Mittwoch, 12. Januar 2011

Jahreschronik 1961: Gelddenken und das neue Kieswerk

Dieses Jahr wird unser Kieswerk bekanntlich 50 Jahre alt. Am 15. April 1961 genehmigte die Gemeindeversammlung den Kiesabbau-Vertrag mit der Firma Franz Haniel, Basel. Die bereits 1957 den Gebrüdern Aymonod erteilte Abbaubewilligung wurde auf Haniel übertragen und das Areal auf rund 16 ha erweitert. Dann erfolgte die Gründung der Weiacher Kies AG (Eintrag im Handelsregister am 16. November 1961) und der eigentliche Baubeginn des Kieswerkes.

Walter Zollinger reflektiert über die damit angestossene Entwicklung der Innen- und der Aussenwelt der Weiacher in der Einleitung zu seiner Jahreschronik 1961. Den Text verfasste er spätestens im Mai 1963. WeiachBlog publiziert ihn hier ohne weiteren Kommentar. Er spricht nämlich für sich.

«Die zehnte Jahreschronik unserer Gemeinde liegt vor mir. Sie gibt Anlass zu einer kurzen Besinnung, wie wohl die im Verlaufe dieses eigentlich geringfügigen Zeitabschnittes von 10 Jahren sich doch abzeichnende äussere und innere Wandlung in unserm Dorfe zu werten sei. – Erfreulich oder unerfreulich?

Eigentlich heikel zu beurteilen, weil alles erst im Fluss steht. Ein paar ähnliche Gedanken sind schon im Vorwort zur 60er-Chronik, dort im Hinblick auf die Beeinflussung durch „Fremdlinge“ und „Motorisierung“ geäussert worden. Neue Einflüsse kommen heute hinzu, Einflüsse, die erst eigentlich jetzt näher zutage treten.

Die „äussere Wandlung“, d.h. das veränderte Aussehen im Dorfbild, darf gewiss als fortschrittlich gwertet werden (Ausbau der Bahnstation, Erstellung von Trottoirs, Verbesserung der Strassenbeleuchtung, Schaffung eines Parkplatzes im Dorfkern, Errichtung der neuen Spielwiese und des vergrösserten Pausenplatzes beim Schulhaus) und ist also ein erfreuliches Moment.

Die „innere Wandlung“ aber, die sich daneben bei einem grossen Teil der Dorfgenossen abzuzeichnen beginnt, scheint mir weniger erfreulich zu sein: ein verstärktes „Gelddenken“, oder wie man es nennen will, ist bei Alt und Jung leider allmählich mehr und mehr im Wachsen begriffen. Alles Tun richtet sich nur noch nach dem Masstab, ob etwas „rentiert“ oder nicht, ob’s etwas abträgt und wenn möglich recht viel.

Die Verhandlungen in den diesjährigen Gemeindeversammlungen (siehe „Aus dem Gemeindeleben“, Abschnitt a) liessen dies deutlich erkennen. Die Aussichten, durch das geplante Kieswerk im Hard grössere Verdienst- und Einnahmemöglichkeiten sowie ein Ansteigen der Landpreise zu erwirken, üben heute einen starken Einfluss auf die Entschliessungen aus. Die dadurch nicht zu umgehende Gefährdung des Landschaftsbildes, den unvermeidlichen Rückgang an bebaubarem Boden wollen dagegen kaum beachtet werden. Geäusserte Bedenken diesfalls werden belächelt oder gar entrüstet aufgenommen, vor allem von Landbesitzern in der Region des werdenden Kieswerkes.

Das ist’s, weshalb der Chronikschreiber (bei allem Verständnis dafür, dass unsere Gemeinde zur Erfüllung ihrer vielen kommunalen Aufgaben, wie Kanalisation, Wasserversorgung, Strassenbau, geplante Turnhalle und Kindergarten etc., neue erhöhte Einnahmequellen nötig hat) doch mehr dazu neigt, die sich anbahnende Wandlung im Denken sei recht skeptisch, ja wirklich als eher „unerfreulich“ zu betrachten. Die nächste Zukunft wird erweisen, ob zu Recht oder zu Unrecht!
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Quelle

Zollinger, W.: Gemeinde Weiach. Chronik des Jahres 1961. Original in der Handschriftenabteilung der Zentralbibliothek Zürich. Signatur: G-Ch Weiach 1961. (Wichtig: Bestellung am Vortag nötig, sonst keine Einsicht möglich)

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