Samstag, 29. Januar 2011

Die Hausangestellte des Pfarrers schreibt nach Hause

Postkarten aus früheren Jahrzehnten geben nicht nur ein Bild davon ab, wie Weiach damals landschaftlich aussah - wie auf dieser Bildseite:

Sie sind manchmal auch sozialgeschichtliche Trouvaillen, wenn man die Rückseite liest und damit einen kleinen Ausschnitt des Lebens im Dorf mitbekommt. So wie bei dieser auf Ricardo angebotenen Karte:

Adressiert ist sie an die «Familie Wickle, Windegg, Neu St. Johann, Obertoggenburg». Sie trägt die Ortsangabe «Pfarrhaus Weiach, den 25. April». Und der Text lautet wie folgt:

«Meine Lieben!
Endlich, endlich bekommt man ein Lebenszeichen von Frieda werdet Ihr sagen. Mir geht es wirklich gut hier. Es ist eine fromme, liebe Familie. Sie sind recht gut mit mir. Arbeiten muss ich viel von morgens 6 bis Abends 9 Uhr. Ich habe zwar auch Heimweh gehabt aber jetzt bin ich gut eingelebt und fühle mich glücklich.
Viele Grüsse sendet Frieda
Pfarrhaus Weiach, Kt. Zürich
»

Mehr wissen wir von dieser Frieda nicht. Nicht einmal ihren Nachnamen.

19X5. Um welches Jahr handelt es sich?

Dafür stellt sich noch die Frage nach dem Jahr, in dem die Karte geschrieben wurde. Der Poststempel kann sowohl als «1905» wie auch «1915» gelesen werden. Warum ich eher das Jahr 1915 tippe? Antwort: wegen der Briefmarke. Vergleiche den folgenden Ausschnitt aus einem Swissinfo-Artikel:

«...konnte Wilhelm Tell im Juli 1914 endlich das Brustporträt der Helvetia ablösen. Diesmal setzte man beim Bild auf Bewährtes, das allerdings graphisch sehr geglückt. Der abgebildete Tell ist ein Ausschnitt des 1895 entstandenen Altdorfer Tellendenkmals von Richard Kissling und erschien zunächst auf den Wertstufen 10, 12 und 15 Rappen.»

Der Jahrgang 1915 passt auch eher zur erwähnten Pfarrfamilie. Es kann sich eigentlich nur um Albert und Elisa Kilchsperger-Meierhofer handeln. Albert Kilchsperger (1883-1947) war zwischen 1908 und 1940 Pfarrer von Weiach. Seine Frau Elisa (1889-1958) war eine gebürtige Weiacherin. 1915 waren ihre Kinder klein, die Pfarrfrau konnte also eine Haushalthilfe brauchen.

Für beide, Albert und Elisa ist eine Gedenkplatte gemeisselt worden, die heute noch in der östlichen Friedhofmauer eingelassen sind.

Quelle

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