Sonntag, 26. April 2015

Musikalisch grenzüberschreitend zusammengespannt

Das Wehklagen, Vereine aller Couleur hätten allenthalben mit Mitgliederschwund zu kämpfen und niemand möge sich mehr engagieren, ist heute Legion.

Weniger bekannt ist, dass dies schon vor 50 Jahren so war - zumindest in unserer Gegend und im Bereich der Musikvereine. Dies beweist die nachstehende Mitteilung, die damals in alle Haushaltungen verteilt wurde - und von Walter Zollinger in seine Jahreschronik aufgenommen worden ist:

«Musikgesellschaft Kaiserstuhl / Dorfmusik Weiach

An die Bevölkerung von Kaiserstuhl, Weiach und Fisibach

Jedes Jahr verlassen junge Leute nach der Lehre oder Rekrutenschule das Elternhaus und ziehen in die Fremde. So entstehen in den verschiedenen Vereinen immer grosse Lücken. Von dieser Strömung sind auch die beiden Musikgesellschaften von Weiach und Kaiserstuhl nicht verschont geblieben. Um die nun in letzter Zeit entstandenen Lücken auszufüllen, haben die beiden Musikgesellschaften beschlossen, bis auf weiteres gemeinsame Proben abzuhalten. Sie treten je nach Anlass gemeinsam oder unter Zuzug der nötigen Bläser des andern Vereins selbständig auf.

Wir geben hiermit der Bevölkerung der 3 Gemeinden von diesem Sachverhalt Kenntnis und wir rechnen auch weiterhin auf Verständnis und moralische Unterstützung seitens der Bevölkerung. Mit unsern Vorträgen hoffen wir auch in Zukunft Freude und Abwechslung in den Alltag zu bringen. Für die bis anhin gewährte finanzielle Unterstützung möchten wir auch an dieser Stelle herzlich danken.

Musikgesellschaft     Dorfmusik
Kaiserstuhl               Weiach

Kaiserstuhl und Weich [sic!], den 26. April 1965»

(Quelle: G-Ch Weiach 1965, S. 36)

Auf der letzten Zeile sieht man einen der klassischen Vertipper: Weiach ohne «a». Da fühlt man sich gleich an Google erinnert, wo man gefragt wird, ob man «Weich» meine. Oder an Twitter, wo gleich ungefragt nur «weiche» Resultate erscheinen.

Der Dirigent als Auslöser

Weiter vorn, im Textteil der Jahreschronik 1965, verrät Zollinger auch, was bei den Vereinen intern ablief und wie sie zu dieser engen Zusammenarbeit gefunden haben:

«Dorfmusik: Am 20.2. fand die Abendunterhaltung im "Sternen" statt. Zum letzten-mal [sic!] leitete Herr Walter Harlacher den Konzertteil. Er wird ab Frühjahr die Musikgesellschaft Regensdorf übernehmen, ein bedeutend grösserer Verein. An der G.V. wurde deshalb ein neuer Dirigent gewählt, Herr E. Wyss aus Bassersdorf, der zugleich die "Stadtmusik Kaiserstuhl" leitet. Da beide kl. Musikkorps unter starkem Bläsermangel zu leiden haben, wurde dazu noch beschlossen, ab Frühjahr 1965 erstmals den Versuch zu wagen, i.W. zwischen einem Lokal in Weiach und einem in K'stuhl, die Proben zusammenzulegen. Bei grössern Anlässen wird zudem gemeinsam aufgetreten, bei lokalen Festen einander ausgeholfen. Weil ja nun beide Korps denselben Dirigenten haben, ist diese Vereinbarung unter den gegenwärtigen ungünstigen Verhältnissen eine ganz geschickte Lösung.» (G-Ch Weiach 1965, S. 18)

Allianzen sind halt doch wesentlich einfacher zu schmieden als Fusionen. Walter Harlacher war übrigens auch lange Jahre Weiacher Organist.

Quelle
  • Zollinger, W.: Gemeinde Weiach. Chronik des Jahres 1965 – S. 18, 36. [Original in der Handschriftenabteilung der Zentralbibliothek Zürich. Signatur: G-Ch Weiach 1965] 
[Veröffentlicht am 27. Juli 2015]

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