In der jüngsten Ausgabe des hiesigen Mitteilungsblatts ist ein vom Projektteam Musical Weiach geführtes Interview mit Raimund Wiederkehr abgedruckt. Das Musical mit dem Titel «Die Tigerin von Weiach» soll (wenn es die Corona-Vorschriften des Direktoriums der Helvetischen Republik zu Bern dannzumal zulassen) im September 2021 anlässlich der 750-Jahr-Feier als Freilichtspiel zur Aufführung gelangen.
Wiederkehr, der Komponist der dazugehörenden Musik, sagt da an einer Stelle, das Stück spiele «in einer der dramatischsten Zeiten der Schweiz und Weiachs, als hier französische Soldaten stationiert waren, die nicht nur den ganzen stattlichen Eichenwald abholzten (historisch verbürgt), sondern auch sonst die Dorfgemeinschaft gehörig aufmischten.» (Mitteilungsblatt Gemeinde Weiach, Februar 2021 – S. 30)
Ganz so schlimm war's nicht
Dass sie letzteres getan haben, da kann der Redaktor des WeiachBlog nicht widersprechen. Das dürfte schon so gewesen sein. Keineswegs «historisch verbürgt» ist allerdings, dass die Franzosen gleich den ganzen Eichwald abgeholzt hätten. So schlimm haben sie dort dann doch nicht gehaust.
Und im Übrigen ist auch nicht gesichert, dass sie für diese Schäden allein verantwortlich waren. Es ist nämlich mit schriftlichen Quellen belegt, dass bei Weiach zur fraglichen Zeit im Jahre 1799 auch helvetische Truppen campiert haben (vgl. u.a. die Aufzeichnungen von Hans Jakob Kern sowie Amtl. Sammlg. Akten Helv. Rep.)
Die unmittelbarste gedruckte Quelle für den im Wald angerichteten Schaden ist das Neue republikanische Blatt vom 24. Nivose VIII (nach dem Revolutionskalender; also dem 14. Januar 1800), wo es wörtlich heisst «der schöne Weyacher Wald» sei «verheert» worden. So ein Bericht, in dem es primär um Schäden in der Gemeinde Glattfelden ging (vgl. WeiachBlog Nr. 1485 für den Volltext) und wo nicht näher spezifiziert wurde, um welchen Wald auf Weiacher Boden es gegangen ist. Gemeint war aber wohl der weitherum bekannte Eichenbestand im Hardwald.
Ein Viertel geschlagen?
Aus einer Distanz von nicht ganz einem halben Jahrhundert zur Helvetik hat uns der Zürcher Beamte Friedrich Vogel in seinem Standardwerk Die alten Chroniken im Artikel über Weiach folgenden Wortlaut hinterlassen:
«In dem Kriegsjahr 1799 litt Weyach vorzüglich großen Schaden durch theilweise Verheerung und Abnutzung des herrlichen Eichwaldes, wo französische Truppen lange Zeit kampirten. Ein Viertheil desselben soll geschlagen worden sein.» (Vogel 1845/57 – S. 818; Vgl. WeiachBlog Nr. 383 v. 10. Februar 2007)
Woher diese Angabe von einem Viertel stammt, ist leider nicht bekannt.
Spätere Zeiten forderten auch ihren Tribut
Im Abschnitt über den Waldbau der Ortsbeschreibung Weiach von 1850/51 hat sich der frühere Zunftgerichtspräsident Baumgartner (die Zunft Stadel war eine Untereinheit des Bezirks) zu diesen Franzosenschäden wie folgt geäussert:
«Die Hardwaldung, vor allen andern Waldbezirken der Augapfel der Gemeinde, [...] misst 296 Juchart und hat noch gegen das Ende des vorigen Jahrhunderts ungeachtet der für Hochbestand nicht sehr günstigen Bodenbeschaffenheit eine der schönsten Eichwaldungen des Cantons gegolten. [...] Zu Anfang dieses Jahrhunderts schlugen die Franzosen im obern Theil dieser Waldung ein Lager auf, wobei ein bedeutendes Revier umgehauen und theilweise verbrannt wurde, dasselbe hat daher den Namen Franzosenhau behalten. Die Zahl der übrig gebliebenen Hochstämme belief sich noch im Jahre 1820 auf ca. 4'000. Es ist aber diese Zahl seit jener Zeit durch Absterben und Wegnahme zu Bauten und sonstigem Bedarf, ferner zur Äufnung des Armengutes auf ca. 2'500 zurückgekommen.»
Der Flurname Franzosenhau (den es auf Weiacher Gebiet gleich zweimal gibt), bezeichnet in diesem Fall den Abschnitt, der heute südlich der Bahnlinie an der Grenze zum Zweidler Gebiet liegt. Er reichte zur Zeit der Helvetik und auch zur Zeit der Ortsbeschreibung noch bis an den früheren Verlauf der Hauptstrasse Nr. 7 heran (vgl. WeiachBlog Nr. 568 v. 21. November 2007).
Bei der Schätzung mit Jahrzahl 1820 dürfte sich Baumgartner auf den Wirtschaftsplan der Gemeindewaldung Weiach von 1821 bezogen haben (vgl. StAZH Z 31.1298).
Fazit: ein grosser Teil der Eichenstämme im Hardwald ist nicht nur den Franzosen, sondern ebenso der Sozialhilfe zum Opfer gefallen. Dieser Verlust wäre den Fremden also höchstens mittelbar anzulasten.
Quellen und Literatur
- Neues republikanisches Blatt. Herausgegeben von Escher und Usteri. Band I. N. XI. Bern, 14. Januar 1800. (24. Nivose VIII) – S. 44.
- Die alten Chroniken oder Denkwürdigkeiten der Stadt und Landschaft Zürich von den ältesten Zeiten bis 1820 neu bearbeitet von Friedrich Vogel, Sekretär des Baudepartements. Zürich 1845 (Nachdruck 1857) – S. 818.
- Baumgartner, alt Zunftgerichtspräsident: Waldbau. In: Ortsbeschreibung Weiach Anno 1850/51, Handschrift aus den Turmkugeldokumenten; Signatur: OM Weiach KTD 7.
- Hildebrandt, Walter: Bülach in den Kriegswirren der Jahre 1798-1800. Handschriftliche Aufzeichnungen von Hans Jakob Kern (1774-1840). In: Neujahrsblatt für Bülach und das Zürcher Unterland 1939 – S. 5-15.
- Amtliche Sammlung der Acten aus der Zeit der Helvetischen Republik (1798-1803). 16 Bände. Bern 1886 bis Freiburg 1966. Bd. 4, pp. 192f, 1493f; Nr. 50 zum 17. April 1799.
- Projektteam Musical Weiach (ed.): «Die Tigerin von Weiach» – das Musical zum Fest. Interview mit Raimund Wiederkehr. In: Mitteilungsblatt Gemeinde Weiach, Februar 2021 – S. 30-31.
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