Montag, 31. Dezember 2007

Die SBB definieren den Anschluss neu

Die S-Bahn Zürich müsse pünktlicher werden, befand man beim Zürcher Verkehrsverbund. Um dies zu erreichen, brummte man den SBB happige Konventionalstrafen auf.

Das findet der regelmässige Bahnkunde ganz in Ordnung. Pünktlichkeit ist gut. Bis einen die Auswirkungen dann selber treffen.

An den Toleranzen schrauben

«Nachdem die SBB wegen ungenügender Pünktlichkeit dem Zürcher Verkehrsverbund (ZVV) für das Jahr 2006 eine Strafgebühr von 1,75 Millionen Franken zahlen mussten, unternehmen sie nun alles, um den Malus heuer zu vermeiden», schrieb die NZZ am Sonntag am 26. August 2007.

Sie unternehmen wirklich alles. Man hat den Eindruck die SBB wandle auf den Spuren des Karikaturisten Horst Haitzinger, der vor Jahren in einem Cartoon zwei EU-Beamte in Anzug und Krawatte zeichnete, die bis zum Bauchnabel inmitten von Fischen im Wasser stehen, daneben eine Verkehrstafel. Und einer der beiden sagt zum andern: «Das muss man jetzt nicht gleich so panikmacherisch "Hochwasser" nennen. Wir erhöhen einfach etwas den Grenzwert für Feuchtigkeit!».

Und was tun die SBB, wenn ihnen das Wasser bis zum Bauch steht? Erst definieren sie die Pünktlichkeit neu (indem man an den Toleranzen schraubt und erst drei, dann vier Minuten zu späte Abfahrt immer noch als pünktlich bezeichnet). Und dann definiert man auch noch den Anschluss neu.

Anschluss auf den letzten Bus nicht mehr gewährleistet

Dass dem so ist, merken jetzt die Weiacher, Stadler und Neeremer. Und zwar beim Anschluss an die letzte S-Bahn/Bus-Verbindung des Tages (Zürich HB ab: 23.37 Uhr, Bülach ab 00:04).

Wer wie der Schreibende regelmässig westlich von Zürich geschäftlich zu tun hat, der schätzt es, beispielsweise in Bern erst um 22.30 in den IC nach Zürich einsteigen zu können. Denn der Anschluss auf die S-Bahn in Zürich war garantiert. Und wenn sie einem doch entschwand, dann konnte man zum Trost in Bülach auf SBB-Kosten ein Taxi bestellen. Eine gute Sache, zumal die VBZ bei Tramverspätungen etc. sich nicht einmal in Ansätzen für den Ärger mit verpassten Anschlüssen interessieren.

Mit der Kulanz und dem garantierten Anschluss ist es nun offenbar auch bei den SBB vorbei. Denn seit dem letzten Fahrplanwechsel hat der Schnellzug von Bern nach Zürich einen fahrplanmässigen Halt in Olten. Er fährt dort exakt 23.00 Uhr ab. Alle früheren Züge von Olten nach Zürich mit ähnlicher Abfahrtsminute sind ICN ab der Jurasüdlinie. Und die verlassen Olten 1 Minute vor der vollen Stunde.

Eine Minute zu spät - und die Anschlussgarantie ist weg

Diese eine Minute hat es nun in sich. Kommt ein Zug fahrplanmässig statt 23.30 erst um 23.31 Uhr in Zürich HB an, dann wird eine 23.37 irgendwo im HB abgehende Verbindung von fahrplan.sbb.ch nicht mehr angezeigt. Warum? Weil die minimale Umsteigezeit 7 Minuten beträgt. Auf dem elektronischen Fahrplan der SBB sieht man das nicht. Dies verrät nur fahrplanfelder.ch, die Internet-Ausgabe des guten alten Kursbuches, wo in einem quadratischen Kästchen bei jedem grösseren Bahnhof die minimale Umsteigezeit in Minuten angegeben ist (vgl. dieses Beispiel).

Keine offizielle Verbindung - keine Entschädigung

Mit anderen Worten: Nur wer in Bern um 22.00 Uhr oder in Olten um 22.30 Uhr auf den Zug geht, hat von den SBB die Garantie, noch mit dem letzten Bus nach Weiach oder Stadel zu gelangen.

Fährt der Zug auch nur 2-3 Minuten verspätet in Zürich HB ein, so wartet die S5 diese Verbindung nun nicht mehr ab (und unter 4 Minuten Umsteigezeit wird es kritisch beim Wechseln in den Bahnhof Museumsstrasse). Damit könnte man als Kunde ja noch leben. Mit dem Wegfall des Rechts auf Entschädigung für ein Taxi nach Hause weniger.

Also: Entweder eine halbe Stunde in Zürich oder am Flughafen warten. Oder darauf hoffen, dass der Zug ab Bern keine (zu grosse) Verspätung hat.

Ich bin ja gespannt, wie kulant sich die SBB geben werden, wenn ich dereinst mit der Quittung eines Bülacher Taxi-Unternehmers beim Kundendienst vorbeischaue.

2 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Die SBB sind ein verdammter Saftladen !
Man sollte nur noch die Hälfte des Bahnbillets bezahlen müssen !

Wiachiana-Verlag hat gesagt…

Ein Halbtax wirkt da Wunder.

Ich würde mich schon über Verspätungsgutscheine freuen. Das sollte eigentlich kein Problem sein. Denn immerhin wird ja durch's Band weg behauptet, fast alle Züge seien pünktlich.

Dass dem überhaupt nicht so ist, davon kann wohl mancher regelmässige Bahnbenutzer ein Liedchen singen.

N.B.: Konkreter Anlass für die obige Forderung eines Anonymus war offenbar Unmut über die S-Bahn Zürich. Das lässt die Suchbegriffkombination vermuten, mit welcher der/die Schreibende auf diesen Artikel stiess: "sbb s5 ärger"!