Am 14. Februar 1610 tauschte «Heinerich Werdmüller der elter, burger zu Zurich» seine zwei Grund- und Bodenzinse von 5 Mütt ein Viertel Kernen, ein Fasnachthuhn, zwei Herbsthühner und 60 Eier vom Hof, genannt «des Pfiffers güetter» zu Weyach, und von vier Mütt minder drei Mässli Kernen, 9½ Viertel Haber, 19 Zürcher Schilling, zwei Herbsthühner, ein Fastnachthuhn und 28¾ Eier vom Meierhof zu Weyach mit Schultheiss und Rat von Kaiserstuhl gegen eine andere Kernengült. (Vgl. Aargauer Urkunden, Band XIII, Die Urkunden des Stadtarchivs Kaiserstuhl, Nr. 368.)
Hinweis auf eine Teilung?
Da ging es also um einen Handel mit Partizipationsscheinen zwischen einem Wohlhabenden aus der Stadt Zürich und der Stadt Kaiserstuhl als Gemeinde. Denn eine Gült war eine Schuldverschreibung, d.h. ein Wertpapier, das untrennbar mit dem Grundstück, auf das es ausgestellt wurde, verbunden war - und nicht etwa mit dem jeweiligen Eigentümer oder Pächter (Vgl. Brandenberger, U.: Eine Gült wechselt die Hand. Der Bauernhof der Familie Ringli – vor 600 Jahren eine Kapitalanlage. Weiacher Geschichte(n) 112. In: Mitteilungen für die Gemeinde Weiach, März 2009 – S. 10-12.).
Was hat es mit dieser seltsamen Zahl 28 ¾ auf sich? Die Stückelung von Partizipationsscheinen kann bekanntlich frei gewählt werden. Und diese Zahl könnte ein Hinweis darauf sein, dass es sich bei dieser auf dem «Meierhof zu Weyach» lastenden Kernengült um eine von vier gleichlautenden Gülten gehandelt hat. Die zweimalige Verdoppelung ergibt nämlich eine gerade Zahl: 115 Eier.
Je nachdem wie alt die Gült zu diesem Zeitpunkt bereits war, entsprach dieser Viertel vielleicht tatsächlich noch einem der vier Bauernhöfe zu dem der einstige Meierhof aufgeteilt wurde. Oder bereits mehreren solcher Wirtschaftseinheiten. Den Rechteinhabern konnte das egal sein, denn das Inkasso war nicht ihr Problem.
Das Problem des Tragers
Für das Einkassieren des Coupons, also des in der Gült erwähnten Zinses, wandte sich der jeweilige Inhaber der Gült an den sogenannten Trager. Der war für's Einkassieren der fälligen Erträge zuständig (und haftbar). Damit lösten die Grundherren das Problem, dass immer häufiger ehemals grosse Einheiten (mit oder ohne ihr Einverständnis) durch Erbteilung zerstückelt wurden. In diesem Fall musste der Trager dann eben 4 x 28 ¾ Eier (oder deren Gegenwert) einsammeln.
Und wie soll man nun die in der zweiten Gült genannten ¾ eines Eies abliefern? Aus dieser Schwierigkeit ergibt sich, dass diese Eier zumindest entsprechend monetarisiert bzw. in andere Sachwerte umgerechnet wurden. Je näher wir unserer heutigen Zeit kommen, wurden die Zinsen solcher Gülten jeweils in eine Geldschuld umgewandelt.
Mütt, Viertel, Mässli?
Wer sich mit der Frage befassen will, welche Grössenordnung die obgenannten Getreidehohlmasse Mütt, Viertel und Mässli hatten, der sei auf das Historische Lexikon der Schweiz (e-HLS) und dort auf die Artikel von Anne-Marie Dubler verwiesen, so z.B. Dubler, A.-M.: Artikel Mässli. Historisches Lexikon der Schweiz (Stand 29.10.2009).
Da Masse, Gewichte und Geldeinheiten vor 1877 eine höchst lokal geprägte Angelegenheit waren und daher bspw. ein Mütt je nach Zeitraum und Landesgegend sehr unterschiedlich viel fassen konnte, müssen alle Umrechnungsergebnisse mit grösster Vorsicht behandelt werden. Gerade bei solchen Wertpapier-Tauschgeschäften mit Gülten wie dem von 1610, wo Erstellungsjahr und Ausstellungsort der Gülten nicht genannt sind, kann man lediglich von Bandbreiten ausgehen, vgl. dazu Wiachiana Dokumentation Nr. 2: Masse und Gewichte im alten Weiach.
[Veröffentlicht am 8. November 2018 um 10:59 MEZ]
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