Im «Zürcherischen Wochen-Blatt», Nro. 86 vom «Montag Den 27. Weinmonat 1823» (d.h. Oktober) findet man unter der Rubrik «Verlorene und gefundene Sachen» das folgende Inserat:
«2. Unterzeichnetem ist ein s.v. Pudelhund, ganz schwarz, mittlerer Größe, mit einem ledernen Halsband ohne Zeichen zugeloffen. Der Eigenthümer kann denselben gegen Bezahlung des Futter- und Einschreibgelds wieder zu Handen nehmen. -- Heinrich Näf von Weyach».
Was bedeutet «s.v.» ?
Das Kürzel s.v. steht hier für «salva venia». Der Schreiber entschuldigt sich quasi auf Vorrat für einen nachfolgenden als unanständig geltenden Ausdruck.
Ein in der Bedeutung analoger Ausdruck ist salvo honore, vgl. die Rechnung der Obervogtei Neuamt 1691/92, wo es um «presthaftes» Vieh ging (s. Weiacher Geschichte(n) Nr. 26; Gesamtausgabe S. 41).
Auffallend dabei: Es geht immer um landwirtschaftliche Dinge, wie Hunde, Vieh, Mistgabeln, etc. Die aus Gründen der sachlichen Genauigkeit unabwendbare Nennung eines unappetitlichen Gegenstandes soll den Schreibenden nicht mit diesem in Verbindung bringen. Wer mit Dreck Kontakt hat, der galt eben schon früher selber als dreckig. Nicht umsonst waren Henker selber Geächtete. Und nicht nur die Delinquenten, die von ihnen vom Leben zum Tod befördert wurden.
Wir kennen das heute noch. Wenn jemand das Wort «Scheisse» in den Mund nimmt oder tastaturisiert, dann gilt dies als höchst unfein. Selbst wenn davor die bereits als veraltet geltende Formel «mit Verlaub» verwendet wird.
Kein Zeichen: ein nicht-zürcherischer Hund?
Ende Juli letzten Jahres ging es auf WeiachBlog bereits um einen zugelaufenen Hund (vgl. WeiachBlog Nr. 1706). Auch da hat ein Heinrich Näf ein Inserat aufgegeben, um den Eigentümer eines unmarkierten Hundes zu finden. Und es ist durchaus möglich, dass es sich um ein und dieselbe Person wie 1848 handelt. Mit dem «Einschreibgeld» meinte er jedenfalls die Gebühr für das Inserat.
Auch diesem Pudelhund fehlte das Zeichen, d.h. die Hundemarke. Hätte das Tier ein Zeichen gehabt (das, was heute der Chip ist), dann wäre es einfach gewesen, den Eigentümer herauszufinden, denn die Behörden führten schon damals Register zu allen Hunden in ihrem Machtbereich. Wie bereits im Juli 2021 beschrieben, war die Kennzeichnung von Hunden bereits zu Zeiten des Ancien Régime Vorschrift. Und Hunde, die kein staatliches Zeichen trugen, durften durch den Wasenmeister abgetan werden.
Pudel waren damals Jagd- oder Hütehunde
Was die Rasse des zugelaufenen Tieres betrifft, muss festgehalten werden, dass die heutigen Pudel nicht mehr so aussehen wie vor 200 Jahren. Damals gab es sogenannte Schafpudel, die als Hütehunde verwendet wurden. Da man im Zürcher Unterland aber praktisch keine Schafe hielt, ist es wahrscheinlicher, dass es sich bei dem im Inserat beschriebenen Tier um einen Jagdhund gehandelt hat. Der hiess Pudel, so erklärt es zumindest die Wikipedia, weil er im Einsatz schnell einmal klatschnass werden konnte, wenn es darum ging, bspw. eine abgeschossene Ente aus dem Wasser zu apportieren.
Quellen und Literatur
- Zürcherisches Wochen-Blatt, Nro. 86. Montag Den 27. Weinmonat 1823, S. 2.
- Brandenberger, U.: Tigerhund mit Glasauge zugelaufen. WeiachBlog Nr. 1706 v. 27. Juli 2021.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen