Dienstag, 30. September 2014

Septemberwetter 1964: Föhnlagen kochen die Trauben

Die Jahreschroniken von Walter Zollinger behandeln als erstes Hauptkapitel jeweils das Wetter. Für seine statistischen Monatsbeschreibungen wertete der Chronist seine detaillierten täglichen Aufzeichnungen aus.

In der Regel hat er zum Abschluss bei jedem Monat auch Höchst- und Tiefsttemperaturen beigefügt. Beim September 1964 macht er eine Ausnahme. Hier stehen diese Angaben ganz am Anfang - und das kommt nicht von ungefähr:

«Höchstemperaturen: morgens 18°, mittags 25°, abends 19°
Tiefsttemperaturen: morgens 2°, mittags 10°, abends 7°

Das sind bedeutende Unterschiede zwischen Höchst- und Tiefsttemperaturen; der letztjährige September war ausgeglichener. An den Morgen [des Septembers 1964] lag öfters Nebel oder Hochnebel (12mal), welch ersterer allerdings meist so zwischen 9 und 11 Uhr verschwand und dann sonnigen Nachmittagen und Abenden platzmachte (10 solche); bedeckt oder bewölkt waren nur 3 ganze Tage und 4 halbe. Wechselnd zwischen sonnig und bewölkt zählte ich 1 ganzen Tag, 2 Vormittage und 4 Nachmittage; Regen fiel 5mal nachts, 3mal abends, je 2mal vor- oder nachmittags und einmal während eines ganzen Tages; auch ein kühler Wind wehte oftmals, vor allem anfangs des Monates und dann wieder zwischen dem 17. und 22.9. Am 6.9., 12.9. und 15.9. föhnig, gut für die Trauben und das Obst. Die Rebbesitzer beginnen mit wümmen der "Direktträger" bereits um den 20. September herum und wir selber haben am 9. und 10.9. gesonnt, trotzdem ein Hausfrauen-Spruch warnt: "In Monaten mit ....er soll man nicht sonnen!"»

Mit dem Wümmen ist die Traubenernte gemeint. Und unter einem Direktträger oder Selbstträger versteht man eine Rebe, die nicht gepfropft (d.h. veredelt) wurde, also auf ihren eigenen Wurzeln wächst. Interessant ist dieser Umstand, weil die Reblaus zwischen 1865 und 1885 riesige Weinberge zerstört hat - und man seither weitgehend auf Propfreben setzt, denen die Laus nichts anhaben kann. Dass die Weiacher nicht auf gepfropfte Reben umgestellt haben, könnte damit zusammenhängen, dass bei praktisch allen der Weinbau eben nicht als Hauptverdienst zählte - und das wohl auch nie war.

Mit dem Sonnen meint Zollinger wohl nicht das heute übliche Sonnenbad (wo ein Mensch «sünnelet»), sondern das Sonnen von Gegenständen, wie es damals im Sommer noch weitherum praktiziert wurde und beispielsweise von Gottlieb Siegmund Corvinus in seinem «Frauenzimmer-Lexicon» von 1739 wie folgt beschrieben ist (vgl. Sp. 173): «die Feder-Betten bey schönen Sommer-Tagen an die Sonne legen und ausbreiten, und selbige mit zwey langen schwancken Stäblein ausklopfen, damit die verstockten  und in einen Klumpen verfallenen Federn wiederum auflaufen, und von dem Schweiß nicht faul werden.» Dazu würde dann auch der Hausfrauenspruch passen (September und Oktober sind halt schon nicht mehr Sommermonate).

Quelle
  • Zollinger, W.: Gemeinde Weiach. Chronik des Jahres 1964 - S. 6-7. [Original in der Handschriftenabteilung der Zentralbibliothek Zürich. Signatur: G-Ch Weiach 1964].
[Veröffentlicht am 18. Januar 2015]

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