ortszuschlag ausbezahlt. Das dürfte aber auf niemanden zutreffen. Denn Grenzwächter mit Dienstort Weiach gibt es keine mehr.

Sind Wohn- und Arbeitsort nicht identisch, kommt es darauf an, ob der Arbeits- oder der Wohnort höher bewertet ist. Die Stadt Zürich liegt beispielsweise auf der höchsten Stufe 13 - und das entspricht einer Ortszulage von jährlich 4953 Franken.

Ein Berufsunteroffizier mit Dienstort Kloten und Wohnort Weiach (trifft für mindestens zwei Weiacher zu) wird in die Stufe 10 eingereiht (CHF 3810). Einer mit Dienstort Bülach und Wohnort Weiach nur in die Stufe 7 (CHF 2667). Wenn man beim VBS Standorte zusammenlegt (z.B. zum Waffenplatz Kloten-Bülach) macht das die Bewertung eines Dienstortes also nicht gerade einfacher.

Samstag, 16. Oktober 2010

Oktoberwetter 1960: Unsicher, öfters Regenfälle

Der Oktober 2010 hat sich bislang ganz leidlich angelassen. Der herbstliche Hochnebel hält zwar die Sonne ab, Dauerregen aber ist uns bislang erspart geblieben.

Wie war das Wetter vor 50 Jahren? Die Jahreschronik 1960 verfasst vom damaligen Weiacher Primarschullehrer Walter Zollinger, gibt auch Auskunft über die Auswirkungen auf die Landwirtschaft:

«Schon in den ersten Oktobertagen beginnt das Obstpflücken und auch ans Wümmen machen sich schon einzelne Familien. Der meist warme, oder doch milde September hat die Obst- und Traubenreife ordentlich gefördert und die erste Oktoberwoche war ebenfalls meist von sonnigen Nachmittagen gesegnet. Die nächsten 14 Tage dagegen, vom 7. bis 23. Oktober, sind wieder eine unfreundliche Zeit mit öftern Regenfällen oder doch sehr unsicherm, wechselvollem Wetter, auch ziemlich viel Wind. Die Morgentemperaturen sinken schon bis auf 5° und 3° herab, nachmittags bis um 10° herum. Die letzte Woche ist wieder besser und bringt 2 ganz prächtige Herbsttage, die übrigen doch an den Nachmittagen sonnig oder sogar z.T. föhnigwarm. Das Obsten und Härdöpflen geht zuende.»

Quellen

  • Zollinger, W.: Gemeinde Weiach. Chronik des Jahres 1960 - S. 7. [Original in der Handschriftenabteilung der Zentralbibliothek Zürich. Signatur: G-Ch Weiach 1960].

Freitag, 15. Oktober 2010

Mensch bei Weyach von Wölfen aufgefressen

Was wie ein Schauermärchen tönt, hat sich nach dem früheren Zürcher Staatsarchivar Gerold Meyer von Knonau (1804-1858) tatsächlich ereignet. In seinem Werk «Erdkunde der Schweizerischen Eidsgenossenschaft. Ein Handbuch für Einheimische und Fremde» von 1838 schreibt Meyer von Knonau auf Seite 108 über den Kanton Zürich:

«Raubthiere sind gänzlich verschwunden, obgleich die Wolfgarne, welche noch vor nicht langer Zeit in den meisten Gemeinden vorhanden waren, ihr zahlreiches Dasein bezeugen. Die letzte Nachricht, daß ein Mensch von Wölfen (bei Weiach) verzehrt worden sei, fällt in das Jahr 1680.»

Dass das keine Märchen sein müssen, zeigen dokumentierte Vorkommnisse auch in jüngster Zeit (vgl. Wikipedia-Artikel Wolf attacks on humans). In Westeuropa kommt es aktuell nur deshalb zu keinen grösseren Problemen, weil es extrem wenige Wölfe gibt und diese ausserdem genügend andere Nahrung (Wildtiere sowie ab und zu Schafe, etc.) finden, um sich zu ernähren.

Kriege bringen Wölfe hervor

Wo es hingegen viele Wölfe gibt, in den Wäldern kein Wild mehr zu finden ist (von den Menschen zu stark bejagt) und/oder die wirtschaftlichen Verhältnisse so katastrophal sind wie nach dem Dreissigjährigen Krieg, da kann es durchaus Tote geben.

«Kriegszeiten bringen Tod und Not, Elend und Seuchen, und bis ins 19. Jahrhundert regelmässig im Gefolge auch eine Wolfsplage», schreiben Silke Grefen-Peters und Hans Rudolf Sennhauser in ihrem Beitrag «Der Wolf von Müstair» (S. 223).

Entsprechend wundert es auch nicht, wenn das Wolfproblem des 17. Jahrhunderts wie folgt beschrieben wird: «1638, 1642 und 1661 wurden im ganzen Gebiet des Standes Zürich Wolfsjagden durchgeführt, und 1642 erliess Schaffhausen den Befehl, in jedem Quartier des Landes 10 Wolfgarne machen zu lassen. Gegen das Jahrhundertende nahm die Wolfsgefahr ab; 1684 wurde in Zürich, 1695 in Appenzell, 1707 in Zug und 1721 in Schaffhausen der letzte Wolf erlegt.» (Grefen-Peters, a.a.O)

Übrigens kann man das Phänomen auch an herrenlosen, verwildernden Hunden und der damit einhergehenden Rudelbildung beobachten. Solche Tiere können in Kriegsgebieten dem Menschen gefährlich werden, so zum Beispiel im Kosovo in den ersten Jahren nach dem Abzug der serbischen Armee-Einheiten.

Quellen
  • Meyer v. Knonau, G.: Erdkunde der Schweizerischen Eidsgenossenschaft. Ein Handbuch für Einheimische und Fremde. Erster Band. Zweite, ganz umgearbeitete, stark vermehrte Auflage. Zürich, Druck und Verlag von Orell, Füszli und Compagnie 1838 - S. 108
  • Grefen-Peters, S.; Sennhauser, H.R.: Der Wolf von Müstair. In: Sennhauser, H.R.: Müstair- Kloster St. Johann. Naturwissenschaftliche und technische Beiträge. vdf Hochschulverlag, Zürich 2008 - S. 219-226 (hier: S. 223).

Donnerstag, 14. Oktober 2010

Die Weiacher Kirche in Nüschelers «Gotteshäusern»

In der gestrigen Rezension des Reprints von Nüschelers «Die Gotteshäuser der Schweiz» wurde nur am Rande erwähnt, dass es auch einen Eintrag zur Weiacher Kirche gibt. Hier deshalb noch das Original (aus Heft 2, Seite 15):


«Weiach (Wiach 1281) [Fn 4] war bis zur Reformation nach Hohenthengen-Kaiserstuhl kirchgenössig und wurde nachher bis 1591 als Filiale von Zürich aus versehen, in letzterm Jahre aber auf Bitte der Einwohner zu einer Pfarrei erhoben [Fn 5]. Im Thurm der 1707 neu erbauten und auf einen andern Platz versetzten Kirche hingen zwei seither umgegossene Glocken, wovon die eine aus dem Jahre 1682 stammte, und die andere die Inschrift trug: "O . Rex . glorie . Christe . veni . cum . pace" [Fn 6]»

Die angegebenen Fussnoten lauten wie folgt:
  • Fn 4: «Staatsarchiv Z.» [Nüscheler nimmt hier wohl Bezug auf die 1900 im Urkundenbuch der Stadt und Landschaft Zürich (UBZH V,138) veröffentlichte Verkaufsurkunde von 1281.]
  • Fn 5: «Vogel, die alten Chroniken der Stadt und Landschaft Zürich. 1845 p. 818.»
  • Fn 6: «Vögeli, G. B.» [Hier ist wohl das «Glockenbuch» von Vögeli gemeint. Diese Handschrift gehörte damals der Stadt-Bibliothek Zürich, steht heute also bei der Rechtsnachfolgerin, in der Handschriftenabteilung der Zentralbibliothek Zürich: «Glockenbuch oder Verzeichnis aller in den Kirchen des Cantons Zürich theils ehemals theils jetzt befindlichen Glocken und derselben Inschriften, fortgesetzt und ergänzt durch Tonhöhe und Tonqualität durch Pfr. L. Stierlin 1863.»]
Ergänzungen nötig

Anzumerken ist zu Nüschelers Text, dass Weiach bereits seit 1540 regelmässig durch von Zürich entsandte Prädikanten betreut wurde. Mit der Reformation und der dadurch verursachten Kirchenspaltung wurde das ursprüngliche Filialverhältnis der Kapelle von Weiach zur Mutterkirche in Hohentengen nämlich hinfällig. Und da Weiach überhaupt erst durch diese Trennung zu einer eigenen Kirchgemeinde werden konnte, stand die Kollatur (das Recht den Pfarrer einzusetzen) von Anfang weg der Zürcher Regierung zu.

Weiter ist die Frage zu stellen, wie Nüscheler für die Kirche auf das Baujahr 1707 kommt. Entweder hat er diese Angabe aus der Memorabilia Tigurina von 1742 oder aus dem Leu'schen Lexikon von 1764 entnommen (vgl. Weiacher Geschichte(n) Nr. 116: «Die Collatur gehört dem kleinen Rath zu Zürich». Weiach in Standardwerken von 1742 bis 1820. In: Mitteilungen für die Gemeinde Weiach, Juli 2009). Korrekt daran ist nur, dass 1707 die Neugestaltung des gesamten Kirchenbezirks abgeschlossen gewesen sein dürfte - nämlich mit der Fertigstellung der Pfarrscheune. Die eigentliche Kirche wurde bereits 1705/06 errichtet.

Die Glocke von 1682 erlitt am 22. Januar 1842 [recte: 1843; vgl. WeiachBlog Nr. 1582 v. 17. September 2020] einen irreparablen Schaden. Sie wurde daher (wenn Nüschelers Darstellung stimmt) zusammen mit der im Glockenbuch erwähnten zweiten Glocke eingeschmolzen und zu den heutigen Glocken verarbeitet.

Schliesslich noch ein Hinweis auf die Angabe «Wiach 1281»: Bei dieser Jahreszahl handelt es sich nicht um die erste Erwähnung eines Gotteshauses in Weiach oder um die älteste Datierung in einem erhalten gebliebenen Schriftstück, wie auch schon fälschlicherweise angenommen (vgl. 1281? Der Irrtum des Bülacher Volksfreunds. In: WeiachBlog, 24. April 2007, Nr. 436).

Weiterführende Lektüre

Siehe für eine kurze Übersicht den Wikipedia-Artikel Reformierte Kirche Weiach sowie für eine umfassende Darstellung die Festschrift «ein nöüer Kirchenbauw allhier zu Weyach». 300 Jahre Kirche Weiach, 1706 – 2006. (Online-Ausgabe, April 2007; pdf, 17156 kB)

Mittwoch, 13. Oktober 2010

Reprint von Nüschelers «Gotteshäusern»

Print-on-demand ist seit der Mitte der 90er-Jahre zu einer Selbstverständlichkeit geworden (vgl. den Wikipedia-Artikel Book-on-demand). Da man die Bücher jeweils nur in sehr kleinen Auflagen druckt um die Lagerkosten tief zu halten - oder sogar nur in einem einzigen Exemplar, wenn gerade jemand bestellt hat, können auch bislang kommerziell völlig uninteressante Werke aufgelegt werden.

Auch Reprints sind möglich. Also Bücher, die längst vergriffen, aber dennoch ab und zu von Interesse sind. Eines dieser Werke ist «Die Gotteshäuser der Schweiz. Historisch-antiquarische Forschungen» von Arnold Nüscheler (1811-1897).

Leider ein Etikettenschwindel

Die ersten drei Hefte sind 1864, 1867 und 1873 bei «Orell, Füssli und Comp.» in Zürich erschienen. (vgl. die bei Google Books abrufbaren in einem Band vereinigten Hefte 1 und 2; die Kirche Weiach ist erwähnt in Heft 2, S. 15).

Die Neuauflage 2010 durch den «Europäischen Hochschulverlag GmbH & Co KG, Bremen» trägt den vollmundigen Titel «Alle Gotteshäuser der Schweiz bis zum Jahre 1860».

Und der Umschlagtext legt gleich noch ein Brikett nach: «Diese einzigartige Bibliographie aus dem Jahre 1864 beschreibt alle seinerzeitigen Gotteshäuser in der gesamten Schweiz mit ihrer Geschichte, ihren Besonderheiten und vielen wissenswerten Details.»

Von nahe besehen ist diese Werbebotschaft das Papier nicht wert, auf dem sie gedruckt ist bzw. werden soll. Weder handelt es sich um eine eigentliche Bibliographie, in der man Bücher zum Thema erwarten würde, noch enthält der vorliegende Nachdruck «alle seinerzeitigen Gotteshäuser in der gesamten Schweiz». Der Reprint umfasst nämlich lediglich die beiden ersten Hefte aus den Jahren 1864 und 1867, die sich mit Teilen der Bistümer Chur und Konstanz befassen. Die Westschweiz fehlt völlig. Bei dieser Sachlage von der «gesamten Schweiz» zu sprechen ist Etikettenschwindel.

Insgesamt entsteht der Eindruck eines überhasteten, von keinerlei Sachkenntnis beleckten verlegerischen Schnellschusses.

Was alles in einen Reprint eingebaut werden müsste...

Es bleibt zu hoffen, dass es dereinst einmal eine wirkliche Gesamtausgabe der Nüscheler'schen «Gotteshäuser» als Reprint geben wird. Dazu müsste man aber seriöser recherchieren. Spätere «Hefte» sind nämlich nicht nur als Separata, sondern vor allem als Teil von etablierten historischen Publikationen erschienen, wie schon eine simple Suche nach «Arnold Nüscheler» auf NEBIS ergibt.

Selbstständig bei Orell, Füssli und Comp. publiziert:
  • Heft 1: Bisthum Chur. Zürich, 1864
  • Heft 2, Abth. 1: Bisthum Constanz: Archidiaconate Breisgau, Klettgau, vor dem Schwarzwald und Thurgau. Zürich, 1867
  • Heft 3, Abth. 2: Bisthum Constanz: Archidiaconat Zürichgau. Zürich, 1873

In «Der Geschichtsfreund» beim Verlag von Matt, Stans, erschienen:

  • Bisthum Constanz: Archidiakonat Aargau: Dekanat Cham (Bremgarten). In: Der Geschichtsfreund, Bd. 39 (1884), S. 75-144.
  • Bisthum Constanz: Archidiakonat Aargau: Dekanat Cham (Bremgarten), zweite Abteilung. In: Der Geschichtsfreund, Bd. 40 (1885), S. 3-82.
  • Bisthum Constanz: Archidiakonat Aargau: (Dekanat Luzern), erste Abtheilung. In: Der Geschichtsfreund, Bd. 44 (1889), S. 1-78.
  • Bisthum Constanz: Archidiakonat Aargau: (Dekanat Luzern), zweite Abtheilung. In: Der Geschichtsfreund, Bd. 45 (1890), S. 285-336.
  • Bisthum Constanz: Archidiakonat Aargau: (Dekanat Luzern), dritte Abtheilung. In: Der Geschichtsfreund, Bd. 46 (1891), S. 45-107.
  • Bisthum Constanz: Archidiakonat Aargau: (Dekanat Luzern), vierte Abtheilung. In: Der Geschichtsfreund, Bd. 47 (1892), S. 117-224.
  • Bisthum Constanz: Archidiakonat Aargau: (Dekanat Luzern), fünfte und letzte Abtheilung. In: Der Geschichtsfreund, Bd. 48 (1893), S. 1-80.

In «Argovia» beim Verlag Sauerländer, Aarau, erschienen:

  • Die Aargauischen Gotteshäuser in den ehmaligen Dekanaten Frickgau und Sisgau, Bisthum Basel. In: Argovia, Bd. 23 (1892), S. 121-241.
  • Die Aargauischen Gotteshäuser in den Dekanaten Hochdorf, Mellingen, Aarau und Willisau, Bisthums Konstanz. In: Argovia, Bd. 26 (1895), S. 1-129.
  • Die Aargauischen Gotteshäuser in den Dekanaten Hochdorf, Mellingen, Aarau und Willisau, Bisthums Konstanz (Fortsetzung). Argovia, Bd. 28 (1900), S. 1-66.
Weitergeführt wurde Nüschelers Werk von Konrad Lütolf, vgl.:
  • Kapitel Hochdorf. In: Der Geschichtsfreund, Bd. 57 (1902), S. 93-128.
  • Dekanat Sursee. In: Der Geschichtsfreund, Bd. 60 (1905), S. 163-231.
  • Dekanat Willisau. In: Der Geschichtsfreund, Bd. 61 (1906), S. 221-267.

Ebenfalls zu einer Gesamtausgabe müsste ein gutes Stichwortverzeichnis gehören. Zum Beispiel das von August Waldburger verfasste 68-seitige «Register zu Dr. Arnold Nüscheler "Die Gotteshäuser der Schweiz"», das 1900 als Beilage zum «Anzeiger für Schweizerische Geschichte» erschienen ist.

Separatdrucke sind gemäss dem Online-Katalog Helveticat der Schweizerischen Nationalbibliothek zwischen 1884 und 1893 auch beim Verlag Benziger & Co. in Einsiedeln erschienen.

Das alles müsste man also einmal seriös sichten und abklären, ob noch weitere, hier nicht aufgeführte Drucke existieren.

Aber obacht! Auch wenn man nun all diese Seiten zwischen Buchdeckeln vereinte - der 2010 vom Europäischen Hochschulverlag in der norddeutschen Tiefebene gewählte Titel bleibt Illusion. «Alle seinerzeitigen Gotteshäuser in der gesamten Schweiz» sind es dann immer noch nicht.

Quellen

  • Nüscheler, A.: Die Gotteshäuser der Schweiz. Historisch-antiquarische Forschungen. Zürich, 1864-1873; Aarau, 1892-1900; Stans, 1884-1906; Bern, 1900. (Details im Text oben)
  • Nüscheler, A.: Alle Gotteshäuser der Schweiz bis zum Jahre 1860. Europäischer Hochschulverlag GmbH & Co KG, Bremen - 2010. ISBN: 978-3-86741-310-7

Dienstag, 12. Oktober 2010

Neue Hinweistafel der Schule Weiach

Seit einigen Wochen repräsentiert sich die Schule Weiach auf einer neuen, in den Gemeindefarben Blau und Weiss gehaltenen Tafel. Sie steht auf dem Rasenfeld vor dem Alten Schulhaus und zeigt an, welche Fülle von öffentlichen Aufgaben auf dem Schulhausareal Hofwies mitten im Dorf gebündelt sind: Primarschule, Kindergarten, Gemeindesaal, Turnhalle, Bibliothek und Feuerwehr.


Seit 1976 immer vielfältigere Nutzung

Im Neuen Schulhaus aus der Mitte der 1970er-Jahre ist die Primarschule untergebracht. Ebenfalls seit der Eröffnung im Jahre 1976 hat die Feuerwehr ihr Depot im Untergeschosse der Mehrzweckhalle, darüber liegt die Turnhalle.

Ab November 1995 ist unter der Turnhalle und hinter dem Feuerwehrmagazin auch der Gemeindesaal verfügbar.

Seit Beginn des Schuljahres 2010/11 logiert im Alten Schulhaus neu neben der Gemeinde-Bibliothek auch der Kindergarten. Damit wird die Strassenbezeichnung «Kindergartenweg» für die von der Riemlistrasse abzweigende Sackgasse, an der neben dem mittlerweile verwaisten Kindergarten-Gebäude auch die dem Abbruch geweihte ehemalige Neuapostolische Kirche steht, quasi zur historischen Reminiszenz.

Warum fehlt unser Fernwärmeverbund?

Was auf der Tafel leider nicht steht: Unter dem Boden findet man seit 15 Jahren auch eine grosse Schnitzelfeuerung, welche per Fernleitung etliche Weiacher Haushalte mit Wärme versorgt. Die Schnitzel kommen direkt aus den Wäldern rund um unser Dorf.

Dieses Heizkraftwerk wäre wohl der wichtigste Beitrag der Gemeinde zur Nachhaltigkeit im Rahmen einer Lokalen Agenda 21 (wenn sie denn aktiv gelebt würde).

Frage: Muss man das verschämt verschweigen? Oder wollte man einfach nur die Symmetrie auf der Tafel nicht stören?

Montag, 11. Oktober 2010

Weiach (LU). Geographie à la Télévision Suisse Romande

Gestern abend staunte man als Weiacher nicht schlecht. Kantonswechsel in Richtung Aargau wurden ja halb im Scherz (und im Falle von Bachs kürzlich anscheinend sogar ernsthaft) auch schon in Erwägung gezogen. Auf einer spanischen Website wurden wir kurzerhand zur deutschen Gemeinde erklärt. Nur in Richtung Innerschweiz hat uns noch niemand verschoben. Für diese Idee braucht es die TSR, das Fernsehen der Romandie.

Im Artikel «Du gaz naturel exploitable sous le lac Léman?» (datiert 10 octobre 2010 10:21) werden die Erfolgsaussichten der Erdgasbohrungen am Genfersee wie folgt kommentiert:

«[...] Au chapitre des bonnes nouvelles, l'ingénieur relève la présence de traces de gaz naturel à différentes profondeurs. Un pari qui n'était pas gagné d'avance, selon lui. Un forage effectué à Weiach (LU) n'avait par exemple pas permis de découvrir la moindre trace de méthane. Il s'agit maintenant d'en déterminer le volume. C'est dans le permo-carbonifère que les chances de découvrir la précieuse substance sont les plus grandes, soit entre 3000 et 4000 mètres de profondeur. [...]»

Da hatte wohl jemand noch die produktive Gasbohrung von Finsterwald im Entlebuch im Kopf. Und schwupps wird Weiach, wo vor einigen Jahren erfolglos nach Erdgas gebohrt wurde, zur luzernischen Gemeinde.

Ist das Geographie à la Télévision Suisse Romande? Oder hat die Schweizerische Depeschenagentur (SDA-ATS) diesen Bock geschossen? Als Autorenangabe steht unter dem Text nämlich «ats/os».

Zur Beruhigung: Auch wenn man bei Google Maps nach «Weiach (LU)» sucht, landet man zielgenau in Weiach (ZH).

Weiterführende Beiträge

Sonntag, 10. Oktober 2010

Das Eingewöhnbrot für den Lehrer

Aus dem Wegweiser durch das grosse Schweizerdeutsch-Nachschlagewerk Idiotikon (vgl. WeiachBlog vom 27. März 2010) ist mittlerweile die angekündigte, komplett digital abrufbare Version geworden. Volltext-Suche ist zwar noch nicht möglich - und macht angesichts der speziellen phonetischen Schreibweise auch nicht viel Sinn. Trotzdem ist damit der Zugang um einiges leichter geworden.

Zuweilen findet man dank Google sogar interessante Details zur Weiacher Vergangenheit. Zum Beispiel im 1905 erschienenen Band V in der Spalte 987:

«Gewennbrot, Gwennbrot: Brot als Entschädigung des Lehrers für das Eingewöhnen eines neuen Schulkindes. "Schulmeister N. zu Weiach hat 4 fl. von der Kirchen, eigne Herberg, ein G., so ein Kind zum ersten in die Schul kommt." 1700, Z. Syn.» (Id. V, 987)

Die Besoldung des Lehrers bestand also um 1700 gemäss diesem Eintrag in einer Akte der Zürcher Kirchensynode aus einem Geldbetrag aus dem Kirchengut (4 Gulden), einer Wohnung sowie für jedes neue Schulkind einem Brot. Davon konnte man nicht leben. Ein Handwerksmeister musste für einen Lohn von 4 Gulden etwa acht Tage arbeiten, ein Tagelöhner rund zwei Wochen.

Lehrer war also ein schlecht bezahlter Nebenerwerb. Den eigentlichen Lebensunterhalt musste ein Schulmeister mit landwirtschaftlicher oder kleingewerblicher Arbeit erzielen, z.B. als Schuhmacher. Von einem Lernerfolg bei den Schülerinnen und Schüler zu sprechen, erübrigt sich unter diesen Bedingungen. Viele gingen selten oder nie zur Schule. Und wenn doch, dann konnten sie oft auch nach Jahren kaum Lesen und Schreiben.

Quelle
  • Schweizerisches Idiotikon. Wörterbuch der schweizerdeutschen Sprache. Gesammelt auf Veranstaltung der Antiquarischen Gesellschaft in Zürich unter Beihülfe aus allen Kreisen des Schweizervolkes. Herausgegeben mit Unterstützung des Bundes und der Kantone. 1881-2010ff (bislang erschienen 217 Hefte in 16 Bänden).

Samstag, 9. Oktober 2010

Abdeckung war offen: Kind (3) in der Gülle ertrunken!

In der Ausgabe vom 22. Juli 1865 nahm der Redaktor des «Lägern-Boten» eine traurige Begebenheit aus unserem Dorf zum Anlass, die Einrichtung eines landwirtschaftlichen Arbeitssicherheits-Inspektorats auf Gemeindeebene vorzuschlagen. Unter der Rubrik «Lokales» schrieb er:

«Die üble Gewohnheit eines großen Theils unserer Landwirthe, beim Leeren der Jauchetröge die Tröge bis zu Beendigung des Geschäftes beständig offen zu lassen, hat letzte Woche in Weiach wieder ein Opfer gefordert; es ertrank in einem solchen Troge ein etwa dreijähriges Knäblein eines Landwirthes, welcher sich die oben angeführte Nachlässigkeit zu Schulden kommen ließ. Die Zahl der Kinder, welche alljährlich in Jauchetrögen wegen mangelhafter oder gänzlich fehlender Bedeckung derselben ihr Leben verlieren, ist nicht klein und es wäre wünschenwerth, daß diesem Punkte von Seite der Behörden, namentlich auch der Ortsbehörden, etwas mehr Aufmerksamkeit geschenkt würde als bisher geschehen ist, so z.B. dürfte eine alljährlich ein bis zwei Mal stattfindende Inspektion über die Bedeckung der Jauchetröge wenigstens den Nutzen haben, die mangelhaften Bedeckungen (ein mangelhaft gedeckter Trog ist natürlich weit gefährlicher als ein ganz offener) zu beseitigen, wenn nämlich nicht, wie dieß z.B. bei der Feuerschau üblich, in den Blättern der Zeitpunkt der Inspektion vorher angekündigt würde.»

Leider immer noch aktuell

Die Forderung nach regelmässiger Inspektion der «Jauchetröge» gab es also bereits vor bald 150 Jahren. Dass das Thema trotz technischem Fortschritt auch heute noch hochaktuell ist, zeigt die aktuelle Kinderkampagne der Beratungsstelle für Unfallverhütung in der Landwirtschaft (BUL):

«Achten Sie darauf, dass:
· Güllegruben mit einem kindersicheren Deckel verschlossen sind, auch während des Ausbringens der Gülle.
· Offene Gruben kindersicher umwehrt sind und Kinder die Umwehrung nicht hochklettern können.
»

Das nachstehende Bild (Quelle: BUL) hätte man schon 1865 zur Illustration der Gefahren verwenden können:


So ändern sich die Zeiten. Aber die Menschen bleiben wie sie sind. Fazit: Wenn Kinder auf dem Hof sind, dann muss der Betriebsleiter besonders vorausschauend planen und sicherheitsmässig vorsorgen. Nur auf wachsame Schutzengel hoffen ist Gott versucht.

Freitag, 8. Oktober 2010

Profilloser Deutscher gerät ins Schleudern

In der Jahreschronik 1960 von Walter Zollinger findet man wie in früheren Jahrgängen Zeitungsausschnitte über Verkehrsunfälle. Gestern brachte WeiachBlog die Zeitungsmeldung über den Unfall vom 14. Mai, heute diejenige über den vom 15. Mai:

«Vergangenen Sonntag um 14.40 Uhr ereignete sich auf der Glattfelderstrasse in Weiach (ZH) ein Verkehrsunfall zwischen zwei Personenwagen weil ein aus Richtung Glattfelden kommender PW zufolge eines Bremsmanövers ins Schleudern kam und nach einer Zick-zack-Fahrt mit einem korrekt entgegenkommenden PW kollidierte. Das aus Deutschland immatrikulierte Fahrzeug wurde bei der ganzen Irrfahrt erheblich beschädigt, während am entgegenkommenden PW nur geringer Sachschaden entstand. Der deutsche Fahrer macht geltend, er sie von einem PW mit BL-Kontrollschild unvorsichtig überholt worden, so dass er gezwungen gewesen sei zu bremsen. Der Lenker dieses PW fuhr jedoch ohne anzuhalten weiter. Die Hauptschuld dürfte jedoch den deutschen Lenker selber treffen, wiesen doch beide Hinterradpneus keinerlei Profil mehr auf.»

Deutlicher geht's nicht. Solcherlei Mutmassungen dürften heutzutage kaum noch in Polizeimitteilungen zu finden sein - und damit auch nicht in der medialen Berichterstattung. Es sei denn es handle sich um Raserunfälle, deren gerichtliche Aufarbeitungsprozesse von der Boulevard-Presse gezielt zu mehrtägigen Kampagnen verarbeitet werden.

Quelle
  • Zollinger, W.: Gemeinde Weiach. Chronik des Jahres 1960. Signatur: G-Ch Weiach 1960 - S. 17.

Donnerstag, 7. Oktober 2010

Mysteriöser Mercedes-Fahrer

In der Jahreschronik 1960 von Walter Zollinger findet man wie in früheren Jahrgängen Zeitungsausschnitte über Verkehrsunfälle. Leider immer ohne Quellenangabe:

«kp. Am Samstag, 14. Mai 1960, 23.15 Uhr, streifte auf der Weiacherstraße bei Aarüti-Glattfelden ein Richtung Weiach fahrender Motorradfahrer einen sich in gleicher Richtung bewegenden Radfahrer, so daß beide stürzten. Der Motorradfahrer mußte mit einem Schädelbruch ins Kreisspital Bülach eingewiesen werden. Unmittelbar nach dem Unfall hielt ein entgegenkommender Automobilist mit vermutlich dunklem Mercedes an der Unfallstelle und gab an, einen Arzt zu benachrichtigen, worauf er rückwärts gegen Weiach davonfuhr. Der unbekannte Autofahrer, der den Hergang des Unfalls beobachtet haben dürfte, sowie weitere Zeugen werden gebeten, sich bei der Bezirksanwaltschaft Bülach, Tel. Nr. 051 / 96 14 71, oder beim nächsten Polizeiposten zu melden.»

Man lernt daraus: vor 50 Jahren hatte Zürich noch nicht die 01 sondern die 051 als Vorwahl - das erklärt auch, warum Winterthur 052, Schaffhausen 053 etc. zugeteilt erhielten.

Quelle

  • Zollinger, W.: Gemeinde Weiach. Chronik des Jahres 1960. Signatur: G-Ch Weiach 1960 - S. 17.

Mittwoch, 6. Oktober 2010

Weiacher Verkehrsunfälle vor 50 Jahren

Natürlich fehlen unter der Rubrik «Verkehrswesen/Unfaelle» in der Zollinger'schen Jahreschronik 1960 (vgl. WeiachBlog von gestern) auch die konkreten Ereignisse nicht. Ob die Liste vollständig ist darf bezweifelt werden. Denn auch Lehrer Zollinger dürfte nicht von jeder kleinen Kollision erfahren haben, wenn sie ohne Beizug des Kantonspolizisten geregelt wurde:

«Am 12.2. passierten gleich mehrere Zusammenstösse, allerdings nur mit leichten Sachschäden; die Strassen waren des nasskalten Wetters wegen sehr schlipfrig geworden.

Hier noch ein paar weitere Verkehrsunfälle:

14. Mai: Zusammenstoss zw. Motorradfahrer u. Velofahrer auf der Glattfelderstr. (Schädelbruch des einen Fahrers)

15. Mai: Kollision zw. zwei P.W's, wieder auf der Glattfelderstrasse (Sachschäden)

17. Sept.: Zusammenstoss zweier Autos beim "Sternen"-Rank (Sachschaden)

25. Sept.: Ein Motorradfahrer fährt, nahe bei der Station, einen Fussgänger an (Unterschenkelbruch)

1. Okt.: Nochmals Autozusammenstoss beim Gasthof zum "Sternen" mit Sachschäden

2. Okt.: Sylve Werder, ein neunjähriges Mädchen, läuft in einen daher fahrenden Roller und verursacht damit einen Verkehrsunfall (leichtere Verletzungen beider Personen).
»

Interessant ist vor allem, wie die bis 1974 noch fast rechtwinklige Verzweigung beim "Sternen" sich als Unfallschwerpunkt entpuppt (vgl. zur Situation vor Ort die Beiträge Gasthof zum Sternen auf alter Ansichtskarte vom 16. März 2010 und Die Linde auf der Sternenkreuzung vom 12. November 2005.) Bemerkenswert ist auch, dass keine landwirtschaftlichen Gefährte in die obgenannten Unfälle verwickelt waren.

Zu zweien dieser Unfälle sind in Zollingers Typoskript Zeitungsausrisse eingeklebt. Ihr Wortlaut wird in späteren Beiträgen veröffentlicht.

Quelle
  • Zollinger, W.: Gemeinde Weiach. Chronik des Jahres 1960. Signatur: G-Ch Weiach 1960 - S. 16-17.

Dienstag, 5. Oktober 2010

Arger Motorverkehr wegen Sonntagsfahrern

Die Rubrik Verkehrswesen/Unfaelle in der Zollinger'schen Jahreschronik 1960 zeigt auf, wie vor 50 Jahren der motorisierte Individualverkehr vor allem auf der Hauptstrasse Nr. 7 (Koblenz-Winterthur) zunahm:

«Im August wurden an zwei Stichtagen, einem Werktag (2.8.) und einem Sonntag (21.8.), Verkehrskontrollen im ganzen Kanton durchgeführt. Eine darauf basierende graphische Tabelle zeigt, dass namentlich auf der Strecke zwischen Weiach und Kaiserstuhl ein immer reger werdender Sonntagsverkehr herrscht. Es ist daher nicht verwunderlich, wenn der Ruf nach einem Trottoir zwischen Dorf und Bahnstation immer lauter wird. man weiss oft fast nicht wohin stehen, um den vielen vorbeirasenden P.W's und L.W's ausweichen zu können. Für Kinder ist/s wirklich recht gefährlich geworden.»

Das neue Trottoir war bereits in Planung. Kostenpunkt: 130'000 Franken. Vergleiche dazu die Zürcher Woche vom 21. Oktober 1960 (Text in: WeiachBlog vom 3. Mai 2006 mit Erläuterungen in Weiacher Geschichte(n) Nr. 78: Keineswegs steinreich. Ein Porträt der Gemeinde Weiach in der «Zürcher Woche», 1960. (MGW, Mai 2006)

«Ich habe ferner in meinem Notizheft vor allem den ersten Aprilsonntag, den Palmsonntag, den 24. April, den ersten Maisonntag, den Pfingstmontag, den 16. Juni (Tour de suisse) und den letzten Oktobersonntag mit dem Prädikat "arger Motorverkehr" ausgezeichnet.»

Diese Art von Verkehr kennen wir bis heute auf der Hauptstrasse Nr. 7. Sie ist nur noch um etliches dichter als vor 50 Jahren.

Quelle

  • Zollinger, W.: Gemeinde Weiach. Chronik des Jahres 1960. Signatur: G-Ch Weiach 1960 - S. 16.

Montag, 4. Oktober 2010

Halbes Niedergericht für 612 Gulden zurückgekauft

Unter dem Titel «Studien, Band 1-2» findet man auf Google Books ein vom «Collegium Sapientiae zu Freiburg im Breisgau» im Jahre 1949 herausgegebenes Werk. Das über Internet verfügbare Snippet gibt für die Seite 234 folgende Information

«... für Wiedereinführung des katholischen Gottesdienstes in Mühlheim (Thurgau) 2500 fl.; Kaufpreis für den halben Flecken Wyach bei Kaiserstuhl 612 fl.; die Herrschaft Rosenegg wurde wieder zum Stift gebracht um 12000 fl...» (möglicherweise auch 13000)

Die Puzzleteile zusammensetzen

Obwohl hier explizit weder angegeben wird, wer diese Summen bezahlt hat und in welchen Jahren, kann man doch herausfinden, dass es sich beim Käufer um das Fürstbistum Konstanz handeln muss und zeitlich um die Jahre 1605-1610.

Wie das geht? So: gemäss dem Artikel Müllheim im «Historischen Lexikon der Schweiz» (Autor: E. Trösch; Stand: 19.11.2009) wird die Rückkehr zum katholischen Ritus in der Thurgauer Gemeinde wie folgt datiert: «1607 wurde die kath. Messe wieder eingeführt, und die Kirche St. Verena wurde von da an bis zum Bau der kath. Kirche 1967 von beiden Konfessionen genutzt (parität. Simultankirche).»

Den zweiten Eckwert über die Herrschaft Rosenegg findet man hier: «Historisches Lexikon der Deutschen Länder: die deutschen Territorien vom Mittelalter bis zur Gegenwart» von Gerhard Köbler (C.H.Beck, 2007, S. 579):

«Rosenegg (Herrschaft). Die Burg R. bei Konstanz wurde von den seit der Mitte des 13. Jahrhunderts nachweisbaren Freiherren von R. erbaut. Nach ihrem Aussterben 1480 kam die zugehörige Herrschaft mit Rielasingen an die verschwägerten Grafen von Lupfen, 1583 an die Freiherren von Mörsberg-Belfort, 1608 an Württemberg, 1610 an das Hochstift Konstanz, 1803 an Baden und damit 1951/52 an Baden-Württemberg...»

Unter Fürstbischof Johann Jakob Fugger (im Amt 1604-1626) kaufte das Hochstift Konstanz (Fürstbistum) also gleich mehrere Rechte an. 1607 für 2'500 Gulden die Teil-Rekatholisierung von Müllheim/TG und 1610 oder einem späteren Jahr ein noch wesentlich beträchtlicher Betrag (rund 12'000 Gulden) für die Herrschaft Rosenegg.

Moderater Preis oder kleines Verkaufsobjekt?

Da der «Kaufpreis für den halben Flecken Wyach» mit gerade einmal 612 Gulden angegeben wird, handelt es sich hier nur um die Kapitalisierung eines Teil der Herrschaftsrechte und nicht um wesentlich grössere Werte wie im Fall von Müllheim oder gar Rosenegg.

612 Gulden ist übrigens exakt der Kaufpreis dessen Erhalt Friedrich Freiherr von Landsberg in einer auf das Jahr 1605 datierten Urkunde bestätigt. Für diese Summe, nämlich «umb sechshundert unnd zwölff guldin gemeiner, guoter, landtleüffiger müntz, den gulden zuo fünffzehen bazen oder sechszig creüzer gerechnet» (RQNA 188, S. 419, Zeile 6-7), war er bereit, dem Fürstbischof seine via Erbgang von den Heggenzi an die Familie Landsberg gelangte Hälfte des Niedergerichts Weiach zu verkaufen. Dazu gehörten u.a. Frondienste der Weiacher Bauern und Rechte an der herrschaftlichen Ziegelhütte.

Quellen
  • Friedrich von Landsberg verkauft dem Bischof von Konstanz die halbe Gerichtsherrschaft Weiach. In: Sammlung Schweizerischer Rechtsquellen. Die Rechtsquellen des Kantons Zürich. Neue Folge. Zweiter Teil: Rechte der Landschaft; Erster Band: Das Neuamt; Aarau, 1996. XVIII. Weiach Nr. 188; S. 418-420.

Sonntag, 3. Oktober 2010

Unzustellbare Post im Amtsblatt

In der diesjährigen sommerlichen Sauregurkenzeit geriet die Schweizerische Post in die Schlagzeilen. Briefe, die ungenau adressiert seien, hiess es da, würden vernichtet. Nachforschungen gebe es nicht.

Wie man den Online-Medien (z.B. B-Post wird doch nicht vernichtet, 20 Minuten v. 20. Juli 2010) entnehmen kann, gilt das zwar offenbar nur für Massensendungen.

Die 160 Kommentare allein zu diesem Artikel lassen aber erahnen, welch heisses Eisen da angefasst wurde. Man wünscht sich die früher selbstverständliche Qualität zurück. Zum Beispiel einen Pöstler, der nicht nur seine Zustellroute, sondern auch die Personen kennt, die dort wohnen.

Als Briefe und Pakete noch nicht in solchen Mengen verschickt wurden wie heute, betrieb die Post offensichtlich akribische Nachforschungen. Das ging so weit, dass sie sogar in staatlichen Publikationsorganen Anzeigen schaltete. So zum Beispiel im Amtsblatt des Kantons Zürich:


Postamtliche Anzeige

«Nachstehend verzeichnete Postgegenstände konnten theils wegen mangelhafter Adressen, theils wegen Nichtangabe des Aufgebers bei verweigerter Annahme nicht bestellt werden. Es werden daher die betreffenden Adressaten oder Aufgeber ersucht, ihre Eigenthumsrechte binnen 3 Monaten geltend zu machen, indem nach Ablauf dieser Frist anderweitig über diese Gegenstände verfügt würde.

[...]

Nro.: 45
Aufgabeort: Unbekannt
Gegenstand: Packetchen
Werthangabe: . .
Adresse: Kaspar Baumgartner
Bestimmung: Weyach
Porto Fr. R.: - 15
»

In diesem Fall dürfte es sich wohl um eine verweigerte Annahme handeln. Denn dem Posthalter von Weyach waren sicher sämtliche möglichen Adressaten dieses Namens persönlich bekannt. Aber anscheinend wollte keiner von denen das «Packetchen» annehmen. Kein Wunder, wenn der Absender unbekannt ist...

Quelle
  • Amtsblatt des Kantons Zürich: No. 29, 9. April 1861, S. 471; No. 33, 23. April 1861, S. 595; No. 37, 7. Mai 1861, S. 672.