Samstag, 8. Januar 2011

Niklaus Ländi, erster Weiacher Pfarrer

Im gestern publizierten Artikel wurde die Frage gestellt, ob Weiach schon ab 1520 oder doch erst ab 1542 einen eigenen Pfarrer gehabt habe.

Wenn man Walter Zollingers Aussage in der «Chronik 1971», Weiach habe «seine reformierten Prädikanten ab 1520 von Zürich aus zugeteilt» erhalten zum Nennwert nimmt, dann ist das ziemlich sicher eine Fehlinterpretation. Zumindest, was das Adjektiv «reformiert» anlangt.

Erst 1522 ging es richtig los!

Denn in diesen Jahren hatte die Reformation in der Stadt Zürich noch gar nicht richtig Fahrt aufgenommen. Zwingli war zwar seit 1518 Leutpriester am Zürcher Grossmünster. Auseinandersetzungen mit Öffentlichkeitswirkung über die Stadt hinaus haben aber erst 1522 mit dem berühmten Wurstessen zur Fastenzeit im Hause des Buchdruckers Froschauer begonnen (vgl. den Grundkurs auf Reformiert Online). Deshalb wäre es schon sehr ungewöhnlich, wenn dem kleinen Bauerndorf Weiach ausgerechnet in diesem Punkt eine Vorreiterrolle zugekommen wäre.

Spätestens 1524 dürfte sich dies allerdings rasch geändert haben, denn den Zürcher Unterländern kann die erste bewaffnete Bauernerhebung des Bauernkriegs 1524/25 kaum entgangen sein. Die fand nämlich am 23. Juni 1524 in unmittelbarer Nachbarschaft im Wutachtal statt und richtete sich gegen den Grafen von Lupfen.

Neugläubige Pfarrer aus wirtschaftlichen Gründen bevorzugt

Im Verlaufe der nächsten Monate kam es auch im Zürcher Gebiet zu Aufruhr, Drohungen gegen Amtsträger und lautstarken Forderungen nach Abschaffung von Abgaben und Verboten, welche nicht direkt aus der Bibel hervorgingen.

Die Forderung nach einem eigenen Pfarrer hatte daher durchaus handfeste wirtschaftliche Gründe, wie Heinrich Hedinger in einem Artikel im «Zürcher Taschenbuch auf das Jahr 1936» schreibt:

«Offenbar wünschten viele Gemeinden schon sehr bald neugläubige Pfarrer; denn es ging von etlichen solchen die Rede, sie würden u.a. gegen Zehnten und Leibeigenschaft predigen».

Diener zweier Herren - aber nacheinander

Welche Rolle spielte nun der erste Weiacher Pfarrer Niklaus Ländi? Und wann war er in Weiach tätig?

Im Wirz'schen «Etat des Zürcher Ministeriums» findet man den Eintrag «1520. Nicolaus Ländi, Kaplan am Großmünster, versah die Stelle bis 22 und übernahm dann Zollikon.» Mit der «Stelle» ist die Betreuung der Weiacher Gläubigen gemeint.

Das «Zürcher Pfarrerbuch 1519-1952» von Dejung/Wuhrmann vermerkt: «Ländi (Lendin), Niklaus, von Lunkhofen, Aarg. (+1552). Schon vor der Reformation Kaplan der St. Mauritiusgruft am Grossmünster, 1520-1522 Pfr. in Weiach, 1523 in Zollikon, musste 1532 Regensdorf als Vikar übernehmen, 1536 Diakon am Grossmünster. Lit.: E. Egli, Aktensammlung, Nr. 1056, 1414, 1835, 1880.»

Nun kann man aus der Formulierung dieser Zeilen den Schluss ziehen, dass Ländi 1520/22 bereits als reformierter Pfarrer in Weiach tätig war. Ist dem so?

Wesentlich zur Klärung dieser Angelegenheit trägt Andreas Meyer mit seiner Monographie «Zürich und Rom. Ordentliche Kollatur und päpstliche Provisionen am Frau- und Grossmünster 1316-1523» bei. Er führt folgenden Eintrag zu Ländi:

«Nr. 820 Niklaus Lendi von Lunkhofen (1502)-1544
  • Er starb am 17. Aug. 1544 [Fn-1: STAZ: G I 1,10-12; Wirz, p. 74, und Dejung mit anderem Todesdatum]
  • Literatur: Dejung, p. 399, teilweise falsch.
  • Zürich: 1522 Kaplan in Zollikon (ZH) (Kollatur Grossmünster) [Fn-2: Wirz, p. 223]
  • Konstanz: 1502-04 Kaplan der Mittelmesspfründe in Mellingen (AG) [Fn-3: Stöckli, p. 310 nr. 19]
  • Konstanz: 1507 Leutpriester in Lunkhofen (AG) [Fn-4: UB AG 14,299]
  • Konstanz: 1520-22 Rektor in Weiach (ZH). [Fn-5: Dejung]
  • Nach der Reformation 1527-44 Kaplan der Mauritiuspfründe Gm in Zürich (=Diakonat zum Silberschild oder zum Häring) [Fn-6: STAZ: G II 18.6,16; G I 1,10-12; Wirz, p.74, und Dejung mit anderen Daten. Es gibt aber keinen Hinweis auf eine Wirksamkeit am Grossmünster vor der Reformation.]»
(Die Fussnoten 1-6 zu den jeweiligen Punkten sind in eckigen Klammern angegeben. «Gm» steht für «Grossmünster». Die übrigen Abkürzungen unter STAZ sind Signaturen des Staatsarchivs des Kantons Zürich)

Bluntschli mit Hinweis auf das Jahr 1540

Ebenfalls eine abweichende Jahrzahl zum Wirken von Niklaus Ländi findet man in der «Memorabilia Tigurina» von Bluntschli aus dem Jahre 1742: «Erster Pfarrer daselbst ware, Nicolaus Ländern, An. 1540».

Auch das würde Sinn machen und ist durchaus nicht ausgeschlossen, denn mit der Zuteilung des mit den Weiachern schon vertrauten Ländi dürfte deren 1540 geäusserte trotzige Forderung nach einem eigenen Prädikanten sich fürs erste erledigt haben.

Mit der offiziellen Einrichtung einer Filiale (mit welcher die Liste der Weiacher Pfarrer beginnt) konnte man sich seitens der Kirchenleitung in Zürich dann durchaus bis 1542 Zeit lassen.

Fazit

Offenbar war Ländi mindestens zweimal für Weiach zuständig. Von 1520 bis 1522 im Auftrag der Diözese Konstanz als einem Priester (dem Pfarrer von Kaiserstuhl) unterstellter und damit noch katholischer Kaplan (bei Andreas Meyer als «Rektor» bezeichnet). Und im Jahre 1542 (nach Bluntschli: 1540), als erster namentlich genannter reformierter Prädikant der (nun neu von Zürich aus besetzten) Filiale Weiach. Mehr ist über diesen Kirchenmann bislang nicht bekannt.

Quellenangaben
  • Bluntschli, J.H.: Memorabilia Tigurina, oder Merckwürdigkeiten Der Stadt und Landschafft Zürich ... Samt einem Geschlechter-, Burgerlichen Dienst- und Aemter-Büchlein. Erstausgabe Zürich, 1704. Zweite Ausg.: Zürich, 1711. Dritte Ausgabe: Zürich, 1742. (Hier: 1742 - S. 533)
  • Wirz, Kaspar: Etat des Zürcher Ministeriums von der Reformation bis zur Gegenwart. Aus gedruckten und ungedruckten Quellen zusammengestellt und nach Kirchgemeinden geordnet, Zürich 1890
  • Hedinger, Heinrich: Die Reformation im Zürcher Unterland. In: Zürcher Taschenbuch auf das Jahr 1936. Zürich, 1935 - S. 41-72; sowie in: Viertes Wehntaler Jahrheft des Unterländer Museumsvereins 1939/1940. Bülach, 1940; S. 4-26
  • Dejung/Wuhrmann: Zürcher Pfarrerbuch 1519-1952. Zürich, 1953.
  • Meyer, Andreas: Zürich und Rom. Ordentliche Kollatur und päpstliche Provisionen am Frau- und Grossmünster 1316-1523 - S. 448. [Signatur: ZBZ LS 94 FBT 401]

Keine Kommentare: