Dienstag, 27. Juli 2021

Tigerhund mit Glasauge zugelaufen

Etliche Beiträge in der Facebook-Gruppe Du bisch vo Weiach, wenn... betreffen vermisste Katzen. Seltener werden Schildkröten oder Hunde vermisst oder laufen zu. Aber auch das kommt vor, samt entsprechendem Video, das die glückliche Wiedervereinigung von Frauchen und Hund dokumentiert.

Wie ein Weiacher im Jahre der Gründung unseres Bundesstaates auf die Suche nach dem Eigentümer eines ihm zugelaufenen Hundes ging, das ist in der «Züricher Freit.Zeitung» vom 6. Oktober 1848 festgehalten: 

«Zugelaufen. Lezten Zürich-Schließmarkt ein großer Tigerhund, männlicher Art, mit Halsband ohne Zeichen, einem Glasaug und langem Schwanz. Der Eigenthümer kann diesen Hund gegen Ein[r]ückungsgebühr und Futtergeld innert 8 Tagen abholen, ansonst er als Eigenthum betrachtet würde. Weyach, den 2. Oktober 1848. Heinrich Näf.»

Was ist unter der Bezeichnung «Schließmarkt» zu verstehen? Ein abgeschlossener Markt? Sozusagen, ja. Gemäss dem Deutschen Rechtswörterbuch bezeichnet der Begriff den «letzten Tag eines mehrtägigen (Jahr-)Marktes». 

Nicht ganz klar ist, ob nur das Datum des letzten Markttages gemeint ist (der Hund wäre also in Weiach zugelaufen), oder tatsächlich der Zürcher Herbstmarkt als Ort. Wenn letzteres der Fall ist, dann könnte Heinrich Näf als Verkäufer anwesend gewesen sein. Und der erwähnte Hund wäre dann einem anderen Marktfahrer oder einem Marktbesucher verloren gegangen.

Ein Tiger?

Wie dem auch sei und ob Näf den Hund am Schluss behalten hat, oder nicht: unter diesem «Tigerhund» ist wohl ein Hund mit geschecktem, getupftem oder gepunktetem Fell (damals als Tigerung bezeichnet) aus der Gruppe der Altdeutschen Hütehunde gemeint. Tiger des süddeutschen Typs werden als vergleichsweise häufig bezeichnet (vgl. Wikipedia-Artikel, s. Quellen).

Besonders auffällig ist einerseits das Glasauge (!), ein Merkmal, das man bei einem Arbeitshund eines Schäfers nicht unbedingt erwarten würde, das aber auch für die Wertschätzung seitens seines Eigentümers spricht.

Hundemarke und Leinenpflicht. Schon im Ancien Régime Vorschrift.

Andererseits ist der Umstand bemerkenswert, dass der Hund kein Zeichen trug. Es ist damit durchaus möglich, dass es kein Hund eines Zürchers war. Denn im Staate Zürich war es damals schon seit Jahrzehnten Pflicht (spätestens ab 1787), jeden Hund behördlich anzumelden und mit einer Marke zu kennzeichnen. Wurden Hunde ohne diese Marke auf der Strasse angetroffen, so durfte der Wasenmeister (Abdecker) sie einfangen. War der Hund dann nicht im Verzeichnis eingetragen (und nicht bloss ohne Marke unterwegs), dann musste der Wasenmeister dieses Tier töten. 

Neuer Hund? Anmeldung innert 4 Wochen

Nach der regierungsrätlichen Verordnung von 1835 (s. Quellen) hatte der «Zeichenaustheiler» ein Tierarzt zu sein, der verpflichtet war, über die verabgabten Hunde ein genaues Verzeichnis zu führen, das «die Nummer des Zeichens, eine Beschreibung des Hundes, nahmentlich in Bezug auf Race und Farbe, nebst dem Nahmen des Eigenthümers» beinhalten sollte (§ 5).

Jeweils in der ersten Hälfte des Monats Mai musste jeder Hundehalter beim zuständigen Tierarzt eine neue Marke lösen. «Wer in der Zwischenzeit der jährlichen Bezeichnung durch Kauf, Tausch, oder auf andere Weise Eigenthümer eines Hundes wird, ist gehalten, ihn vor Abfluß von 4 Wochen auf seinen Nahmen einschreiben und, wofern er nicht bereits mit einem Zeichen versehen ist, auch bezeichnen zu lassen, wofür die im §. 6 genannten Gebühren ebenfalls zu bezahlen sind.» (§ 8). Für einen neu angemeldeten Hund waren das 4 Batzen, entsprechend 40 Rappen. Nach Swistoval.ch sind das je nach verwendetem Index in heutigen Geldwerten 7 Franken (KPI) bzw. 46 Franken (HLI).

Quellen

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