Ein Fehler des NBT?
So weit, so gut. Nur habe ich dann noch den nachstehenden Kasten mit dem Titel «Das Gemeindewappen» kurz überflogen und dachte mir: «Moment mal, was schreiben die denn da? Das stimmt doch nicht!» Was genau da nicht stimmt, davon handelt dieser Beitrag.
«Die älteste Darstellung des Wappens von Weiach wird im Dekanatsalbum des Pfarrkapitels Regensberg von 1719 überliefert. Es zeigt im von Silber und Blau schräggeteilten Schild einen achtstrahligen Stern. Dieser ist von Gold und Schwarz facettiert und steht in keinem bestimmten Verhältnis zum Zürcher Schild. Auf der 1843 gegossenen Kirchenglocke fehlt die Schrägteilung; es wurde lediglich ein sechsstrahliger Stern abgebildet. Die gleiche Darstellung, einen sechsstrahligen goldenen Stern auf blauem Grund, wählte man als Verzierung für die 1860 angeschaffte Fahne des Gesangsvereins Weiach. Die Wappentafel von Krauer brachte wieder den Zürcher Schild und den achtstrahligen Stern, diesmal in verwechselten Farben. Nach diesem Vorbild wurde offensichtlich das Gemeindewappen auf der Schützenfahne von 1902 gestaltet. Die Wappenkommission der Antiquarischen Gesellschaft hielt an der Version von Krauer fest. Der Gemeinderat Weiach erklärte sich am 28. November 1931 mit dem ihm eingereichten Entwurf ohne Facettierung einverstanden. Das Wappen geht wohl auf die alte Taverne «Zum Sternen» zurück.»
Lesern der Monographie «Weiach – Aus der Geschichte eines Unterländer Dorfes» kann dieser Abschnitt bekannt vorkommen. Er ist dort zu grossen Teilen in Anhang 5 abgedruckt.
Mit Ausnahme des letzten Satzes stammt der gesamte Text dieses Kastens von Dr. h.c. Peter Ziegler aus seinem Standardwerk «Die Gemeindewappen des Kantons Zürich» (Mitteilungen der Antiquarischen Gesellschaft in Zürich, Bd. 49 / 142. Neujahrsblatt; Zürich, 1977 – S. 106). Der letzte Satz ist leicht umgeschrieben aus Walter Zollingers «Aus der Vergangenheit des Dorfes Weiach» (1972; 1984 in 2. Auflage erschienen – S. 10) übernommen.
Hatte der Stern acht Zacken? Oder doch sechs?
Folgt man Ziegler, ist der Fall klar: die älteste erhaltene Darstellung zeige einen achtzackigen Wappenstern, der lediglich von den Einheimischen auf sechs Zacken reduziert, von Krauer dann aber wieder richtig dargestellt worden sei, nur «diesmal» halt in verwechselten Farben (d.h. gespiegelt am Zürcher Schild).
Nun ist Ziegler nicht nur in Wädenswil und am oberen Zürichsee seit Jahrzehnten eine unumstrittene Kapazität in historischer Lokalforschung. Er hat auch viel zur Geschichtsschreibung des Kantons Zürich beigetragen, ist Autor der Schulbuch-Reihe «Zeiten – Menschen – Kulturen».
Zitate einer solchen Koryphäe nimmt man als Hobbyhistoriker deshalb erst einmal für bare Münze. Bis... ja bis man auf dem indirekten Weg über das NBT auf eine Ungereimtheit stösst. Und zwar geht es um die Frage, ob die «Ursprungsform» des Weiacher Wappenstern acht oder nicht doch nur sechs Zacken (auch Strahlen genannt) aufweist. Es sei vorweggenommen, die richtige Antwort lautet «6» und Ziegler hat einen Bock geschossen.
Zieglers Fehler
Wenn man sich die aktuelle Fassung des Anhangs 5 in der dieses Jahr erschienenen 6. Auflage von «Weiach – Aus der Geschichte eines Unterländer Dorfes» vornimmt (vgl. Bild unten), dann muss man in der Tat schon fast Tomaten auf den Augen haben, um die offensichtliche Diskrepanz zwischen Zieglers Aussage, der Weiacher Stern im Dekanatsalbums sei achtstrahlig (roter Kasten) und dem Original auf Blatt 98 des besagten Albums (weisser Pfeil auf die Abb. 36), wo der Stern eindeutig lediglich sechsstrahlig ist, zu übersehen:
Die älteste erhaltene Überlieferung gibt also dem Weiacher Wappenstern sechs Zacken, dito viele aus dem 19. Jahrhundert überlieferte lokale Objekte (Glocken, Fahnen, etc.). Das Standardwerk liegt falsch und die Journalisten des NBT sind freizusprechen.
Krauer hat doch obsiegt
Warum also hat der Weiacher Wappenstern heute acht Zacken und nicht sechs? Das haben wir Krauer zu verdanken, einem findigen Unternehmer, der um 1860 eine sogenannte Wappentafel auf den Markt warf.
Johannes Krauer war Lithograph. Und nicht unbedingt Heraldiker. So könnte es zu erklären sein, dass er nichts dabei fand, die implizit gegebene Blasonierung (also die Beschreibung der verbindlichen Elemente des Wappens - und nicht nur eine «Version», wie Ziegler das nennt) gleich in zwei Punkten eigenmächtig abzuändern, konkret: aus sechs Zacken acht zu machen und die Schrägteilung auch im Stern zu spiegeln.
Nicht ausgeschlossen ist, dass Krauer oder die von ihm Beauftragten das Dekanatsalbum gekannt haben, denn er übernimmt die dort gegebene Facettierung, eine Unterteilung der Fläche des Wappensterns, die einen 3D-Effekt ergibt:
Dank der vom Zeichner des Dekanatsalbums begangenen heraldischen Todsünde «Metall auf Metall» (goldener Stern auf silbernem Hintergrund) und seiner in den 1920ern doch schon seit einigen Jahren verbreiteten achtzackigen Version (Beispiel: Weiacher Schützenfahne von 1902) hat im Verlauf der Arbeiten der Gemeindewappenkommission zwischen den zwei Weltkriegen dennoch die Krauer'sche Blasonierung obsiegt, unser Wappen also definitiv zwei Zacken zugelegt:
Links im Bild die Weiacher Wappenpostkarte, aus einer Abfolge von Serien, die von der Antiquarischen Gesellschaft in Zürich (AGZ) zwischen 1926 und 1936 herausgegeben wurde, eine neue Serie jeweils dann, wenn wieder fünf durch die zuständige Gemeindebehörde genehmigte Wappen vorlagen (vgl. Ziegler 1977 – S. 17). Man sieht, dass aufgrund des Neigungswinkels der Schrägteilung die Zacken nicht im rechten Winkel zur Papierachse stehen.
Rechts die Darstellung, wie man sie im Gemeindewappenbuch von 1977 auf S. 106 findet. In diesem ab 1969 laufenden Projekt wurde die geschwungene Oberkante begradigt, was dann zur Folge hatte, dass der Neigungwinkel steiler gestellt werden musste. Nur so konnte man den schräggeteilten Stern ins Lot stellen. Nicht geklärt ist, ob diese Version von Walter Käch (im Dezember 1970 verstorben) oder seinem Nachfolger, Heraldiker Fritz Brunner gezeichnet worden ist.
Weiterführende Links
- Antiquarische Gesellschaft in Zürich (Hrsg.): Wappenkarte Weiach. Ansichtskarte: Strichklischee; 14 x 9,3 cm. Aus der AGZ-Wappenkarten-Serie, Zürich 1926-1936. Karte Weiach nach November 1931 (Annahmeschreiben Gemeinderat vom 28. November 1931) erschienen.
- Korthals, M.: 75 Jahre Gemeindewappen-Kommission – Was Gemeinden im Schilde führen. In: Neue Zürcher Zeitung, 4. Januar 2001.
- Brandenberger, U.: Dorfzeichen, Wappen und Logo. Wie unsere Gemeinde zu ihren Erkennungszeichen kam (Teil 1). Weiacher Geschichte(n) Nr. 84. In: Mitteilungen für die Gemeinde Weiach, November 2006 – S. 11-15, (Gesamtausgabe 2017 – S. 303-307).
- Brandenberger, U.: 75 Jahre offiziell anerkanntes Wappen. Wie unsere Gemeinde zu ihren Erkennungszeichen kam (Teil 2). Weiacher Geschichte(n) Nr. 85. In: Mitteilungen für die Gemeinde Weiach, Dezember 2006 – S. 14-21, (Gesamtausgabe 2017 – S. 308-315).
- Dbachmann (Hauptautor): Wikipedia-Artikel Zürcher Gemeindewappen
- Weiacher Wappen im Heraldry Wiki
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