Mittwoch, 20. Dezember 2006

Adventszeit in den 50er-Jahren

Wie war das damals in unserem Dorf? Geruhsamer? Weniger Vorweihnachtsstress? Leider lassen sich solche Fragen mit dem von Walter Zollinger hinterlassenen schriftlichen Quellenmaterial nicht beantworten. Und mit dem Befragen von Zeitzeugen (oral history) ist das ja so eine Sache. Denn im Nachhinein wird manches positiver bewertet als in der jeweiligen Gegenwart.

Im Winter ist mehr Zeit für kulturelle Anlässe

Beschränken wir uns also auf die Jahreschroniken Zollingers. Blättern ein bisschen darin. Im ältesten Band über das Jahr 1952 steht unter dem Titel «Kirchliches Leben»:

«Von jeher waren Pfarramt und Kirchenpflege bestrebt, das kirchl. Leben durch religiöse, oft auch kulturelle Anlässe zu bereichern und zu vertiefen, dies vor allem in den für unsere Bauern etwas stillern, von Arbeit weniger überfüllten Wintermonaten November bis März. - So werden z.B. den Winter über jeden Dienstagabend in Weiach, jeden Freitagabend in Kaiserstuhl Bibelstunden gehalten; 1952 wurde dabei versucht, das Johannesevangelium auszulegen. Die Besucherzahl schwankt zwischen 15 bis 25 Personen, woran die Männer leider nur sehr bescheiden Anteil nehmen.»

Männer und religiöse Einkehr geht schlecht zusammen. Die hielten nach dem Melken und Holzen wohl lieber in den Wirtschaften Einkehr. Auch andere Kultur-Fragen dürften sie wohl in der Tendenz ebenfalls ihren Frauen überlassen haben:

«Auch eine bauernkulturelle Gruppe versammelt sich, unter Leitung der Pfarrfamilie, jeden 2. Sonntag pro Monat (Nov.- März) im Schulhaus. Das Thema dieses Winters war dem "Feierabend und Sonntag im Bauernhaus" gewidmet.»

Mütterabend, Männerabend und eine wiederholte Weihnachtsfeier

«Ausser diesen periodisch sich wiederholenden Zusammenkünften fanden 1952 noch folgende weitern kirchl. Anlässe statt:» (hier sind nur die in die Adventszeit fallenden aufgeführt)

«am 30. Nov. Mütterabend im Schulhaus; Frau Böll-Bächi Zürich redet über "Advent im Bauernhaus"»

«am 6. Dez. Männerabend im Rest. "Bahnhof"; Herr Pfr. Keller in Stammheim spricht über "Echte Männlichkeit"»

Man beachte die Lokale. Das Schulhaus für die Frauen. Die Beiz für die Männer. Das passt. Die Frage was echte Männer ausmacht, ist offensichtlich ein zeitloses Thema. Was der Pfarrer aus dem Weinland da wohl erzählt hat?

Und unweigerlich rückt auch Weihnachten näher: «am 21. Dez. Von Kirchenchor, Männerchor, Schülerchor und dem Pfarramt wird eine Adventfeier in der Kirche durchgeführt. Die Schüler der Sonntagsschule und des Hoffnungsbundes erfreuen sich an den alljährlichen Weihnachtsfeiern, an denen sie jeweilen den zahlreich erscheinenden Eltern Krippenspiele oder dergl. aufführen dürfen. Für Kaiserstuhl fand diese Feier am 21., für die Weiacher am 26. Dezember statt.»

Ungarnhilfe und Schulsylvester

Für das Jahr 1956 findet man für die Adventszeit unter dem Titel Primarschule die folgenden Einträge: «12. Novbr.: Obst- und Kartoffelsammlung f. d. Ungarhilfe.» sowie «1. Dezbr.: auch an der Weihnachtsaktion f. d. Ungarkinder (Kerzli u. Schokolade) beteiligten wir uns.» (vgl. dazu den WeiachBlog-Artikel Erinnerung an die Ungarnhilfe 1956 vom 13. Dezember 2006).

«22. Dezbr.: der alljährliche Schulsylvester.» Ein Brauch, den es heute leider vielerorts nicht mehr in der alten Form gibt, weil entweder der Vandalismus aus dem Ruder gelaufen ist, oder die Toleranzschwelle der Erwachsenen tiefer liegt als früher.

Quelle

  • Zollinger, W.: Gemeinde Weiach. Chronik des Jahres 1952. Handschriftenabteilung der Zentralbibliothek Zürich. Signatur: G-Ch Weiach 1952 - S. 7-9.
  • Zollinger, W.: Gemeinde Weiach. Chronik des Jahres 1956. Handschriftenabteilung der Zentralbibliothek Zürich. Signatur: G-Ch Weiach 1956 - S. 11.

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