Mittwoch, 2. Februar 2011

Der Herr Pfarrer schlägt seine Ehefrau

Häusliche Gewalt ist kein neues Phänomen. Und sie machte auch vor der dörflichen Oberschicht in der frühen Neuzeit nicht halt, wie ein Werkstattbericht der Amerbach-Edition der Universitätsbibliothek Basel zeigt.

Im Anhang des als Festschrift herausgegebenen Werkstattbandes sind Quellen samt Übersetzung und Kommentar abgedruckt. In der ersten dieser Quellen wird ein Mann erwähnt, der 1549 und 1552 gleich zweimal Pfarrer von Weiach war: Hans von Halm.

«Gasparis Bruschii Iter Helveticum ad Ioannem Culmenium» lautet der Titel des Gedichtes im lateinischen Original (zu deutsch: «Kaspar Bruschs Schweizerreise an Johannes von Halm»).

Geknickte Karriere

Gewidmet ist diese «Schweizerreise» Hans von Halm, der besonders unter Alkoholeinfluss eine ziemlich zwiespältige Persönlichkeit gewesen zu sein scheint:

«Der Adressat Johannes Culmenius (vgl. lat. culmen) dürfte mit Hans von Halm von Zürich (+1560) zu identifizieren sein, nicht zuletzt aufgrund des Wappens dieser Familie: vier Ähren vor blauem Hintergrund (ZBZ, E 55, Bd. 3, S. 49). Zu Halm vgl. Zürcher Pfarrerbuch 1519-1952 hrsg. von Emanuel Dejung und Willy Wuhrmann Zürich 1953, S. 319: «Ord. 1548, wurde 1549 Pfr. in Weiach, 1552 Diakon in Kappel und dann zum zweitenmal Pfr. in Weiach, 1556 in Bonstetten, 1558 mit Gefängnis im Wellenberg bestraft.» 1553 heiratete er Anna, eine Tochter von Rudolf Collin (1499-1578), Chorherr und Professor in Zürich (vgl. HBLS 1, S. 337).

Zu Halms Persönlichkeit und vor allem zu der Gefängnisstrafe vgl. Max Stiefel, Die kirchlichen Verhältnisse im Knonaueramt nach der Reformation 1531-1600. Ein Beitrag zur landschaftlichen Reformationsgeschichte, Diss. Zürich, 1947, S. 78f.
»

Überfordert oder nur unzufrieden?

Stiefel hat in den Akten im Zürcher Staatsarchiv ein bedenkliches Bild von Halms vorgefunden:

Er «hielt sein Weib schlecht, war leichtfertig, stak voller Spitzbübereien und gab den Leuten bösen Bescheid, besonders wenn er getrunken hatte (StAZH, E II 1, Mai 1558, S. 463)», heisst es da gestützt auf Ermittlungen:

«Zeugen bekannten, dass Halm seine Frau schlage und im Haus mit Poltern ein Unwesen treibe. Ein Nachbar, Hans Huber, berichtete, wie die Pfarrfrau flehend zu ihm gekommen sei, damit er sie, weil ihr Mann sie so übel schlage, nach Zürich bringe. Hans Huber stellte den Pfarrer zur Rede, bis dieser versprach, von solchen Dingen abzustehen. Nach langem Zögern kehrte hierauf die Frau wieder ins Pfarrhaus zurück.»

Darf ein Pfarrer ein Festbruder sein?

«Ein gewisser Heinrich Toggweiler lud auf eine Freitagnacht seine Freunde und auch andere zu seiner Hochzeit ein. Die Eheleute wurden aber erst am darauffolgenden Sonntag zusammengegeben. Zu diesem Fest erschien auch der Pfarrer Halm im Wirtshaus, es wurde getanzt und gezecht. Nach dem Essen ergriff der Pfarrer eine Trommel, spielte zum Tanze auf und zog nach einer Weile mit dem Instrument im Dorfe umher.

Die Verhörten bezeugten aber, dass der Pfarrer im übrigen in der Kirche gut lehre, ein «holdseliger» Mann sei und sonst ein rechtschaffenes Leben führe (StAZH, E I 30.16, 1558). Halm wurde für einige Zeit in den Wellenberg gelegt und starb dann 1560.
». Soweit Stiefel.

Obrigkeit tolerierte nicht alles

Ein mehr als weltlicher Herr Pfarrer also. Trotzdem nahm ihm die nähere Umgebung seine Entgleisungen offenbar nicht allzu übel. Die Obrigkeit war allerdings nicht bereit solche Eskapaden zu tolerieren, «Holdseligkeit» hin oder her. Die eigene Ehefrau zu züchtigen war in Ordnung. Sie zu verprügeln nicht. Die Summe seiner Taten rechtfertigte eine Kerkerstrafe für Hans von Halm.

Über das Geburtsjahr von Halms wissen wir leider nichts. Da er aber 1548 ordiniert wurde und damals schon mehr als 20 Lenze zählte, dürfte er doch eines eher vorzeitigen Todes gestorben sein (sein Schwiegervater wurde immerhin 79 Jahre alt). Ob seine Gesundheit durch den Aufenthalt im Gefängnisturm Wellenberg gelitten hat oder nicht, darüber kann beim derzeitigen Wissensstand nur spekuliert werden. Auch über das weitere Schicksal seiner Frau Anna Collin ist derzeit nichts bekannt.

Quelle
  • Ueli Dill, Beat R. Jenny, Alfred R. Weber, Christoph Vischer: Aus der Werkstatt der Amerbach-Edition: Christoph Vischer zum 90. Geburtstag. Verlag Schwabe, Basel 2000 - Seite 232-233.

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