Sonntag, 8. Januar 2006

Niedere Gerichtsbarkeit - komplexer als gedacht

Hohe Gerichtsbarkeit, Blutgericht, Militärhoheit, Steuerhoheit, Niedere Gerichtsbarkeit, Grundherrschaft, Twing und Bann. Ein bunter Strauss von Hoheitsrechten, die im Mittelalter und bis hin zum Umsturz in der Helvetik de facto einen Handelswert hatten.

Folgerichtig sah die politische Landschaft der Schweiz denn auch aus wie ein zusammengestückelter, bunter Patchworkteppich. Praktisch in jedem Dorf gab es wieder andere Rechtsverhältnisse, vom Erbrecht bis zu den Steuerverpflichtungen - und das nicht nur bezüglich ihrer finanziellen Höhe.

Man kann sich das anhand dieser Karte des Stadtstaates Zürich um 1750 aus der Wikipedia in etwa vorstellen. Sie ist (wie übrigens jede andere Karte auch) mit Vorsicht zu geniessen. Denn die wirklichen Verhältnisse waren noch weit verwickelter, als man sie grafisch noch einigermassen vernünftig lesbar darstellen kann. (vgl. auch diese Historische Karte zur Entwicklung des Zürcher Herrschaftsgebiets und den Disclaimer am unteren Rand.)

Am 6./7. Januar hatte ich in diesem Zusammenhang mit dem Ersteller dieser Karten, Wikipedia-Benutzer Sidonius, eine interessante Diskussion. Es ging u.a. um die Frage, wo in den Jahren 1470 bzw. 1750 die Grenzen des Neuamts verliefen.

Sidonius kam dabei auch auf die Quelle zu sprechen, die er beim Zeichnen der obigen Karte verwendete, den historischen Atlas des Kantons Zürich von Kläui & Imhof aus dem Jahre 1951. Interessanterweise scheint das Gebiet von Zweidlen und Rheinsfelden, der östlichen Nachbarn von Weiach, sowohl zur Landvogtei Eglisau wie auch zur Obervogtei Neuamt gehört zu haben. Wie das genau aussah wäre noch abzuklären.

Auch Kläui ist offenbar nicht ganz genau; zumindest was die niedergerichtlichen Verhältnisse in Weiach betrifft. Er schreibt, 1470 hätte das Niedergericht über Weiach dem Bischof von Konstanz gehört.

Das ist aber für diesen Zeitpunkt nur die halbe Wahrheit: in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts mag das gestimmt haben, ab 1450–1587 gehörte aber nur noch die Hälfte des Niedergerichts dem Bischof, die andere Hälfte jedoch der Familie Heggenzi (auch Heggenzer genannt) aus der Stadt Schaffhausen. 1587–1605 lag die Heggenzer-Hälfte bei den Herren von Landsberg und erst ab 1605 gelangte mit der Verkauf dieser Hälfte das Niedergericht über Weiach wieder voll und ganz an das Fürstbistum Konstanz.

Fazit: Je genauer man hinschaut, desto komplizierter wird's.

Und auch für diese Angaben würde ich die Hand ohne detaillierte Überprüfung nicht grad ins Feuer legen. Denn die obigen detaillierten Angaben stammen ebenfalls über weite Strecken von Paul Kläui. Auch die renommiertesten Experten, zu denen P. Kläui in diesem Gebiet zweifellos gehörte, können sich irren.

Quellen
  • Kläui, P.; Imhof, E.: Atlas zur Geschichte des Kantons Zürich. Zürich, 1951.
  • Kläui, P.: Die Gerichtsbarkeit im Zürcher Unterland. In: 7. Jahresheft des Zürcher Unterländer Museumsvereins - S. 3-36 mit Karte des Neuamts.
  • Kläui, P.: Hochmittelalterliche Adelsherrschaften im Zürichgau. Mitteilungen der Antiquarischen Gesellschaft in Zürich. Band 40, Heft 2 (124. Neujahrsblatt). Zürich, 1960.

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