Donnerstag, 21. März 2019

Weiacher Kapelle gemäss Paul Kläui aus dem 15. Jahrhundert

Dass es in Weiach bereits im Mittelalter eine erste Kapelle gegeben hat, ist seit längerem bekannt (vgl. Maurer 1965 und Brandenberger 2007). Die zeitliche Einordnung hingegen liegt im Dunkeln. Behauptet wurde - auf Basis von Fehlinterpretationen von Nüschelers «Die Gotteshäuser der Schweiz» (vgl.WeiachBlog Nr. 436 sowie Nr. 930) - eine Errichtung im Jahre 1281, bzw. aufgrund einer Zollinger'schen Formulierung (vgl. WeiachBlog Nr. 449) eine im Jahre 1381. Beide Jahrzahlen halten einer Überprüfung nicht stand.

Paul Kläui hat in der Einleitung zu seinem Kaiserstuhler Urkundenbuch festgehalten: «In der Stadt bestand seit unbekannter Zeit eine Kapelle der hl. Katharina, in die im Laufe der Zeit vier Pfründen gestiftet wurden.» (Kläui 1955). Die eigentliche Pfarrkirche der Pfarrei Kaiserstuhl (so hiess die Grosspfarrei auch offiziell) stand, wie von Siegfried Wind herausgearbeitet, ausserhalb der Stadtmauern - in Hohentengen (Wind 1940).

Zufallsfund in süddeutscher Fachzeitschrift

Bei der Suche nach einem Urkundenbuch für die Grafschaft Klettgau, bzw. das Gebiet des heutigen Landkreises Waldshut hat sich nun vor wenigen Tagen ein Zufallsfund ergeben, der etwas Licht ins Dunkel bringt.

Im Freiburger Diözesan-Archiv, einer Fachpublikation, die schon seit 1865 erscheint, hat der obgenannte Paul Kläui in dem 1956 veröffentlichten Band 75 einen Beitrag über die Grabungen in der Kirche Hohentengen veröffentlicht. Diese wurden nach dem verheerenden Grossbrand vom 27. Oktober 1954 auch auf seine Anregung hin durchgeführt. Nachstehend das erste Kapitel (Die Kirchengemeinde Hohentengen):

«Die Kirche Hohentengen lag an der alten großen Straße, die vom Schweizer Mittelland über Baden an der Limmat nach Schaffhausen und Ulm lief. Westlich des Dorfes Hohentengen überquerte sie — seit spätestens Ende des 13. Jahrhunderts auf einer Brücke — den Rhein und stieg am nördlichen Ufer ziemlich steil in östlicher Richtung zum Plateau an, auf dem das Gotteshaus Hohentengen bis heute steht. Sie führte unmittelbar südlich an ihm vorbei. Dieser Rheinübergang hat in zähringischer Zeit erhöhte, im einzelnen noch näher zu untersuchende Bedeutung erlangt. Am schweizerischen Ufer wurde im 12. Jahrhundert durch den Bau des bis zur Gegenwart die Gegend beherrschenden Turmes der Freiherren von Kaiserstuhl der Übergang gesichert, während ihn am Nordufer die Burg Rötelen bewachte.

Dieser Verkehrslage entsprach die Ausdehnung der alten Pfarrei Hohentengen. Nördlich des Rheines gehörten zu ihr nicht nur, wie heute noch, die badischen Dörfer bis hinauf zur Küssaburg (Günzgen, Herdern, Stetten, Bergöschingen und Küßnach), sondern auch das zürcherische Dorf Wasterkingen und vor der Stadtgründung im 13. Jahrhundert wohl auch das Gebiet von Eglisau. Südlich des Flusses waren nach Hohentengen kirchgenössig das Städtchen Kaiserstuhl, das 1255 von den Freiherren von Regensberg in die Pfarrei hineingegründet und auch Sitz des Leutpriesters von Hohentengen wurde, das aargauische Dorf Fisibach und die Zürcher Gemeinden Weiach und Glattfelden. Der große Umfang der Pfarrei läßt ohne weiteres erkennen, daß es sich um eine Urpfarrei handelt. Sie grenzte im Süden an die beiden alten Großpfarreien Steinmaur und Bülach (diese 811 erwähnt). Dazu paßt das Marienpatrozinium,
[282] wenn man auch von diesem allein den Schluß auf eine Urpfarrei nicht ziehen dürfte. Im Spätmittelalter war die Kirchgemeinde durch eine Reihe von Kapellen erschlossen. Es bestanden solche in Kaiserstuhl und Glattfelden (14. Jahrhundert), in Weiach und Wasterkingen (15. Jahrhundert). [Hervorhebung durch WeiachBlog] Der Zerfall der Großpfarrei begann schon vor der Reformation, da Glattfelden 1421 zur selbständigen Pfarrei erhoben wurde. Im Gefolge der Reformation trennten sich die zürcherischen Gemeinden Wasterkingen und Weiach ab; erst 1816 wurde auch die Stadt Kaiserstuhl mit Fisibach von der badischen Mutterpfarrei gelöst.»

Wie kommt es zur zeitlichen Festlegung?

Die Weiacher Kapelle soll also aus dem 15. Jahrhundert stammen, die spätere Pfarrkirche des Städtchens Kaiserstuhl, die Kapelle St. Katharinen, aus dem 14. Jahrhundert. Wie Kläui diese – im Vergleich zum Urkundenbuch neue – Information gewonnen hat, ist leider nicht bekannt. Allenfalls lässt sich diese offene Frage über seinen wissenschaftlichen Nachlass (Paul Kläui; StAZH W I 31) oder durch Rückfrage bei Franziska Wenzinger Plüss (vgl. ihre einschlägige Abhandlung von 1992) erhellen.

Interessant ist jedenfalls, dass Paul Kläui von verschiedenen Ortschaften, die zur Grosspfarrei Hohentengen gehörten (u.a. Lienheim und Fisibach) keine Kapelle erwähnt, explizit aber - und mit Jahrhundertangabe! - für Kaiserstuhl, Glattfelden, Weiach und Wasterkingen.

Bei dem in der Weidgangsstreit-Urkunde von 1594 (vgl. WeiachBlog Nr. 1353) erwähnten «gmür» der «alten capelen» dürfte es sich um diese gemäss Kläui im 15. Jahrhundert erstellte Kapelle gehandelt haben.

Dass es davor eine gegeben hat ist wenig wahrscheinlich, zumal ja Kaiserstuhl aufgrund seiner verkehrstechnischen Lage sicher schon Jahrzehnte vorher eine hatte (obgenannte und bis heute bestehende Kirche St. Katharinen) und auch die Pfarrkirche in Hohentengen nicht weit weg war. Da war es naheliegender, die bereits bestehenden Einrichtungen zu alimentieren und zu nutzen.

In gleicher Weise dürfte der Kirchhof in Weiach - samt dem Friedhof - erst eine nachreformatorische Errungenschaft gewesen sein, wenn man davon ausgeht, dass die Toten in der Regel bei der Pfarrkirche beerdigt wurden, die Weiacher also in Hohentengen.

Auch die Formulierung der Klage der Weiacher an den Rat von 1540 gibt einen Hinweis in diese Richtung. Darin erklären sie explizit, «gehörend über Rhyn zur Kilchen gen Dengen» zu sein (Brandenberger 2007, S. 4). Dort waren wohl auch etliche Vorfahren der damaligen Weiacherinnen und Weiacher beerdigt.

Quellen

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