Freitag, 3. Juli 2015

Nachtbus Anno 1965

«Schon in den 60er Jahren gab es eine Nachtverbindung ab Zürich nach Weiach. In Glatt­fel­den bestand Anschluss an den letzten Zug. Diese Buslinie wurde aber mangels genügen­der Auslastung nach kurzem Probebetrieb wieder eingestellt.»

Diese kurze Notiz findet man in der dritten und vierten Auflage der Monographie über die Weiacher Ortsgeschichte (begonnen von Zollinger, weitergeführt von Brandenberger).

Anlässlich des 50-jährigen Jubiläums dieses erstmaligen Nachtbus-Versuchs geht WeiachBlog dessen Geschichte anhand der Jahreschronik 1965 von Walter Zollinger auf den Grund. Dort findet man im Textteil die folgenden Zeilen:

«Da ab dem Maifahrplan 1964 der bisherige an Samstagen verkehrende Spätzug Eglisau-Koblenz aufgehoben wurde, bemühten sich die Ortsbehörden von Kaiserstuhl, Weiach und Zweidlen-Glattfelden, dafür einen Ersatz zu erhalten. Es wurde daher ab 3.7.65. versuchsweise ein Autobus-Spätkurs eingeführt (Fahrplan und Näheres siehe im Anhang). - Allerdings war die Benützung desselben leider so bescheiden, dass die Gemeinderäte obgenannter Gemeinden beschliessen mussten, den Kurs ab Ende 1965 wieder aufzuheben. Kostete doch dieser "Spass" jede der drei Gemeinden etliche hundert Franken.» (G-Ch Weiach 1965, S. 20)

Man lese und staune: Da gab es also einen Spätzug! Leider erwähnt Zollinger nicht, wann der in Eglisau abgefahren ist. Leistungsabbau war bei den SBB also auch damals schon kein Tabu.

Fahrplan und «Kleingedrucktes»

Einzelheiten zu diesem Autobus-Spätkurs sind aus einem der Jahreschronik beigehefteten, separaten Blatt ersichtlich, das der Gemeinderat drucken und verteilen liess:


«Gemeinderat Weiach

Provisorische Einrichtung eines Autospätkurses auf der Strecke Glattfelden-Zweidlen-Weiach-Kaiserstuhl

Fahrplan (Fahrpreis in CHF)
Glattfelden SBB Station ab 00.28,
Glattfelden Post ab 00.35 (-.50)
Glattfelden Aarüti ab 00.38 (-.75)
Glattfelden Zweidlergraben ab 00.40 (-.75)
Glattfelden SBB Station Zweidlen ab 00.44 (1.-)
Weiach Gasthof Sternen ab 00.52 (1.50)
Weiach SBB Station ab 00.54 (1.75)
Kaiserstuhl Rest. Kreuz an 00.56 (1.75)

Allgemeine Bestimmungen

1. Der Autospätkurs verkehrt jeweils nur in der Nacht vom Samstag auf den Sonntag im Anschluss an Zug 3099, vorläufig nur bis 31. Dezember 1965, um Frequenz und Defizit feststellen zu können. Aufhebung oder Fortbestand wird später rechtzeitig publiziert.

2. Die Billete sind im Autokurs zu lösen. Die gewöhnlichen einfachen und Retour-Billete der SBB sind auf dem Autokurs gültig. Auf SBB-Abonnements ist ein Zuschlag von 1.- zu entrichten.

3. Der Autokurs befördert auch Reisende auf dem Rückweg nach Zweidlen und Glattfelden. Retourfahrten ab Kaiserstuhl u. Weiach sind jedoch dem Chauffeur, Herrn Fritz Hürzeler, Glattfelden rechtzeitig anzumelden.

Weiach, den 23. Juni 1965   Der Gemeinderat»

Man kann sich denken, wie es bei diesem Versuchsbetrieb am Ende des Jahres mit dem Defizit aussah. Dieses dürfte nicht gerade klein, die Nachfrage nicht überwältigend gewesen sein. Nachdem die SBB ihren Spätzug gestrichen hatten, war dies nun auch mit dem Autospätkurs der Gemeinden Glattfelden, Weiach und Kaiserstuhl nicht anders.

Lange Zeit danach verliess der letzte Zug, der noch Anschluss bis zur Station Weiach-Kaiserstuhl hatte, Zürich kurz nach 21 Uhr. Man konnte also keinen Kino- oder Theaterbesuch in der Stadt wagen, ohne danach auf ein Taxi oder die eigene Motorisierung angewiesen zu sein.

Mit der Gründung des Zürcher Ver­kehrsverbundes kam Weiach dann endlich wieder zu einer Spätver­bindung: Zürich HB ab 23:37 Uhr.

Erst seit dem 15. Dezember 2002 gibt es am Wochenende Spezialkurse für Nachtschwärmer. Seit damals gibt es das Nachtnetz (vgl. ZVV-Website für den aktuellen Netzplan)



Dem Ausschnitt aus diesem Nachtnetzplan ist zu entnehmen, dass man ab Zürich zuerst mit der SN5 (S-Bahn) nach Oberglatt fahren und dort auf den Nachtbus N51 umsteigen muss. Der fährt aber nicht jede Stunde gleich. In der Nähe der Bezirkshauptorts verzweigt sich die Linie (einmal Richtung Wehntal, einmal Richtung Neerach, Stadel, Weiach, Kaiserstuhl und Bachs). Es lohnt sich also, den Fahrplan zu konsultieren.

Quellen
  • Zollinger, W.: Gemeinde Weiach. Chronik des Jahres 1965 – S. 20 u. 44. [Original in der Handschriftenabteilung der Zentralbibliothek Zürich. Signatur: G-Ch Weiach 1965].
  • Brandenberger, U.: Weiach. Aus der Geschichte eines Unterländer Dorfes. Vierte, überarbeitete Auflage von Walter Zollingers «Weiach. 1271-1971. Aus der Vergangenheit des Dorfes Weiach». Online-Ausgabe August 2014 - S. 51

[Veröffentlicht am 29. Juli 2015]

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