In diesem Urbar hat das Haus Habsburg-Österreich im Rahmen der Territorialisierung versucht, auch in den Gebieten der Vorlande (Elsass, Schwaben und heutige Eidgenossenschaft) möglichst alle seine Rechtsansprüche schriftlich festzuhalten.
Bereits Feger bezieht sich auf die 1904 von Maag, Schweizer und Glättli herausgegebene Edition mit Kommentarband, die auch von Weibel in der Rechtsquellensammlung Neuamt (RQNA; 1996 erschienen) referenziert wird - und zwar gleich in Quelle Nr. 1, von ihm betitelt mit:
Rechte und Einkünfte der Herrschaft Habsburg-Österreich in der nachmaligen Vogtei Neuamt
Zum habsburgischen Amt Kloten (dem «Officium Kloton») wurde unter anderem auch Neerach gezählt: «J[tem] ze Nerrach ist ein meyerhof, der der heirschaft eigen ist;» und weiter: «Dui heirschaft hat ze Nerrach twing und ban und richtet von gewonheit dube und vrevel.» Mit «dube und frevel» ist die Blutgerichtsbarkeit, also die hohe Gerichtsbarkeit gemeint. (vgl. RQNA S. 501)
Diesen herrschaftlichen Hof mit Hoch- und Niedergericht zu Neerach betrachtete die habsburgische Verwaltung als eine Art untergeordnetes Zentrum, dem weitere Orte wie Oberhasli und sog. «ussidelinge» (Aussiedler) in der Umgebung zugeordnet wurden:
«Die lute desselben dorfes [Obern Hasla] und ander ussidelinge, die gesessen sint ze Adlinkon, ze Watta, ze beiden Affoltron, von Metmen Hasla, und von Katzenruiti, ze Buchse, ze Tellinkon, ze Titinkon, ze Nassenwiler, ze Dielsdorf, ze Obern Steynimur, ze Nidern Steynimur, ze Sunninkon, ze Obern Weningen, ze Weyach, ze Willach, ze Rode und ze Stadeln und anderswa hant gegeben ze sture bi dem meisten xxxiij phunt und ij schill[ing], bi dem minsten xxij phunt und xij schill[ing] pfenning.» (RQNA Nr. 1 - S. 1-2)
In all diesen bis auf den heutigen Tag bestehenden Siedlungen («Willach» soll Windlach, «Rode» soll Raat sein) gab es also Personen, von denen Habsburg-Österreich behauptete, sie hätten Steuern bezahlt. Wann und aus welchem Anlass die Zahlungen erfolgten und an wen die Summen gingen, wird nicht erwähnt. Ob ein Anspruch von Habsburg auch durchgesetzt werden konnte, ist nicht bewiesen.
Dissertation Bärtschi wirft neues Licht auf das Habsburgische Urbar
Um besser zu verstehen, was es mit diesem Habsburgischen Urbar (HU) auf sich hat, sei hier eine neuere Dissertation empfohlen. Marianne Bärtschi nennt das Urbar 2008 im Titel ihres Werks einen «Traditionscodex» und schreibt in der Einleitung:
«Leider ist jedoch bis heute nicht geklärt, wie und warum es überhaupt entstand, welche Funktion es innerhalb des habsburgischen Verwaltungsapparates erfüllte und weshalb es Jahrhunderte lang immer wieder unverändert abgeschrieben wurde. Ausserdem wird vermutet, dass es kaum die tatsächlichen Herrschaftsverhältnisse widerspiegelt, sondern hauptsächlich die unsicheren und strittigen Ansprüche der Habsburger verzeichnet.» (Bärtschi - S. 8)
Und weiter unten: «Mittelalterliches Schriftgut ist häufig mehrdimensional zu deuten, und meist weist gerade der Inhalt auf die falsche Fährte. So werden im Habsburger Urbar zwar die Verpflichtungen der Untertanen gegenüber ihrer Herrschaft und deren Rechte festgehalten, ob diese jedoch eingehalten und akzeptiert wurden, steht dadurch noch längst nicht fest.» (Bärtschi - S. 13)
Das von Weibel zitierte Verzeichnis wurde auf Pergament geschrieben und hat die Form eines Rodels «von 2,3 m Länge und 23 bis 24 cm Breite.». Also eine Schriftrolle. Das Zürcher Staatsarchiv hat diese Urkunde mit der Signatur C I Nr. 3288a katalogisiert.
Wie kommt Weibel auf das Erstellungsjahr 1307?
Im Original ist diese Urkunde Nr. 3288a nicht datiert. Weibel gibt in Klammern dennoch eine Datierung auf 1307 - und begründet dies in Fussnote 1 (RQNA S. 2) mit: «Gemäss Paul Schweizer, Das Habsburgische Urbar, Kommentarband, QSG 15/2 S. 510 f.»
Hier kommt Bärtschi wieder das Verdienst zu, zwischen Transkriptions- und Interpretationsleistung der Editoren Maag, Schweizer und Glättli klar zu differenzieren:
«Abgesehen davon, dass der erste Band der Edition die Vorstellung eines zusammenhängenden Schriftstückes suggeriert, das in planvoller Absicht zu Beginn des 14. Jahrhunderts hergestellt wurde, was nicht stimmt, darf man dem Bearbeiter Maag kaum Vorwürfe bezüglich der inhaltlichen Präzision und der buchstabengetreuen Wiedergabe der Texte machen. Abweichungen zu den Originalen begegnen höchst selten und wenn, dann sind sie in geringfügiger Weise formaler Art. Darüber hinaus bietet der äusserst ausführliche Anmerkungsapparat trotz seiner unterdessen zumeist etwas veralteten Quellenangaben nach wie vor eine Fülle von Zusatzinformationen, die für die Beschäftigung mit dem Urbar ungeheuer hilfreich sind. Wer also das Habsburgische Urbar lesen und sehen möchte, was da so alles drin steht, der braucht sich nicht die Mühe zu machen, sich mit den „Originalen” auseinanderzusetzen. Knifflig wird es erst, wenn man die Angaben des Urbars für eigene Forschungszwecke verwenden will. In diesem Fall muss man jeden einzelnen Eintrag darauf hin befragen, aus welcher Zeit er eigentlich stammt und warum er ins Urbar aufgenommen wurde.». (Bärtschi - S. 23)
Für die später zürcherische Ämter betreffenden Urbar-Teile (wie es das «Officium Kloton» darstellt) ist es durchaus möglich, dass sie erst einige Jahre nach 1307 verfasst wurden, z.B. um 1313, d.h. also nach - und nicht kurz vor dem Tode von König Albrecht I. (vgl. Bärtschi, S. 63ff).
Der Ortsname Weiach erscheint übrigens im Habsburgischen Urbar gleich in mehreren der früher gebräuchlichen Formen: Weyach, Wiach und Wyach. Die Wiach- und Wyach-Fundstellen werden in späteren Beiträgen behandelt.
Weiterführende Literatur
- Maag/Schweizer/Glättli (Hrsg.): Das Habsburgische Urbar. Quellen zur Schweizer Geschichte. Bände 14, 15/1, 15/2. Basel, 1904.
- Weibel, Thomas: Sammlung Schweizerischer Rechtsquellen. Die Rechtsquellen des Kantons Zürich. Neue Folge. Zweiter Teil: Rechte der Landschaft; Erster Band: Das Neuamt; Aarau, 1996. (Volltext vgl. https://www.ssrq-sds-fds.ch/online/ZH_NF_II_1/ZH_NF_II_1.pdf)
- Bärtschi, Marianne: Das Habsburger Urbar. Vom Urbar-Rodel zum Traditionscodex. Zürich, 2008 (StAZH Bibliothek; Signatur: Bb 18): http://opac.nebis.ch/ediss/20080381_002029127.pdf
[Veröffentlicht am 4. September 2016 um 01:02]
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