Donnerstag, 26. Dezember 2024

Irrtümlich auf eine eigene C-36 geschossen

In den Zeiten des Kalten Kriegs war man als männlicher Jugendlicher gut beraten, sich auf die Rekrutierung vorzubereiten. Nicht nur mit physischem Training. Auch geistig. Da gab es etliche vom EMD geförderte Abendkursangebote. 

Kleine Auswahl gefällig? Der Erste-Hilfe-Kurs des Militärsanitätsvereins (besser als jede heutige Nothelferkurs-Schnellbleiche), Morsekurse für Funkbegeisterte und Flugzeugerkennungskurse, wo man anhand von Modellen, Silhouetten und Filmaufnahmen lernte. Der Absolvent solcher Kurse konnte sich sein Spezialwissen in einem rosafarbenen Büchlein bescheinigen lassen. Das konnte helfen, den Aushebungsoffizier davon abzuhalten, einen als Füsilier einzuteilen.

Fensterplatz beim Flugzeugerkennungsunterricht?

Dass solche Theorie sehr praktischen Nutzen haben kann, das belegt der Nachmittag des zweiten Weihnachtstages 1944, heute vor 80 Jahren. Damals donnerten auf Leebern nördlich des Dorfes Weiach und nahe dem Rhein nämlich die Geschütze der Schweizer Fliegerabwehr, wie man dem Tagebuch des Kommandanten der Flab-Batterie 104, Hauptmann Kissling, entnehmen kann:


Unter dem rationalen Telegrammstil der Pflichtberichtspunkte findet sich unter 8. Besondere Vorkommnisse die Prosa einer mehr als peinlichen Schussabgabe:

«Die Bttr. eröffnet um 1530 auf als fremdes Flz. angesprochene C 36 irrtümlicherweise das Feuer, glücklicherweise ohne Erfolg. Bestrafung der "Schuldigen" durch Abt. Kdt.»

Wie hoch die Strafe ausgefallen ist, das schreibt Hptm Kissling hier leider nicht. Bislang war es dem Verfasser dieses Artikels auch nicht möglich, in die Tagebücher der vorgesetzten Stellen (Flab Rgt 22 oder 23?) Einsicht zu nehmen.

Was ist eine C-36?

Der Mehrzahl der geneigten heutigen Leserschaft ist der Begriff C-36 und das Aussehen dieses Flugzeugs wohl ein böhmisches Dorf.

Den damaligen Angehörigen des in Weiach stationierten Flab-Detachements hätte das aber nicht passieren dürfen.

Ironie der Geschichte: Noch am Vortag, dem 25. Dezember 1944, hatte Leutnant Kummer als Stellvertreter des Kommandanten für ebendiesen Stephanstag für das Alarm-Det. von 16:30 bis 17:30 eine Lektion «Flz.-Erkennungsdienst» anberaumt. Das geht aus dem von ihm unterzeichneten Tagesbefehl hervor. Als Einsatzbesprechung war diese Sequenz wohl nicht gedacht. Trotzdem sozusagen perfektes Timing.

Die C-36 war ein ureigenes Schweizer Gewächs. Gebaut von der Eidgenössischen Konstruktionswerkstätte (K+W), 1942 in Dienst gestellt und nach dem Krieg noch lange als Zielschleppflugzeug verwendet. Da durfte man dann drauf schiessen. Aber nur auf das Ziel im Schlepptau!

Quellen

  • Tagebuch Flab.-Det. 104, Bd. 6, 8.5.1944 bis 13.2.1945 (Elektronische Version: Dok 8, S. 24; bzw. Dok 9, S. 86 für den Tagesbefehl). Schweizerisches Bundesarchiv. Signatur: CH-BAR E5790#1000/948#3115*.
  • Bild C-36 von ETH-Bibliothek Zürich, Bildarchiv / Fotograf: Unbekannt / Ans_05035-197 / Public Domain Mark - http://doi.org/10.3932/ethz-a-000031934.

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