Montag, 18. Januar 2021

Die kleindeutsche Lösung klopfte vor 150 Jahren an die Tür

Waren Sie schon einmal an der Schaffhauser Grenze? Da findet man bis heute hunderte von grossen Grenzsteinen, die allesamt die Jahrzahl 1839 tragen. Dazu die Buchstaben «GB» auf der deutschen und «CS» auf der Schweizer Seite. Der Canton Schaffhausen und das Grossherzogtum Baden markierten damals ihre neu vereinbarten Staatsgrenzen. Beide waren weitgehend unabhängig, gehörten aber je einem Staatenbund an, die beide im Gefolge des Wiener Kongresses 1815 entstanden waren.

1848 trat Schaffhausen dem Schweizer Bundesstaat bei. Das war auch das Jahr, in dem der Deutsche Bund seine Bedeutung faktisch völlig eingebüsst hat (vgl. Wikipedia). Grund: die angestrebte Bundesreform war gescheitert. In den nächsten Jahren zeichnete sich immer mehr ab, dass Preussen, Österreich und die vielen kleineren und mittleren Staaten (wie das Grossherzogtum Baden und das Königreich Bayern) unterschiedliche Interessen verfolgten, was 1866 sogar zum innerdeutschen Krieg führte (vgl. übernächster Abschnitt). 

Vermiedener eidgenössisch-preussischer Krieg

Dazwischen rasselten die Preussen beim Neuenburgerhandel 1856/57 vernehmlich mit dem Säbel, verzichteten dann aber (auch auf Vermittlung durch Napoléon III.) auf eine Intervention. 

Bis dahin war die République et Canton de Neuchâtel nämlich staatsrechtlich noch ein preussisches Fürstentum gewesen. 1848 hatten radikale Demokraten zwar die Republik ausgerufen. Die Royalisten warteten aber nur auf eine günstige Gelegenheit, die sie 1856 gekommen sahen. Der Putsch wurde mit eidgenössischer Hilfe rasch niedergeschlagen, führte aber dazu, dass die Preussen ihre Truppen mobilisierten und gegen die Schweiz ziehen wollten. 

In der Schweiz führte das zu einem unglaublichen Nationalgefühl. Der eidgenössische Generalstab unter General Dufour rechnete damit, dass die Badenser (die nicht gerade preussenfreundlich waren), sich zumindest nicht schweizfeindlich verhalten würden und plante einen Schlagabtausch auf badischem Territorium um die eigene Bevölkerung und Infrastruktur zu schonen! 

Wie es ausgegangen wäre? Dieser Praxistest blieb uns glücklicherweise erspart, denn wie sich kurz darauf zeigte, war mit den Preussen nicht zu spassen: schon 1864 führten sie Krieg gegen Dänemark.

Der Deutsche Bund zerlegt sich

Nach der verlorenen Schlacht bei Königgrätz 1866 (auf die ein Weiacher Gemeinderat bei einem Streit mit dem Regierungsstatthalter Bezug nahm, vgl. Weiacher Geschichte(n) Nr. 55, S. 147-148) mussten die Habsburger in eine kleindeutsche Lösung einwilligen. Der Deutsche Bund wurde aufgelöst. Preussen erfuhr einen gewaltigen Machtzuwachs und war die treibende Kraft bei der Gründung des Norddeutschen Bundes von 1867. Im gleichen Jahr sah sich der österreichische Kaiser gezwungen, die k.u.k. Doppelmonarchie Österreich-Ungarn entstehen zu lassen, bei der beide Reichsteile gleichberechtigt waren.

Ein Kaiserreich geht unter, ein anderes entsteht

Und bereits am 19. Juli 1870 ging es mit den kriegerischen Ereignissen weiter, diesmal gegen Frankreich unter Kaiser Napoléon III (der übrigens Artillerieoffizier der Schweizer Armee und mit dem grossherzoglich-badischen Herrscherhaus verwandt war). 

An diesem Feldzug beteiligten sich auf deutscher Seite auch die Staaten im Süden, die nicht zum Norddeutschen Bund gehörten, d.h. auch das Grossherzogtum Baden. Bereits am 2. September ging das Kaiserreich unter (weil Napoléon III. bei Sedan in Gefangenschaft kam). Frankreich kämpfte als Republik weiter. 

Auf deutscher Seite einigten sich die beteiligten Fürsten auf einen gesamtdeutschen Bund, der am 1. Januar 1871 zur Gründung des Deutschen Kaiserreichs führte. Und heute vor 150 Jahren, am 18. Januar 1871, (also lange vor Kriegsende am 10. Mai 1871) wurde der preussische König Wilhelm I. im Spiegelsaal des Schlosses Versailles zum deutschen Kaiser proklamiert. Weiach hatte nun eine Grenze zum Deutschen Reich. Nicht mehr zum Grossherzogtum Baden.

Die Weiacher spürten diese Ereignisse vor allem wirtschaftlich. Mental auch durch die Mobilisierungen der Armee und das prägende Ereignis des Übertritts der Bourbaki-Armee bei Les Verrières, einem schnell zusammengewürfelten Haufen, der froh war, nicht (mehr) kämpfen zu müssen.

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