In den Jahren vor dem Fall der Berliner Mauer anfangs November 1989 gab es hierzulande noch viele Militärmanöver, in denen die Planer ganze Grossverbände mit mehreren tausend Wehrmännern (Brigaden, Divisionen, etc.) aufeinanderprallen liessen.
Überall ratterten zu jeder Tages- und Nachtzeit die Panzerketten, hinter gefühlt jeder zweiten Scheune lugte ein Gewehrlauf hervor. Und die Zivilschutzanlage Hofwies (unter dem Pausenplatz) war regelmässig mit Truppeneinquartierungen belegt. Zur Freude der Schulkinder (Biscuits, Biscuits!!) und zum Entsetzen einiger Lehrkräfte (Wachtdienst mit Kampfmunition).
Auch im Zweiten Weltkrieg gab es Übungen, die allerdings in viel kleinerem Massstab durchgeführt wurden. Eine, die im Sommer 1943 mitten im Weiacher Ortskern Angriff und Verteidigung im überbauten Gebiet trainierte, ist in gleich zwei Kompanie-Tagebüchern dokumentiert: Dem der Grenzfüsilierkompanie V/269, stationiert in Kaiserstuhl und dem der Gz Füs Kp II/269, abkommandiert nach Weiach.
Mondhelle Nacht erschwerte das Anpirschen
Es sind Einträge, in denen dicht an dicht Weiacher Örtlichkeiten und Namen von Weiacher Wehrmännern Erwähnung finden.
Unter dem Samstag, 14. August 1943 findet man bei der fünften Kompanie den folgenden Vermerk:
«0015 Beginn der Nachtübung gegen die II. Kp. Abmarsch gruppenweise nach Saxenholz. Auftrag der Kp.: Strassenkreuz mit den Zündstellen in W. in Besitz nehmen. Kampf-Idee: 9 Patrouillen arbeiten sich an die Zündstellen heran, (sternförmig) um dieselben um 0415 in Besitz zu nehmen. 0415 erfolgt Scheinangriff, unmittelbar darauf der Hauptangriff. Die helle Nacht erschwert dem Angreifer das Heranarbeiten an den Feind. Die II. Kp hat sich igelförmig zur Verteidigung eingerichtet.» (Tagebuch Gz Füs Kp V/269, Dok_8, S. 14/15)
Man sieht hier, dass auch die Hauptachsen in und durch Weiach mit Sperren versehen und als Sprengobjekte definiert waren, befestigt und mit Mineuren besetzt, die sie jederzeit in die Luft jagen konnten, um den Feind (in der Realität: die Wehrmacht Hitlerdeutschlands) in seinem Angriffsschwung zu bremsen. Es ging darum, zu überprüfen, ob man die Bewachung dieser Sperre im Handstreich überwältigen könne.
Der Ablauf aus Sicht des Angreifers
Ebenfalls in den Unterlagen der aus Kaiserstuhl vorrückenden Truppe ist eine Zusammenstellung der erfolgten Meldungen von 8 der 9 Patrouillen erhalten, samt Abgangszeitpunkt auf der Meldung und dem Zeitpunkt des Eintreffens beim Kompaniekommandanten, übermittelt offenbar durch Meldeläufer:
Tagebuch Gz Füs Kp V/269; Dokument-Fortsetzung_0000009, S. 59
Ziel war die zentrale Schlüsselposition, die Zündstellen, die sich ungefähr dort befunden haben, wo heute die Chälenstrasse und die Büelstrasse von der Stadlerstrasse abgehen.
Meldungen von der Nacht - Uebung vom 14.8.43.
[geordnet nach Zeitpunkt der Meldungserstellung]
«0220 Gruppe Schenkel Hans: ist ca. 200 m Ostl. von Kirche Weiach in Ausgangsstellung. Vom [supponierten] Feinde nichts bemerkt.
0230 Gruppe Kpl. Piller: über Höhberg [Höbrig] nach Säge Weiach gelangt, vom Feinde nichts bemerkt.
0250 Gruppe Wm. Zollinger: bei der Trotte Weiach [gemeint: heutige Trottenstr. 7] vom Feinde nichts bemerkt.
0250 Gruppe Bersinger: Gruppe von Süden gegen Kunsum Weiach vorgestossen bis 30 m vom Objekt bei Meierhofer entfernt. Hinter Konsum auf Feind gestossen. Eine Signaleinrichtung zerstört.
0300 Gruppe Kpl. Lips: hat den Stacheldraht Ausgang Oestl. Weiach überschritten und ist bis Neuhof Weiach vorgestossen. Vom Feinde nichts bemerkt.
0300 Gruppe Meierhofer Ar. von Bunker Weiach-Ost[:] Barrikade nicht besetzt. Gruppe rückt weiter vor in Richtung Gemeindehaus. Kein Feind bemerkt.
0310 Gruppe Kpl. Schumacher meldet von Osten her über Fastnachtfluh-(unterer Rand) angeschlichen. Stosse weiter Richtung Zündstelle Weiach vor. Vom Feinde nichts bemerkt.
0310 Gruppe Wm. Gut: meldet südl. der Strasse (zwischen) Weiach-Bachs zwischen Schulhaus und Kunsum [sic!] Weiach vorgestossen. 3 Mann ca. 40 m von der Zündstelle entfernt.»
Vier oder gar fünf der Patrouillen hatten einen Gruppenführer, der in Weiach ansässig gewesen sein dürfte. Bei Wachtmeister Zollinger (jawoll, es handelt sich um den hiesigen Dorfschullehrer und späteren Chronisten) wissen wir das mit Sicherheit. Und bei den Soldaten Meierhofer Arnold und Bersinger dürfen wir es mit fast ebenso hoher Wahrscheinlichkeit annehmen. Zollinger war mitten in der Nacht nur wenige Meter von seinem Wohnhaus am Müliweg 4 entfernt.
Allein schon die Koordination zwischen den fünf Gruppen, die sich östlich des Dorfkerns durch die nächtliche Landschaft vorgearbeitet haben, dürfte alles andere als einfach gewesen sein. Man konnte ja nicht per Funkgerät oder gar Mobiltelefon kommunizieren.
Die Gruppe von Wachtmeister Gut muss sich südlich der Chälenstrasse über die Hofwiese zwischen Altem Schulhaus und dem VOLG-Gebäude bewegt haben.
Die Sicht des Verteidigers der Zündstellen in Weiach
Die Gz Füs Kp II/269 hatte es bei dieser Bataillonsübung einfacher. Sie mussten nur einen möglichst undurchdringlichen Stützpunkt organisieren. Hier der Eintrag zum 14. August aus Sicht der zweiten Kompanie:
Nach zwei Stunden hatte man den Stützpunkt verteidigungsbereit organisiert. Von 2 Uhr nachts an hiess es in den Stellungen warten und beobachten. Nicht allzu schwierig, wenn man die Helle der Nacht berücksichtigt. Das Tagebuch des Verteidigers schliesst mit den Worten:
«0400 erfolgte der Hauptangriff des Feindes, welcher aber durch die hermetische Verdrahtung des Stützpunkts [mit Stacheldraht] nicht eindringen konnte. ca. 04.30 Uebung abgebrochen.»
Quellen
- Tagebuch Gz. Füs. Kp. II/269, Bd. 6, 1943. Signatur: CH-BAR E5790#1000/948#1872*
- Tagebuch Gz. Füs. Kp. V/269, Dok 8 u. 9, 1943. Signatur: CH-BAR E5790#1000/948#1875*.