Samstag, 30. September 2023

Wegen Dock Midfield vor Bundesgericht gezogen

Am 24. September 1999 wurde Weiach in einem Artikel der Zeitung La liberté (Eigenbezeichnung: Quotidien romand édité à Fribourg) erwähnt. Und zwar als eine derjenigen Gemeinden, die gegen die Fünfte Ausbauetappe des Flughafens Zürich-Kloten Klage eingereicht haben. 

Damit waren sie keineswegs allein, denn auch Organisationen zum Schutz gegen den Fluglärm, sowie etliche Privatpersonen taten dasselbe. Die Zeitung aus der Stadt auf der Sprachgrenze zwischen und Deutsch und Welsch bezeichnet den Vorgang nicht umsonst als eine Oppositionslawine, die das Projekt in Verzug bringe. Das las sich dann so (klicken zum Vergrössern):

Letztlich waren es etliche Gemeinden aus verschiedenen Schweizer Kantonen und dem Bundesland Baden-Württemberg, deren Demarchen vom Bundesgericht in ein Monsterverfahren zusammengezogen wurden. Gesamthaft wurden 24 Eingaben gemeinsam beurteilt, wie man dem Entscheid der 1. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 8. Dezember 2000 entnehmen kann.

Darunter die Verfahren mit den Aktenzeichen:

1A.282/1999  Bachs, Buchberg, Glattfelden, Hochfelden, Henggart, Kaiserstuhl, Rüdlingen, Stadel, Thalheim und Weiach vertreten durch Dr. Heinrich Ueberwasser, Riehen BS

1A.283/1999 Hohentengen am Hochrhein, Klettgau, Küssaberg

1A.284/1999 Landkreis Waldshut

1A.297/1999 Schutzverband der Bevölkerung um den Flughafen Zürich (SBFZ)

[Anmerkung: Von Adlikon, Dägerlen und Wasterkingen (im Zeitungsartikel erwähnt) ist seltsamerweise keine Rede in diesem Bundesgerichtsentscheid.]

Wichtiger Teilsieg

Die Klagen dieser Gemeinwesen wurden zumindest teilweise gutgeheissen.

Die Gerichtsgebühr (CHF 50'000) hatten deshalb der Kanton Zürich (3/4) und die SAirGroup (1/4) zu berappen. Darüber hinaus musste der Kanton den Klägern auch noch bis 4000 Franken Umtriebsentschädigung für ihre Anwaltskosten überweisen. Das hat zwar nicht alle Kosten gedeckt. Aber es war doch ein wichtiger Erfolg der mehrheitlich im Norden des Flughafens liegenden Gebiete.

Quelle

Freitag, 29. September 2023

Raubüberfall auf die ZKB-Agentur Weiach

Eine Agentur unserer Staatsbank, der Zürcher Kantonalbank? Ja, das hat es vor Jahren in unserem Dorf tatsächlich einmal gegeben. Die war – soweit der Verfasser dieser Zeilen das richtig im Kopf hat – in den Räumlichkeiten des Flachdachanbaus beim VOLG (1976 erstellt) untergebracht und zügelte danach ins Depot der Landwirtschaftlichen Genossenschaft Weiach an der Kaiserstuhlerstrasse 44. 

Kein Polizeiposten mehr

Eine Bank an einer Durchgangsstrasse. Ein Objekt ohne grosse Nachbarschaft. Vor allem kein Polizeiposten mehr in unmittelbarer Nähe (noch bis Ende 1985 war die Kantonspolizei an der Kaiserstuhlerstrasse 40 untergebracht). 

Ideal, dachte sich da ein Gangster und schritt am 18. März 1998, d.h. vor einem Vierteljahrhundert, zur Tat, wie die NZZ gestützt auf eine Polizeimeldung berichtete:

Ein bewaffneter Mann hat am Mittwoch vormittag die Landwirtschaftliche Genossenschaft (Landi) in Weiach überfallen. Er erbeutete dabei rund 30 000 Franken Bargeld. Verletzt wurde niemand. Der Überfall ereignete sich kurz nach 11 Uhr 30. Der Unbekannte betrat die Landi an der Kaiserstuhlerstrasse in Weiach, in deren Räumlichkeiten ein Laden mit einer kleinen Bankzweigstelle untergebracht ist. Der Mann bedrohte den Geschäftsführer des Ladens mit einer Faustfeuerwaffe und forderte ihn auf, den Tresor zu öffnen. Der Überfallene musste das Geld in eine rotweisse Plastictragtasche packen. Nach dem Raub bestieg der Täter einen Wagen, der bei der Laderampe bereitstand. Im Auto flüchtete er auf der Kaiserstuhlerstrasse in Richtung Dorfzentrum. Die polizeiliche Fahndung blieb bis am Mittwoch abend ergebnislos. 

Der Täter ist etwa 35 bis 40 Jahre alt, 180 Zentimeter gross und hat kurzgeschnittene dunkle Haare. Er war mit einer dunklen Jeansjacke, einer blauen Hose und einer schwarzen Schirmmütze bekleidet. Er trug eine Sonnenbrille und schwarze Handschuhe und sprach Schweizerdeutsch. Der Personenwagen war schwarz. Es könnte ein Toyota sein. Personen, die in diesem Zusammenhang Beobachtungen gemacht haben, werden gebeten, sich mit der Kantonspolizei Zürich, Telefon (01) 247 22 11, in Verbindung zu setzen.

Damals hatten die Zürcher ihre exklusive Telefonvorwahl 01 noch. Das Gebiet zwischen Bedmen und der Kantonsgrenze war vergleichsweise menschenleer. Kein Vergleich mit der heutigen Dichte. Die Landi selber war noch ein Bau, der die Bezeichnung Depot zu Recht getragen hat. Eine richtige Handlung mit Gegenständen für den landwirtschaftlichen Bedarf. Und einen Schalter der ZKB gab es in den verwinkelten Räumen auch.

Parallelen zu Überfällen im Kanton Bern

Einen Tag nach der NZZ berichtete auch noch der Walliser Bote über den Fall. Und setzte ihn in Zusammenhang mit Vorfällen im Bernbiet:


Ende November 1998 gerieten übrigens im kleinen Linden (nahe dem Waffenplatz Jassbach) in den Hügeln nordöstlich von Thun drei Täter in einen Hinterhalt der Kantonspolizei Bern, worauf sich eine Szenerie wie im Wilden Westen entfaltete (vgl. den Artikel im Thuner Tagblatt, s. Quellen unten). Auch in diesem Fall war die Bankfiliale in einer Landi untergebracht.

Quellen

  • Überfall in Landi Weiach. 30 000 Franken Beute. In: Neue Zürcher Zeitung, Nummer 65, 19. März 1998 – S. 56.
  • Walliser Bote, 20. März 1998, S. 3
  • Drenkelforth, R.: Polizei wartete in der Bank auf die Räuber. In: Thuner Tagblatt, Band 122, Nummer 278, 28. November 1998 – S. 5.

Donnerstag, 28. September 2023

Die Rechtsquelle des Anstosses. Eine Retrospektive.

Über Artikel im WeiachBlog haben sich in den letzten Monaten etliche Weycher ziemlich echauffiert. Öffentlich einsehbar wurde mir ins Stammbuch geschrieben, ich solle doch besser wieder nur geschichtliche Themen anfassen und mich nicht mehr in die kommunale Politik einmischen. 

Wer so etwas von sich gibt, der verkennt, dass an der Wiege aller auf Weiach bezogenen publizistischen ortshistorischen Aktivitäten des Autors dieser Zeilen letztlich ein Skandälchen steht. Eines, das der Gemeindeverwaltung einen Sturm der Entrüstung eingetragen hat. Heute, in Zeiten von Social Media, würde man das wohl «Shitstorm» nennen.

Man würde es kaum glauben, aber der Stein des Anstosses war ein Dokument aus einer Sammlung historischer Rechtsquellen, die seit 1898 unter dem Patronat des honorablen Schweizerischen Juristenvereins herausgegeben wird.

Tänked doch au a d'Chind!

Im Dezember 1997 haben sich einige Einwohner darüber aufgeregt und auf der Verwaltung beschwert, dass ein 1612 entstandenes Gerichtsprotokoll im Mitteilungsblatt abgedruckt worden war. Genauer gesagt: die Transkription desselben im Rahmen eines Bandes dieser Rechtsquellensammlung. Überschrift: «Prozess wegen Reden über exhibitionistisches Verhalten eines Dorfbewohners». Und so etwas geht natürlich gar nicht. «Ein Bericht über einen Grüsel!! Im Mitteilungsblatt!! Sie, das lesen auch Kinder!!»

Expliziter Schweinkram im Gmeindsblettli? Nun, das kann man in guten Treuen so sehen (vgl. den Volltext hier). Aber wenn man diesen Fall analysiert (vgl. WeiachBlog Nr. 738), dann ist wohl eher darüber zu diskutieren, ob der Skandal letztlich nicht der ist, dass die damalige Zürcher Regierung diejenigen Weiacher Frauen, die mit ihren unbedachten Worten den ganzen Aufruhr verursacht hatten, mit hohen Bussen bestraft hat. War das nicht eine frauenfeindliche, patriarchale Machtdemonstration?

Sei es, wie es sei. Jedenfalls ist die von April bis Dezember 1997 durchgezogene Serie (vgl. Abschnitt Nachweis ganz unten) durch diese Demarchen zu einem abrupten Stopp gekommen. In den MGW wurden nach diesem Eklat, der der Redaktion offensichtlich auf den Magen geschlagen hat, nur noch drei weitere Beiträge veröffentlicht. Dann war Schluss.

Die Geburtsstunde der Weiacher Geschichte(n)

Für mich hingegen war dieser Eklat letztlich die Geburtsstunde der Idee, Quellen mit dem richtigen Kontext versehen in den Mitteilungen für die Gemeinde Weiach publikationsfähig zu machen. Was mit den Weiacher Geschichte(n) über zehn Jahre hinweg (Dezember 1999 bis November 2009) doch ganz gut geklappt hat. Zumindest habe ich keine Beanstandungen inhaltlicher Art mitbekommen.

Doch zurück zu den Rechtsquellen, die für die Weiacher Ortsgeschichte höchst ergiebig sind. Und so sind denn auch Bezeichnungen wie «SSRQ ZH Neuamt (RQNA)» oder einfach nur «RQNA» (Kürzel für «Rechtsquellen Neuamt») in meinen Publikationen zu diesem Thema regelmässig anzutreffen.

Der Rechtsquellenband Neuamt, erschienen 1996

Dieser Band wurde im Spätherbst 1996 präsentiert und jede Gemeinde im ehemaligen Neuamt erhielt ihr Exemplar, auch Weiach.

Die zur Buchvernissage eingeladenen Medien haben darüber geschrieben. So die NZZ am 10. Dezember 1996, deren Beitrag hier im vollen Wortlaut in kursiver Schrift wiedergegeben wird. Verlinkungen und Anmerkungen in eckigen Klammern stammen vom Redaktor des WeiachBlog:

«lob. Unter dem Titel «Rechte der Landschaft: Das Neuamt» ist dieser Tage ein Zürcher Beitrag zur «Sammlung schweizerischer Rechtsquellen» erschienen: Thomas Weibel, Mitarbeiter der Rechtsquellenstiftung des Schweizerischen Juristenvereins, hat während mehrerer Jahre Quellen über die Obervogtei Neuamt zusammengetragen und auf 495 Seiten veröffentlicht. Das Neuamt, ein ausgesprochenes Ackerbaugebiet, war ein Landstreifen von fünf bis zehn Kilometern Breite, der sich westlich der Glatt von Oberglatt bis zum Rhein erstreckte. Auf dem Gebiet liegen heute ganz oder teilweise zwölf Gemeinden: Bachs, Dielsdorf, Glattfelden, Hochfelden, Höri, Neerach, Niederglatt, Niederhasli, Oberglatt, Regensdorf, Stadel und Weiach. [Bachs: Höfe im Thal; Dielsdorf: Ditikerhof; Glattfelden: Schachen; Regensdorf: Adlikon; Oberglatt und Niederglatt: nur Gebiete westlich der Glatt; vgl. Wikipedia-Artikel: Obervogtei Neuamt]. Neben einer Gerichtsordnung und Huldigungen gegenüber dem Bischof von Konstanz finden sich im Quellenband beispielsweise auch Zeugenaussagen zu Grenzverläufen und Schiedssprüche.

Erstaunliche Quellenvielfalt 

1424 erwarb die Stadt Zürich die Grafschaft Kyburg als Reichspfand. Im Hinblick auf ein Bündnis mit König Friedrich III. von Österreich im alten Zürichkrieg 1442 musste Zürich aber alles ausser einem schmalen Streifen westlich der Glatt wieder zurückgeben. Sie machte aus dem Gebiet einen gesonderten Verwaltungsbezirk unter dem Namen «Neuamt». In Neerach, wo sich eine Hochgerichtsstätte befand, bildete Zürich das Verwaltungszentrum, später führte Zürich die Dorfverfassung Neerachs [korrekt: Offnung des Twinghofs zu Neerach, mit viel grösserem Einzugsgebiet] über in ein Amtsrecht für die ganze Obervogtei Neuamt. 1553 erhielt das Amt eine Gerichtsordnung. Die Bedeutung des Gerichts verlor aber ab dem 17. Jahrhundert an Bedeutung, weil die Obervögte in Zürich die meisten Prozesse bereits erstinstanzlich behandelten. Noch vor dem 15. Jahrhundert hatten in der Vogtei Neuamt beinahe überall örtliche Gerichtsherrschaften bestanden; bis 1600 gelangte die Stadt Zürich aber in den Besitz fast aller niederen Gerichte, was zu einer Rechtsvereinheitlichung führte [Konkret: mit Ausnahme von Weiach, wo dessen Niedergerichtsherr, der Fürstbischof von Konstanz, dies verhindert hat]. Bis dahin fand Thomas Weibel im Untersuchungsgebiet Rechtsquellen von einer erstaunlichen Vielfalt, was er auf die starke Zersplitterung der Besitz- und Herrschaftsrechte zurückführt.

Clausdieter Schott, Professor für Rechtsgeschichte an der Universität Zürich, würdigte am Montag in der Geigenmühle Neerach die Arbeit Weibels und forschte nach der Bedeutung der Begriffe Recht und Quelle: Während der römische Jurist Celsus [gemeint ist wohl Publius Iuventius Celsus, der Jüngere] das Recht verstand als die Kunst des Guten und des Angemessenen, heisst es im Sachsenspiegel: Gott ist selber Recht. Später stammte das Recht aus dem Volksgeist, im Positivismus ergibt sich das Recht aus dem Gesetz. Als Rechtsquelle versteht man laut Schott heute richtigerweise die Erscheinungsform des Rechts.

Ein gesamtschweizerisches Werk 

Die Schweizerische Rechtsquellenforschung geht zurück auf den Juristentag am 4. September 1894 in Basel, als beschlossen wurde, die Rechtsquellen bis 1798 wissenschaftlich zu bearbeiten [vgl. Gschwend 2007, s. unten Literatur]. Die später gegründete «Sammlung Schweizerischer Rechtsquellen» war kantonal gegliedert; innerhalb der Kantone unterschied man nach Stadtrechten und Landrechten, die letzten wiederum wurden unterteilt nach sogenannten Realfächern wie innere Verwaltung, Staat und Kirche oder Polizeiwesen. Nach über hundert Jahren Forschung umfasst die Reihe heute 84 Bände [2023: über 140 Bände], die Kantone Glarus und Zug sind schon gänzlich bearbeitet, Bern steht mit 22 Bänden vor dem Abschluss, in Zürich bestehen erst drei Bände. Durch die landesweite Bearbeitung soll eine handfeste Basis zur Rechtsvergleichung verschiedener Regionen entstehen. Die Bände enthalten nicht nur primäre Quellen wie beispielsweise Offnungen (eine Art Grundgesetz für ländliche Gemeinden), sondern geben auch Zugang zu weiteren Quellen wie Gerichtsurkunden, Ratsprotokollen oder Feuerstättenverzeichnissen. Angesprochen sind neben Rechtshistorikern auch Sprachwissenschafter und Kirchenhistoriker.»

Weshalb der Festakt zur Vorstellung des Rechtsquellenbandes gerade in der Geigenmühle in Neerach stattfand? Das gründet auf der überragenden historischen Bedeutung des sog. Twinghofs zu Neerach (vgl. Korrektur innerhalb des Lauftextes), dessen spätmittelalterliche Rechtsverfassung zur Grundlage des von den Zürchern weiterentwickelten Amtsrechts der Obervogtei Neuamt der Neuzeit wurde.

Literatur

Der NZZ kommt auch das Verdienst zu, Titel und Bezugsquelle, inkl. den damaligen Preis direkt unter ihrem Beitrag genannt zu haben: «Der Rechtsquellenband «Das Neuamt», 495 Seiten, bearbeitet von Thomas Weibel, kann zum Preis von 180 Franken bezogen werden beim Verlag Sauerländer AG, Laurenzenvorstadt 89, Postfach, 5001 Aarau. Historische Kurzbeschreibungen der Siedlungen im Neuamt gibt das Staatsarchiv heraus.» 

Der Verlag Sauerländer (gegründet 1807) wurde 2001 verkauft und existiert nur noch als Lehrmittelverlags-Label. Die noch vorhandenen Buchbestände des Rechtsquellenbandes Neuamt werden heute durch den Schwabe-Verlag vertrieben (CHF 190).

  • Sammlung Schweizerischer Rechtsquellen, I. Abteilung: Die Rechtsquellen des Kantons Zürich. Neue Folge, Zweiter Teil: Rechte der Landschaft. Band 1: Thomas Weibel: Das Neuamt. Aarau 1996 [Auflage: 300; Online: Scan der Nr. 222].
  • Weibel, Th.: Historische Kurzbeschreibungen der Siedlungen im Neuamt. Zürich 1995 [Online auf der SSRQ-Website als Addendum zum Rechtsquellenband].
  • Gschwend, L.: Die Sammlung Schweizerischer Rechtsquellen, herausgegeben von der Rechtsquellenstiftung des Schweizerischen Juristenvereins: Ein Monumentalwerk rechtshistorischer Grundlagenforschung. In: ZSR 2007 I 435-457. [Artikel vom 3. Mai 2007, pdf online auf SSRQ-Website].
  • Weibel, Th.: Artikel Neuamt. In: Historisches Lexikon der Schweiz. Elektronische Ausgabe. Version vom 15. Juli 2009.

Quelle

  • Einblick in mittelalterliche Rechtsstrukturen. Zürcher Rechtsquellenband über das Neuamt. In: Neue Zürcher Zeitung, Nummer 288, 10. Dezember 1996 – S. 53.

Nachweis RQNA-Nummern in MGW

Im Kapitel XVIII hat der Bearbeiter Weibel unter den Nummern 176 bis 201 die zu Weiach ausgewählten Rechtsquellen versammelt. Einen Teil davon hat die Gemeindeverwaltung in den Jahren 1997 und 1998 im Mitteilungsblatt (damals noch Mitteilungen für die Gemeinde Weiach; MGW) der Bevölkerung zugänglich gemacht:

Nr. 176. Hexenverfolgungen. In: MGW, April 1997 – S. 10-12.
Nr. 177. Gerechtigkeit des dorffs Wiach. In: MGW, Mai 1997 – S. 12.
Nr. 178. Die offnung zue Wyach. In: MGW, Juni 1997 – S. 9. (vgl. Weiacher Geschichte(n) Nr. 103)
Nr. 179. Weisung an den Untervogt der Stadt Zürich. In: MGW, Juli 1997 – S. 12. (vgl. Weiacher Geschichte(n) Nr. 27)
Nr. 180. Holzordnung. In: MGW, August 1997 – S. 13-15.
Nr. 183. Gemeindeordnung. In: MGW, September 1997 – S. 22-24. (vgl.  WeiachBlog Nr. 879)
Nr. 185. Bussenliste für Verstösse gegen die Gemeindeordnung. In: MGW, Oktober 1997 – S. 11.
Nr. 189. Gewährung des Gemeindebürgerrechts an den Käufer eines Hausteiles. In: MGW, November 1997 – S. 13.
Nr. 190. Prozess wegen Reden über exhibitionistisches Verhalten eines Dorfbewohners. In: MGW, Dezember 1997 – S. 11-13. (vgl. WeiachBlog Nr. 738)
Nr. 197. Wahl eines zürcherischen Untervogts. In: MGW, März 1998 – S. 16. (vgl. WeiachBlog Nr. 790 u. 990)
Nr. 196. Wahl eines Dorfmeiers. In: MGW, Mai 1998 – S. 15. (vgl. WeiachBlog Nr. 2059)
Nr. 184. Gerichtsordnung, Abnahme von Rechnungen etc. In: MGW, Juni 1998 – S. 7-8.

Nicht in den MGW erschienen sind die folgenden Nummern des Kapitels XVIII:

181. Zuständigkeiten der niederen Gerichtsherren.
182. Auseinandersetzungen zwischen Bauern und Taunern.
186. Einzugsbrief, Anteil der niederen Gerichtsherren am Einzugsgeld. (vgl. WeiachBlog Nr. 1453)
187. Huldigung gegenüber dem Bischof von Konstanz. 
188. Friedrich von Landsberg verkauft dem Bischof von Konstanz die halbe Gerichtsherrschaft Weiach.
191. Leistungen und Abgaben an das bischöfliche Amt Kaiserstuhl.
192. Auffallordnung. (vgl. WeiachBlog Nr. 1357)
193. Dorfgericht.
194. Nutzung der Herbstweide. (vgl. WeiachBlog Nr. 1708)
195. Gutachten der Landfriedenskommission über Klagen des Bischofs von Konstanz gegen den zürcherischen Untervogt. 
198. Wahl eines Richters. 
199. Verordnung über die Fertigung von Grundstückkäufen und Ausübung des Zugrechts.
200. Verleihung der herrschaftlichen Ziegelhütte. 
201. Votum informativum und decisivum des Vorsitzenden des Dorfgerichtes.

Dienstag, 26. September 2023

«Der einsame Bahnhof Weiach-Kaiserstuhl»

Diesen Titel setzte NZZ-Journalist Hillmar Höber über einen Artikel zum ersten Jahrestag der Einstellung des schienengebundenen Personenverkehrs an den Bahnstationen Weiach-Kaiserstuhl und Rümikon-Mellikon. Nachstehend sein Text im vollen Wortlaut (kursiv; Zwischentitel durch WeiachBlog-Redaktion):

«hhö. Seit einem Jahr halten keine Reisezüge mehr am stattlichen Bahnhof Weiach-Kaiserstuhl der SBB-Rheintallinie Eglisau-Zurzach. Er wurde 1876 bei der Eröffnung der damaligen Nordostbahn errichtet und verfügt über eine dreispurige Gleisanlage. Der geringe Güterverkehr, welcher der ehemaligen Station verblieben ist, wird von Rekingen (Kanton Aargau) aus betreut.»

Bemerkenswert an diesem Bahnhofgebäude: die Schweizerische Nordostbahn-Gesellschaft hatte diese einheitlichen Holzkonstruktionen ab dem Reissbrett eigentlich nur als Provisorium hingestellt. Im Schnellverfahren errichtet, um die Konzessionsauflagen einzuhalten. Und so steht unser Stationsgebäude seit 1876 in den Büchern der kantonalen Gebäudeversicherung, assekuriert für 20'000 Franken (was heute umgerechnet nach dem Historischen Lohnindex von Swistoval.ch rund einer Million entsprechen würde). Doch weiter in Höbers Text:

«Vor dem Bau der Eisenbahnlinie am Rhein wollten sowohl Weiach als auch Kaiserstuhl den neuen Bahnhof so nahe wie möglich bei sich haben. Weil eine Einigung der Gemeinden nicht möglich war, stritten sich sogar die beiden Kantonsregierungen um die Lage der Station. Als Kompromiss wurde schliesslich ein Standort auf der grünen Wiese in der Mitte zwischen den beiden Orten gewählt [vgl. dazu WeiachBlog Nr. 1858 v. 28. August 2022].

Wenige bauliche Veränderungen

Am alten Bahnhofgebäude Weiach-Kaiserstuhl hat sich während Jahrzehnten kaum viel geändert. Einzig der Güterschuppen ist zwecks Einbaus einer Relaisstation einmal verkleinert worden. Die alte Waage aus den Zeiten des Stückgutverkehrs ist immer noch vorhanden. Verschwunden sind zwar die überdimensionierten Tafeln mit dem Stationsnamen; im Aussengelände sind sie aber stehengeblieben und dienen als Wegweiser für verirrte Wanderer. Im Gebäude könnte man laut den noch vorhandenen Schildern wie eh und je Billette kaufen, Güter aufgeben oder Geld wechseln; die gesamte Einrichtung mit den beiden Minischaltern ist noch vorhanden. 

Für das Rangieren der Güterwagen bleibt die Stellwerkanlage in betriebsfähigem Zustand. Kreuzungen gebe es keine mehr auf der Station, sagte der ehemalige Stationsvorstand Armin Steubli [sic!], der nach der Schliessung in Pension ging, aber im Gebäude die Dienstwohnung behalten durfte. Aufgaben für die Bahn habe er keine mehr zu erfüllen, wenn man vom Ordnungmachen rund um das Haus absehe, präzisiert Steubli. [Wieder einmal so ein Fall von phonetischer Namensschreibung durch einen Journi. Der letzte Stationsvorstand heisst korrekt geschrieben: Armin Stäuble]

Mehr Attraktivität. Ausser für Weiach.

Die Verlegung der Haltestelle nach Kaiserstuhl habe dem «Studenland-Express», wie die Rheintallinie im Volksmund heisst, viel Attraktivität eingebracht, stellte Harry Graf von der Kreisdirektion III der SBB fest. Wenn auch noch keine Zahlen vorliegen, dürfte die Zahl der Passagiere doch zugenommen haben. Auch für Fisibach ist der Haltepunkt näher zu den Kunden herangerückt. Der Nachbarbahnhof Rümikon-Mellikon ist stillgelegt und durch separate Haltestellen in den beiden Ortschaften ersetzt worden.»

«Seit Jahren unverändert geblieben: die Schalterhalle im Bahnhof Weiach-Kaiserstuhl. (Bild hfk.)»

Kommentar WeiachBlog

Schon allein aus dem letzten Abschnitt von Höbers Artikel lässt sich entnehmen, dass man im Aargau offensichtlich mehr Wert auf den Erhalt des Anschlusses ans Schienennetz gelegt hat als in Weiach. Fisibach, Kaiserstuhl, Mellikon und Rümikon – alle konnten sich über eine Verbesserung freuen. Nur für die Weiacher resultierte eine deutliche Verschlechterung. 

Wer seit Ende Mai 1995 den Zug Richtung Eglisau und Winterthur oder das Studenland hinab nach Zurzach und Koblenz nehmen will, der muss nun einen noch weiteren Weg als bisher unter die Füsse nehmen. 

Wie wäre das doch für die heutigen Neuweiacher nördlich der Swissgrid-Leitung (die zusammengenommen mindestens ebensoviele Köpfe zählen wie die die Fisibacher oder die Kaiserstuhler) eine praktische Sache, gäbe es den Bahnhof noch. Nicht nur als Baudenkmal, sondern als aktive Haltestelle auf der Thurbo-Linie.

In diesem Punkt haben die damaligen Gemeinderäte in der ersten Hälfte der 1990er-Jahre völlig falsch entschieden. Und viel zu einseitig auf den Bus-Anschluss gesetzt. Was glauben Sie, weshalb es den Bahnhalt an der Station Zweidlen noch gibt? Weil die Glattfelder aktiv wurden und sich dafür gewehrt haben. Und nur deshalb.

Quelle

  • Höber, H.: Der einsame Bahnhof Weiach-Kaiserstuhl. In: Neue Zürcher Zeitung, Nummer 116, 21. Mai 1996 – S. 55.

Sonntag, 24. September 2023

Kindergartenschüler beim VOLG auf die Strasse geschleudert

Dass die Stadlerstrasse durch den alten Ortskern ihres schnurgeraden Verlaufs wegen zu rasanter Fahrt verleitet, ist für Weiacherinnen und Weiacher eine Binsenweisheit. Diese Eigenschaft führt aber auch immer wieder zu Unfällen wie diesem hier im September 1995:

«Ein sechsjähriger Kindergartenschüler ist am frühen Montagnachmittag in Weiach von einem Personenwagen angefahren und leicht verletzt worden. Nach Angaben der Kantonspolizei fuhr ein 56jähriger Automobilist um 13 Uhr 15 auf der Stadlerstrasse aufwärts in Richtung Raat. Auf der Höhe des Volgs betrat der Knabe unvermittelt die Fahrbahn, wobei noch unklar ist, ob auf oder neben dem Fussgängerstreifen. Er wurde vom Auto erfasst und auf die Strasse geschleudert. Die Rettungsflugwacht brachte den Knaben, der keine offensichtlichen Verletzungen aufwies, zu Untersuchungen ins Spital.»

Man beachte das Zauberwort «Fussgängerstreifen». Wenige Jahre später war Weiach Schauplatz einer heftigen Kontroverse über die Frage, ob es zur Sicherheit der Schulkinder just an dieser Strasse Zebrastreifen brauche oder eben nicht.

Quelle und Literatur

Samstag, 23. September 2023

Eigentumswohnungen in Richtung Steinbruch

Ab dem Jahre 1993 hat die Steinbruchstrasse ihre Exklusivität sozusagen verloren. Bis dahin konnte man die Wohnhäuser an dieser Strasse an einer Hand abzählen:

Das Gehöft im Steinbruch stammt von 1876 (Nr. 21; mit Wohnhaus Nr. 19 von 1939), die Nr. 17 an der Verzweigung zur Rebbergstrasse (der obersten Rebstrasse) wurde laut Gebäudeversicherung 1924 erbaut. Und die zwei Einfamilienhäuser unterhalb der Strasse stammen aus den 60er-Jahren, Nr. 16 von 1962 und Nr. 18 von 1968.

Der grosse Bauboom kam in den 1990ern. Damals wurden die Mehrfamilienhäuser am zentrumsnäheren Teil der Strasse gebaut: 1993 die Nr. 2 und 4 und 1994 die Nr. 6. Zu diesen Angaben auf der Gebäudealterkarte passt dieses Inserat:


Besonders bemerkenswert: das Kärtchen. Wir haben hier den in früheren Jahrhunderten üblichen, mittlerweile aber sehr seltenen Fall einer geosteten Karte (d.h. Osten oben). 

Und wie wenn wir uns noch in den Zeiten der zwinglianischen Einheitsreligion befinden würden, ist hier auch die Kirche so bezeichnet, als hätte es damals am Kindergartenweg nicht auch noch eine neuapostolische Konkurrenz gegeben.

Die Gebäude Steinbruchstrasse 8a, 8b, 10a und 10b stammen übrigens von 1997, die Nr. 12 von 1999.

Quellen

Donnerstag, 21. September 2023

Für das Saxenholz musste Frau Regierungsrätin unterschreiben

Beim Schutz des Waldes kennt die Eidgenossenschaft kein Pardon. Da ist der Bund knallhart. Wenn ein bestocktes Stück Boden rechtlich als Wald gilt, dann darf man das nicht einfach abholzen. Nein, dafür braucht selbst ein Kanton die Bewilligung aus Bundesbern. Auch wenn es nur um 626 Quadratmeter geht. Wie 1992 im Rahmen der Melioration der Landwirtschaftsflächen auf dem Gebiet der Gemeinde Weiach.

Wassernot wegen Abholzungen

Dass die Vorschriften so streng sind, das hat mit den Umweltschäden zu tun, mit denen die Schweiz im 19. Jahrhundert konfrontiert wurde (Stichwort: Überschwemmungen). 

Noch in der Bundesverfassung von 1848 (die vor wenigen Tagen, am 12. September, 175 Jahre alt geworden ist) gab beim Wald keine Bundeskompetenz. Im ersten Vierteljahrhundert des Bundesstaates reifte dann aber die Einsicht, dass es ohne umfassende Schutzmassnahmen nicht mehr gehe. 

So erhielt die Bundesverfassung von 1874 den Artikel 24, welcher dem Bund die Hoheit über Wasserbaupolizei und Forstpolizei zuwies. Auf dieser Basis wurde 1876 die eidgenössische Oberaufsicht mit dem Grundsatz der Walderhaltung eingeführt. Vorerst galt der Artikel nur im Hochgebirge, nach einer Volksabstimmung im Jahre 1897 dann auch in allen anderen Gegenden. Auch wenn das einigen Kantonen gar nicht gefallen hat, wird seither sehr genau hingeschaut und kontrolliert. Und das hat sich auch mit dem neuen Waldgesetz von 1991 nicht geändert.

Fisibacherweg ausbauen ging nicht ohne Bundesbewilligung

Letztes Wochenende ging im und beim Schützenhaus Fisibach, hart an der Kantonsgrenze auf Aargauer Boden, das Halbrännär-Fäscht über die Bühne. Wer aufs Auto verzichtet hat und sich von Weiach aus zu Fuss auf den Weg dorthin gemacht hat, der oder die hatte auf dem Weg durchs Hasli die Wahl: südlich dem Hang nach (auf dem Fisibacherweg) oder an der Nordkante entlang (auf der Haslistrasse).

Nimmt man den Fisibacherweg, dann führt der heute unmittelbar vor der Kantonsgrenze auf einem kurzen Wegstück von ca. 80 Metern durch den Wald. Das ist aber erst seit wenigen Jahren so. Denn bis 1992 führte der Weg auf einer viel längeren Strecke durchs Saxenholz. Und nicht wie heute mehrheitlich der Waldkante entlang.

Was vor dreissig Jahren bewilligt wurde

Auf dem Situationsplan, den die Meliorationsgenossenschaft mitsamt vielen Formularen und Unterschriften, darunter die der Zürcher Regierungsrätin Hedi Lang, via Kanton beim Bund einreichen musste, sieht man auf der Fläche des Hasli (obere 80% des Planausschnitts) den Übergangszustand mit den alten Strassen und kleinteiligen Landwirtschaftsparzellen. Gelb eingezeichnet die projektierten (heutigen) Feldwege:

Das rot umrandete Gebiet in der unteren Bildhälfte ist der schmale Waldstreifen, der für den Ausbau des Fisibacherwegs gerodet werden musste. Die grün umrandete Fläche links davon zeigt, wo auf bisherigem Landwirtschaftsland aufgeforstet werden sollte. Und dann auch wurde.

N.B.: Die hier ersichtlichen Parzellennummern sind gleichzeitig eine Codierung der künftigen Eigentümerschaft. Gerodet und Ausgleich geschaffen wurde auf der künftigen Parzelle 2 des Eigentümers Nr. 165. Heute ist das Parzelle 1133, deren westliche Grenze zur damaligen Zeit ebenfalls Thema in einer Regierungsratssitzung wurde. Diese Story ist für einen späteren WeiachBlog-Beitrag reserviert.

Quelle

  • Bundesamt für Forstwesen und Landschaftsschutz. Rodungen und Ersatzaufforstungen in Bundeskompetenz. Gemeinde Weiach. Saxenholz: 9201020. Signatur: CH-BAR E3360-02#2010/174#1901*  [16 Seiten]

Dienstag, 19. September 2023

«Weiach kann Ihnen dies bieten». Träume oder Albträume?

Immobilienvermarkter jonglieren zuweilen ziemlich freihändig mit Werbeargumenten. Hauptsache, man findet für das angepriesene Objekt einen Käufer, der die geforderte Summe hinblättert. Wenn dessen Träume danach zu Albträumen mutieren, wen kümmert's?

Ein leider schon fast repräsentativ zu nennendes Beispiel aus diesem nicht enden wollenden Fundus der Schamlosigkeiten findet man in den Inseratenspalten einer alten Ausgabe der NZZ – der vom 15. Januar 1992:

Für die Aussage, Weiach sei eine «ruhige» Gegend, müsste man angesichts des damals bereits seit 1976 unüberhörbar vorhandenen Fluglärms eigentlich schon fast einen Waffenschein vorlegen können.

Aus heutiger, klimagrünbewegter Warte ist eine weitere Werbeaussage besonders interessant: «Hier entstehen Landhäuser und Eigentumswohnungen. Komfort, Alternativheizungen sowie die Verwendung von biologischen Materialien sind für uns selbstverständlich.» 

Was auch immer diese Limmattaler Firma unter «Alternativheizung» subsumiert haben mag: An Einfamilienhäuschen – und seien sie noch so sehr nach Minergie- oder Nullenergie-Standard gebaut – hätten heutige Grüne einiges zu kritisieren. Die sind für Verdichtung in Innenstädten. Und sicher nicht für eine am Agglomerationsrand platzierte «Hüslipest» (Benedikt Loderer, Hochparterre). Aber eben: «Auch das ist Weiach» (Stefan Arnold, Gemeindepräsident).

Quelle

Montag, 18. September 2023

Ersatzwasser? Sicherheitshalber andere Quellen genutzt.

Am 14. November 1990 abends um 20:11 ist die DC-9-32 der Alitalia am Haggenberg zerschellt. Hat eine Schneise in den Wald geschlagen. Tod und Zerstörung hinterlassen.

Über einen eher weniger bekannten Aspekt der Aufräumarbeiten berichtete die NZZ zwei Monate nach der Katastrophe. Unter dem etwas seltsam anmutenden Titel «Ersatzwasser infolge Flugzeugabsturz in Weiach» heisst es da kurz und bündig:

«mth. In unmittelbarer Nähe der Flugzeugabsturzstelle bei Weiach sind rund 300 m3 ölverschmutzter Erde ausgehoben und in die Deponie Wettswil gebracht worden. Da sich in der Nähe der Absturzstelle am Haggenberg drei Quellen befinden, bleiben sie weiterhin vom Wasserversorgungsnetz Weiach abgehängt, bis keine Gefährdung des Wassers mehr besteht. Die Quellen werden vom kantonalen Gewässerschutzamt überwacht.»

Mit den drei Quellen sind die anlässlich des letzten Bannumgangs besuchten Quellfassungen in Surgen gemeint, die unterhalb der Absturzstelle liegen und bei denen man daher eine Kontamination befürchten musste. Deshalb die Abbaggerung des mit Kerosen und anderen Kohlenwasserstoffen verschmutzten Waldbodens.

Was der NZZ-Redaktor mit der Wortschöpfung «Ersatzwasser» zum Ausdruck bringen wollte? Es wurden ja lediglich diese drei Quellen aus Sicherheitsgründen von der Leitung zum Reservoir an der Hinteren Bergstrasse 20 abgehängt. Das hat den Zufluss verringert. Und bei erhöhtem Bedarf musste man dann halt eine grössere Menge aus dem Grundwasser im Gebiet Sädel hochpumpen.

Quellen

  • Ersatzwasser infolge Flugzeugabsturz in Weiach. In: Neue Zürcher Zeitung, Nummer 10, 14. Januar 1991 – S. 27.
  • Bild: DHM 2021/22 ZH auf maps.zh.ch

Sonntag, 17. September 2023

Dreiste Politiker – ein Glücksfall?

«Frächheit gwünnt!», sagte sich der Hochadelige Lütold VII., Freiherr von Regensberg, im Jahre 1254 und wies seine Leute an, innerhalb des neu definierten Stadtbezirks von Kaiserstuhl von einem dort bereits vorher bestehenden Landwirtschaftsbetrieb die Steuern einzukassieren. 

Mit dem Städtegründen hatten die Regensberger in dieser Zeit Erfahrung: Glanzenberg an der Limmat, Kaiserstuhl am Rhein und eben Regensberg auf dem Lägernsporn – alles hauseigene Projekte und alle im gleichen Jahrzehnt durchgezogen.

Das Problem: Lütold hatte damit einem anderen in die Tasche gegriffen. Und das war dann auch noch ausgerechnet eine derjenigen Institutionen, zu deren Schutz sich sein Haus verpflichtet hatte: das Kloster St. Blasien im Schwarzwald.

Selbstbedienungsladen?

Was die Position als Schirmvogt oder Kastvogt «beim Adel so begehrt machte, war die Möglichkeit, über deren Kompetenzen die Wirtschaft der reichen Klöster und Stifte zu kontrollieren sowie (z.B. bei Abtwahlen) auf die Klosterpolitik Einfluss zu nehmen. Die Klöster versuchten auf verschiedenen Wegen, sich vor Übergriffen des Adels zu sichern: Sie fixierten vertraglich die jährlichen Einkünfte des Vogts und seinen Teil an Gerichtsbussen und Konfiskationen.» (Quelle: e-HLS Kastvogtei)

Diese Art von Machtmissbrauch, der Versuch, sich auf Kosten des Beschirmten Rechte zuzuschanzen, war also keineswegs ein Einzelfall. Damit war Lütold beim Abt von St. Blasien allerdings an den Falschen geraten. Spätestens als dessen Leute bei oben erwähntem Landwirt die Steuern eintreiben wollten, hat sich der natürlich gewehrt (wer will schon doppelt Steuern zahlen), womit die Sache aufgeflogen ist.

Zur Rückzahlung verpflichtet

«Gaats no???», empörte sich der Abt und reichte beim Bischof von Konstanz eine Klage ein. Worauf das bischöfliche Schiedsgericht den Freiherrn Lütold zur Rückzahlung von zwei Jahren widerrechtlich bezogenen Steuern verdonnerte.

Im von Karl Schib vorbereiteten und durch Paul Kläui finalisierten Aargauer Urkundenbuch Bd. XIII über die Urkunden im Stadtarchiv Kaiserstuhl liest sich das in der geschichtlichen Einleitung wie folgt:

«Freiherr Lütold VI. von Regensberg hat von etwa 1254 an das Städtchen errichtet und die Gründung jedenfalls bis zum Herbst 1255 zu einem entscheidenden Abschluß gebracht. Dabei hatte er keine Rücksicht auf die dort liegenden Güter des Klosters St. Blasien, dessen Vogt er war, genommen und mußte vom Bischof von Konstanz zur Wiedergutmachung gezwungen werden.» (Kläui 1955, S. 9)

Die Lütold-Zählung VII. (vgl. den ersten Absatz des Artikels) stammt von der Kaiserstuhl-Expertin Franziska Wenzinger Plüss (e-HLS-Artikel Kaiserstuhl) sowie von Johann Wilhelm Braun (Bearbeiter Urkundenbuch des Klosters Sankt Blasien im Schwarzwald v. 2003, S. 463 u. 471) und entspricht dem aktuellen Forschungsstand. Das nur der Vollständigkeit halber. Ob es Lütold VI. oder sein Sohn Lütold VII. war, das spielt für die Zwecke dieses Beitrags keine Rolle.

Datierungstechnisch eine Punktlandung

Was damals schriftliche Unterlagen zu einem Gerichtsverfahren hat entstehen lassen, das ist für heutige Historiker ein Glücksfall. Weil wir nämlich sonst nicht fast aufs Jahr genau sagen könnten, wann das Hochadeligen-Konsortium, bestehend aus den Freiherren von Kaiserstuhl (mit Sitz auf dem heutigen Schloss Röteln am Nordufer, Gde. Hohentengen am Hochrhein) und der mit ihnen verwandten Freiherren von Wart und eben den Regensbergern, sich angeschickt hat, die auffällige Dreiecksform der Umfassungsmauer des Städtchens an die Rheinhalde bauen zu lassen. Sonst wäre es wie beim Kaiserstuhler Rheinübergang, von dem wir nicht so genau wissen, wann dort die erste Brücke errichtet worden ist.

Fazit: Manchmal sind dreiste Abzocker in Führungspositionen und ein daraus entstehendes Gerichtsverfahren nach Jahrhunderten doch noch ganz nützlich. Hätte der Herr Adelige nämlich reumütig und auf erste Aufforderung die zu Unrecht kassierten Einkünfte dem Kloster übergeben lassen, dann wäre spätestens nach ein paar Jahrzehnten Gras über die Sache gewachsen. Hat er nicht. Und deshalb sind die Prozessunterlagen sorgfältig aufbewahrt worden, falls wieder einer auf die Idee komme, diese Masche durchziehen zu wollen.

Kaiserstuhl belastet die natürlichen Ressourcen

Für die Weiacher war diese Gründung nicht unbedingt ein Glücksfall. Für sie bedeutete die Entscheidung der Adelsfamilien, mit dem Bau von Kaiserstuhl den Versuch zu wagen, die Handelsströme dort durchzuleiten, nämlich, dass sie nun ihre Weidegebiete nördlich des Dorfes und im Hasli mit den Kaiserstuhlern teilen mussten. Das mag Mitte des 13. Jahrhunderts noch kein Problem gewesen sein. Spätestens im 16. Jahrhundert war es aber durch den Bevölkerungsdruck eines geworden.

Das Kalkül der Adeligen war nämlich nicht aufgegangen. Bereits 1267 gerieten die Regensberger in einen erbitterten Kleinkrieg (sog. Regensbergerfehde) mit der Stadt Zürich und ihrem Verbündeten, dem Grafen Rudolf von Habsburg, denen diese Städtegründungen überhaupt nicht gefielen. Von diesem Kampf erholten sich die Regensberger nie mehr. Und auch ihre Allianzpartner (die von Kaiserstuhl und von Wart) mussten die Segel streichen und ihre Besitztümer verscherbeln. 

So ging Weiach 1295 an den Fürstbischof von Konstanz, der damals gerade seine Territorialherrschaft ausbaute. Damit fungierte Kaiserstuhl zwar zwischen 1294 und 1798 als lokales Verwaltungszentrum. Doch aus dem von den Gründern erhofften grossen Reibach dank Handelsverkehrsaufkommen wurde nichts. Was letztlich der Grund dafür ist, dass die Kaiserstuhler – von wenigen Ausnahmen abgesehen – nur dank einer Erwerbskombination aus Handwerk und Kleinlandwirtschaft überleben konnten. Und die ging zu Lasten der Fisibacher, Hohentengemer und Weiacher (vgl. den Weidgangsstreit von 1594, AU XIII Nr. 287; WeiachBlog Nr. 1353, Stand 2019).

Freitag, 15. September 2023

Hauchdünne Mehrheit für «Zukunft8187»!

Fast drei Monate hat das Warten gedauert. Gestern um 14:26 hatte es ein Ende. Zu diesem Zeitpunkt teilte die Gemeinderatskanzlei auf der Website das seit Wochen geheim gehaltene Resultat mit. Der Gemeinderat schreibt dazu:

«Die Abstimmungsergebnisse zu den zwei Kreditvorlagen Gemeindeinfrastruktur-Bauprojekt «Zukunft8187» durften aufgrund einer Anordnung durch den Bezirksrat Dielsdorf vom 6. Juni 2023 bisher nicht publiziert werden.

Aufgrund der Verfügung vom 14. September 2023 des Verwaltungsgerichts Zürich wird der Gemeinderat Weiach nun angewiesen, das Ergebnis der Urnenabstimmung umgehend amtlich zu publizieren.»

Kommentar WeiachBlog

Diese Resultate schlagen ein wie eine Bombe. Einerseits haben die Behörden und die auf ihrer Seite stehenden Lobbyorganisationen (Eusi Schuel, Familienverein, Turnverein, etc.) einen Sieg erzielt. Allerdings einen sehr knappen. Die Ja-Seite zählt nur 11 Stimmen mehr als die Nein-Minderheit. Und das bei fünf Stimmenthaltungen (leere Stimmzettel) und einer für Weiach ungewöhnlich hohen Stimmbeteiligung von über 55 %. Die Vorlage hatte also eine ziemlich grosse Mobilisierungswirkung, die die Zahl der sonst Abstimmenden glatt verdoppelt hat.

Andererseits ist da die trotz der 2xJa-Kampagnen-Walze eindeutig auf die andere Seite gekippte Zusatzvorlage über den Bau einer Tiefgarage. Rund 55 % Nein sind ein deutliches Zeichen, dass es bei einer anderen Paketbildung (z.B. der Integration der Garage in die Hauptvorlage) möglicherweise nicht für ein Ja zur Hauptvorlage gereicht hätte.

Spannende Ausgangslage vor Gericht

Bei dieser Ausgangslage wird es nun noch interessanter zu verfolgen, welches Vorgehen das Verwaltungsgericht des Kantons Zürich in Sachen Beschwerde gegen den Beleuchtenden Bericht wählt und wie es mit der alles entscheidenden Frage umgeht: 

Handelt es sich bloss um Ungenauigkeiten (wie es der Bezirksrat sieht) und kann damit davon ausgegangen werden, dass keine unzulässige Beeinflussung der Stimmberechtigten vorliegt?

Oder sind in dieser für den Stimmbürger als allein massgebend erachteten Unterlage tatsächlich Unwahrheiten enthalten (wie der Rekurrent moniert)? 

Sollte letzteres der Fall ein, dann müsste man angesichts dieses hauchdünnen Resultats und des hohen Briefwahlanteils (fast 90 %) die Frage stellen, ob die Abstimmung nicht wiederholt werden muss. Und zwar nach Korrektur der zu beanstandenden Teile des Beleuchtenden Berichts.

Dienstag, 12. September 2023

Projekt Hofwies vor 50 Jahren regierungsrätlich genehmigt

Es ist schon ein seltsamer Zufall. Heute Abend hat der Gemeinderat eine Medienmitteilung zum Weiterzug des Bezirksratsentscheids in der Causa «Zukunft 8187» herausgegeben (vgl. Stimmrechtsbeschwerde gegen die Urnenabstimmung vom 18. Juni 2023 geht in die nächste Runde).

Ebenfalls heute, aber vor exakt 50 Jahren, hat der Regierungsrat sein Placet zum Schulhausneubau Hofwies gegeben: just demjenigen Bauprojekt, um dessen weiteres Schicksal sich der aktuelle, nun seit über drei Jahren schwelende Schulraumkonflikt im Kern dreht: Abriss oder Sanierung?

«Eine Kostensenkung ... ist jedoch anzustreben»

Und weil sich doch viele der (freiwilligen und unfreiwilligen!) Leserinnen und Leser des WeiachBlog für diese Infrastrukturfrage interessieren, so darf hier auch der volle Wortlaut des damaligen Beschlusses RRB 1973/4557 wiedergegeben werden:

«Die Primarschulpflege Weiach ersucht um Genehmigung des Projekts und um Zusicherung eines Staatsbeitrags für die Erweiterung der Schulanlage Weiach. Anlässlich der Genehmigung des entsprechenden Raumprogramms wurde der Schulpflege nahegelegt, das Bauvolumen im Hinblick auf die finanziellen Auswirkungen herabzusetzen und auf das Notwendigste zu beschränken.

Es ist daher vorgesehen, die Schulschwimmanlage unter der Turnhalle samt Nebenräumen sowie einige weitere Räume einstweilen nur im Rohbau zu erstellen. Das Raumprogramm für den Schulteil ist um ein Klassenzimmer, Sammlungs-, Material- und Abstellräume, einen Aussengeräteraum und eine Pausenhalle ergänzt worden. Die Aussenanlagen werden erweitert. Den Abweichungen vom genehmigten Raumprogramm kann zugestimmt werden.

Zum Projekt ist zu bemerken, dass der Einfügung ins Orts- und Landschaftsbild Rechnung getragen und bei den Aussenanlagen die besonderen nachbarlichen Verhältnisse berücksichtigt wurden. Der Anteil der Verkehrsfläche ist nicht zu beanstanden. Der Genehmigung steht nichts im Weg.

Die Kosten sind einschliesslich Landerwerb, im Rohbau belassene Gebäudeteile und Umgebungsarbeiten auf Fr. 5 093 792 veranschlagt. Die zusätzlichen Aufwendungen der Politischen Gemeinde für das Feuerwehrlokal, die Militärunterkunft, Zivilschutzeinbauten und eine Bühne belaufen sich auf Fr. 1 250 100. Die hohen Gesamtkosten sind im wesentlichen auf die erwähnten Anpassungen an die Umgebung, die Vorleistungen für spätere Bauetappen sowie die teilweise aufwendige Fassadengestaltung zurückzuführen. Sie werden als tragbar für die Gemeinde beurteilt.

Eine Kostensenkung ohne Beeinträchtigung der Qualität ist jedoch anzustreben.

Die subventionsberechtigten Gebäudekosten können bei 13 1/4 anrechenbaren Raumeinheiten auf Fr. 2 385 000 festgesetzt werden. Die weiteren beitragsberechtigten Kosten sind unter Berücksichtigung der §§ 29 und 30 der Verordnung zum Schulleistungsgesetz zu bestimmen, wenn die Bauabrechnung vorliegt.

Nicht aus Schulbaukrediten subventionsberechtigt sind die Mehrgrössen einzelner Räume, die im Rohbau belassenen Bauteile, schulfremden Zwecken dienende Anlagen und Einrichtungen, deren Kosten zum grössten Teil zu Lasten der Politischen Gemeinde gehen, ferner Mehrkosten einer aufwendigen gegenüber einer einfacheren Ausführung und Arbeiten ausserhalb des Schulareals. Für Platz- und Laufbahnbeläge samt Unterlage werden Fr. 55 pro m2 als beitragsberechtigt anerkannt.

Auf Antrag der Direktion des Erziehungswesens

beschliesst der Regierungsrat:

I. Das Projekt der Primarschulpflege Weiach über die Erweiterung der Schulanlage Weiach um im wesentlichen vier Klassenzimmer und eine Turnhalle im approximativen Kostenbetrag für den Schulteil von Fr. 5 093 792 wird genehmigt.

II. Ein Staatsbeitrag an die subventionsberechtigten Kosten wird zugesichert. Seine Höhe richtet sich nach den im Zeitpunkt der Subventionierung geltenden Bestimmungen. Die subventionsberechtigten Gebäudekosten werden auf Fr. 2 385 000 festgesetzt.

III. Bei der Durchführung des Bauvorhabens ist die Wegleitung für Schulbauten vom 14. Juni 1968 zu beachten.

IV. Mitteilung an die Primarschulpflege Weiach, die Bezirksschulpflege Dielsdorf, den kantonalen Turnexperten, R. Bühler, Stadel, sowie an die Direktionen des Innern, der Volkswirtschaft, der öffentlichen Bauten und des Erziehungswesens.»

Regierungsrätlicher Mahnfinger. Ein Kommentar. [Nachtrag 14.9./15.9.]

Nach einigen Tagen online sei hier dem Beitrag doch noch eine Bemerkung nachgereicht. Wie oben per Zwischentitel redaktionell hervorgehoben, hat die Zürcher Verwaltung hier offensichtlich versucht, mässigend auf die aus deren Sicht überbordenden Bauplanungen der Weiacherinnen und Weiacher einzuwirken. 

Da die Oberstufenschulgemeinde ihr 1964 durch die Stimmberechtigten bewilligtes Bauprojekt selbstverständlich auch dem Kanton vorlegen musste, hatte man an zuständiger Stelle ja mitbekommen, dass es nahe Schüpfheim bei Stadel (also nicht allzu weit entfernt) seit 1966 bereits eine solche Schulschwimmanlage gab. 

Dem Schulschwimmanlagen-Diktat entkommen?

Dass die Weiacher ihr eigenes Hallenschwimmbad geplant haben, das war aber wohl nicht ihre eigene Idee. Also auch kein Versuch, sozusagen mit den Stadlern gleichzuziehen, wie man annehmen könnte.

Die im Beschlussdispositiv Ziff. III erwähnte Wegleitung für Schulbauten von 1968 dürfte im Raumprogramm für Schulhäuser eine sogenannte Schulschwimmanlage fix vorgesehen haben. Denn eine solche kommt in den Regierungsratsbeschlüssen zu Raumprogrammen von Schulhausprojekten ab diesem Jahr auffällig gehäuft vor.

Selbst eine so kleine Gemeinde wie Hüntwangen (im Rafzerfeld, und von der damaligen Einwohnerzahl her mit uns vergleichbar) hatte eine solche 1971 im Raumprogramm (vgl. StAZH MM 3.132 RRB 1971/4597) und offenbar auch fertiggestellt. Ein ähnliches Phänomen ist 1973 bei der Gemeinde Marthalen festzustellen (im Weinland gelegen, damals ca. doppelt so viele Einwohner wie Weiach; vgl. StAZH MM 3.137 RRB 1973/0227). Die Schwimmbecken werden in den RRB überdies auffallend häufig mit den Standardmassen 8 x 16.66 m aufgeführt. Es sieht also ganz danach aus, als ob Weiach um eine zu dieser Zeit gerade in Mode stehende neue Anforderung der Erziehungsdirektion herumgekommen ist.

Kritisiert wurde durch die Experten, die den Regierungsratsbeschluss vorbereitet haben, auch die «teilweise aufwendige Fassadengestaltung». Ob das letztlich zu einer Projektüberarbeitung geführt hat, wäre noch abzuklären.

Die Geschichte dieser Bauetappe der Weiacher Schulanlage muss noch anhand der Akten im Archiv der Primarschulgemeinde sowie allfälliger im Staatsarchiv gelandeter Bestände der Bildungsdirektion en détail aufgearbeitet werden.

Quellen und Literatur

Sonntag, 10. September 2023

Die grössten Parzellen sind die Gemeindewaldungen

Die kleinsten Parzellen gehören der Gemeinde (warum das so ist, wird in WeiachBlog Nr. 1301 erklärt). Dasselbe gilt aber auch für die grössten Grundstücke. Auch sie sind Gemeindeeigentum. Die mit Abstand grösste Weiacher Parzelle ist die hier:



BFS-Nr 102 [d.h. Weiach]
Nummer 1144
EGRIS_EGRID CH942176778732
Fläche
[m²] 832211

So steht es im GIS des Kantons Zürich. Das sind dann also 0.832 km² oder 8.69 % der gesamten Gemeindefläche von 9'577'697 m² (Stand 2016, vgl. WeiachBlog Nr. 1286). Auch mit vereinten Quadratmetern können die Nummern 2 und 3 dieser geballten Grösse nichts entgegenhalten. 

Der eckige Wald im «Under Hard» ...

Auf Platz 2 liegt die Parzelle 607 mit dem Hardwald, 330'690 m², südlich begrenzt durch die Bahnlinie, westlich durch das Kieswerk-Areal, östlich durch die Grenze zu Glattfelden und nördlich durch die Rheinuferparzelle des Kantons. Als Enklave innerhalb der Parzelle 607 findet man übrigens das Mini-Grundstück Nr. 604 (183 m²), das den Perimeter der Römer-Warte auf dem sog. Verfluchten Platz umschliesst (vgl. Weiacher Geschichte(n) Nr. 108, PDF, 957 KB) und seit 1968 im Eigentum des Kantons Zürich steht.


... und ein Fantasietier am Haggenberg?

Auf Platz 3 liegt die Parzelle 947 an der höchsten Lage die Weiach zu bieten hat (vgl. WeiachBlog Nr. 1592) zwischen Müliboden und Haggenberg. Die 324'902 m² verteilen sich auf eine sehr spezielle Form. Das Grundstück sieht fast aus wie ein Tier, das an der Gemeindegrenze zu Bachs und Stadel sitzt.


Zusammen belegen die beiden grössten Parzellen 12.15% der gesamten Gemeindefläche, die drei grössten bringen es vereint auf 15.53 %.

Literatur

Freitag, 8. September 2023

Der Weiacher Gemeinderat hat weiterhin nur fünf Mitglieder

Wer den Zürcher Staatskalender 2023/2024 zur Hand nimmt (oder elektronisch drin blättert), der findet dort auch eine halbe Seite über Weiach. In der aktuellen, gerade erschienenen Ausgabe auf der Seite 571. Oben Weiach, unten Weiningen.

Was man da lernt? Nun, auch wenn Sie geglaubt haben, Weiach habe jetzt sechs Mitglieder im Gemeinderat (vier Männer und zwei Frauen), dann werden Sie hier eines Besseren belehrt. Es sind nur fünf:

Wer fehlt? Antwort: Die Schulpräsidentin, Frau Dania Peter. Nicht im Gemeinderat. Sagt der Kanton. Der gleiche Kanton, dessen Regierung am 2. Februar 2022 unsere kommunale Verfassung, die Gemeindeordnung GO Weiach 2022 genehmigt hat.

Die Gemeindeordnung ist klar und deutlich

Dort drin wird über den Gemeinderat in Art. 21 Abs. 1 zur Zusammensetzung bestimmt:

«Der Gemeinderat besteht mit Einschluss der Präsidentin bzw. des Präsidenten aus sechs Mitgliedern. Darin eingeschlossen ist die Präsidentin bzw. der Präsident der Schulpflege.»

Und über die «Schulpflege als eigenständige Kommission» in Art. 27 Abs. 2:

«Die Schulpräsidentin bzw. der Schulpräsident ist von Amts wegen Mitglied des Gemeinderats.»

Also doch. Sechs Mitglieder. Wieso sind dann oben nur fünf aufgeführt? Wer hat da nicht aufgepasst?

Irrtum Staatskanzlei...?

Auf der entsprechenden Ansprechpartnerseite Gemeinderat der Gemeindewebsite sind die Ratsmitglieder nach Rang und Anciennität aufgeführt: Arnold, Brüngger, Wunderlin, Petitpierre, Galimberti-Vogel, Peter. Gefolgt vom Gemeindeschreiber Diethelm.

Wer dort flüchtig hinschaut, erkennt nur, dass die ersten fünf Personen sowohl eine Funktion wie auch ein Aufgabenportfolio zugewiesen haben. Die letzten beiden, Dania Peter und Thomas Diethelm, jedoch lediglich eine Funktion. Und keine Aufgaben.

Hat man sich also bei der Staatskanzlei beim Zusammenziehen der aktuellen Daten geirrt?

... Irrtum Gemeindeverwaltung!

Nein, sagt die Staatskanzlei des Kantons Zürich auf Anfrage von WeiachBlog. Sie hätten nicht die Aufgabe, diese Daten à jour zu halten. Verständlich. Bei mittlerweile noch 160 Gemeinden wäre das eine ziemliche Rechercheleistung. Zumal die entsprechenden Websites in keiner Art und Weise normiert sind, sodass man die gesuchten Informationen nicht immer auf die gleiche Weise fände.

Die Gemeinden erhalten deshalb jährlich einen Probe-Abzug (sogenanntes Gut-zum-Druck), mit der Aufforderung, den Inhalt wo nötig zu korrigieren und der Redaktion des Staatskalenders einzusenden.

Und so ergibt es sich, dass man offenbar auf unserer Gemeindeverwaltung entweder nicht wirklich exakt arbeitet oder schlicht zu wenig Ahnung vom Inhalt der Gemeindeordnung hat. 

Der Fehler mit lediglich fünf Mitgliedern des Gemeinderates findet sich nämlich bereits in der Ausgabe 2022/2023 desselben Staatskalenders. Dort einfach noch mit dem Namen des damals verantwortlichen Gemeindeschreibers ad interim (von der Firma inoversum). Wie oben ersichtlich steht im aktuellen Kalender der Name des amtierenden Gemeindeschreibers Diethelm. Den hat man also korrigiert. Nur die zweite Gemeinderätin fehlt weiterhin.

Chefsache Gut-zum-Druck

Um solche Peinlichkeiten künftig zu vermeiden bleibt dem Verwaltungschef wohl keine andere Abhilfe als diese Korrektur selber in die Hand zu nehmen. Mindestens für die Ausgabe 2024/2025. 

Vorher wird das nämlich nicht korrigiert. Sagt die Staatskanzlei. Bis im September 2024 hat die Gemeinde Weiach nicht sechs, sondern staatskalenderoffiziell nur fünf Gemeinderatsmitglieder. Sorry, Frau Peter!

Sämi Meier 32 Tage ungenehmigt Gemeinderat

Nun, Frau Peter steht lediglich nicht im Staatskalender. Ist aber rechtsgültig als Gemeinderätin gewählt. Anders sah das bei ihrem Vorgänger Meier während der ersten Tage des Jahres 2022 aus. 

Wie man in den Übergangs- und Schlussbestimmungen lesen kann (Art. 46 Inkrafttreten) erlangte die Gemeindeordnung eigentlich erst nach Genehmigung durch die Zürcher Regierung ihre volle Rechtskraft:

«Diese Gemeindeordnung tritt nach ihrer Annahme durch die Stimmberechtigten an der Urnenabstimmung und nach der Genehmigung durch den Regierungsrat am 1. Januar 2022 in Kraft.

Der 1. Januar war die Planung. Die Realität sieht anders aus. Weiter unten auf derselben Seite steht nämlich explizit: «Vom Regierungsrat des Kantons Zürich am 2. Februar 2022 genehmigt.» Fazit: der Gemeinderat Weiach hat erst seit dem 2. Februar 2022 offiziell sechs Mitglieder.

Quelle

  • Kanton Zürich. Staatskalender 2023/2024. Herausgegeben von der Staatskanzlei des Kantons Zürich, 8090 Zürich. Stand Juli 2023; Publikationsdatum September 2023. Auflage: 1800 Exemplare (PDF | 670 Seiten | Deutsch | 9 MB).

Donnerstag, 7. September 2023

Causa «Zukunft 8187» ans Verwaltungsgericht weitergezogen

«Bald erfährt Weiach das Abstimmungsresultat vom 18. Juni», titelte der Zürcher Unterländer am 1. September. Womöglich muss ZU-Journalist Abazi nun aber die Definition von «bald» ausweiten.

Abazis Artikel war eine Reaktion auf eine Medienmitteilung, die der Gemeinderat Weiach am 30. August versandt hat (s. Quellen unten). Inhalt: der Entscheid des Bezirksrats Dielsdorf über den Stimmrechtsrekurs zur Vorlage «Zukunft 8187» vom 28. August.

Wie WeiachBlog nun vom Rekurrenten erfahren hat, ist gestern, 6. September, eine Beschwerde gegen diesen Beschluss per Post an das Verwaltungsgericht des Kantons Zürich abgegangen. 

Wie der Fristenlauf berechnet wird

Damit dürfte die fünftägige Frist ab Zustelldatum eingehalten und die Einsprache fristgereicht eingereicht sein. Denn solche Fristen werden in der Regel so bemessen, dass sie ab dem Tag laufen, der auf den Zustelltag folgt (vgl. Website des Verwaltungsgerichts des Kantons Zürich und § 22 Abs. 2 VRG). 

Im Fall des Rekurrenten hat er den Bescheid des Bezirksrats am 1. September abgeholt. Die Frist begann also am 2. September und nach Strübis Rächnigsbüechli endet sie am 6. September. Sie gilt als eingehalten, wenn die Eingabe am letzten Tag der Frist nachweislich der Schweizerischen Post übergeben wurde.

Das Resultat bleibt vorerst weiterhin geheim

Es könnte also noch etliche Wochen bis Monate dauern, bis das Verwaltungsgericht sich mit der Angelegenheit in ausreichendem Masse befasst hat, um entscheiden zu können, ob es die vorsorgliche Massnahme des Bezirksratspräsidenten kippt oder nicht. 

Diese Massnahme, die angeordnete Geheimhaltung des Abstimmungsresultats, gilt nun nämlich weiterhin, wie dem Beschluss des Bezirksrats vom 28. August zu entnehmen ist:

«Der Rekursgegner [d. h. die Gemeinde Weiach] wird angewiesen, das Abstimmungsergebnis vom 18. Juni 2023 nach Rechtskraft dieses Entscheids mit Rechtsmittelbelehrung zu publizieren. Die Stimmzettel sind weiterhin versiegelt zu behalten.» (Beschluss BezR, S. 33, Ziff. II des Beschlussdispositivs)

Denn rechtskräftig wird der Beschluss des Bezirksrats nach der seit gestern eingetretenen Sachlage erst dann, wenn ihn das Verwaltungsgericht in der Hauptsache bestätigt hat. Und der Rekurrent nicht noch ans Bundesgericht appelliert (sofern das überhaupt zulässig ist).

Quellen und Artikel zu den juristischen Auseinandersetzungen

Montag, 4. September 2023

Damals, 1984: Weiacher Steuerfuss in den Top 3

Stand heute (d.h. im Steuerjahr 2023) liegt Weiach mit seinem Gemeindesteuerfuss von 90 % (gerechnet ohne Kirchensteuern) auf Platz 22 der Kantonsrangliste, ex aequo mit Nürensdorf und Horgen (nach Daten des Statistischen Amts des Kantons Zürich).

Verglichen mit der roten Laterne (130 % auf Rang 160), der Gemeinde Maschwanden im Säuliamt, steht Weiach immer noch ziemlich gut da. Jedenfalls jetzt noch. 

Darüber, wie sich das in Zukunft entwickeln soll, bestehen ja bekanntlich höchst unterschiedliche Auffassungen, von alarmistischen, die Weiach als Steuerhölle auf dem Niveau von Bachs, Eglisau oder gar Maschwanden sehen, bis überoptimistischen, die schon wissen wollen, dass sich die Gemeinde vor den Millionen (aus Tiefenlager-Geldern, oder was auch immer) nicht mehr werde retten können.

Steuersenkungen auf breiter Front

Für die katholischen Neuen Zürcher Nachrichten war im Frühjahr 1984 die Rangliste jedenfalls nicht das Topthema. Wohl aber die Senkung, die der Mehrheit der Steuerzahlenden zuteil geworden ist:

«(sda) In 84 oder rund der Hälfte der Zürcher Gemeinden mit insgesamt zwei Dritteln der Wohnbevölkerung des Kantons Zürich ist der Steuerfuss (ohne Kirchensteuer) für 1984 gegenüber dem Vorjahr gesenkt worden. Wie das Statistische Amt des Kantons Zürich am Montag meldete, gehören dazu auch die Stadt Zürich mit einem Einwohneranteil von 32 Prozent sowie Winterthur mit rund 8 Prozent.

In 76 dieser Gemeinden wurde der Steuerfuss um weniger als 5 Prozent der einfachen Staatssteuer gesenkt; in acht Gemeinden zwischen 5 und 23 Prozent. Von höheren Steuerfüssen sind rund 3 Prozent der Kantonsbevölkerung in neun Gemeinden betroffen. In den übrigen 78 Gemeinden wurde der Steuerfuss nicht verändert. Das mit der Anzahl Steuerpflichtiger gewogene Mittel der Steuerfüsse aller Gemeinden ergibt 1984 - immer ohne Berücksichtigung der Kirchensteuer - mit 121,7 Prozent der einfachen Staatssteuer einen um 1,2 Steuerprozent niedrigeren Wert als im Vorjahr. Die Stadt Zürich weist 1984 mit 131 Prozent den höchsten Steuerfuss auf. Die Steuerfüsse der übrigen 170 Gemeinden reichen von 84 bis 127 Prozent. 1979 betrugen noch in 130 Gemeinden mit drei Viertel der kantonalen Wohnbevölkerung die Steuerfüsse 131 bis 155 Steuerprozent. Den tiefsten Steuerfuss findet man neu in Uitikon mit 84 Steuerprozenten, gefolgt von Küsnacht und Weiach mit 85.»

In der Retrospektive war es also so, dass Weiach Mitte der 1980 auf den Radarschirmen der Städter aufgetaucht ist. Als Kiesgüterwagen-Herkunftsort und Steueroase, die im Gegensatz zum sonst für wohlhabende Gemeinden üblichen Muster der Stadt- und Zürichsee-Nähe weiter vom Schuss liegt. Um nicht zu sagen: ein Kaff am A.d.W. darstellt.

Quelle

  • In Uitikon tiefster Steuerfuss. Steuerfuss wurde in 84 Gemeinden gesenkt. In: Neue Zürcher Nachrichten, Nummer 57, 8. März 1984 – S. 3
[Veröffentlicht am 5.9.2023 um 00:10 MESZ]

Sonntag, 3. September 2023

Der Hauspflegeverein Weiach im Herbst 1983

«In den nächsten Tagen», so wurde auf WeiachBlog im März 2010 angekündigt, werde «das eine oder andere Interview» aus der in den noch jungen Mitteilungen für die Gemeinde Weiach publizierten Reihe Unter uns... in elektronischer Form im Blog zur Verfügung gestellt (vgl. WeiachBlog Nr. 784).

Ein dehnbarer Begriff. Denn es sind mittlerweile 4930 Tage ins Land gezogen, bis nun auch das letzte der sechs damals unter «Literatur» aufgeführten Interviews zum Zug kommt: Das mit zwei Vertreterinnen des Hauspflegevereins Weiach. 

Dieser Verein hat in den 1950ern ein Konzept verwirklicht, das später in Stadel ebenfalls zur Gründung eines solchen Vereins geführt hat. Und das sich mittlerweile in der Form der SPITEX-Dienste Stadel-Bachs-Weiach konstituiert. 

Gegründet 1951

Geführt wurde das Interview (wie alle in der Reihe Unter uns...) durch Regula Brandenberger. Der Text in den MGW ist kursiv gestellt, die redaktionellen Ergänzungen des WeiachBlog stehen in eckigen Klammern, soweit es sich nicht um Zwischentitel handelt:

Dieses Mal wird nicht über eine bestimmte Person berichtet, sondern über eine Einrichtung, eine Dienstleistungsstelle: Ueber die Hauspflege.

Seit dem Frühjahr 1983 ist Frau Trudi Werren, Oberdorf, Tel. 858 25 55 die neue Hauspflege-Vermittlerin.

Rotraut «Trudi» Werren-Ulbing (27.11.1930-1.1.2023)
(Bildquelle: MGW, November 1983, S. 19)

Da dieses Amt für Frau T. Werren noch relativ neu ist, haben wir Frau Rösli Baumgartner gebeten, bei diesem Gespräch mitzuhelfen.  

[Rosa Baumgartner-Thut, *1932, war eine der ersten Hauspflegerinnen, vgl. WeiachBlog Nr. 185] 

R.B. - Seit wann gibt es in Weiach eine Hauspflege?

T.W. - Seit 1951.

R.B. - Wer hat diese Hauspflege gegründet?

Frau Pfarrer Hauser, mit Hilfe des Frauenvereins. 

[Gertrud Hauser-Pestalozzi, Ehefrau des damaligen Weiacher Pfarrers, Präsidentin des Frauenvereins Weiach 1947-1956, vgl. Weiacher Geschichte(n) Nr. 59 sowie WeiachBlog Nr. 219]

R.B. - Ist dieser Hauspflegeverein nach eigenen Ideen und Bedürfnissen entstanden, oder liegt ihm ein Modell einer andern Gemeinde zugrunde?

T.W. - Unser Hauspflegeverein ist weitgehend selbständig, nach eigenen Ideen entstanden; auch finanziell haben wir bei Null begonnen und die Anfänge finanziert mit Bazarerträgen.

R.B. - Ist der Verein immer noch gleich organisiert wie vor gut 30 Jahren?

T.W. - Ja, nämlich: 1 Präsident, 1 Aktuar, 1 Kassier, 1 Beisitzerin, 1 Vermittlerin. Seit der Krankenpflegedienst angegliedert ist, wurde die die [sic!] Beisitzerin ersetzt durch eine 2. Kassierin.

Ohne Moos, nix los

R.B. - Wie kommt der Hauspflegeverein zu den nötigen Finanzen?

T.W. - Am Anfang standen nur die Mitgliederbeiträge und Pflegetaxen und die Bazargelder zur Verfügung; heute setzt sich das Betriebskapital zusammen aus:

- Staatsbeitrag (richtet sich nach dem Gemeindesteuerfuss)
- Gemeindebeitrag (Defizitgarantie seit 1980)
- Armenpflegebeitrag
- Pflegetaxen
- Mitgliederbeiträge
- Spenden

R.B. - Haben sich diese Beiträge sehr erhöht seit früher?

T.W. - Früher, also in den 50er-Jahren, war der Mitgliederbeitrag Fr. 5.-, heute ist er Fr. 15.-; Bei Engpässen liess sich immer ein Kompromiss finden, z.B. mit der Hilfshauspflege.  

[Man kann da nach wie vor Mitglied werden. Aktueller Mitgliederbeitrag gemäss Website der Spitex Stadel-Bachs-Weiach: CHF 40 für Einzelpersonen und Familien. Inflationsbereinigt nach dem Historischen Lohnindex HLI von swistoval.ch ist der Mitgliederbeitrag also im Vergleich zur Gründungszeit nicht gestiegen]

Anforderungen an die Pflegerin

R.B. - Wie kann ein Arbeitstag einer Hauspflegerin aussehen?

T.W. - Ueber kürzere oder auch längere Zeit
- Ganztagesstelle,
- Halbtagsstelle;
- stundenweise (Hilfshauspflege); letzteres entweder bei: Arbeitsüberlastung, oder auch Mangel an grösseren Einsätzen.

R.B. - Wie steht es mit der Ausbildung der Hauspflegerin?

T.W. - Früher hatte die Hauspflegerin keine spezielle Ausbildung; die praktische Erfahrung wurde ergänzt durch Fachkurse. Heute gibt es Hauspflegerinnenschulen, die allerdings vom Staat noch nicht anerkannt werden.

Wichtigste Voraussetzungen, in beiden Fällen: 
- Freude und Erfahrung im Haushalten (Beweglichkeit!)
- Begabung im Umgang mit Gesunden und Kranken
- Verschwiegenheit

Trennung von den Aargauern erzwang Neuausrichtung

R.B. - Welchen Wunsch soll ich anbringen aus der Sicht der Vermittlerin oder der Vertreterin des Vorstandes?

T.W. - Wir möchten unsere Hauspflege in unserem Dorf sehr gerne vermitteln; man braucht nicht schwer krank zu sein, um sie zu beanspruchen! Sie kann auch einmal als Aushilfe einspringen; da Fisibach und Kaiserstuhl seit 1983 einen [sic!] eigenen Regionalkreis angeschlossen sind, ist das Arbeitsgebiet unserer Hauspflegerin sehr zusammengeschrumpft!

[Die kantonsgrenzenübergreifende Zusammenarbeit hatte die Auslastung der Weiacher Hauspflegerin signifikant verbessert, was nach deren Wegfall eine Neuausrichtung unumgänglich gemacht hat.]

Unsere Zusammenarbeit mit Stadel war seit jeher gut und erfreulich; wenn wir die Hauspflege mehr beanspruchen würden, wäre das nicht zu Ungunsten der Stadler, sondern zur besseren Auslastung dieses Vollamtes. 

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Anschliessend zur Erinnerung beide Adressen:

Vermittlerin: Frau Trudi Werren, Oberdorf, Weiach [Tel-Nr. wie oben]
Hauspflegerin: Frl. Maja Bührer, Stäglistr. 14, Stadel [keine Tel-Nr. angegeben]

Weiach, 25. Okt. 1983  R. Brandenberger 

Hinweis: Zu beachten ist, dass vor den Antworten im Original das Kürzel T.W./R.B. steht, getreu dem Umstand, dass die Antwort in vielen Fällen von Rösli Baumgartner gegeben worden sein dürfte. Da aber die Initialen der Interviewerin zufälligerweise gleich sind wie diejenigen von einer der Interviewten, sind diese vorstehend zur Vermeidung von Verwirrung weggelassen worden.

Quelle und Literatur

  • Brandenberger, R.: Unter uns... Hauspflege. In: Mitteilungen für die Gemeinde Weiach, November 1983 – S. 19-20.
  • Brandenberger, U.:  Unter uns... Dörfliche Amtsträger im Interview. WeiachBlog Nr. 784 v. 5. März 2010.

Samstag, 2. September 2023

Zähneknirschendes «Ja, aber...» zu NAGRA-Bohrgesuch

«1978 verschärfte ein Bundesbeschluss die Vorschriften des Atomgesetzes über die Entsorgung der radioaktiven Abfälle, ein Problem, an dem die 1972 gegründete Nationale Genossenschaft für die Lagerung radioaktiver Abfälle (Nagra) arbeitet, das aber ungelöst blieb», schreibt Peter Hug im Historischen Lexikon der Schweiz. 

Dreistellige Millionenbeträge hat die Nagra auf der Suche nach Standorten schon verbraten und verkauft sich und ihr Tiefenlagerprojekt Nördlich Lägern nun mit dem Argument Gotthardbasistunnel. Der zeige ja, dass die Schweiz Grossprojekte könne. Bauen. Ja. Aber betreiben? Da gibt es dann doch einige Sicherheitsprobleme, die nicht genügend adressiert wurden. Kerntechnische Abfälle sind allerdings eine ganz andere Hausnummer als ein entgleister Güterzug.

Konsultativabstimmung: 98% Nein zu Probebohrung

Schon damals schlug der Nagra grösstes Misstrauen entgegen, als sie das Ansinnen bekanntgab, auf Weiacher Gebiet eine Probebohrung abteufen zu wollen. Und der Gemeinderat sah das als Auftrag, bei der Bewilligungsfrage sehr genau hinzuschauen, wie man der NZZ vom 19. Februar 1982 entnehmen kann:

«(sda) Der Gemeinderat von Weiach wird dem Gesuch der Nagra für Probebohrungen entsprechen, allerdings unter ganz bestimmten Bedingungen. Da sich in der Gemeinde ein grösseres Grundwasserschutzgebiet befindet, soll dieser Frage besondere Bedeutung beigemessen werden, betonte Gemeindepräsident Ernst Baumgartner. Aber auch hinsichtlich Verkehrsregelung, Sicherheit und Ordnung, wofür der Kanton zuständig ist, will Weiach entsprechende Zusicherungen. Vorerst wartet man jedoch die genau formulierten Bedingungen des Bundes, unter welchen die Probebohrungen vorgenommen werden sollen, ab. Weiach war auf das Ende 1980 eingereichte Bohrgesuch der Nagra vorerst nicht eingetreten, da die Standortbewilligung des Bundes noch nicht vorlag. In einer Konsultativabstimmung hatten die Einwohner von Weiach sich mit 104:2 Stimmen gegen die Probebohrungen ausgesprochen.»

Diese Abstimmung fand – laut der Schweizer Kernenergiechronik – am 17. September 1980 statt. Unter Ermst Baumgartner-Brennwald, einem Präsidenten mit dem Finger am Puls der Bevölkerung.

Viereinhalb Jahrzehnte sind seither vergangen. Und der Kontrast in der Art und Weise wie seitens des Gemeinderates heute mit der Frontorganisation Nagra umgegangen wird, könnte nicht grösser sein.

Wie gross ist die Zustimmung zum Tiefenlager wirklich?

Heute, unter Stefan Arnold-Wäckerlin, ist weit und breit keine Spur von einer solchen Abstimmung zu sehen. Im Gegenteil: Da ist Weiach gar der GMF Europe, einer europäischen Vereinigung von Gemeinden mit Atomanlagen beigetreten, obwohl auf unserem Gemeindegebiet nichts dergleichen geplant ist (die Oberflächenanlage NL-6 kommt jetzt ja im Gebiet von Windlach beim Haberstal zu stehen). Und auch zu diesem Beitritt hatten die Weiacher Stimmbürger rein gar nichts zu sagen.

Die Stadler Gemeindeoberen machen immerhin eine Bevölkerungsumfrage. Die Ergebnisse lassen erahnen, dass die vom Weiacher Gemeindepräsidenten Arnold in einem PR-Video der Nagra als quasi gegeben hingestellte, sozusagen kollektive Bereitschaft der Weiacher, Verantwortung zu übernehmen, längst nicht von allen Hiesigen geteilt werden dürfte. 

Quellen und Literatur

  • Weiach und die Nagra-Probebohrungen. Bewilligung mit gewissen Auflagen. In: Neue Zürcher Zeitung, Nummer 41, 19. Februar 1982 – S. 52
  • Peter Hug, P.: Atomenergie. In: Historisches Lexikon der Schweiz (e-HLS), Version vom 20.04.2011.
  • Gemeinderat Stadel (Hrsg.): Die Bevölkerungsumfrage zeigt: Stadel steht dem Tiefenlager kritisch gegenüber. In: Website stadel.ch, 29. August 2023.

Freitag, 1. September 2023

Unumstrittene Pfarrerwahl und Kampfwahl in die Kirchenpflege

Vor einigen Tagen wurde wieder einmal eine sogenannt «stille Wahl» verkündet. Eine Ersatzwahl in die Rechnungsprüfungskommission. Da sich nur ein Kandidat auf die todesfallbedingte Vakanz gemeldet hatte und sich dieser Umstand auch nach Einberaumung einer Nachfrist nicht änderte, erklärte die Wahlbehörde Dieter Brocks als gewählt (vgl. Amtliche Publikation vom 25. August 2023).

Das kann aber auch anders laufen, wie man der NZZ vom 6. April 1981 entnimmt. Hillmar Höber berichtet über die Wahl des neuen Pfarrers und einen Eklat um die Kirchenpflege. Die erstere musste ohnehin durchgeführt werden, bei der zweiten kam der Sprengkandidat für die Kirchenpflege eher überraschend:

«hhö. Die reformierte Kirchgemeinde Weiach erhält einen neuen Pfarrer. Die Stimmbürgerschaft sanktionierte die Berufungswahl von Thomas Kölliker, zurzeit Pfarrer in Fällanden, mit 166 zu 2 Stimmen. Eine Kampfwahl gab es um den verwaisten Sitz in der Kirchenpflege. Gewählt wurde bei einem absoluten Mehr von 85 Stimmen Hans-Rudolf Meierhofer mit 127 Stimmen, während die offizielle Kandidatin Regula Brandenberger mit 36 Stimmen deutlich auf der Strecke blieb. Die Wahlbeteiligung erreichte 53 Prozent.»

Zur Strecke gebracht?

Der Klassiker, wie ihn Weiach schon mehrfach erlebt hat: Alteingesessener schlägt Neuzuzüger aus dem Feld. Eine ziemlich herbe Niederlage für die Kandidatin, die das aber offenbar gut weggesteckt hat, vor- wie nachher im kulturellen Leben der Gemeinde verschiedene Aufgaben übernahm (Frauenverein, Ortsmuseumskommission, Weiacher Aktions-Gemeinschaft, etc.) und später sogar in die kantonale Kirchensynode gewählt wurde.

Mit Pfarrer Thomas Kölliker (vgl. WeiachBlog Nr. 1513, in dem die Nichtgewählte den Gewählten interviewt) hat Weiach eine sehr gute Wahl getroffen. Er war einer der letzten Pfarrer, den die Weiacher im Gesamtpaket mit seiner Ehefrau Christine als Seelsorger quasi adoptiert haben und wo das Pfarrhaus noch ein offenes Haus war. Diese Art von Offenheit muss einem aber auch gegeben sein, denn die Wechselfälle des Lebens halten sich bekanntermassen weder an Dienstpläne noch an Tageszeiten.

Quelle