Baujahr 1820 plus 1
Was ein Besuch im Gemeindearchiv und die Konsultation schon bestehender Unterlagen ergeben haben, will ich den ortshistorisch Interessierten nicht vorenthalten:
Gemäss Angaben der Gebäudeversicherung des Kantons Zürich (GVZ) wurde das seit den 1990er-Jahren im Gemeindebesitz stehende Baumgartner-Jucker-Haus (Bild:Wikipedia) an der Stadlerstr. 11 mit seinen wesentlichen, tragenden Teilen im Jahre 1820 erbaut (im Bild unten links). Der im gleichen Stil errichtete Speicher an der Büelstrasse 18 gleich daneben folgte im Jahre 1821 (im Bild unten rechts).
Nach der 1812 eingeführten Zählung der damals schon bestehenden kantonalen Brandassecuranz erhielten die neuen Gebäude die Nummern 45A und 45B. Sie wurden ab 1895 auf 75 und 76 umnummeriert und seit 1955 mit den Nr. 246 (Wohnhaus) und 244 (Speicher) versehen. Als Standort wurde 1820 ganz klar «Oberdorf» angegeben (und nicht etwa «Bühl» - das ist das Gebiet vom Friedhof an nach Norden bis zur Hauptstrasse).
Eigentümer: die «untern Amtsrichters»
Man sieht es dem Haus auch heute noch an, dass da keine armen Leute wohnten, sondern jemand mit Grundbesitz und Ansehen.
Das wird denn auch bestätigt, wenn man die Assekuranz-Bücher konsultiert. Dort findet man unter anderem den «Namen des Eigenthümers». In diesem Fall war das um 1834 ein Johannes Baumgartner, näher bezeichnet als «Bez. Rchtr.», d.h. Bezirksrichter.
Es ist gut möglich, dass dieser Zweig der Baumgartner deswegen den Zunamen «untere Amtsrichters» erhalten hat. Denn bis 1830 gehörte Weiach noch zum Oberamt Regensberg - wo ein Amtsgericht tagte. Erst mit den durch den Brand von Uster und die Umwälzungen im Kanton Zürich einhergehenden Reformen wurde daraus der Bezirk Regensberg (ab 1871: Bezirk Dielsdorf).
Die «oberen Amtsrichters» wohnen übrigens heute noch gleich ein Haus die Stadlerstrasse hoch (Stadlerstrasse 13, bzw. offiziell Oberdorfstrasse 2, vgl. Bild). Bis vor kurzem lebte dort auch «Amtsrichters Edi», der u.a. als Wildhüter tätig war (heute im Altersheim in Stadel).
Gebäudebeschreibung im Versicherungsstil
Stadlerstr. 11 (Baumgartner-Jucker-Haus)
Oberdorf. N° 45a (1812); 75 (1895)
Wohnhaus mit Scheune, Stall und (Wagen-)Schopf. Das Haus wurde 1842 als zu 1/6 gemauert und zu 5/6 aus Fachwerk (Riegel) eingeschätzt. Scheune, Stall und Wagenschopf waren zu 1/3 gemauert und zu 2/3 aus Holz erstellt. Das Dach war mit Ziegeln gedeckt.
Das als «freistehend» bezeichnete Haus wurde 1834 mit 3100 Gulden, 1853 nach der Einführung der landesweit einheitlichen Währung mit 7000 Franken bewertet. 1893 stand es mit 15'000 Franken zu Buche (anscheinend nach Bauarbeiten, denn noch 1888 belief sich der «Kadaster-Anschlag» auf lediglich 12'000.-).
1895 wurden 15500 Franken veranschlagt, 1904 waren es 16'200 Franken und nach dem Ersten Weltkrieg teuerungsbedingt bereits 42'200 Franken, 1930 dann 55'000 Franken und 1938 mit 52'000 Franken etwas tiefer. Gebaut wurde aber wohl nur unwesentlich, höchstens einige kleinere Unterhaltsarbeiten. Erst 1949 ist von «Bauten» die Rede, wohl der bei der jüngsten Renovation wieder entfernte nördliche Garagenanbau. Der Wert: 110'000 Franken (Basis 1939: 55'000 Franken). Schon an diesen Steigerungen sieht man, welch enorme Inflation sich durch die Kriegs- und Krisenjahre ergeben hatte.
Als weitere Eigentümer werden genannt:
1853: Joh. Baumgartner, a. Bezirksrichter
1858: Jakob Bamgartner, a. Schulverwalter
1866: Jakob Baumgartner, Schulverwalter
1888: Jb. Baumgartner
1893: Eduard & Albert Baumgartner
1895: Albert Baumgartner
Büelstr. 18 (Speicher)
Oberdorf. N° 45b (1812); 76 (1895)
Als Verwendungszweck dieser kurz nach dem Wohnhaus erstellten Annex-Baute wird angegeben:
1834: «Waschhaus» und «Schütte», bzw. «Schütti», Versicherungssumme: 100 Gulden.
1858: Das Gebäude ist für 350 Franken versichert.
1866: zusätzlich ist noch ein Schweinstall gebaut worden. Die Versicherungssumme steigt auf 400 Franken.
1888: wird das Waschhaus nicht mehr erwähnt, dafür die «Schütti» neu als «Speicher» bezeichnet und der «Schweinstall» als «Schweinstallanbau».
Im selben Jahr scheinen Bauarbeiten erfolgt zu sein, was zu einer Korrektur der Versicherungssumme auf 750 Franken führte. 1895 wird der Wert bereits auf 1300 Franken geschätzt (Schweinstallanbau: 300 Franken)! Da wurde also gebaut.
Auch vor 1920 hatten die Besitzer offenbar in den Speicher investiert, die Versicherungssumme stieg nämlich auf 2800 Franken. 1930 war noch ein Schopfanbau dazugekommen, was den Wert auf 6000 Franken anhob. 1938 war dann schon von «1 Speicher u. 2 Schöpfe mit Schweineställen» die Rede. Und 1949 war das Gebäude mit 12'000 Franken in den Büchern (Basis-Wert 1939: 6000 Franken). Also eine Verdoppelung, die rein kriegsbedingt ist.
Eigentümer waren dieselben wie die der Stadlerstr. 11, ausser im Jahre 1888. Da werden für den Speicher eigentümlicherweise gleich drei Besitzer genannt: Jakob, Eduard und Albert Baumgartner.
Was die Neeracher Jucker damit zu tun haben
Wie kommt es nun zum Namen Baumgartner-Jucker-Haus? Gleich wie beim Weiacher Ortsmuseum, dem sogenannten Liebert-Haus, handelt es sich um den Namen der letzten Eigentümerin. Walter Zollinger notierte in der Chronik auf das Jahr 1958, wie «Tante Ruth» zu ihrem Haus und damit zum Wohnsitz Weiach kam:
«Ende Jahr vernimmt man eben noch, dass das Heimwesen des 62jährigen Jungesellen Albert Baumgartner, untern Amtsrichters, in den Besitz der Geschwister Ruth Baumgartner-Jucker und Schmiedmeister Johann Jucker, Neerach übergegangen sei. Frau Ruth Baumgartner ist die Schwägerin des obgenannten Alb. Baumgartner. Ihr Mann, Ernst Baumgartner geb. 1903, ist bereits 1951 gestorben und nun hatte seine Gattin natürlich erblichen Anteil am Heimwesen.» (G-Ch 1958 - S. 16)
Quellen
- Brandenberger, U.: Gebäudenummernkonkordanz der Gemeinde Weiach: 1812–1895–1955–1992. Elektronisches Spreadsheet, Version 1.0. Weiach, September 2002.
- Zollinger, W.: «Gemeinde Weiach. Chronik des Jahres 1958» Handschriftenabteilung Zentralbibliothek Zürich, Signatur: G-Ch Weiach 1958 – S. 16. unter dem Titel: Bautätigkeit / Handaenderungen
- Assekuranzbücher ab 1834 . Archiv der Politischen Gemeinde Weiach, Signaturen: IV.B.06.01 (1834-1894) und IV.B.06.02 (1895-1949)