Kein Abbau - kein Kiesgeld
Die Weiacher Kies AG, mittlerweile eine Tochter des französischen Baustoffkonzerns Lafarge [Späterer Besitzerwechsel: WeiachBlog, 5.5.2009], ist das einzige Industrieunternehmen auf Gemeindegebiet.
Die Einnahmen aus dem Kiesabbau waren in den vergangenen Jahrzehnten wesentlich für die gute Finanzlage der Politischen Gemeinde Weiach verantwortlich. Dort wo der Abbau erfolgte besitzt die Gemeinde nämlich Land, was die Kubikmeterentschädigungen fliessen liess.
Nun sind aber die Kiesvorkommen im Hard bald restlos ausgebeutet. Die Verlegung der Kantonsstrasse nach Süden bis an den waldbestockten Abhang des Leuenchopfs hat zwar neues Abbaugebiet freigemacht. Doch auch das ist schon zum Grossteil bereits wieder rekultiviert - davon kann man sich bei einem Augenschein leicht selber überzeugen.
Im Hasli die letzten Reserven holen
Schon um 2012 könnte im traditionellen Kiesgebiet die letzte Pneulader-Schaufel auf das Förderband gekippt werden. Kies gibt es unter unseren Füssen zwar schon noch, aber die Wasserschutzvorschriften verbieten einen weiteren Abbau - sei es nun in Richtung Kaiserstuhl oder in Richtung Rheinsfelden.
Geplant ist eine Erweiterung der Abbauaktivitäten ins nordwestlich des Dorfes gelegene Hasli - auf eine Geländeterrasse wenige Meter über der Ebene. Aber auch diese Locherei wird wohl nicht viel länger als bis 2020 anhalten.
Gehen uns finanziell die Lichter aus?
Was kommt, wenn das wichtigste Unternehmen der Gemeinde seine Zelte abbricht? Man täte gut daran, sich zu überlegen, was für Weiach die Cash Cow der nächsten Jahrzehnte werden soll. Sonst bleiben nur noch massive Steuererhöhungen um den Gemeindehaushalt nicht definitiv in die roten Zahlen rutschen zu lassen.
Die Zeiten des regelmässigen Kiesgeldes sind längst vorbei. Weil nicht mehr unter Gemeindeland abgebaut wird, lebt die Gemeinde etwa seit zehn Jahren von der Substanz. Nur will das Stimmvolk dies noch nicht so recht zur Kenntnis nehmen, wie man bei jeder Gemeindeversammlung feststellen kann.
Extrapoliert man in die Zukunft, so bleibt schliesslich mangels Finanzen bald nichts mehr anderes übrig, als sich (vom Kanton via Finanzausgleich gezwungen) mit den Nachbarn zu einem grossen Gemeindegebilde fusionieren zu lassen.
Tiefenlager für radioaktive Abfälle?
Neue lukrative Industrieansiedlungen sind nicht in Sicht. Oder doch? Letzten Donnerstag informierte die Atomabfall-Lobbyistin, die Nationalen Genossenschaft für die Lagerung radioaktiver Abfälle (NAGRA), an der Delegiertenversammlung der Planungsgruppe Zürcher Unterland (PZU) in Winkel.
Es geht um das schon seit Jahrzehnten geplante Lager für hochradioaktive Abfälle. Die sind im ZWILAG, dem Zwischenlager bei Würenlingen, parkiert. Und sollten eigentlich schon längst im Nidwaldner Wellenberg oder sonstwo verstaut sein. Nur will sie eben keiner so wirklich.
Auch in Weiach wurde einst gebohrt. Die Resultate dieser Probebohrung haben sich in Dutzenden von wissenschaftlichen Arbeiten und Publikationen niedergeschlagen, was den Namen der Gemeinde in Verbindung mit dem sogenannten Permokarbontrog in der Geologen-Zunft weltbekannt machte.
Heute haben die Experten vor allem eine Schicht im Auge, die sie für ein Endlager für geeignet halten. Den rund 120 Meter mächtigen Opalinuston, der je nach Gegend in einer Tiefe von 400 bis 900 Metern ansteht.
Und um diese Lagerschicht erschliessen zu dürfen, zieht Armin Murer, Leiter Öffentlichkeitsarbeit, gegenüber den Gemeindevertretern eine besondere Trumpfkarte: «Das Endlager bringt 120 bis 140 Arbeitsplätze.» Und Steuereinnahmen für die Standortgemeinde.
Der Widerstand ist noch in guter Erinnerung
Weiach hat mit der NAGRA schon in der ersten Hälfte der 1980er-Jahre Bekanntschaft gemacht. Damals setzte sie sich mit ihrem Ansinnen durch, eine Probebohrung auf Weiacher Gebiet abzuteufen. Und sie stiess bei vielen Weiachern auf grosse Skepsis. Die meisten waren eher gegen das Projekt eingestellt, weil befürchtet wurde, die Bohrung sei nur der erste Schritt für ein Endlager.
In welche Richtung wollen wir?
Fragt sich, welche Haltung die Weiacher ein Vierteljahrhundert nach den NAGRA-Bohrungen einnehmen werden.
Pro Tiefenlager? Konsequent wäre das, nicht nur weil es Geld bringt. Schliesslich beziehen die Weiacher wie alle anderen Schweizer auch 40 Prozent Atomstrom aus den Steckdosen. Ausserdem hat man hier in Sachen alternative Stromerzeugung oder gar konsequenter Bevorzugung von nachhaltigem Bauen in den letzten Jahrzehnten nicht wirklich grosse Stricke zerrissen. Solarstromanlagen sind dem Gemeinderat jedenfalls weit weniger wichtig als das - wegen der exzessiven Bauerei längst nicht mehr intakte - Dorfbild.
Oder contra Tiefenlager. Eine Anknüpfung an die Zeiten der WAG (Weiacher Aktionsgemeinschaft), einer damals gegen die Probebohrung kämpfenden, atomkritischen Bürgerinitiative, wäre durchaus denkbar.
Nur eben: dann sollte man nicht nur eine Holzschnitzelheizung in der Mehrzweckhalle mit Fernwärmenetz zu den Anschlusswilligen im Dorfkern fördern - sondern noch weit mehr für eine nachhaltige Energieversorgung tun.
Am 6. November wird's spannend
Falls Weiach als Standortgemeinde vorgesehen ist, erhält der Gemeinderat morgen Montag Post aus Bern. Am Donnerstag, 6. November will der Bundesrat dann die Festlegung von «potenziellen Standortregionen» auch gegenüber einer breiten Öffentlichkeit bekanntmachen. Fest steht nur eines: dem Unterland steht ein «atomar angereicherter» Spätherbst bevor.
Quelle
- Schurter, D.: Atomendlager: Dicke Post für Gemeinden. In: Tages-Anzeiger, 1. November 2008 - S. 69 Unterland.