Montag, 7. Dezember 2020

Witamy, Joanna Krauze!

Falls Google Translate etwas taugt, dann ist dieser Titel Polnisch und heisst übersetzt: «Willkommen, Joanna Krauze». 

Wie man heute auf der Website bzw. über den elektronischen Newsletter der Politischen Gemeinde (!) erfahren konnte (vgl. https://www.weiach.ch/short/LG8gnKBD), ist diese junge polnische Pianistin seit 1. Dezember 2020 offiziell Titular-Organistin der Evangelisch-reformierten Kirchgemeinde Weiach, d.h. sie ist fix angestellt und erste Wahl bei allen Orgeldiensten.

Lydia Kellenberger nach über 23 Jahren im Ruhestand

Krauze löst die bisherige Stelleninhaberin Lydia Kellenberger ab, die seit November 1997 für die kirchenmusikalische Grundversorgung der Weiacherinnen und Weiacher verantwortlich zeichnete. Lydia wurde am 15. November mit allen Ehren in den wohlverdienten Ruhestand verabschiedet. Für ein Interview, wie es Regula Brandenberger im Herbst 1986 mit ihrem Vorgänger Harlacher geführt hat (vgl. WeiachBlog Nr. 1385), ist Lydia zu bescheiden. Es bleibt daher bei der Laudatio in der Kirche.

Vom Vorsinger zum Publikumsmagneten Frau Pfarrer

Bis Ende 1866 war Kirchenmusik reiner Gesang, geleitet von einem Vorsinger. Dieses Amt wurde lange Zeit qua Regierungserlass durch den Schulmeister bekleidet. Erst nach der Aufhebung dieses Amtszwangs wurde es schwieriger einen Vorsinger zu verpflichten, was 1867 der Anlass zur Beschaffung des ersten in unserer Kirche fix installierten Instruments war: einem Trayser-Harmonium.

In der Anfangszeit wurde dieses auch von der jungen Frau Pfarrer Stünzi gespielt, was nach den Erinnerungen der aus unserem Dorf stammenden US-Schriftstellerin Louise Patteson zu signifikant höheren Zahlen beim Gottesdienstbesuch durch Männer geführt haben soll:

«The first of Frau Pfarrer’s innovations was a harmonium. It resembled a large flat-topped desk, but was really a church organ. Frau Pfarrer played it at both the church and Sunday School services to the great delight of us children. But we were not the only ones who delighted in that organ. Men who had not been inside of a church for years now became regular attendants.» (Vgl. WeiachBlog Nr. 1506 für das Zitat und Quellenangaben).

Richtige Orgeln und lange Amtszeiten

Ab 1930 stand in der Weiacher Kirche dann eine «richtige» Orgel (von der Orgelbaufirma Kuhn am Zürichsee). Dieses Instrument erlebte gerade einmal zwei Titular-Organisten (vgl. WeiachBlog Nr. 1385): 

  • Albert Griesser: 1891-1946
  • Walter Harlacher: 1946-1997

Griesser spielte also bereits seit vielen Jahren auf dem Harmonium. Und Harlacher nach der grossen Restauration in der zweiten Hälfte der 1960er-Jahre auch auf der neuen Neidhart&Lhôte-Orgel von 1969.

Somit ist Joanna Krauze erst die zweite Person, die von der Kirchgemeinde auf dieses Instrument gewählt worden ist. Was das noch jugendliche Alter betrifft, so erinnert ihre Berufung durchaus an den jungen Walter Harlacher, der 1946 noch häufig mit dem Velo von auswärts anreiste.

Sieht man sich allerdings ihr Palmarès an (vgl. https://www.wcom.org.uk/yeoman/joanna-krauze/) und berücksichtigt überdies den Umstand, dass sie die erste Profi-Musikerin ist, die dieses Amt bekleidet, so ist es eher wenig wahrscheinlich, dass Krauze eine ähnlich lange Zeit unsere Titular-Organistin bleiben wird wie Kellenberger oder gar Harlacher.

Bach als kleine Einführung

Anders als die Kuhn-Orgel steht das Neidhart&Lhôte-Instrument seit 1969 auf der Empore (ähnlich wie das Harmonium von 1872 bis 1929). Von unserer Organistin wird man also wenig sehen. Als kleines Performance-Beispiel sei hier auf ein Youtube-Video verwiesen, das im Rahmen des 10. Internationalen Klavierwettbewerbs Johann Sebastian Bach, Würzburg im März 2019 aufgezeichnet wurde.

Der anlässlich dieses Wettbewerbs Geehrte hat bekanntermassen viele Werke auch für Orgeln geschrieben und sich selber auf vakant gewordene Organistenstellen gemeldet:

«Im Jahre 1720 bewarb sich Johann Sebastian Bach um die Organistenstelle an St. Jacobi. Jedoch erhielt statt seiner Johann Joachim Heitmann die Stelle, weil dieser im Gegensatz zu seinem berühmt gewordenen Mitbewerber in der Lage war, eine hohe Summe Geldes (4000 Mark) an die Kirchenkasse zu entrichten und darüber hinaus die Tochter des Hauptpastors zu ehelichen.

Johann Mattheson überliefert die Strafpredigt von Erdmann Neumeister, dem damaligen Hauptpastor von St. Jacobi: „Er glaube ganz gewiß, wenn auch einer von den bethlehemitischen Engeln vom Himmel käme, der göttlich spielte und wollte Organist zu St. Jacobi werden, hätte aber kein Geld, so möchte er nur wieder davon fliegen“.

Tatsächlich ist belegt, dass Bach an der großen Orgel in der benachbarten Katharinenkirche spielte. Der Zustand der Jacobi-Orgel war vorübergehend nicht sehr gut und Bach reiste vor dem offiziellen Probespiel ab.»  (Quelle: Wikipedia-Artikel über die Orgel der Hamburger Jacobi-Kirche).

Bach soll im September 1720 im Rahmen eines zweistündigen Auftritts in der Katharinenkirche u.a. auch seine Fantasie und Fuge in g-moll BWV 542 erstmals gespielt und die Anwesenden tief beeindruckt haben.

Wir wünschen gute Zusammenarbeit!

Nun, der derzeit amtierende Weiacher Pfarrer Plüss wird wohl keinen Anlass haben, sich über die Art und Weise der Besetzung der hiesigen Organistenstelle zu echauffieren, wie Neumeister anlässlich der Wahl von Heitmann (die wie oben beschrieben nur gegen Geld und weitere Kautelen zustande kam).

Allen Beteiligten (der frisch gewählten Organistin, dem ebenfalls noch jung im Amt stehenden Pfarrer und der Kirchenpflege) wünscht WeiachBlog hiermit gute Zusammenarbeit und ein erbauliches kirchenmusikalisches Leben.

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