Dienstag, 20. September 2022

Unverschämte Forderung des Weibels für Bekanntmachungen

Wie jedes wirtschaftlich tätige Unternehmen und jeder Verein, so hatte auch die am 24. Oktober 1912 gegründete Milchgenossenschaft Weiach jährlich ihre Generalversammlung durchzuführen.

Die musste natürlich ordnungsgemäss angekündigt werden. Wie das in den ersten Jahren gemacht wurde, ob schriftlich oder mündlich, geht aus den WeiachBlog vorliegenden Unterlagen (s. unten) nicht hervor.

Was man darin unter dem 13. Januar 1916 allerdings finden kann, ist eine Streitigkeit über den Preis dieser Dienstleistung:

«Die von Joh. Willi, Waibel aufgestellte Rechnung für Bekanntmachungen der Generalversammlung wurde dahin beanstandet: Die Gebühren von 2,50 Fr. für Bekanntmachen einer Generalversammlung seien zu hoch, und hat der Vorstand Dieselben auf 1,50 Fr. herabgesetzt mit der Beschlussfassung, dass wenn Willi mit dieser Reduktion nicht einverstanden sei, die Waibelstelle einem Andern zu übertragen sei.»

Umgerechnet mit dem Historischen Lohnindex von Swistoval ergibt sich für die Forderung des Weibels ein Wert von CHF 76.16 (Ausgangsjahr 1916; Zieljahr 2009). Demnach war die Genossenschaft der Meinung, sie wolle nur CHF 45.70 bezahlen.

Nun muss man sich aber ansehen, was der Weibel damit seinerzeit für eine Kaufkraft hatte. 

Pro abgelieferten Liter Milch (1 l = 1.03 kg) erhielt ein Genossenschaftsmitglied 19.2 Rappen (19.8 Rp./kg). Umgerechnet nach dem Konsumentenpreisindex wären das heute CHF 1.52. Wohlverstanden: Was der Bauer für den Liter erhielt. Davon können heutige Landwirte nicht einmal träumen. Gemäss Marktbeobachtung des Bundesamts für Landwirtschaft lag das Milchgeld 2021 bei knapp unter 70 Rappen pro kg. Zurückgerechnet auf 1916 wären das 9 Rappen gewesen.

Die Konsumenten mussten mehr hinlegen. Der Bundesrat hatte am 25. März 1916 eine Deckelung des Milchpreises auf 27 Rappen pro Kilogramm beschlossen (vgl. RRB SG 1916 1193). Damit sollten die Ladenpreise für Konsummilch in einem für die Bevölkerung noch halbwegs erträglichen Rahmen gehalten werden. Das wären dann also (wiederum hochgerechnet auf heutige Geldwerte) rund 2.15 Franken pro Liter. 

War die Forderung des Weibels wirklich derart unverschämt? Ohne weitere Details (wie Angaben zum Arbeitsaufwand) ist das kaum zu eruieren. Klar ist nur: Unsere Vorfahren spürten die kriegsbedingte Teuerung schon damals am eigenen Leib. Zwischen 1914 und 1918 verdoppelten sich nämlich die Konsumentenpreise. Und die Löhne hielten damit nicht Schritt.

Quelle

  • Baumgartner-Thut, W.: Milchgenossenschaft Weiach gegründet 1912. Dokumentation zur Sonderausstellung Milchwirtschaft im Ortsmuseum Weiach, 20. September 2003 – S. 25 (unpaginiert; Expl. von Adolf Bütler)

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