Mittwoch, 28. Dezember 2005

Weiacher Wetter im Jahre 1955

Der Weiacher Lehrer und Ortshistoriker Walter Zollinger (1896-1986) führte für die Jahre 1952 bis 1967 eine Jahreschronik über das Leben in der Gemeinde.

Diejenige zum Jahre 1955 schrieb er im Herbst 1957. Danach war sie 25 Jahre bei der Zentralbibliothek Zürich unter Verschluss. Heute darf man lesen, was er damals geschrieben hat.

Die Einleitung der Chronik 1955 über die in den 70er-Jahren verschwundene Linde auf der Sternenkreuzung haben wir bereits am 12. November publiziert.


Hier lassen wir nun die Aufzeichnungen zum Thema Witterung folgen, die in den Chroniken jeweils an zweiter Stelle direkt hinter der Einleitung stehen:

«Nach dem verhältnismässig milden Abschluss des vorangegangenen Jahres folgte eine ziemlich kühle erste Januarwoche; ich notierte an diesen Tagen je morgens 7 Uhr Temperaturen von -3°, -6°, -5°, -2°. Dazu war’s etwas feuchtneblig, sodass die Strassen beständig gefährlich vereist wurden. Das Sandauto des Staates musste fast täglich fahren und trotzdem hat’s bei der Strassenkurve vor unserm Haus hie und da ein Auto “gekehrt“ oder einen schweren Lastwagen lahmgelegt, bzw. lahmgestellt. Dann, ab 9.1. kamen niederschlagsreiche Tage, Schneefall wechselnd mit regnerischem Hudelwetter bis über die Mitte des Monats hinaus (am 16. z.B. föhnig mit +11°C schon am Vormittag). In den tiefer gelegenen Dorfteilen (Bedmen u. Stationsgebiet) standen verschiedene Keller unter Wasser, sodass die Motorspritze beim Auspumpen derselben zuhilfe gerufen wurde. Ganz schlimm soll es im noch tiefer gelegenen, benachbarten Kaiserstuhl ausgesehen haben! – Die Nacht vom 16./17. Januar war die stürmischste des ganzen Monats, am Morgen dann in wüstes Schneegehudel übergehend. Am 18. früh lag endlich eine 5 cm tiefe Schneedecke auf Feld und Flur, die sich infolge der nachfolgenden kalten Tage (am 20.1. las ich -10°C ab) festigte u. daher trotz wieder ansteigender Temperatur nicht so leicht wegschmolz. Das Monatsende war neblig, mit Kältegraden von beständig 2 bis 3 Grad unter Null, mit Rauhreif auf den Bäumen des Stein, des Sanzen- und des Haggenberges.

Der Februar beginnt mit einigen Sonnentagen, was etwas skeptisch stimmt, denn der Volksmund meint doch: “Wenn an Lichtmess die Sonne scheint, wird’s nochmals mehrere Wochen kalt.“ – Sonst war der Horner normal; ich notierte 6 eigentliche Regentage, 10mal Schneefall (am 16.2. lag er 10 cm, am 21.2. sogar 20 cm tief), sonst immer nur leichtes Schneegefiesel. Tage mit Temperaturen unter 0° zeigt mein Notizheft 9, über 0° deren 7; die übrigen 12 Tage hielten sich immer grad um die 0°-Grenze. – Die ersten 3 Wochen des März blieben kalt, wenn auch an den Nachmittagen meist sonnig. Der Biswind brachte diese Kälte. Erst ab 22.3. trat föhniges Wetter ein mit Nachmittagstemperaturen von 16°, 23°, 19° und hie und da einem leichten Regenspritzer, am 28. und 29. etwas Schneefall und kühler werdend, am 30./31.3. aber wieder sonnig, jedoch mit kaltem Oberwind.

Der April war sehr niederschlagsarm; ich verzeichnete nur 4 bis 5 Tage mit teilweisem Regen oder leichten Schneeschauern, die übrige Zeit trockenkalt, oftmals mit heftigem Wind aus NNO., 1-2° unter Null und Reifbildung. Tagsüber zwischen +6 und +13°C. Die Bäume hielten darum mit Blühen noch arg zurück und mit Kartoffelsetzen musste bis über die Monatsmitte zugewartet werden. Erst ab 27. wird’s wärmer, am 29. und 30. z.B. 25 bzw. 28° am Nachmittag, aber leider immer noch trocken. – Die ersten Maitage führten das trockene und windige Wetter des Vormonats fort. Endlich am 5. und 6. und dann wieder am 10. und 11. Mai fiel der begehrte, Gärten, Wiesen und Ackerfeld erfrischende Regen, allerdings nur spärlich. Aber er half doch dazu, dass sich die Birnbaumblüten nun hervorwagten und das Gras zu spriessen begann. Die “Eisheiligen“ samt der “bösen Sophie“ brachten als Tiefsttemperaturen +3°, sodass kein Frost zu befürchten war. Die zweite Monatshälfte zeichnete sich durch regnerische, oft sogar stürmische Tage und nasskalte Nächte aus; mehrmals sank das Thermometer auf 0°C, am 23.5. sogar auf -1°, sodass an Reben und Kartoffeln, sowie an den spätern Apfelblüten nachträglich doch leichter Frostschaden festzustellen war.

Der Heumonat beginnt recht vielversprechend; schon sind etliche Fuder Ackerfutter gedörrt und eingeführt und mit Eifer wird der Heuet begonnen. Aber gleich nach den ersten paar Junitagen gebietet das eintretende unbeständige Wetter dem Heuet wieder Halt. Nur mit grosser Mühe gelingt es den Bauern, hie und da wieder ein Fuder zu ergattern. Ab Mitte Juni kommt es dann besser, da folgten gem. meinem Tagebuch 10 prächtige Heuertage, während noch deren 5 von allzufrühen Nachmittagsgewittern oder Regenschauern gestört wurden. Immerhin, bei dem heutigen maschinellen Betrieb, liess sich das Heu diesmal ordentlich gut und rasch, wenn auch etwas spät, einbringen und dazu in zufriedenstellender Menge. – Der Juli bringt fast ausnahmslos gewitterschwüle Tage und ausserordentlich viele Regenfälle. Wenn wir auch von bösen Unwettern mit Hagelschlag, wie sie das nahe Rafzerfeld und die Flachergegend erlebten, verschont geblieben sind, so hat dieses feuchtwarme Klima dafür das Auftreten der Krautfäule an den Kartoffelstauden sehr begünstigt. Wo nicht rechtzeitig und mehrmalig gespritzt wurde, ist bereits arger Schaden festzustellen. Den heissesten Tag des Monats erlebten wir am 18.7., allwo das Thermometer abends 1900 Uhr auf der Laube immer noch 32°C zeigte; den kühlsten Tag hatten wir am 7.7. mit 14°C um 1800 Uhr.

Der August, als Erntemonat, darf sich sehen lassen! 14 volle sonnige Tage zählte ich. Trotzdem zog sich die Ernte bis gegen das zweite Monatsdrittel hinaus, weil sich immer wieder Schauer, Gewitter oder einige ganze Regentage zwischen hinein schoben. Der Wind musste vielfach trocknen, was die Sonne dann versäumte oder die zahlreichen Morgennebel befeuchtet hatten. – Etwas über die Hälfte des September (17 Tage) bedecktes oder sogar regnerisches Wetter, 13 Tage sonnig, wenn auch am Morgen zunächst noch neblig; an Vormittagen meist zwischen 8 und 15°, an den Nachmittagen zwischen 18 und 24°C. Der 30. Sept. war der kühlste Tag mit nur 5° morgens um halbsieben Uhr und 12° am frühen Nachmittag.

Der Oktober brachte je 5 ganz helle, sonnige, dazu 5 volle Regen- und 7 gänzlich bedeckte Tage; die übrigen 14 hatten vormittags Nebel oder Hochnebel, nachmittags aber herrlichen Sonnenschein. Besondere Erwähnung verdienen die drei letzten Oktobertage, die den ersten Morgenreif mit -4°, -7° und -2° brachten. – Der November war grösstenteils ein durch bedeckten Himmel ausgezeichneter Herr; ein voller Regentag, einmal leichter Schneefall, einige Sonnentage dazwischen. – Im Dezember sank die Temperatur tagsüber nie unter den Gefrierpunkt, sondern hielt sich beständig um +5 bis +11°C. Einzig am 7.12. las ich genau 0° ab, am 31.12. deren +2°. Diese vorwiegend kühltrockene Witterung wirkte sich nachteilig auf die Energieversorgung aus, sodass man sich in jenen Kreisen an den beiden einzigen Tagen vom 22. und 23.12. mit ihren ergiebigen Regenfällen direkt freute!
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Quelle: Zollinger, W.: Gemeinde Weiach. Chronik des Jahres 1955. Weiach, Herbst 1957 -- S. 2-4. [Handschriftenabteilung der Zentralbibliothek Zürich]

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