Herausgeber war die Primarschulpflege, die für ihr Dekret den damals wohl als fortschrittlich empfundenen Titel «Jugendordnung» wählte. Der angestrebte Disziplinierungs-Effekt dürfte allerdings ähnlich gewesen sein wie zur Zeit des 1. Weltkriegs. Nur den Kellerarrest und ähnliche Sanktionsmethoden liess man fallen.
Aber lesen Sie selbst:
«1. Diese Jugendordnung ersetzt die sog. Disziplinar-Ordnung vom 20. April 1917. Sie soll den Schülern gebührend in Erinnerung gerufen werden, in der Absicht, eine gewisse Ordnung zu wahren und die dörfliche Sitte in unserer Gemeinde zu pflegen. Sie ist jeweils bei Beginn einer neuen Amtsdauer der Schulpflege den Haushaltungen zuzustellen.
2. Der Jugend wird anständiges und gesittetes Betragen unter sich und gegen Erwachsene zur Pflicht gemacht. Wüstes Reden, Fluchen und grobes Benehmen sind verabscheuungswürdig. Es geziemt sich, die Erwachsenen freundlich zu grüssen und sich älteren Leuten gegenüber respektvoll zu verhalten.
3. Die schulpflichtige Jugend soll sich nach Eintritt der Dunkelheit nicht mehr auf Strassen und Plätzen des Dorfes herumtreiben. Das Abendläuten ist das Zeichen zur sofortigen Heimkehr. Vom Milchholen aus der Hütte müssen die Kinder unverzüglich zurückkehren.
Erläuterung: "Hütte" = Frühere Milchannahme und -verkaufsstelle neben dem VOLG (später Metzgerei)
4. Zum Unterricht haben die Schüler pünktlich und nicht früher als 10 Minuten vor Beginn zu erscheinen, und zwar mit sauberen Händen und gereinigten Schuhen. Die Schüler sind von den Eltern zur Erledigung der Hausaufgaben anzuhalten.
5. Verboten ist der Jugend bis zum 16. Altersjahr:
a) Jegliche Teilnahme bei öffentlichem Tanzanlass.
b) Der Besuch von Wirtschaften ohne Begleitung der Eltern oder anderer Aufsichtspersonen.
c) Aus gesundheitlichen Gründen das Rauchen.
6. Bei Mitwirkung in Vereinen sind die Jugendlichen der Aufsicht des Vereinspräsidenten unterstellt. Er und die Eltern haben dafür besorgt zu sein, dass sich die Minderjährigen nach Beendigung der Proben und nach Durchführung des Programmes bei Vereinsanlässen unverzüglich nach Hause begeben.
7. Die Liebe zu allen Tieren sei den Kindern dringend ans Herz gelegt. Jede Art von Tierquälerei gehört sich nicht. Auch der Pflanzenwelt ist mit Ehrfurcht zu begegnen, und sinnloses Abreissen und Wegwerfen von Blumen soll vermieden werden. Das Abbrennen von Wiesenbördern ist zu unterlassen.
8. Das Lärmen und Herumtreiben auf dem Friedhofe darf nicht geduldet werden.
9. Das Abbrennen von Feuerwerk ist von Gesetzes wegen verboten in der Nähe von Menschen, Tieren und Gebäuden. Alles Hantieren mit offenem Feuer in der Nähe von brennbaren Objekten ist unstatthaft. Die Knallerei am 1. August, insbesondere während der Feier, ist nicht angebracht.
10. Das Betreten und Beschädigen von privatem und öffentlichem Eigentum, das Werfen von Steinen sowie das Sichaneignen von Früchten ist untersagt. Für Schäden, die durch mutwilliges Handeln der Jugendlichen entstehen, sind die Eltern bzw. deren Vertreter haftbar.
11. Die Eltern werden dringend gebeten, ihren Kindern nicht in unvernünftiger Weise Taschengeld zu geben und vor allem über die Verwendung desselben genaue Rechenschaft zu verlangen. Die Jugendlichen sollen vor Verschwendungssucht bewahrt werden und lernen, sorgsam mit Geld umzugehen. Auch vor Schundliteratur gilt es die Jugend zu bewahren, ebenso vor der Sucht nach Schleckereien, welcher im Hinblick auf eine vernünftige Zahnpflege nicht nachgegeben werden darf.
12. Die Kinder sind auf die Verkehrsregeln frühzeitig aufmerksam zu machen. Im übrigen wird auf die bestehenden Gesetze und Verordnungen über den Strassenverkehr verwiesen. Aus diesen ist auch ersichtlich, wie sich die Kinder zu verhalten haben, sobald sie ein Fahrrad benützen.
Weiach, den 14. September 1960
Die Schulpflege.»
Quelle
- Das Original ist zu finden in Zollinger, W.: Gemeinde Weiach. Chronik des Jahres 1960. Weiach, zwischen S. 12 u. 13 (Verfasst im Sommer 1962. Verfügbar in der Handschriftenabteilung der Zentralbibliothek Zürich: Signatur G-Ch Weiach 1960).
- Erstmals publiziert als Weiacher Geschichte(n) 44. «Di hütigi Jugend...!». Von der «Jugendordnung 1960» zur «Just Community»? In: Mitteilungen für die Gemeinde Weiach, Juli 2003, S. 13-16.
- vgl. auch: Weiacher Geschichte(n) 92: Kellerarrest – wenn sonst nichts fruchtet. Die «Disziplinar-Ordnung für die schulpflichtige Jugend» von 1917. (MGW, Juli 2007)
[Veröffentlicht am 3. Oktober 2010]