Samstag, 22. Oktober 2016

Heymathlosigkeit eines unehelichen Knaben

Mit unehelichen Kindern ist das so eine Sache. Meist stellt sich da schnell die Frage, wer bezahlen muss. Denn Kinder sind teuer. Und Alleinerziehende sind in der Regel nicht auf Rosen gebettet. Das war auch vor 200 Jahren nicht anders. Am 22. Oktober 1816 landete die «Heymathlosigkeit des unehelichen Knaben der Elisabetha Hauser von Weyach» sogar auf der Traktandenliste des Regierungsrates in Zürich!

Im Protokoll wird vermerkt: «Die von dem L. Ehegerichte mit Zuschrift d. d. 15ten hujus zu Hoher Verfügung einberichtete Heymathsangelegenheit für den unehelichen Knaben einer gewißen Elisabetha Hauser von Weyach, – wird der L. Commißion des Innern zu näherer Prüfung und Hinterbringung ihres gutächtlichen Berichts und Antrages überwiesen.»

Das «L.» ist eine Höflichkeitsformel und steht für «Löbliche». Damals war es das Ehegericht, das meist aufgrund der Weigerung der Heimatgemeinde des Kindsvaters, für den Knaben zahlen zu müssen, den Regierungsrat um dessen «Hohe Verfügung» ersuchte. Die Bürgerrechtsfrage schlug sich unmittelbar in der Zuweisung der Sozialfälle nieder. Für diese aufkommen musste die Heimatgemeinde. So viel war klar. Nur eben: was tun, wenn diese Frage nicht geklärt war.

Die Commission des Innern benötigte dafür rund zweieinhalb Monate. Und am 8. Februar 1817 landete das Geschäft wieder auf dem Regierungsratstisch:

«Nach Anhörung und in Genehmigung eines sorgfältigen Berichts und Gutachtens der L. Commißion des Innern d. d. 5ten hujus [d.h. des laufenden Monats], über die von dem L. Ehegerichte hoher Verfügung unterworfene Ausmittlung eines Heymaths- und Bürgerrechtes für den unehelichen Sohn einer gewißen Elisabetha Hauser von Weyach, welcher Ao. 1803. zu Auggen im Badischen geboren, und Joh. Georg getauft, über deßen bürgerlichen Status aber niemahls gerichtlich abgesprochen worden, indem zwar die Mutter zu jener Zeit bey der Matrimonialbehörde in Basel ihre Paternitätsklage gegen einen gewißen Jacob Schwender von Eptingen, Kantons Basel, anhängig gemacht, aber nicht prosequirt, und auch jene gerichtliche Stelle das Geschäft unregelmäßiger Weise hängen laßen, – haben UHHerren und Obern, da sich aus dem Berichte ergiebt, daß es wegen so langer Verjährung nicht mehr möglich ist, für diesen jungen Menschen das väterliche Bürgerrecht auszumitteln, und sich daher die Gemeinde Weyach bereit erklärt hat, ihn als ihren Angehörigen aufzunehmen, erkennt, es solle demselben in Betrachtung seiner bedauerlichen Lage und Vermögenslosigkeit das hiesige Landrecht gnädigst unentgeldlich ertheilt, und seine Aufnahme in das Bürgerrecht der Gemeinde Weyach Obrigkeitlich bestätigt seyn.

Von diesem Beschluße wird dem L. Ehegerichte und dem Oberamte Regensperg zu Handen der Gemeinde Weyach und des Joh. Georg Hauser, unter Beylage einer besondern Ausfertigung für denselben als Landrechtsurkunde, Kenntniß gegeben.
»

Fazit: Die Basler hatten wohl einfach den Umstand ausgenützt, dass Elisabeth Hauser nahe der Stadt Freiburg im Breisgau wohnte und daher nicht fristgerecht und persönlich bei der Vormundschaftsbehörde Druck machte. So konnte man der Gemeinde Eptingen (die damals noch zur Stadt Basel gehörte - die Kantonsteilung erfolgte erst 1833) die Kosten für ein uneheliches Kind ersparen.

Die Gemeinde Weyach hat sich wohl auch deshalb bereit erklärt, Johann Georg Hauser als Bürger aufzunehmen, weil er zu diesem Zeitpunkt bereits 13 Jahre alt und seine Mutter Gemeindsbürgerin war. Bei diesem Alter konnte man zumindest hoffen, dass sich die Kosten in Grenzen halten - und sich auf die Kosten für eine Lehre beschränken würden.

Quellen
  • Heymathlosigkeit des unehelichen Knaben der Elisabetha Hauser von Weyach. - RRB vom 22. Oktober 1816. Signatur: StAZH MM 1.60 RRB 1816/1158. Viewer mit Volltext und Digitalisat: https://www.archives-quickaccess.ch/stazh/rrb/ref/MM+1.60+RRB+1816/1158
  • Landrechtsertheilung für den in der Gemeinde Weyach aufgenohmenen Joh. Georg Hauser, unehelichen Sohn der Elisabetha Hauser von dort. - RRB vom 8.2.1817. Signatur: StAZH MM 1.62 RRB 1817/0150.
    Viewer mit Volltext und Digitalisat: https://www.archives-quickaccess.ch/stazh/rrb/ref/MM+1.62+RRB+1817/0150

[Veröffentlicht am 14. Dezember 2017 um 20:05 MEZ]

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