Donnerstag, 28. November 2024

Der Damast liegt oberhalb der mittleren Rebstrasse

In WeiachBlog Nr. 2009 steht zum Flurnamen «Damast» u.a.: «Die bislang älteste Nennung, die ich finden konnte, datiert auf das erste Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts. Der von Willi Baumgartner-Thut der Nachwelt zur Kenntnis gebrachte Plan des Rebstrassenprojekts (1909-1911) weist ihn in der heutigen Schreibweise auf.» Dabei wurde aber sowohl die Beigabe des Plans versäumt, aus dem die konkrete Verortung des Flurnamens «Damast» hervorgeht, wie auch die Referenzierung der angesprochenen Unterlage unterlassen.

Wichtig ist das, weil eine Diskrepanz zwischen der Auffassung des Planes «Rebweganlagen Weiach» von 1909 und dem Flurnamenplan von Boesch von 1958 besteht. Gewährsmann für Boesch war mutmasslich der damalige Gemeindepräsident Albert Meierhofer-Nauer.

Herr Professor, wo ist die Flur «Im Lee»?

Laut dem rund ein halbes Jahrhundert älteren Rebweganlagen-Plan ist der Damast ausschliesslich oberhalb der heutigen Leestrasse zu verorten. Und zwar vom Oberdorf her gesehen im Abschnitt zwischen der Verzweigung Winkelstr./Oberdorfstr. und der Einmündung des Rebwegs in die Trottenstrasse, was wiederum der horizontalen Ausdehnung nach Boesch entspricht. Am selben Abschnitt ist zwischen Trottenstrasse und Leestrasse der Flurname «Im Lee» eingezeichnet.

Bei Boesch hingegen fehlt diese Flurbezeichnung «Im Lee» völlig (vgl. WeiachBlog Nr. 2009)! Nach seiner Auffassung umfasst die Flur Damast auch dieses Lee und ist damit rund doppelt so gross. Zollinger andererseits unterschlägt zwar in seiner Flurbezeichnungen-Liste die Flur Damast, führt dort jedoch den Namen «Im Lee» auf, mit der Erläuterung: «Hang zwischen unterer und mittlerer Rebstrasse» (vgl. Zollinger 1972, S. 88). Er folgt in diesem Punkt also dem Rebweganlagen-Plan.

Man erkennt aus dieser kurzen Auslegeordnung erneut, wie fluide solche Flurnamen in der Landschaft sein können. Und was die Wahl der Gewährsperson und/oder der Verzicht auf den systematischen Beizug bereits bestehender lokaler Pläne und Karten anrichten können.

Quellen und Literatur

  • Boesch, B.: Orts- und Flurnamen-Karte Gemeinde Weiach. Erfassungen der Jahre 1943-2000 (Signatur: StAZH O 471). Datenerfassung für Weiach durch Prof. Bruno Boesch mit dem Gewährsmann Alb. Meierhofer, 1958.
  • Zollinger, W.: Weiach 1271-1971. Aus der Vergangenheit des Dorfes Weiach. Rückentitel "Chronik Weiach", 1. Aufl. Weiach 1972, S. 88.
  • Baumgartner-Thut, W.: Der Rebberg von Weiach im 20. Jahrhundert. Weiach 2023. -- Reb- und Wiesland um 1910 gemäss Landabtretungstabelle, S. 4; Junge Obstbäume, S. 39 sowie Rutschverbauung im Rebberg, S. 67.
  • Brandenberger, U.: Wie kam der Flurname «Damast» zustande? WeiachBlog Nr. 2009, 13. November 2023.

Mittwoch, 20. November 2024

Si tacuisses... Vorlauter Gemeindepräsident

Manchmal ist es besser zu schweigen und gegenüber seinem Hofjournalisten kein Statement abzugeben. Denn hättest Du geschwiegen (so die Bedeutung des lateinischen Titelbeginns) wärst Du zwar nicht Philosoph geblieben (wie das geflügelte Wort im Original weitergeht), aber zumindest ein souveränerer Präsident, besserer Teamspieler und ausgefuchsterer künftiger Verhandler. 

Was ist vorgefallen? Gestern hat die Nagra unter erheblichen Begleitgeräuschen und Rascheln im Zeitungswald das sogenannte Rahmenbewilligungsgesuch für das Tiefenlager Nördlich Lägern beim Bundesrat eingereicht.

Die einen halten sich bedeckt... 

Astrit Abazi, seines Zeichens Journalist des Zürcher Unterländer, hat dazu am letzten Samstag in der Online-Ausgabe, am Montag auch in Print-Form einen Beitrag veröffentlicht mit dem Titel «Mögliches Referendum gegen das Tiefenlager spaltet die Region». Und fasst die Angelegenheit im Untertitel so zusammen: «Der Entscheid, wo das Lager für radioaktive Abfälle hinkommt, soll vors Volk. Das fordern Kritikerinnen und Kritiker. Die Standortgemeinden sehen es anders.» 

Liest man dann den Beitrag, dann sieht das allerdings so aus: Der Stadler Gemeindepräsident Schaltegger äussert sich zur Referendumsfrage nur indirekt und betont, der Gemeinderat werde die «spezifischen Interessen von Stadel» vertreten sowie «zeitnah und transparent» informieren. Abazi weiter: «Auch der Glattfelder Gemeindepräsident Marco Dindo möchte sich nicht dazu äussern.» 

Bei den politischen Exponenten unserer Nachbarn kann man da also nicht sagen, was sie denken. Ganz anders bei unserem eigenen Häuptling. 

... die andern fallen mit der Tür ins Haus

«Weiachs Gemeindepräsident Stefan Arnold wiederum macht klar: «Nein, die Gemeinde Weiach unterstützt kein Referendum.» Die politischen Behörden seien seit Jahren intensiv in den Prozess um das geologische Tiefenlager involviert worden. «Diese jahrelange, sachlich-kritische Auseinandersetzung mit allen relevanten Parteien und Organisationen basiert auf einer soliden Vertrauensbasis. Es gibt ein hohes Vertrauen in die bis heute involvierten Institutionen und in die unabhängige Prüfbehörde, welche den Prozess überwacht», sagt Arnold. [WeiachBlog: Er meint wohl das ENSI, eine Bundesstelle] 

Dass Gegner des Projekts ein Referendum ergreifen würden, sei klar gewesen, sagt Arnold. «Gleichzeitig möchten wir darauf hinweisen, dass viele der Gegner grundsätzlich Bedenken gegenüber dem Konzept eines Tiefenlagers haben, ohne bisher konkrete und konstruktive Alternativvorschläge zu unterbreiten.» Das erschwert es, den Diskurs auf eine sachliche und lösungsorientierte Ebene zu bringen. Arnold betont ausserdem, dass erst jetzt überhaupt die Prüfung und die Machbarkelt eines Tiefenlagers am besagten Standort beginnen. «Es wäre wohl viel seriöser, den langjährigen Prüf- und politischen Prozess abzuwarten», sagt er. «Denn – Stand heute – ist der Standort Nördlich Lägern lediglich ein Standortvorschlag.»»

Kommentar WeiachBlog 

Angesichts dieses Zitatefüllhorns weiss der Kommentator kaum, wo er anfangen soll... 

O-Ton Abazi: «Die Standortgemeinden sehen es anders».

Wirklich? Herr Abazi, ist Monsieur Arnold der Mediensprecher der Tiefenlager-Gemeindepräsidentenkonferenz GlaStaWei? Vielleicht sind ja Schaltegger und Dindo ganz anderer Meinung.

Oder ist Weiach allein massgebend? Genauer gesagt: nur der Weiacher Gemeinderat? Wir wissen ja nicht einmal, ob es sich bei dieser Auffassung um einen Gemeinderatsbeschluss, oder zumindest einen begründeten Konsens der Gemeinderäte und -innen handelt. Oder ob das nur die Privatmeinung des Herrn Präsidenten ist.

Was ist der Wille des Volkes?

O-Ton Arnold 1: «Nein, die Gemeinde Weiach unterstützt kein Referendum.»

La commune, c'est moi? Hat der Präsident je einmal Anstalten gemacht, herauszufinden, wie die Weiacher in ihrer Gesamtheit darüber denken? Und da geht es nicht nur um die Stimmberechtigten.

Ein solches Stimmungsbild wäre für ihn als – selbsternannten? – Verhandlungsführer in der Entschädigungsfrage dann doch von grosser Bedeutung. Läge eine repräsentative Meinungsumfrage vor, dann ist es egal, ob sie zugunsten der Nagra oder gegen das Projekt ausfällt. In den Verhandlungen mit der Atomlobby kann man das so oder so in klingende Münze umsetzen. Sind die Leute mehrheitlich positiv, dann braucht es Finanzspritzen, damit das so bleibt. Sind sie negativ eingestellt, dann kann man darauf pochen, dass man den Ortsansässigen zumindest mit möglichst viel Geld den Schneid abkauft.

Wo läge das Problem, wenn die Stimmung so ist, wie vor der ersten NAGRA-Bohrung, als die Gemeindeversammlung am 17. September 1980 mit 104 gegen 2 Stimmen konsultativ gegen das Vorhaben war? Auch dann ist es nur eine Frage des Verhandlungsgeschicks, die Haut der Weycher so teuer wie möglich zu verkaufen. Denn wenn die Atomlobby eines nicht brauchen kann, dann sind es unschöne Bilder, die in die Stuben von Herrn und Frau Schweizer flimmern. Bilder mit einer ihr ablehnend gegenüberstehenden Lokalbevölkerung, die auf die Barrikaden geht. Ob dann Mistgabeln und Traktoren mit von der Partie sind oder nicht.

Ungelegte Eier, aber vorsorglich kräftig gackern? 

O-Ton Arnold 2: «Es wäre wohl viel seriöser, den langjährigen Prüf- und politischen Prozess abzuwarten. Denn – Stand heute – ist der Standort Nördlich Lägern lediglich ein Standortvorschlag.»
 
Richtig. Das wäre es. Und erst in ca. sechs Jahren werden wir wissen, wie ein allfälliges Referendum ausfällt. Es kann ja durchaus sein, dass bei den Hiesigen bis dahin aus Passivität offene Ablehnung wird. Oder die Technologieschiene sich in eine andere Richtung entwickelt hat, daran arbeiten ja u.a. die Chinesen mit Hochdruck (Stichwort: Vierte Generation and beyond). Wenn aus Abfällen begehrte Rohstoffe werden, dann redet von Verlochen kein Mensch mehr. 

Da fragt man sich erst recht, wieso der Herr Präsident bei dieser Ausgangslage überhaupt nur schon von einer Verhandlungsführung mit den Atömlern zu träumen begonnen hat. 

Das geneigte Publikum darf sich seinen Reim darauf selber machen.

Quelle
  • Abazi, A.: Mögliches Referendum gegen das Tiefenlager spaltet die Region. In: Zürcher Unterländer, 18. November 2024, S. 3.

Dienstag, 19. November 2024

Gemeinderat gesteht: Schuldenobergrenze bleibt ein Luftschloss

«Im aktuellen Plan werden die finanzpolitischen Ziele mehrheitlich erreicht. Mit dem Infrastrukturneubau kann die Verschuldung allerdings während mehrerer Jahre nicht bei den gewünschten 5'000 Franken je Einwohner begrenzt werden. Dies ist dem Gemeinderat bewusst – als langfristiges Ziel wird die Obergrenze dennoch beibehalten.

Der Gemeinderat hat den Finanzplan 2024-2028 genehmigt. Dieser wird der Gemeindeversammlung vom 5. Dezember 2024 zur Kenntnisnahme vorgelegt.» (MGW, November 2024, S. 6)

Wie hoch sie denn nun wirklich sein wird, das verschweigt der Gemeinderat in seiner Berichterstattung im Mitteilungsblatt. Wird es bei den 9000 Franken liegen, von denen in früheren Finanzplänen die Rede ist (vgl. WeiachBlog Nr. 2000)? Wir wissen es nicht, denn der neue Finanzplan 2024-2028 ist immer noch nicht veröffentlicht.

Nur der Beleuchtende Bericht ist Pflicht

Muss der Gemeinderat aber auch nicht. Laut dem Gemeindegesetz (§ 19 Abs. 2 GG-ZH) hat der Gemeindevorstand lediglich den Beleuchtenden Bericht zum Budget spätestens zwei Wochen vor der Gemeindeversammlung den Stimmberechtigten zur Verfügung zu stellen, d.h. im Fall der Gemeinde Weiach auf der Gemeindewebsite aufschalten oder im Gemeindehaus auflegen zu lassen. Als Randnotiz sei erwähnt: Immerhin steht in besagtem Gesetzesartikel auch, dass die Gemeinde verpflichtet ist, den Beleuchtenden Bericht jedem Stimmberechtigten auf dessen Verlangen kostenlos zuzustellen.

Doch zurück zur Hauptsache: In welche Richtung sich das Weltfinanzsystem bei einem nicht unwahrscheinlichen Zusammenbruch der US-Überschuldungswirtschaft entwickeln wird, wissen wir nicht. Ein Zusammenbruch liegt durchaus im Rahmen des Möglichen. Der in früheren Zeiten normalerweise übliche Zins belief sich auf 5 % vom aufgenommenen Kapital. Bei den 20 Millionen CHF Schulden (9000 CHF x 2200 Einwohner) wären das nur schon für den Schuldendienst 1 Mio. Franken pro Jahr, entsprechend mind. 25 Steuerprozenten. 

Wie man das neben allen anderen Ausgaben künftig stemmen will, wenn die Kiesentschädigungen wegbrechen (und das werden sie mit Sicherheit) und falls die Tiefenlagermillionen ausbleiben, auf die man die Stimmberechtigten in verantwortungsloser Manier hoffen lässt (vgl. Beleuchtender Bericht zu Zukunft8187), darüber schweigt der Finanzvorstand lieber. Und versucht stattdessen, Kritiker seines Hazardspiels durch öffentliche Herabsetzung zum Schweigen zu bringen.

Sonntag, 17. November 2024

«Daudapf!!!» – Am Anfang war das Schimpfwort

Was war das erste Wort, das aus Ihrem Mund kam? Ich weiss ja nicht, was Ihnen Ihre Eltern erzählt haben. Laut meiner Mutter – Gott hab' sie selig – war es bei mir jedenfalls «Daudapf». Nicht etwa «Mamma» oder «Pappa», wie das sonst so üblich zu sein scheint. Nein. Für mich waren mit Nachdruck geäusserte Worte offenbar schon in ganz jungen Jahren von höchster Wichtigkeit.

Als mein Vater sich am Abend erkundigte, was denn dieses in Dauerschleife wiederholte Wort bedeuten könnte, musste meine Mutter eingestehen, dass sie sich lautstark über einen landenden Jet enerviert habe. Und das mit dem Ausruf: «Scho wieder so en SAUCHLAPF!!!».

Als die Flugzeugmechaniker noch keine Mantelstromtechnik warten mussten

Dazu muss man wissen, dass ich ein Flughafenkind bin. Eines, das seine ersten Monate sozusagen umwabert von Kerosindämpfen erlebt hat: In einem mehrstöckigen mittlerweile längst wieder abgerissenen Wohnhaus an der Schaffhauserstrasse mitten im aufstrebenden Flughafendorf Kloten.

Wer vor über einem halben Jahrhundert im Zürcher Unterland wohnhaft war, der kann sich noch lebhaft an vibrierende Fensterscheiben und klirrende Gläser im Chuchichäschtli erinnern. Wie alt Regierungsrat Markus Kägi in seiner Weiacher 1. August-Rede im Jahre 2007 (vgl. WeiachBlog Nr. 498). Das war damals völlig normal, wenn die Tupolevs und Caravelles aus aller Herren Ländern gestartet sind. Viele davon noch mit Militärtriebwerken. Ohne jede Mantelstromtechnik.

Was dieses erste Wort des Stammhalters in der Paarbeziehung meiner Eltern angerichtet hat? Versetzen Sie sich in den Haushaltsvorstand. Mein Vater war ein stolzer Swissair-Angestellter. Bei der nationalen Airline als gelernter Flugzeugmechaniker direkt an der Wartung dieser «Daudäpfe» beteiligt. Von seiner Warte aus betrachtet könnte in dieser pädagogischen Meisterleistung der Kindsmutter – einer ausgebildeten Primarlehrerin mit mehrjähriger Berufserfahrung – doch eine recht bittersüsse Note mitschwingen.

Die Kraft der Kraftausdrücke

Falls Sie sich je gefragt haben sollten, woher eine gewisse Faszination für die Kraft der Kraftausdrücke, die Tendenz des Redaktors zum verbalen Zweihänder oder seine zuweilen nicht nur als subtiles Stilmittel verwendete Provokation mit Worten stammen, dann haben Sie jetzt zumindest einen Erklärungsansatz zur Hand.

P.S.: Mein Vater erinnert sich nicht mehr an diese Daudapf-Geschichte. Dafür an das Interesse seines kleinen Buben für Baukräne. «Graaanä!» sei ein Wort gewesen, das man von mir immer wieder gehört habe. Verbunden mit «düllätä, düllätä!». Nicht so überraschend, dass in der Hochkonjunktur im Zürichbiet signifikante Bautätigkeit geherrscht hat. Sein Sohn werde Bauingenieur oder Architekt, habe er damals gedacht. Wurde der dann aber nicht.

[Veröffentlicht am 26. September 2024 um 22:46 MEZ]