Donnerstag, 1. Dezember 2005

Erinnerung an Hafenbeckenpläne

Das Zürcher Unterland ist im Wandel, das ist unbestritten. Die Entwicklung der Bevölkerungszahlen und die aktuellen Baukranlandschaften bei Bülach sprechen eine deutliche Sprache.

Manche orten nun mangelndes Profil, einige eine Identitätskrise. Jedenfalls ist auf dem Weg in die Zukunft eine Standortbestimmung sinnvoll. Diese will die Planungsgruppe Zürcher Unterland (PZU) im Rahmen eines öffentlichen Workshops vornehmen.

Das Neue Bülacher Tagblatt behandelte frühere und aktuelle Aktivitäten der PZU in einer vierteiligen Serie (vgl. Quellen unten). Eine gute Ouverture für die Arbeitstagung vom 2./3. Dezember in Bülach.

Raumplanung im Unterland: Strassenverkehr und Kiesabbau

Moderne Raumplanung gibt es im Kanton Zürich erst seit ca. 50 Jahren. Die 30 Gemeinden umfassende PZU ist noch etwas jünger. Sie entstand 1962 aus der Erweiterung einer 1960 konstitutierten Gruppe von 9 Gemeinden, die sich als zu kleinräumig erwies.

Im Zentrum der Arbeiten der PZU standen ganz klar Strassenverkehr und Kiesabbau. Anfangs der 60er Jahre wurde besonders der Lastwagenverkehr zunehmend als Plage empfunden. Abhilfe fand man in Planung und Bau von Umfahrungsstrassen, so z.B. der so genannten „Kiesstrasse“ von Glattfelden-Aarüti nach Neerach. Dagegen brannte die Fluglärmproblematik den exekutiven Planern offenbar nicht so sehr unter den Nägeln, wie Alfred Spaltenstein schreibt:

Im Mittelpunkt der ersten Bemühungen stand die Erarbeitung des Gesamtplanes für das Unterland. Verkehrsfragen nahmen eine wichtige Stellung ein, insbesondere beschäftigte die Gemeinden die Führung der so genannten Unterland-Autostrasse. Ausserdem bestanden auf übergeordneter Ebene vage Pläne einer Hochleistungsstrasse Basel-Rhein-Winterthur.

Schon zu Beginn hatte sich die PZU auch mit dem Kiesabbau auseinander zu setzen. So liess sich Rafz verlauten, die immer mehr um sich greifenden Kiesausbeutungen in den Nachbargemeinden und die möglicherweise spätere industrielle Entwicklung würden Sorge bereiten. Weiach stellte das Kiesproblem in einen Zusammenhang mit einer kommerziellen Hochrhein-Schifffahrt. Die Weiacher Kies AG entwickelte Pläne für Hafenbecken auf dem ausgebeuteten Areal. Das Thema weckte am Hochrhein bis hinauf in die Region Untersee-Bodensee starke Emotionen
.“

Rheinschifffahrt bis zum Bodensee?

Der Traum eines schiffbaren Rheins über Basel hinaus bis nach Konstanz und Bregenz ist schon alt. Bereits vor dem 1. Weltkrieg gab es den Nordostschweizerischen Verband für Schiffahrt Rhein-Bodensee. Auch in den 1950er und 60er-Jahren wurden intensiv Pläne und Studien gewälzt (siehe Quellenangaben unten).

Die Rheinhafenvorhaben scheiterten aber allesamt - vor allem am Widerstand des Rheinaubundes, aber unter anderem auch an den Bedenken des Eidgenössischen Militärdepartements, welches das Rheinbord als natürliches Panzerhindernis erhalten will.

Heute ist das Thema „Rheinhafen Weiach“ eine fast vergessene Angelegenheit – möchte man meinen. Vom Tisch ist es jedoch noch längst nicht, trotz weitgehend abgeschlossener Wiederauffüllung und Rekultivierung bereits ausgebeuteter Kiesabbaugebiete.

So gibt es auf eidgenössischer Ebene die „Verordnung über die Freihaltung von Wasserstrassen“ (SR 747.219.1) vom 21. April 1993, in welcher der Bundesrat als Geltungsbereich expressis verbis festhält: „Diese Verordnung gilt für folgende Gewässerstrecken: a. den Rhein von Basel bis Weiach; (...).“

Die FDP hat das Postulat Rheinhafen Weiach im Rahmen einer Fachtagung mit dem Titel „Wachstum und Entwicklung dank Mobilität“ am 9. November 2002 wieder aufgenommen (vgl. den Beitrag von Nationalrat Paul Kurrus):

„In den ehemaligen Kiesgruben von Weiach steht ein Gelände zur Verfügung, welches sich für den Bau von Hafenanlagen bestens eigenen [sic!] würde und aus der Sicht von Natur- und Heimatschutz bedenkenlos wäre.“ Ob das vom Rheinaubund und weiteren Umweltschutzorganisationen auch so gesehen wird, darf bezweifelt werden. Die FDP gibt sich jedenfalls überzeugt: „Machbarkeitsstudien belegen, dass der Ausbau der Rheinschifffahrt technisch und wirtschaftlich möglich ist.“

Der heutige Artikel im NBT beleuchtet aber auch weitere Facetten der Vergangenheit des Gremiums. Er zeigt auf, dass die PZU wesentlich am Aufbau des Bildungszentrums in Bülach (mit Kantonsschule und Gewerbeschule in unmittelbarer Nachbarschaft) beteiligt war und auch schon sehr früh - nämlich 1968 - die Idee einer Berufsmittelschule als Verbindung zwischen gymnasialem und berufsbildendem Bereich aufbrachte. Der Schreibende hat selber davon profitiert, dass es in Bülach eine Kantonsschule gibt und er nicht täglich in die Stadt Zürich pendeln musste.

Quellen
  • Ragoczy, A.A.: Was hat die Schweiz von der Fortführung der Rheinschiffahrt bis zum Bodensee zu erwarten? Vortrag. Verbandsschrift des Nordostschweizerischen Verbandes für Schiffahrt Rhein-Bodensee 14. Frauenfeld, 1911.
  • Vom Meer zum Bodensee. Der Hochrhein als Grossschiffahrtsweg. Hrsg. von K. A. Walther et al. Olten/Freiburg i.Br., 1957.
  • Mueller, W.: Rechtliche Grundlagen und Voraussetzungen der Schiffbarmachungen des Hochrheins von Basel bis zum Bodensee. Basel, 1957.
  • Hochrheinschiffahrt: eine natürliche und notwendige Entwicklung. Hrsg. vom Nordostschweizerischen Verband für Schiffahrt Rhein-Bodensee. 15 S. Bülach, 1961.
  • Die Schiffbarmachung des Hochrheins. Projekt 1961. Mitteilung des Eidg. Amtes für Wasserwirtschaft 44. Bern, 1964.
  • Thalmann, E.: Hochrheinschiffahrt - Hochrheinlandschaft: Stellungnahme des Schweizerischen Bundes für Naturschutz zur Frage der Binnenschifffahrt. Basel, 1967.
  • Spaltenstein, A.: Region im Wandel – mit Wachstumspotenzial. Statistische Spielereien rund ums Unterland – Streiflichter auf die Planungsregion PZU. In: Neues Bülacher Tagblatt, 16. November 2005.
  • Spaltenstein, A.: Gestaltende Kraft unter Einbezug demokratischer Mittel. Aus den Anfängen der Planungsgruppe Zürcher Unterland – Verkehr und Kiesabbau im Zentrum. In: Neues Bülacher Tagblatt, 1. Dezember 2005.

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