Unter alteingesessenen Weiacherinnen und Weiachern ist die Bezeichnung «Chälenpack» noch weitherum bekannt.
Von einem anonym bleiben wollenden Mitglied der «Amtsrichters», einem im Weiacher Oberdorf ansässigen Familienverband, hat WeiachBlog jüngst zwei zu diesem Themenbereich passende Anekdoten mitgeteilt erhalten.
Chind mit Schnudernase
Die eine stammt ursprünglich von Mina Moser (1911-2017; vgl. den Nachruf in WeiachBlog Nr. 1349 vom 31. August 2017). Diese habe von ihrer Mutter, die als Hebamme tätig war, den Spruch gehört: «Chind mit Schnudernase lieferet de Storch i de Chälen ab, di schönä degäge im Oberdorf.»
Diese scherzhafte Bemerkung deutet direkt auf die im 19. Jahrhundert in der Chälen anzutreffenden sozialen und gesundheitlichen Missstände mit auffallend vielen kränklichen Einwohnern hin: Kropfträger, Skrofelkranke, Taubstumme und Kretins. Diese Häufung führte zu statistischen Auffälligkeiten, was wiederum dazu führte, dass dieser Umstand in medizinischen Fachzeitschriften aus ganz Europa die Runde gemacht hat. Mit Nennung des Dorfnamens!
Das dürfte nicht unwesentlich dazu beigetragen haben, dass die Weiacher in ihren Nachbargemeinden zum (heute aus dem Sprachgebrauch wieder verschwundenen) spottenden Übernamen «Weycher Chröpf» kamen. (Vgl. zu dieser These WeiachBlog Nr. 1369 vom 30. Juni 2018 mit Verweisen auf die erwähnten Fachzeitschriften in den Quellen).
Nun wusste man in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts nicht, dass diese Krankheiten zu einem guten Teil auch erblich bedingt sind und nicht zwingend mit Unreinlichkeit in Haus und Stall oder dem Alkoholmissbrauch der Eltern zu erklären sind. Das aber waren die sichtbaren Begleitumstände. Und die prägten sich für Jahrzehnte ins kollektive Gedächtnis ein. Kurzum: an der Chälen haftete ein denkbar schlechter Ruf.
Zügeln unmöglich
Das zeigt sich auch an der zweiten Anekdote, die von meiner Quelle selber stammt. Eine ihr bekannte ältere Frau, die infolge Heirat ausgewandert und später in die alte Heimat zurückgekehrt war, habe ihr erzählt, ein in der oberen Chälen haushablicher, stattlicher Weiacher Bürger habe ihr seinerzeit, als sie ihren Ehemann noch nicht kannte, einen Heiratsantrag gemacht.
Dieser Chälemer gehörte notabene ebenfalls einer in Weiach alteingesessenen Familie an, die sich im Bauernhandwerk, in Vereinen und öffentlichen Ämtern durchaus bewährt hatte. Also eigentlich keine schlechte Partie.
Auf die Frage, warum sie denn auf den Antrag nicht eingegangen sei, habe die Bekannte geantwortet: «Ich ha doch nöd wele i d'Chäle überezügle!!!». Demnach gehörte sie einer im Oberdorf ansässigen Familie an. Und für Oberdörfler war es auch noch Mitte des 20. Jahrhunderts völlig undenkbar, sich mit dem «Chälemerpack» einzulassen.
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