Dienstag, 25. Oktober 2022

Als das Zürcher Unterland die Goldküste steuerlich abhängte

Wer sich im Kanton Zürich niederlässt, der zahlt überall gleich viel Kantonssteuern. Optimierungspotential haben Normalsterbliche nur bei den Gemeindesteuern, die aber dank Finanzausgleich näher beieinanderliegen, als es in einem unregulierten Wettbewerb der Fall wäre. 

Noch vor 150 Jahren war die Spanne zwischen den tiefsten und den höchsten Ansätzen noch eine viel grössere als heute. Das kann man der statistischen Beilage zum regierungsrätlichen Rechenschaftsbericht für das Jahr 1879 entnehmen. Diese enthält u.a. eine detaillierte Übersicht zur Höhe der Gemeindesteuern, aufgeschlüsselt nach den verschiedenen Kässeli (Einwohnergemeinde, Zivilgemeinde, Schulgemeinde und Kirchgemeinde). Und zwar sowohl für den Steuerfuss des Jahres 1878, wie auch für die akkumulierten Steuersätze des diesem vorangehenden Jahrzehnts.

Ausschnitt aus der Tab. 17 (von S. 26-38), hier S. 38.
Uebersicht der Quoten der im Jahr 1878 erhobenen Gemeindesteuern.

Für 1878 konnte Weiach mit einer Nullrunde für seine Einwohner glänzen, vgl. die Spalten Von sämmtlichen Einwohnern der Gemeinde für das politische Gemeindegut, Zivilgemeindegut, Schulgut, Kirchengut. Von den Weiacher Bürgern hingegen mussten für das Armengut (d.h. die Sozialhilfe) 1.5 Promille eingezogen werden.

Besser als die zürcherische Nachbarschaft

Insgesamt hatten die Weiacher von 1869 bis und mit 1878 gemäss dieser regierungsrätlichen Dokumentation (das Armengut ausgenommen) gerade einmal 5.5 Promille zu bezahlen, d.h. durchschnittlich pro Jahr 0.55.

Mit 0.55 war Weiach ex aequo mit Schöfflisdorf auf dem 10. Platz von den 67 Gemeinden im Unterland. Steuergünstigste Gemeinde im gesamten Kanton war Rafz mit 0.18 Promille Jahresdurchschnitt zwischen 1869 und 1878. 

Die regionale Steuerhölle Unterwagenburg (eine Schulgemeinde in der Politischen Gemeinde Oberembrach) fällt hingegen mit durchschnittlich 5.44 Promillen pro Jahr negativ auf.

Nehmen wir unsere zürcherischen Nachbarorte zum Massstab, dann war Weiach damals selbst im nordwestlichen Unterland ein Steuerparadies, denn diese Ortschaften lagen samt und sonders höher: 

Bachs 0.64, Neerach 0.65, Stadel 0.85, Riedt 1.02, Windlach 1.78, Raat 2.38, Zweidlen 2.73 und Glattfelden 2.90 Promille.

An der Goldküste ist es teurer

Vergleicht man diese Zahlen mit denen der heutigen Goldküste, dann staunt man Bauklötze. Denn dort am sonnenverwöhnten Zürisee lagen die Steuersätze durchwegs massiv höher. Gemessen in Jahresdurchschnitten waren Erlenbach mit 1.66 und Oetwil am See mit 2.12 Promillen noch am günstigsten, alle anderen lagen noch höher. Meilen Dorf z.B. bei 3.94, Hombrechtikon bei 5.00 und Zumikon bei 5.07 Promillen. Spitzenreiter im Bezirk Meilen war Uezikon (Gde. Hombrechtikon), wo man mit 5.50 das Zehnfache des Weiacher Ansatzes an die Gemeinde abliefern musste. 

Sozialhilfe war Bürgersache

Die Ansätze der Armengüter lagen übrigens in diesen Gemeinden zwischen 1 und 2 Promille, was mit denjenigen der Weiacher vergleichbar ist. Es gab im Kanton Zürich aber durchaus auch etliche Armengemeinden, die über genügend Mittel verfügten, sodass sie keine Steuern erheben mussten. 

Kantonsweit am teuersten wurde es in diesem Bereich übrigens für die Bürger von Unterstammheim. Im Jahre 1878 mussten sie 3.5 Promille für ihre Armengenössigen zahlen. Besonders pikant: ihre direkten Nachbarn, die Oberstammheimer Bürger, hatten 1878 keine Armensteuern zu berappen!

Kostensprengstoff Schule

Betrachtet man die Auswirkungen einer eigenen Schule, dann sieht man, dass die Raater und die Windlemer einiges mehr zahlen mussten als ihre Stadler Nachbar, oder gar die Weycher. 

Öffnet man den Suchrahmen auf das ganze Kantonsgebiet, dann waren herausstechend: im Weinland Gütighausen (Gemeinde Thalheim an der Thur) mit 6.83 Promillen und zwar hauptsächlich des Schulguts wegen. Im Zürcher Oberland bat Manzenhub (Gemeinde Wyla) mit 6.94 Promille zur Kasse. Dort war die politische Gemeinde mit 8 Promillen im Jahre 1878 Kostentreiber, wobei die Schule in Manzenhub das Dreifache derjenigen in Wyla selber kostete. Auch obenhinaus schlug Rumlikon (Gemeinde Russikon) mit 7.30, wo 1878 die Schule allein satte 4 Promille forderte (statt nur 1 wie in Russikon).

Der gemeindesteuerliche Kältepol des Kantons aber war in den 1870ern ganz eindeutig Winterberg (Gemeinde Lindau) mit 8.14 Promillen im Jahresdurchschnitt. Also fast das 15-fache des Obolus, den man in Weiach abliefern musste.

Quelle

  • Beilage zum Rechenschaftsbericht des Regierungsrathes für das Jahr 1879. Darin v.a. Tab. 17 des Kapitels II. Übersicht des Bestandes der öffentlichen Gemeindegüter auf 31. Dezember 1878, der hauptsächlichen Gemeindeausgaben im Jahr 1878 und der für dieses Jahr erhobenen Gemeindesteuern. URL: https://doi.org/10.20384/zop-2154

Sonntag, 23. Oktober 2022

Unanständiger schwarzer Pudel zugelaufen

Im «Zürcherischen Wochen-Blatt», Nro. 86 vom «Montag Den 27. Weinmonat 1823» (d.h. Oktober) findet man unter der Rubrik «Verlorene und gefundene Sachen» das folgende Inserat:

«2. Unterzeichnetem ist ein s.v. Pudelhund, ganz schwarz, mittlerer Größe, mit einem ledernen Halsband ohne Zeichen zugeloffen. Der Eigenthümer kann denselben gegen Bezahlung des Futter- und Einschreibgelds wieder zu Handen nehmen. -- Heinrich Näf von Weyach».

Was bedeutet «s.v.» ?

Das Kürzel s.v. steht hier für «salva venia». Der Schreiber entschuldigt sich quasi auf Vorrat für einen nachfolgenden als unanständig geltenden Ausdruck. 

Ein in der Bedeutung analoger Ausdruck ist salvo honore, vgl. die Rechnung der Obervogtei Neuamt 1691/92, wo es um «presthaftes» Vieh ging (s. Weiacher Geschichte(n) Nr. 26; Gesamtausgabe S. 41).

Auffallend dabei: Es geht immer um landwirtschaftliche Dinge, wie Hunde, Vieh, Mistgabeln, etc. Die aus Gründen der sachlichen Genauigkeit unabwendbare Nennung eines unappetitlichen Gegenstandes soll den Schreibenden nicht mit diesem in Verbindung bringen. Wer mit Dreck Kontakt hat, der galt eben schon früher selber als dreckig. Nicht umsonst waren Henker selber Geächtete. Und nicht nur die Delinquenten, die von ihnen vom Leben zum Tod befördert wurden.

Wir kennen das heute noch. Wenn jemand das Wort «Scheisse» in den Mund nimmt oder tastaturisiert, dann gilt dies als höchst unfein. Selbst wenn davor die bereits als veraltet geltende Formel «mit Verlaub» verwendet wird.

Kein Zeichen: ein nicht-zürcherischer Hund?

Ende Juli letzten Jahres ging es auf WeiachBlog bereits um einen zugelaufenen Hund (vgl. WeiachBlog Nr. 1706). Auch da hat ein Heinrich Näf ein Inserat aufgegeben, um den Eigentümer eines unmarkierten Hundes zu finden. Und es ist durchaus möglich, dass es sich um ein und dieselbe Person wie 1848 handelt. Mit dem «Einschreibgeld» meinte er jedenfalls die Gebühr für das Inserat. 

Auch diesem Pudelhund fehlte das Zeichen, d.h. die Hundemarke. Hätte das Tier ein Zeichen gehabt (das, was heute der Chip ist), dann wäre es einfach gewesen, den Eigentümer herauszufinden, denn die Behörden führten schon damals Register zu allen Hunden in ihrem Machtbereich. Wie bereits im Juli 2021 beschrieben, war die Kennzeichnung von Hunden bereits zu Zeiten des Ancien Régime Vorschrift. Und Hunde, die kein staatliches Zeichen trugen, durften durch den Wasenmeister abgetan werden.

Pudel waren damals Jagd- oder Hütehunde

Was die Rasse des zugelaufenen Tieres betrifft, muss festgehalten werden, dass die heutigen Pudel nicht mehr so aussehen wie vor 200 Jahren. Damals gab es sogenannte Schafpudel, die als Hütehunde verwendet wurden. Da man im Zürcher Unterland aber praktisch keine Schafe hielt, ist es wahrscheinlicher, dass es sich bei dem im Inserat beschriebenen Tier um einen Jagdhund gehandelt hat. Der hiess Pudel, so erklärt es zumindest die Wikipedia, weil er im Einsatz schnell einmal klatschnass werden konnte, wenn es darum ging, bspw. eine abgeschossene Ente aus dem Wasser zu apportieren.

Quellen und Literatur