«Wenn eine Geschwängerte einen Unbekannten als Vater angiebt, und ihre Schwangerschaft nicht vor der fünf und zwanzigsten Woche angezeigt hat, so wird sie, neben ausschließlicher Ernährung des Kindes, mit einer Busse von vier und sechszig Franken, und mit Stellung vor den Stillstand ihrer Gemeinde, bestraft; falls die Busse nicht bezahlt werden kann, tritt an ihre Statt vierwöchentliche Zuchthausstrafe und damit verbundene zweckmäßige Arbeit im Innern des Zuchthauses, oder, wenn es den Umständen angemessen ist, sechsmonatliche Eingränzung auf Haus und Güter.»
Das ist der Wortlaut von § 198 im Revidierten Matrimonial-Gesetzbuch für den Kanton Zürich vom 25. Mai 1811. Dieses Ehegesetzgebungswerk regelt bis ins Detail, wie vorgegangen werden muss, wenn eine uneheliche Schwangerschaft festgestellt wird, bzw. welche Sanktionen drohen, wenn eine solche zu spät an zuständiger Stelle (i.d.R. dem Pfarrer) gemeldet wird.
Der als Vater Genannte wird konfrontiert
Den Vater des Kindes nicht anzugeben, war also eine Straftat. Gleichzeitig ging der Zürcher Staat aber auch konsequent gegen Männer vor, die man der Vaterschaft bezichtigte. Man musste ja schliesslich herausfinden, wer nun für das Kind unterhaltspflichtig ist.
«Vom unehelichen Beyschlaf». So lautet denn auch der unmissverständliche Titel des II. Theil des obgenannten Gesetzestextes. Und in dessen I. Abschnitt geht es in den §§ 148-173 um den «Paternitäts-Prozeß», also das Verfahren bei Vaterschaftsklagen:
«§. 168. Ein im Lande befindlicher einheimischer Beklagter wird zwey Mahl, je zu acht oder vierzehn Tagen, vorgeladen. Ist derselbe außer Landes, und sein Aufenthaltsort bekannt, so wird ihm die Klage, und nachher die Aussage bey der Niederkunft, mitgetheilt, und zu derselben Beantwortung eine hinlängliche Frist bestimmt.
Ist er der Klage nicht geständig, so soll er selbst vor Ehegericht berufen werden; es wäre dann, daß ihm zu erscheinen erweislich unmöglich wäre, in welchem Falle von der Obrigkeit seines Aufenthaltsortes seine Verantwortung mit allen Umständen dem Ehegericht einberichtet, und hierauf nach den Gesetzen gesprochen werden soll.
Falls aber von dem Ehegericht eine Eydesleistung verfügt würde, so soll er vor demselben zu erscheinen pflichtig seyn; nur wenn die persönliche Erscheinung physischer Hindernisse wegen unmöglich wäre, mag die Eydesleistung auf besondere Einleitung des Ehegerichts, in Gegenwart der Vollziehungs-Beamten, des Orts-Pfarrers, und abgeordneter Mitglieder des Stillstandes, geschehen.
Den Angehörigen anderer Cantone kann die persönliche Stellung nur in so fern nachgesehen werden, als zwischen ihrem Canton und dem hiesigen Reciprocität statt hat.»
Man erinnere sich daran, dass damals jeder Kanton ein souveräner Staat war (ähnlich den heutigen Staaten der EU).
«§. 169. Ist der Aufenthalt des Beklagten unbekannt, so wird er auf zwey verschiedene Rechtstage, je zu vier bis sechs Wochen, durch zwey öffentliche Blätter, und von der Kanzel seiner Heimath sowohl als seines zuletzt bekannt gewordenen Aufenthaltsortes aufgerufen.
§. 170. Die letzte Vorladung ist peremtorisch, und hat beym Ausbleiben das Contumaz-Urtheil zur Folge.»
«Johannes Huber von Zweidlen, Pfarre Glattfelden, welchen die Barbara Willi von Weyach als Schwängerer und Vater eines den 18. November 1825 gebornen Kindes angiebt - wird, in Folge Beschlusses des Ehegerichts des Cantons Zürich, auf den 20. Aprill und zum Tag des Abspruchs auf den 11. May nächstkünftig ediktaliter vorgeladen, um sich über diese Klage zu verantworten, indem ausbleibenden Falls per Contumaciam abgesprochen und in dieser Sache nach Form Rechtens verfügt würde.
Actum Zürich den 30. Merz 1826
Canzley des Ehegerichts.»
Urteil in Abwesenheit
Im Fall des Zweidlemers Huber haben wir es eindeutig mit so einem Fall unbekannten Aufenthalts zu tun. Mit der Formel Per Contumaciam wird nämlich die Androhung ausgesprochen, dass das Urteil in Abwesenheit gefällt wird, wenn man als Beklagter nicht erscheint. Immerhin gab es da noch einen Ausweg:
«§. 172. Gegen ein solches Contumaz-Urtheil kann nur dann Revision statt haben, wenn der Verurtheilte bewiesen hat, daß es ihm aus rechtmäßigen Gründen unmöglich gewesen sey, sich zu verantworten.»
In allen solchen Vaterschaftsfällen galt aber seit der Verordnung des Kleinen Raths (Regierungsrat) vom 13. Merz 1817, «daß bey Paternitäts-Processen keine Advocaten zugelassen werden sollen.»
Ein Mann musste also seinen Mann allein stehen. Nicht nur beim Beischlaf. Sondern auch vor Gericht.
Quelle
- Zürcherisches Wochen-Blatt, Nro. 29, Montag Den 10. Aprill 1826. Avertissements Nr. 2
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