Das Landleben wird - besonders von Städtern, deren es in diesem Land und weltweit immer mehr gibt - zuweilen arg romantisch verklärt. Ruhig sei es da, gute Luft habe es da. Grüne, schöne Landschaften. Befeuert werden die Vorstellungen noch durch Werbespots der Grossverteiler von glücklichen Hühnern, Kühen, etc.
Fakt ist aber: das Land ist nur noch wegen der Raumplanungsgesetzgebung und ihren Zonenplänen an gewissen Rückzugsorten tatsächlich noch Land. Zum Beispiel in Bachs (dank Schutzverordnung für das Bachsertal) und, wenn auch in wesentlich geringerem Masse, in Weiach.
Neuzuzüger scheinen das zuweilen zu vergessen. In ihrer Realität kollidieren die idealisierten Vorstellungen öfter mit dem landwirtschaftlichen courant normal. Immissionen aller Art, neben Lärm auch Gerüche der unangenehmen Art, gehören aber nun einmal zum Land. Da hat die Landwirtschaft ihr Reservat.
Reden nützt nichts...
Es gibt in Weiach nur noch wenige Bauern, die von ihrer Profession leben - man kann sie bald an einer Hand abzählen. Und deshalb prallen auch und gerade in Weiach an den Schnittstellen Welten aufeinander.
Dieser Kulturkampf zwischen Städter und Landei äussert sich dann in O-Tönen wie diesem:
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Wenn wir normale landwirtschaftliche Arbeiten verrichten müssen, wie Heuen oder Stroh abladen, rufen die Neuzuzüger auch mal die Polizei wegen Lärmbelästigung», sagt der Einwohner eines alteingesessenen Bauerngeschlechts. «Sie nehmen ihre Hundehaufen nicht zusammen, und unsere Tiere bekommen Koliken. Sie böllern an Silvester und am 1. August ohne Rücksichtnahme auf unsere Tiere Raketen ab – die Reste sammeln wir dann auf den Weiden zusammen. Reden nützt nichts.» (Blick, 26. Januar 2019, vgl. Quellen unten)
Die Alteingesessenen haben ihre liebe Mühe mit den vielen Neuzuzügern der letzten Jahre. Denn diese überflügeln in ihrer schieren Masse all die kulturellen Eigenheiten, die Alt-Weiach früher noch ausgemacht haben.
Die Wahl des weltweit als Manager tätigen Paul Willi zum Gemeindepräsidenten war wohl ein letztes Aufbäumen dieser alten Strukturen. Mit dem Antritt von Stefan Arnold im Präsidentenamt haben definitiv die Neu-Weiacher das Szepter übernommen.
Auch in den 50er-Jahren schon ein Thema
Dass auch vor vielen Jahrzehnten schon eine romantische Verklärung des Dorflebens festzustellen ist - wenn auch vor allem bei Heimatverbundenen - das sieht man in der allerersten Jahreschronik von Walter Zollinger. Da schrieb er:
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Der zunehmende Motorfahrzeugverkehr beginnt auch auf unsern Strassen zur Plage zu werden. An schönen Sonntagen ist es kaum mehr ohne Gefahr möglich, mit der Familie auf einer der beiden Landstrassen Zürich-Basel oder Winterthur-Basel zu spazieren. Und an den Werktagen sind es die Lastwagen-Ungeheuer aller Art und die landw. Traktoren, die einem die Strasse verleiden. In unserm kleinen Bauerndorf gibt es ja auch schon nahezu drei Dutzend solche Traktoren oder Motormäher. Herrlich für die "Langschläfer", wenn diese Vehikel morgens 5 Uhr schon mit ihrem Geratter zum Futter holen ausrücken! Die früher so hochgelobte "Ruhe des Landlebens" ist gänzlich vorüber.» (G-Ch Weiach 1952)
So ergeht es dem Dorflehrer, der nicht auch noch landwirtschaftlich tätig sein muss, um seinen Lebensunterhalt zu sichern. Und der damals noch ein Exot war im Bauerndorf Weiach. Da kann man sich derlei Kulturkritik locker leisten. Zumal sich die «Dorfgenossen» das Geschriebene ja sowie frühestens 25 Jahre nach der Ablieferung an die Zentralbibliothek ansehen konnten (in diesem Fall nach 1979, vgl. Quellen).
Quellen