Sonntag, 23. Januar 2011

Gemeindepräsident vom Regierungsrat zurückgepfiffen

Das Staatsarchiv des Kantons Zürich hat den Auftrag, das schriftliche Erbgut des Kantons zu pflegen. Zu dieser geschichtlichen DNA gehören auch die Beschlüsse der Regierung. Sie werden nun - Kantonsratsbeschluss zur Genehmigung entsprechender Finanzmittel sei Dank - sukzessive transkribiert und systematisch online gestellt.

Und so findet man heraus, dass sich der Regierungsrat mit der neuen Verfassung von 1831 mehrmals pro Jahr auch mit der kleinen Gemeinde Weiach bzw. einigen seiner Bewohner befasst hat. Zum Beispiel wegen eines allzu eifrigen Gemeindepräsidenten:

«Auf den Antrag des Obergerichtes wird dem Gemeindrath Weyach angezeigt, daß er nicht befugt seye, Schuldenaufrüfe sub poena præclusi zu erlaßen.»

Bei dieser Weyach betreffenden Angelegenheit handelt es sich um das erste Geschäft des Tages, weshalb unmittelbar davor die folgende Formel steht: «Präsentibus Meine hochgeachteten Herren Bürgermeister Hirzel und übrigen Regierungsräthen», d.h. anwesend waren der Präsident Hirzel und seine Regierungsratskollegen.

Gemeinde darf keine abschliessende Schuldenaufrufe erlassen

Und so lautet der Beschluss:

«Mit Schreiben vom 21. d. M. macht das L. Obergericht dem Regierungsrathe die Anzeige, daß in No. 22 des Wochenblattes nachfolgende Bekanntmachung erschienen:

"Da Jacob Bersinger von Weyach all sein liegend und fahrend Eigenthum verkauft hat, um mit seiner Familie nach Amerika auszuwandern, so wird deßnahen jedermann, der rechtmäßige Anforderung an Benannten Bersinger zu machen hat, aufgefordert, sich bey Verlust seiner Anforderung binnen 10. Tagen von heute an zu melden, an [unterzeichnet] Schenkel, Gemeindraths-Präsident. Weyach den 15. Merz 1833."

Wen[n], so bemerkt das Obergericht, zwar der Artikel 3 der Rathsverordnung vom 15. October 1812 betreffend die Auswanderung hiesiger Cantonsbürger in fremde Staaten, die Vorschrift enthalte, daß jeder Auswanderer den Gemeindsbehörden zeigen solle, daß er sich mit allfälligen Creditoren hinlänglich abgefunden habe, so seye hingegen dieselbe durchaus nicht dahin zu verstehen, als ob in einem solchen Falle von einer Gemeindsbehörde, oder gar von dem Präsidenten des betreffenden Gemeindrathes ein peremtorischer Schuldenaufruf erlaßen werden solle oder dürfe; vielmehr können der Natur der Sache nach, auch hier nur die Gerichte zu einem mit Androhung von Rechtsnachtheilen im Falle der unterlaßenen Anmeldung verbundenen Aufrufe befugt seyn.

Nach Anhörung dieser Mittheilung hat der Regierungsrath beschloßen, dem Statthalteramte Regensberg hievon Kenntniß zu geben, mit dem Auftrage, dem betreffenden Gemeindrathe die Weisung zu ertheilen, daß es ihm nicht zustehe, einen solchen Aufruf zu erlaßen, sondern er sich dießfalls an das Bezirksgericht zu wenden habe. Daß solches geschehen, wird dem Obergericht rückantwortlich angezeigt.
»

Peremtorisch ist ein Schuldenruf dann, wenn er «unverzüglich zum letzten mahl und ohne weitere Frist» erfolgt («Grosses Universal-Lexicon» von Johann Heinrich Zedler, vgl. WeiachBlog vom 28. Oktober 2010)

Dieser Beschluss vom 30. März 1833 sieht übrigens im Original - vom Ratsschreiber verfasst - so aus: RRB 1833/0540, was transkribiert den oben abgedruckten Text ergibt: RRB 1833/0540 in maschinenlesbarer Schrift.

Quelle
  • Eine Gemeinde darf keine Schuldenaufrufe mit abschliessender Wirkung erlassen. Regierungsratsbeschluss vom 30.3.1833. Signatur: StAZH MM 2.11 - S. 94-95 (RRB 1833/0540)

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