Vor rund fünfzig Jahren, Anfang Dezember 1963, präsentierte die Firma Haniel den Medienvertretern mit Stolz das neu erstellte Kieswerk Weiach (vgl. WeiachBlog vom 13. Januar 2011). Erstmals in der Schweiz konnte hier der Kiesabbau mit industrieller Präzision erfolgen. Ein Triumph der Technik.
Von den Opfern dieser schnellen Aufbauphase war an den Betriebsführungen wohl höchstens am Rande die Rede.
Bereits im Frühling 1962 erlitt ein Arbeiter bei der Erstellung der Bahnunterführung eine schwere Fussverletzung (vgl. WeiachBlog vom 18. April 2012). 1963 kam es noch weit schlimmer.
Die 1963 in Weiach zu verzeichnenden Verkehrsunfälle verliefen vergleichsweise glimpflich - einmal abgesehen von einem Schädelbruch, den ein Ferienkind am 27. Januar bei der Kollision mit einem Auto erlitt.
Ganz anders sah es bei den Arbeitsunfällen aus. Die Arbeit auf der Kieswerkbaustelle erwies sich als lebensgefährlich, wie man der Jahreschronik 1963 von Walter Zollinger entnehmen kann:
«Dagegen ereigneten sich im Kieswerk bereits zwei recht schwere bedauerliche, tötlich (sic!) verlaufene Unfälle, am 5. Oktober verunglückte ein 19jähriger Hilfsmonteur tödlich und am
25. November der junge, erst gut 15jährige Sohn Werner der Familie Ernst Bersinger, Armenpflegers. (Siehe Einsendungen)»
Die erwähnten Zeitungsausschnitte sind auf dem vorstehenden Blatt (S. 20) hinten aufgeklebt und enthalten folgende Texte:
Tödlicher Unfall im Kieswerk
«Im Kieswerk Weiach ereignete sich ein tödlicher Arbeitsunfall. Der 19jährige Hilfsmonteur Peter Natter war im Begriff, im Mischer der Kiesaufbereitungsanlage Reparaturen vorzunehmen. Als er in die Maschine eingestiegen war, setzte sich diese plötzlich in Bewegung, weil ein Elektromonteur die Maschinerie der ganzen Anlage eingeschaltet hatte. Beide Beine Natters wurden durch die Mischflügel erfasst, und er verschied auf der Unfallstelle.»
Tödlicher Unfall im Kieswerk Weiach. 15jähriger zwischen Rolle und Förderband erdrückt.
«Am Montagnachmittag war in den Kieswerken Weiach (Zürich) der 15jährige Hilfsarbeiter Werner Bersinger damit beschäftigt, die Rolle eines Förderbandes mit einer Kelle vom Kies zu reinigen. Dabei geriet er aus nicht abgeklärten Gründen zwischen Rolle und Band und erlitt derart schwere Verletzungen, dass er auf dem Platze verstarb. Der Verunglückte wohnte bei seinen Eltern in Weiach.»
Schwere Versäumnisse des Managements
Wenn man solche Zeitungsausschnitte liest, dann stehen einem buchstäblich die Haare zu Berge. Es ist offensichtlich, dass hier der Baustellensicherheit nicht gerade grosser Stellenwert zugemessen wurde.
Denn klar ist: Wenn manuelle Arbeiten an heiklen mechanischen Bauteilen durchzuführen sind, dann muss sichergestellt sein, dass diese nicht laufen oder sich gar «plötzlich» in Betrieb setzen können.
Am Schalttableau sollte ein gut sichtbarer Warnhinweis auf laufende Arbeiten angebracht sein. Wäre dieser vorhanden gewesen, dann hätte der erwähnte Elektromonteur (vgl. Unfall vom 5. Oktober 1963) wohl kaum die ganze Anlage in Betrieb genommen.
Versagt hat hier die Bauleitung. Sie hat es entweder versäumt, klare Regelungen analog den sogenannten «Hot Work Permits» zu erlassen oder - falls es diese gab - deren Anwendung durchzusetzen.
Bei einem im Errichten von bergbautechnischen Anlagen ziemlich erfahrenen Unternehmen wie dem Haniel-Konzern wundern einen solche Versäumnisse. Zumindest aus heutiger Sicht. Ja, man wird den Verdacht nicht ganz los, dass damals im Hinblick auf die baldige Betriebsaufnahme Tempo vor Sicherheit gestellt wurde.
Wären diese Managementfehler nicht passiert, dann würden Bersinger wie Natter möglicherweise noch heute leben.
Quelle
Zollinger, W.: Gemeinde Weiach. Chronik des Jahres 1963 - S. 21. [Original in der Handschriftenabteilung der Zentralbibliothek Zürich. Signatur: G-Ch Weiach 1963].
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