Mittwoch, 1. März 2017

Hart erkämpfte Eigenständigkeit unserer Kirchgemeinde aufgeben?

«Unabhängigkeit aufgeben? Kritische Gedanken zur geplanten Kirchgemeindefusion Bachs-Stadel-Weiach», lautet der Titel eines fünfseitigen Beitrags des Autors der «Weiacher Geschichte(n)» (und des WeiachBlog) zu den Kirchgemeindeversammlungen vom 19. März 2017, der Abstimmung über den Zusammenschluss der evangelisch-reformierten Kirchgemeinden Bachs, Stadel und Weiach zu einer Kirchgemeinde Stadlerberg.

Der Artikel hätte - als Replik zu den Aussagen der offiziellen Kirchenvertreter in der Februar-Ausgabe der Mitteilungen für die Gemeinde Weiach - im selben Publikationsorgan erscheinen sollen.

Die Politische Gemeinde zieht den Schwanz ein

Dazu kam es aber nicht. Am 23. Februar teilte mir die Gemeinde mit:

«Es wurde beschlossen, dass der Beitrag leider nicht über das Mitteilungsblatt der Politischen Gemeinde publiziert werden kann. Gemäss Reglement des Mitteilungsblattes ist geregelt, dass politische Beiträge mit nicht neutralem Inhalt, politische Wahl- und Abstimmungsempfehlungen sowie auch  offene Briefe oder Lesebriefe nicht publiziert werden. Ihr Beitrag ist keine Abstimmungsempfehlung, jedoch in gewissen Punkten kritisch gegenüber dem Zusammenschluss.

Die Gemeinde publiziert die Einladung sowie den Antrag der Kirche an die Einwohner, hat jedoch politisch mit der Abstimmung keine Verbindung. Zusammen mit dem Mitteilungsblatt wird jedoch eine Broschüre der reformierten Kirche zu der Abstimmung publiziert. Ich werde noch heute Nachmittag mit der Präsidentin der Kirchenpflege Kontakt aufnehmen und Ihr den Vorschlag machen, Ihren Beitrag über die Broschüre der reformierten Kirche zu publizieren


Die angerufene Bestimmung ist Ziff 7c des Reglements für das Mitteilungsblatt Weiach.

Dass die Kirchenpflege an einer solchen Gegenposition kein Interesse hatte und daher auch keinen Gegenpositionen Raum geben wollte, war zu erwarten.

In meiner Antwort vom selben Tag (23. Februar 2017) habe ich meinen Standpunkt erläutert und auch meinem Befremden über den Entscheid Ausdruck verliehen:

«Die Gemeinde hat nichts dabei gefunden, noch in der Februar-Ausgabe der MGW, die mehrheitlich von Stadlern verfassten «Infos und Gedanken zum Zusammenschluss» zu publizieren. Gerade die eklatanten Unterschiede zwischen den dort behaupteten Inhalten des Fusionsvertrags (u.a. die Wahlkreis-Behauptung) und dem tatsächlichen Wortlaut des Zusammenschlussvertrags haben mich bewogen, diesen Beitrag überhaupt zu schreiben.

Sollte die Politische Gemeinde Weiach gleichzeitig mit der Ablehnung meines Beitrags entschieden haben, den Beitrag von Pfrn. Wildbolz mit dem Titel "Gedanken der Pfarrerin zum geplanten Zusammenschluss im Blick auf Weiach" zur Publikation in den MGW zuzulassen, so würde dies einen eklatanten Verstoss gegen das Gebot der Neutralität darstellen.

Die Pfarrerin behauptet in ihrer Darstellung, die Finanzen seien fix zugesichert, was der Formulierung im Zusammenschlussvertrag so nicht entnommen werden kann:

«Die unterschiedlichen Finanzlagen der Kirchgemeinden und die erst in Planung begriffene Renovation der Kirche Weiach, wurden als Knackpunkt erwähnt. Geld für die Erneuerung wird im Zusammenschlussvertrag zugesichert (auf Seite 5, Art. 15 Grundsatz, Pkt.4: Es ist vorgesehen, die entstehenden Renovationskosten dem Eigenkapital der neuen Kirchgemeinde zu entnehmen.) Diese Zusicherung ermöglicht es den Mitgliedern der Kirchgemeinde Weiach einem Zusammenschluss jetzt zuzustimmen, auch wenn die Renovation nicht mehr vor der Fusion fertig geplant und realisiert werden kann.»
[Volltext, vgl. WeiachTweet Nr. 469 vom 25. Februar 2017]

Ich sehe nach wie vor nicht, weshalb die politische Gemeinde Pro-Beiträge durchgehen lässt (vgl. Februar), nun aber bei einer direkten Replik auf dieselben - und einer Contra-Ausrichtung den Schwanz einzieht.»

Es ist offensichtlich, dass die Politische Gemeinde sich in dieser Angelegenheit nicht die Finger verbrennen wollte. Die einseitigen Darstellungen der Kirchenpflege in ihrem offiziellen Publikationsorgan hat sie nicht verhindert - vielleicht auch nicht verhindern können. Wohl aber die sichere Kontroverse, hätte sie den eingangs zitierten Beitrag in der März-Ausgabe abgedruckt. Der Gemeinderat wollte wohl den Vorwurf verhindern, über seinen eigenen Kommunikationskanal weiteres Öl ins Feuer gegossen zu haben.

Kampagne auf Twitter

Dem zuständigen Gemeinderat ist zugute zu halten, dass er zur Publikation des von ihm abgelehnten Beitrags ermunterte. Und das trotz der auf dem WeiachTweet mit Verve geführten Kampagne gegen das Fusionsvorhaben. Die war nämlich klar und eindeutig auf Contra-Kurs, was nur schon die beiden nachstehenden Tweets zeigen:


(WeiachTweet Nr. 176 vom 21. November 2016, 14:55 MEZ)


(WeiachTweet Nr. 177 vom 21. November 2016, 15:07 MEZ)

Warum Verrat an den Vorfahren? Weil die Vorfahren seit 1591 grosse Opfer - auch finanzieller Art - gebracht haben um einen bei ihnen wohnhaften Pfarrer zugeteilt zu bekommen: 64 Prozent der Lohnkosten ihres Pfarrers mussten die Weiacher aus eigenen Mitteln bezahlen.

Den eigenen Pfarrer liess man sich einiges kosten!

In seiner «Chronik des Jahres 1965» hat Walter Zollinger die Einleitung den Anfängen der evangelisch-reformierten Kirchgemeinde Weiach gewidmet (vgl. den Hinweis in WeiachBlog Nr. 682).

«Aus Anlass des Kirchgemeindebeschlusses v. 25.11.65., eine Restauration unseres Kirchleins durchzuführen, gebe ich im Nachfolgenden einige Notizen über die Errichtung der selbständigen Pfarrei Weiach anno 1591. Die Angaben sind zur Hauptsache den Aufzeichnungen von Pfr. E. Wipf (1904 bis 1908 in Weiach) entnommen:

Seit der Reformation wurden von Zürich aus jeweilen Prädikanten hieher gesandt, die aber nur gelegentliche sonntägliche Predigten hielten. Das Pfarrverzeichnis enthält zwischen 1520 u. 1590 rund 60 verschiedene Namen. Darum ging schon 1540 die nachfolgende Klage nach Zürich: „zuo Wyach ist ein erbar gross Volck, gehörend über Rhyn zur Kilchen gen Dengen und diewyl dieselben am Babschtumb sind, sy wie ein Herd, die kein Hirt hat und zerstreut ist, mangelnd des Wort Gottes und der Sakramenten; dann sy von Stadel und Glattfelden eben wyt gelegen sind“.

Der Rat zu Zürich war aber offenbar der Ansicht, dass Weiach doch am besten nach Stadel zugehörig erklärt würde. Dorthin kam regelmässig ein Kaplan aus Bülach, um die Neugläubigen "mit Wort und Sakrament" zu versehen. Auf diese Zumutung hin schrieben aber die Weiacher ziemlich bestimmt und drohend: "ee giengend (mir) nach Kayserstuhl und achtend nüt der waarenn Leer," d.h. also, eher würden sie wieder den katholischen Gottesdienst im näher gelegenen Städtchen besuchen. –


Daraufhin, wohl um ein Abspringen zur alten Lehre zu verhüten, sandte Zürich nun jeden Sonntag einen Prädikanten nach Wyach, der "das lautere, reine Evangelium nach dem Vorbilde Zwinglis" predigen musste. Aber auch das war immer noch keine befriedigende Lösung, zumal die allwöchentliche Kinderlehre dennoch der Kaplan von Stadel halten sollte, was dieser selber auch bald als "zu beschwerlich" ablehnte. Zeitweise hatte sogar der Schulmeister von Eglisau auszuhelfen. Damals waren diese ja verpflichtet, etwa anstelle des Pfarrers die Samstags- oder Sonntagnachmittagspredigten und Unterweisungen zu halten. 

All' dies behagte unsern Weiachern einfach nicht und sie gaben wohl nicht nach mit Aufbegehren und Drängen, bis sie zur eigenen Pfarrei erhoben wurden.

Aber erst am 23. Januar 1591 wurde durch Ratsbeschluss auf "einer lieben getreuwen Gmeind Wyach im Neuampt untertänig Bitten, Ansuchen und Erbieten" Weiach zu einer selbständigen Pfarrei erklärt.

Viel zu beraten und viel zu schreiben gab die Beschaffung der Besoldung des Pfarrers. Davon einiges aus dem Pfrundbuch von Weyach: schon am 25. Wynmonat des Vorjahres wurde durch eine anwesende Kommission ausgemacht, was jeder Einwohner „gemäss synem Zug“ zu zahlen habe. Es wurde bestimmt:

"die so mit zweyen Zügen zu buwen habend (2 Bewohner)
    je 4 pfund 5 batzen,
demnach die so mit eynem Zug zu buwen (11 Bewohner)
    je 2 pfund 8 batzen,
die, so ein halben Zug habend (4 Bewohner)
    je 1 pfund 10 batzen,
die so allein acher, matten und Räben habend, weder
mit halbem noch ganzen Zug zu buwen (48 Bewohner)
    je 1 pfund 5 bis 6 batzen."


Dazu kam noch ein gewisser Anteil des kleinen Zehntens und des Weinzehntens. Den grössern Teil davon beanspruchte allerdings immer noch der Bischof von Konstanz, weil ja Weiach früher zum Kilchsprengel Hohenthengen gehört hatte. An baar erhielt der Pfarrer von der Gemeinde noch 40 Gulden, sowie 60 vom Obmannamt zu Zürich ausbezahlt.

Erster Prädikant zu Weiach anno 1520 war: Niklaus Ländi,
erster Pfarrer, 1591 bis 1609, ein Hans Felix Schörrli.
»

Es dauerte also ein halbes Jahrhundert, bis die Weiacher endlich einen vor Ort wohnhaften Pfarrer zugestanden erhielten. Und den teilte ihnen die Obrigkeit zu Zürich auch nur deshalb zu, weil sie selber finanzielle Opfer zu bringen bereit waren. Auch diese für Weiach beträchtlichen Mittel ermöglichten dem Pfarrer nur ein bescheidenes Auskommen. Weiach blieb über Jahrhunderte eine wenig einträgliche Pfarrstelle.

Wieviel war 1591 ein Batzen?

Gemäss Historischem Lexikon der Schweiz war der Batzen in der Eidgenossenschaft und Süddeutschland verbreitet und im täglichen Zahlungsverkehr beliebt (vgl. den Artikel Batzen).

Gemäss Moritz John Elsas (vgl. Quellen) galt der Gulden nach der «Reichsmünzordnung von 1559» 15 Batzen: «Seit dem Ende des 16. Jahrhunderts bürgert sich der Batzen bei den Bauamtsrechnungen immer mehr ein, vor allem bei Lohnzahlungen. Der Batzen war für jene Zeit eine sehr praktische Einheit, da er es ermöglichte, die Taler- und Guldenwährung mühelos ineinander überzuführen (...) Der Batzen war eine groschenartige Silbermünze, die im 15. Jahrhundert zuerst in Bern geprägt und dann im 16. Jahrhundert in Süddeutschland viel nachgeahmt wurde.»

Die Währungsrechnungseinheit 1 Gulden entsprach damals in der Regel etwa 2 Pfund, eine Umrechnung, die nach obiger Aufstellung im Pfrundbuch entweder nicht ganz aufgehen kann oder aber die tatsächlich zu entrichtende Steuer in zu bezahlenden Münzen aufführt.

Quellen
  • Elsas, Moritz John: Umriss einer Geschichte der Preise und Löhne in Deutschland. Vom ausgehenden Mittelalter bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts. Leiden, 1936-1949. Bd. 1, S. 130
  • Zollinger, W.: Jahreschronik Weiach 1965 - S. 1-2. Original: Handschriftenabteilung der Zentralbibliothek Zürich. Signatur: G-Ch Weiach 1965.
  • Brandenberger, U. et al.: Beitrag WeiachBlog für MGW 03/2017. E-mail-Korrespondenz mit der Politischen Gemeinde Weiach zwischen dem 20. und 24. Februar 2017

[Veröffentlicht am 3. Januar 2019 um 13:50 MEZ]

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