Samstag, 1. September 2018

«Das Haus wird auf diese Weise immer lebendig sein»

Pünktlich per Mitternacht, 1. September, ist auf der Gemeindewebsite die neueste Ausgabe der Mitteilungen für die Gemeinde Weiach (MGW) elektronisch veröffentlicht worden (in die Briefkästen wird die gedruckte Ausgabe jeweils schon vor Monatsbeginn verteilt).

Auf S. 18 ist die Ausstellung «50 Jahre Ortsmuseum Weiach» angekündigt: auf den 16. & 23. September, jeweils von 11:00 bis 17:00. Ein halbes Jahrhundert ist unser Ortsmuseum alt. Aber das Museumskonzept ist seit eh und je dasselbe. Und: es ist immer noch mit Leben erfüllt. Das Zitat im Titel dieses Beitrags stammt aus einem Artikel des Neuen Bülacher Tagblatts (NBT) von Anfang Oktober 1968, vgl. den WeiachTweet Nr. 1711 (unten).
Unverändertes Grundkonzept seit Jahrzehnten

Vergleicht man das heutige Museumskonzept mit dem damals von der Gründungsgruppe der Ortsmuseumskommission unter der Leitung von Walter Zollinger entwickelten (und im NBT dokumentierten), dann ist offensichtlich, dass es funktioniert.

Es mögen ja jeweils nicht gerade massenhaft Besucher an den Müliweg 1 kommen (das würde das bescheidene Haus auch massiv überfordern). Die wechselnden Ausstellungen locken aber zuverlässig - teils mehrmals im Jahr - Menschen an, die sich für die Art und Weise interessieren, wie die einfachen Weiacherinnen und Weiacher noch vor wenigen Jahrzehnten gelebt haben.

Die überwiegende Mehrheit der Einwohner von Weiach lebte über Jahrhunderte hinweg bescheiden, so wie die Geschwister Liebert, die sich als Damenschneiderin und Kleinbauer durchschlugen. Und insofern bildet gerade das «Liebert-Haus» die Lebensrealität früherer Tage sehr gut ab. Besser als ein eindrücklicher Riegelbau, der Wohlstand ausstrahlt und für die dörfliche Oberschicht stünde (wie es das Weierbach-Hus in Eglisau darstellt).

NBT-Artikel bildet Intention der Gründer ab

Nachstehend nun der volle Wortlaut des Artikels im Neuen Bülacher Tagblatt:

«Als im Jahre 1966 die Gemeinde Weiach das alte Haus neben der Mühle kaufte, das schon seit Generationen der Familie Liebert gehört hatte, und dessen Hauptteil wahrscheinlich im ausgehenden 18. Jahrhundert gebaut wurde (spätere Bewohner haben es erweitert), beschloss der Gemeinderat, die Räume im Parterre für das schon lange geplante Ortsmuseum zur Verfügung zu stellen und die Räume im 1. Stock zu einer Wohnung auszubauen. Unterdessen allerdings haben sich die Pläne etwas geändert. Im Parterre ist das Ortsmuseum mit viel Geschick eingerichtet worden, in den oberen Räumen aber wurde Platz für die «Galerie Liebert» geschaffen.

Mit der Galerie möchte die Ortsmuseumskommission und der Gemeinderat das Ortsmuseum beleben, und zwar auf die Art, dass in den beiden Galerie-Räumen immer wieder etwas Neues gezeigt wird und dass dadurch Besucher ins Haus kommen, die das Museum betrachten, das ja auch immer neue Stücke erhält und ausstellt. Die Gefahr, dass man das Ortsmuseum einmal ansieht und dann Jahre vergehen, bis man es wieder besucht, obwohl viel Interessantes zu sehen wäre, ist durch die wechselnden Ausstellungen, seien es gemeindeinterne Ausstellungen oder auch Kunstausstellungen, gebannt. Das Haus wird auf diese Weise immer lebendig sein und kann sehr gut eine Art dörfliches Kulturzentrum werden.

Das Ortsmuseum - wohnliche Räume

Der erste Eindruck, den der Besucher vom Ortsmuseum erhält, ist der von Wohnlichkeit. Man tritt von der Strasse direkt in die Küche, die so eingerichtet ist, als ob immer noch jemand in diesem Hause lebe. Der alte Ofen mit seinen Pfannen, der gedeckte kleine Tisch, die Rebschürze über dem Stuhl und das Gestell mit dem irdenen Geschirr - alles ist echt und lebendig. Auch die Stube nebenan mit dem alten grünen Kachelofen und der gemütlichen Ofenbank vermittelt diesen Eindruck. Auf dem ovalen Tisch steht noch das Arbeitskörbchen mit der Lismete, daneben liegt eine alte Bibel und die Lesebrille. Es ist als ob der Bewohner das Zimmer nur für kurze Zeit verlassen hätte. In der Küchenkammer hängen an der Wand alte Uniformen, ein Kinderbett und ein hohes altes Bett, ein Fussschemel und Waschgeschirr lassen das Schlafzimmer vor dem Beschauer erstehen.

Alt Lehrer W. Zollinger, der 43 Jahre in Weiach unterrichtet hat und der sehr mit dem Dorf verbunden ist, hat das Haus mit viel Sorgfalt eingerichtet. Er hat darauf geachtet, dass die Schätze, die er und die anderen Mitglieder der Ortsmuseumskommission schon gesammelt haben, ehe überhaupt sicher war, ob es möglich sei, ein Ortsmuseum einzurichten, mit Verständnis und Liebe geordnet und ausgestellt wurden [sic!].

Im schmalen Verbindungsgang zur Scheune hängen alte Fruchtsäcke, ist ein Tüchel aus Föhrenholz (alte Wasserleitung) zu sehen und hängt altes bäuerliches Arbeitsgeschirr. Im Zimmer hinter der Stube kann man alte Weiacher Ziegel sehen. Der älteste trägt die Jahrzahl 1688 und viele von ihnen sind verziert. Die alten Kaufurkunden des «Liebert-Hauses" wurden zusammengestellt und Windlichter der Feuerwehr aus den Jahren 1864 und 1900 zeugen von vergangener Romantik.

Jedes Stück im Museum wurde beschriftet und man kann aus dem Text klar ersehen, woher das Stück kommt, wie alt es ist und was es ist.

Jedes Möbelstück und jeder Gegenstand im Museum stammt aus Weiach, und man hofft, dass im Laufe der Jahre noch mehr zusammengetragen wird, so dass sich der heutige Dorfbewohner ein klares Bild über die Vergangenheit seiner engeren Heimat machen kann.

Obwohl das Ortsmuseum schon vor einiger Zeit seine Türen für den Besucher geöffnet hatte, wurde immer noch fleissig in Fronarbeit am Ausbau der "Galerie Liebert" gearbeitet. Am kommenden Samstag wird sie mit der

Ausstellung des Malers Fritz Schmid, Bachenbülach

eröffnet. Fritz Schmid, der Bachenbülacher Maler und Lehrer, kennt zwei grosse Themen in seinem künstlerischen Schaffen: das Unterland und den Lötschberg. In Weiach zeigt er sowohl Walliser Bilder als auch Bilder mit Unterländer Motiven. Reizvoll sind die Landschaften des Neeracher Ried. Die Dörfer, eingebettet in die Landschaft, haben den Maler immer wieder inspiriert. So ist in Weiach ein fröhliches Bild von Hochfelden mit einem leuchtenden Rapsfeld zu sehen und Weiach selber hat das Motiv zu einem in warmen Farben gehaltenen Bild des Dorfes mit der Kirche gegeben.

Neben Oelbildern zeigt Fritz Schmid noch Zeichnungen vor allem aus Weiachs Umgebung, in denen das festgehalten ist, was die Schönheit des Unterlandes ausmacht.

Die Ausstellung ist Samstag, 5., 12. und 19. Oktober, von 14-17 Uhr, geöffnet, und Sonntag, 6., 13. und 20. Oktober, von 10-12 Uhr und von 14-17 Uhr. -f.
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Man mag sich fragen, was Windlichter der Feuerwehr mit Romantik zu tun haben sollen - es sei denn, man würde an «Pyromantik» denken.

Zum Baujahr des Hauptteils liegen heute auch andere Erkenntnisse vor - man geht tendentiell von der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts aus, nicht von der Zeit um die französische Revolution herum (vgl. Weiacher Geschichte(n) Nr. 63 zur Baugeschichte).

Ansonsten gibt der Artikel ein anschauliches Bild vom damaligen Zustand kurz nach der Eröffnung. Interessant ist insbesondere, dass damals schon entschieden war, den oberen Stock nicht zur Mietwohnung auszubauen - und so das ganze Gebäude als Museum zu nutzen. Ein Entscheid, der mit Sicherheit ebenfalls wesentlich zum Erfolg beigetragen hat. Eine reine Chronikstube im Erdgeschoss wäre wohl nicht so gut angekommen. Die drei Räume im Obergeschoss und der Estrich hingegen werden als Ausstellungsflächen Jahr für Jahr in neuer Weise genutzt.

Wenn man die aktuelle rasend schnelle Entwicklung Weiachs zur verstädternden Agglomerationsgemeinde mit vielen Schlafwaben, hoher Fluktuation und hohem Ausländeranteil vor Augen hat, dann wird der Bezug zu den alten Wurzeln noch wichtiger als zuvor.

Das Museumskonzept kann wohl noch Jahrzehnte beibehalten werden. «Auf die nächsten 50 Jahre!», kann man da nur sagen.

Quelle
  • Altes und Modernes im Ortsmuseum Weiach, dem «Liebert-Haus». Ausstellung Fritz Schmid in der «Galerie Liebert». In: Neues Bülacher Tagblatt, Nr. 232, 5. Oktober 1968.

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