Samstag, 9. Dezember 2006

Vom Postauto im Regen stehengelassen

Es ist leider nicht das erste Mal, dass es mit der Anschlussgarantie auf der letzten Verbindung des Tages nicht klappt. Erneut blieb spätnachts nur noch der Ruf nach einem Taxi und dann der Griff zum Portemonnaie (vgl. Kein Anschluss in dieser Kälte – öV-Kunden stehen gelassen; WeiachBlog vom 7. Januar 2006).

Zum Sachverhalt: Vergangene Nacht, kurz nach Mitternacht auf der letzten Verbindung von Zürich nach Weiach. Die S5 hat am Stadelhofen ca. fünf Minuten Verspätung. Die holt sie auch bis Bülach nicht wirklich ein. Ankunft um 00:04 Uhr.

Zum grossen Ärger der Spätpendler und etlicher Jugendlicher aus der Region - in diesem Fall aus Höri, Neerach und Weiach - stand aber schon um 00:05 kein einziges Postauto mehr da. Alle waren sie genau nach Fahrplan abgefahren. Praktisch vor unserer Nase.

Dabei hätten die Chauffeure lediglich eine Zug-Verspätung von ca. fünf (!) Minuten in Kauf nehmen müssen. Also praktisch nichts, wenn man bedenkt, dass solche Verzögerungen an der Tagesordnung sind. Gerade der Thurbo-Regionalzug S41 von Winterthur hat regelmässig Verspätung: Bis zu 10 Minuten und mehr, weil er ebenfalls Anschlüsse abwarten muss. Das bestätigen die Postchauffeure. Und der WeiachBlogger hat es auch selber schon mehrmals erlebt.

Verdienstmöglichkeit für Taxi-Unternehmen

Also blieb wieder einmal nichts anderes übrig, als das Taxigewerbe zu unterstützen - zusammen mit weiteren im nasskalt-verregneten Bülach Gestrandeten. Die Strecke Bülach - Weiach kostet mit dem Taxi ca. 50 Franken. Die bekommt man zwar beim Kundendienst der SBB im Zürcher Hauptbahnhof jeweils anstandslos vergütet. Mühsam ist es trotzdem. Und widersinnig: Einen Bus fast leer fahren zu lassen und darüber hinaus auch noch etliche Taxis durch die Gegend zu schicken, ist eine Verschwendung von fossilen Ressourcen.

Liebe Verantwortliche bei Postauto Zürich! Wie wäre es, wenn ihr einmal sicherstellen würdet, dass alle Buschauffeure - auch die Aushilfen - deutsch und deutlich darüber informiert werden, dass der letzte reguläre Kurs die Anschlüsse abzuwarten hat?

Unter der Woche kann ich den Ärger der Chauffeure verstehen. Sie haben später Feierabend und dem Vernehmen nach erhalten sie verspätungsbedingte Überzeit nicht bezahlt (warum eigentlich nicht?).

Sparschlaumeiereien auf Kosten der Chauffeure?

Am Wochenende aber, d.h. in den Nächten Freitag/Samstag und Samstag/Sonntag liegt die Sache leicht anders. Nach dem letzten Kurs wird das Fahrzeug der Linie 515 zu einem Nachtbus. Und die fahren bekanntlich bis morgens nach 5 Uhr. Die Einschränkung für den Chauffeur besteht darin, dass er bei grossen Verspätungen den Ort der Pause nicht mehr wählen kann (in Bülach am Bahnhof im Fahrzeug sitzen ist halt schon weniger angenehm als bei einem Kafi im Busdepot Neuwis-Hus). Oder wird auch diese Pause nicht bezahlt?

«Ist es für die SBB und Postauto Zürich billiger, statt der Überstunden ihrer Chauffeure die Taxikosten zu begleichen?», habe ich am 7. Januar gefragt. Der Verdacht liegt immer näher.

Sollte es tatsächlich so sein, dass die Verantwortlichen bei Postauto Zürich zwar die Weisung herausgeben, der Chauffeur habe zu warten (und seine Pause zu opfern oder den Feierabend hinauszuschieben), ihm diese Überzeit aber nicht vergütet wird, dann ist dieses Sparen auf Kosten der Mitarbeiter ein Skandal.

Dann würde ich dieses Verhalten der Chauffeure nicht nur verstehen, sondern sogar gutheissen. Dann bin ich auch bereit, regelmässig das Taxi zu nehmen und mich nachher beim SBB-Kundendienst schadlos zu halten - so lange, bis diese Erbsenzähler-Rechnung nicht mehr aufgeht.

8 Kommentare:

Wiachiana-Verlag hat gesagt…

Einer der Chauffeure der Linie 515 hat mir heute Entwarnung gegeben:

Die Pause in der Freitag- und Samstag-Nacht (nach der letzten Fahrt der Linie 515 und bevor der Nachtbus nach Zürich fährt) sei bezahlt. Es gebe also keinen Grund am Bahnhof Bülach pünktlich abzufahren.

Anonym hat gesagt…

Alltag im öffentlichem Monopolverkehr: Wir geben Unsummen davon aus, erhalten dafür aber ein sehr schlechtes Preisleistungsverhältnis mit häufigen Verspätungen, mieser Informationen, mangelnden Kapazitäten und so weiter.

Fazit: Auto einsetzen und an der Urne dafür sorgen, dass der Individualverkehr nicht immer weiter diskriminiert wird, denn der öffentliche Verkehr ist leider keine Alternative!

Wiachiana-Verlag hat gesagt…

Den öffentlichen Verkehr quasi aushungern zu wollen (wie vorgeschlagen) und nur noch aufs Auto zu setzen, ist eine denkbar kurzsichtige Strategie. Wo das hinführt, sieht man in städtischen Gebieten über die ganze Welt verteilt, von Kalifornien bis Südafrika - um nur zwei zu nennen.

Fazit: Ohne vernünftigen Mix mit dem öffentlichen Verkehr geht es nicht. Ohne leistungsfähigen öV (und so schlecht ist er gar nicht verglichen mit dem Ausland) würden unsere Agglomerationen schon jetzt am Verkehrsinfarkt ersticken.

Die von mir im Artikel monierten Probleme sind letztlich Optimierungenswünsche auf hohem Niveau. Das Jammern darüber auch. In vielen Ländern wird man über ein solches Sörgeli lachen und sich sagen "DIE Probleme möchte ich haben".

Im übrigen: Es geht wirklich nicht darum, den Individualverkehr zu diskriminieren. Alles im richtigen Mass.

Das Hauptproblem liegt sowieso ganz woanders. Nämlich in der Zersiedelung der Landschaft. Sie ist letztlich die Ursache unserer wahnwitzigen Mobilitätsbedürfnisse.

Anonym hat gesagt…

Nein, das Hauptproblem liegt darin, dass unsere Monopolunternehmen im Bereich des öffentlichen Verkehrs überhaupt kein Interesse an Verbesserungen haben. Ich pendle täglich und pünktliche Verbindungen sind die Ausnahme. Verspätungen von ein paar Minuten sind üblich, mehrmals pro Woche kommt es zu grösseren Verspätungen; bei Bedarf liege ich gerne die entsprechenden Bestätigungen der SBB nach.

Wieso bietet man fahrplanmässige Verbindungen an, die so gar nicht einzuhalten sind? Wieso informiert man nicht oder viel zu spät über Probleme? Am Hauptbahnhof beispielsweise werden regelmässig Abfahrtszeiten ausgerufen, die gar nicht mehr einzuhalten sind, man lügt also die Kundschaft schlicht an. Und oftmals scheint man gar nicht zu wissen, wo sich die eigenen Züge befinden, denn ansonsten könnte man ja problemlos frühzeitig informieren, so dass man z.B. in einem Restaurant warten könnte anstatt draussen zu frieren und vielleicht noch verregnet zu werden...

Es geht nicht um "Optimierungswünsche auf hohem Niveau", sondern darum, dass das Angebot auch tatsächlich eingehalten wird. Wozu noch ein Fahrplan, wenn er sowieso nur noch als Anhaltspunkt gelten kann und nicht mehr als Referenz?

Wiachiana-Verlag hat gesagt…

Die Aussage mit dem "Optimierungswunsch" bezog sich ausschliesslich auf das Abwarten des letzten Zuges von Zürich durch den Bus der Linie 515 - das Hauptthema des ursprünglichen Artikels.

Dass beim Winkler Bus diesbezüglich mehr im Argen liegt, ist mir bewusst.

Die von Ihnen angesprochenen häufigen Verspätungen sind auch mir nicht entgangen.

Bei immer dichterer Netzwerk-Auslastung und gleichzeitig stagnierendem oder sogar reduziertem Personalabbau müssen sich die Probleme zwangsläufig häufen, da reicht schon eine kleine Baustelle oder eine defekte Türe. Und schon pflanzen sich die Verspätungen in einer Kettenreaktion durchs halbe Netz fort.

Sehr störend ist, dass beispielsweise die SBB diese Tatsache dadurch zu verschleiern suchen, dass in ihren Statistiken der Standard für Pünktlichkeit von Zügen anscheinend immer mehr aufgeweicht wird. Bei den kurzen Übergangszeiten fürs Umsteigen sind aber leider bereits 3 Minuten Verspätung zu viel.

Was die absolut mangelhafte Qualität der Information durch die SBB betrifft, da gebe ich Ihnen 100% recht. Ob informiert wird oder nicht scheint ganz von der Tagesform der Mitarbeiter in der Betriebsleitzentrale Zürich abzuhängen.

Bei den VBZ ist der Fahrplan zu gewissen Zeiten tatsächlich nur ein Anhaltspunkt - und überhaupt keine Referenz. Wer den Zug nicht verpassen will, der nimmt besser ein Tram früher.

Das Hauptproblem sehe ich trotzdem einige Ebenen höher: ohne Zersiedelung müssten nicht so viele Personen derart weit pendeln.

Anonym hat gesagt…

ÖV heute Morgen: Ortsbus pünktlich, jedenfalls fiel mir keine Verspätung auf. Am Bahnhof fährt gerade eine S-Bahn ab, was definitiv nicht sein kann um diese Zeit, sprich es gibt Verspätungen. Und tatsächlich wird die nächste S-Bahn mit 15 Minuten Verspätung gemeldet. Der Schnellzug kann sie zum Glück ausnahmsweise überholen und verkehrt mit 5 Minuten Verspätungen. Im HB dann Umsteigen auf eine andere S-Bahn, die wiederum mit einigen Minuten Verspätung verkehrt. Unbeeindruckt davon melden die SBB-Bildschirme, alle Züge verkehrten planmässig. Ach so, diese Verspätungen gehören zum Fahrplan! :->

Anonym hat gesagt…

Abgesehen vom morgenlichen Rapport: Es ist unbestritten, dass unser öffentlicher Verkehr im Allgemeinen funktioniert, meiner Meinung nach aber nicht gut genug, gerade auch angesichts der doch erheblichen Mittel, die wir dafür aufwenden. Diesbezüglich frage ich mich allerdings, wieso wir sie nicht vor allem dort aufwenden, wo wir leben und wirtschaften und stattdessen Milliarden in Tunnelröhren durch die Alpen vergraben... :->

> Bei immer dichterer Netzwerk-Auslastung und gleichzeitig stagnierendem oder
> sogar reduziertem Personalabbau müssen sich die Probleme zwangsläufig
> häufen, da reicht schon eine kleine Baustelle oder eine defekte Türe. Und schon
> pflanzen sich die Verspätungen in einer Kettenreaktion durchs halbe Netz fort.

Genau, und das müssten auch die SBB wissen, bloss basteln sie dennoch einen Fahrplan, der sich häufig nicht einhalten lässt, beispielsweise während den Pendlerzeiten.

> Sehr störend ist, dass beispielsweise die SBB diese Tatsache dadurch zu
> verschleiern suchen, dass in ihren Statistiken der Standard für Pünktlichkeit
> von Zügen anscheinend immer mehr aufgeweicht wird. Bei den kurzen Übergangszeiten
> fürs Umsteigen sind aber leider bereits 3 Minuten Verspätung zu viel.

Genau... meinen Informationen zufolge messen die SBB auch primär die Ankunftsverspätungen, nicht die Abfahrtsverspätungen. Zugegeben, Ankommen ist entscheidend, aber Warten ist auch sehr ärgerlich, denn man steht ja draussen... vielleicht bläst einem noch jemand den Rauch ins Gesicht... und man weiss nicht, woran man ist.

> Bei den VBZ ist der Fahrplan zu gewissen Zeiten tatsächlich nur ein Anhaltspunkt -
> und überhaupt keine Referenz. Wer den Zug nicht verpassen will, der nimmt besser
> ein Tram früher.

Bei den VBZ habe ich an den Fahrplan keine Erwartungen. Hier wäre es aus meiner Sicht sinnvoll, wenn man keine genauen Zeiten, sondern schlicht den zu erwartenden Taktfahrplan angeben würde... oder man könnte an allen Haltestellen jeweils anzeigen lassen, wann das nächste Tram folgt.

> Das Hauptproblem sehe ich trotzdem einige Ebenen höher: ohne Zersiedelung müssten
> nicht so viele Personen derart weit pendeln.

Stimmt. Allerdings ust dichtes Bauen in der Schweiz meistens nicht möglich und die paar wenigen Wohnhochhäuser in Zürich sind vertikale Ghettos... Raumplanung ist überhaupt ein Trauerthema, denn man setzt ständig völlig falsche Anreize. Ein aktuelles Beispiel ist für mich der Glattpark direkt in einer Pistenverlängerung des Zürcher Flughafens. Lernt man denn nie aus?

Wiachiana-Verlag hat gesagt…

Postauto Zürich reagiert prompt. Heute nachmittag flatterten per e-mail die folgenden Zeilen herein:

Sehr geehrter Herr [...]

Wir danken Ihnen für Ihr Schreiben und möchten uns dafür entschuldigen, dass es am 8. Dezember 2006 mit dem Anschluss vom leicht verspäteten Zug aufs letzte Postauto nicht geklappt habe. Auch andere Fahrgäste haben sich bei uns gemeldet; der Fehler für dieses unangenehme Vorkommnis lag auf unserer Seite. Unser Fahrpersonal glaubte aufgrund einer (unrichtigen) Auskunft, die S5 sei schon eingefahren und fuhr irrtümlicherweise bereits ab.

Als Unternehmen des öffentlichen Verkehrs sind wir verpflichtet, den letzten Anschluss abzuwarten und wir sind daher von Ihrer Aussage etwas überrascht, dass dies wiederholt passiert sei. Wir bitten Sie, sich in einem solchen Fall künftig direkt an uns zu wenden, damit wir den letzten Anschluss kritisch überprüfen, verbessern und die nötigen Schritte einleiten können. Wir bitten Sie, dieses Missgeschick zu entschuldigen.

Freundliche Grüsse

[...]
Marketing

PostAuto Schweiz AG
Region Zürich
Regensbergstrasse 89
Postfach
8050 Zürich

[...]
http://www.postauto.ch/zuerich

Auf telefonische Nachfrage war zu erfahren, die Chauffeure hätten einen Passagier gefragt ob die S5 schon eingefahren sei. Da nun aber von Norden und von Süden je eine S5 fast zur gleichen Zeit einfährt, ist die Frage unvollständig formuliert. Nur mit dem Zusatz "aus Richtung Zürich" ist sie richtig gestellt.

Irrtümer können passieren. Von meiner Seite aus ist die Angelegenheit damit abgehandelt und erledigt. Danke, Postauto Zürich.