Samstag, 4. Juni 2016

Wenn der Gotthard in der Weiacher Kiesgrube liegt

Nun sind die Festreden also gehalten, die hohen Politiker der umliegenden Staaten wieder abgereist: die Eröffnung des Gotthardbasistunnels ist über die Bühne gerauscht. Ein Tunnel samt Anfahrtstrecken und Profilausbauten auf denselbigen, den die Schweiz primär für die restlichen Europäer erstellt hat. Nur für den Binnenverkehr ins Tessin hätte es die herkömmliche Infrastruktur auch getan. 20 Milliarden, investiert für Europa.

Offenbar staunte das Ausland nicht nur über die ingenieurtechnischen Innovationen, die das Bauwerk an sich ermöglicht haben, sondern vor allem darüber, wie es in der konsensorientierten und mit langwierigen Entscheidungsabläufen doch manchmal als schwerfällig gescholtenen Eidgenossenschaft möglich wurde, ein solches Megaprojekt nicht nur im Zeitplan und ohne gigantische Kostenüberschreitungen durchzuziehen. Sondern offenbar auch noch ganz ohne endlose Proteste von Wutbürgern - wie sie u.a. bei Stuttgart 21 aufwallten.

Am Donnerstag fuhr der erste reguläre Güterzug (Blick am Abend berichtete darüber in der Freitagsausgabe vom 3. Juni, S. 6) - und sinnigerweise war das ein Kieszug (allerdings mit Holcim-Wagen, ob Wagen der Weiacher Kies AG dabei waren, geht aus dem Bild nicht hervor). Sinnigerweise, weil beim Bau enorme Kubaturen an Beton verbraucht wurden.

Womit wir beim Thema Material wären. Dem, was aus dem Tunnel hinaus- und dem was zum Bauen hineinbefördert werden musste. Eine «kluge Materialbewirtschaftung» ist das A und O und sozusagen das Grundprinzip der Alp Transit AG, wie man der NZZ entnehmen konnte:

«An technischen Pionierleistungen mangelt es gleichfalls nicht. Eine davon ist die Verarbeitung von grossen Mengen der 28,2 Millionen Tonnen Ausbruchmaterial direkt vor Ort zu Beton (vgl. Artikel auf Seite 7). Man habe rund 10 Millionen Franken in die Forschung für die Materialbewirtschaftung investiert, erklärt der ehemalige Vorsitzende der Geschäftsleitung der Alptransit Gotthard AG (ATG), Peter Zbinden. Auch die sechs künstlichen Inseln in den Flachwasserzonen im Urnersee vor Flüelen, die mit 3,3 Millionen Tonnen Ausbruch aus Amsteg aufgeschüttet wurden, waren Teil des Materialbewirtschaftungskonzepts der ATG. Verantwortlich für das Projekt war die Urner Regierung, die ATG transportierte das Gestein und finanzierte die Aufschüttung. «Planung und Bauleitung kosteten den Kanton nichts, und für uns waren die Aufschüttungen günstiger, als mit dem Material zur Deponie nach Weiach zu fahren», hält Zbinden fest.»

Wie WeiachBlog auf Anfrage von Urs Wiesendanger, Betriebsleiter der Weiacher Kies, erfuhr, ist dennoch auch Material aus dem Gotthardtunnel-Ausbruch auf unserem Gemeindegebiet gelandet. Wenn auch stark bearbeitet. Das Ausbruchmaterial wurde nämlich zuerst bei Bodio gelagert. Dort wurde es soweit von den Eigenschaften her möglich vor Ort zu Betonzuschlagstoffen und anderen im Tunnelbau verwendbaren Chargen verarbeitet. Ein Teil von dem, was man wirklich nicht mehr brauchen konnte, landete schliesslich in Weiach in der Inertstoffdeponie. Dabei habe es sich, so Wiesendanger, vor allem um sehr weiches Material gehandelt.

Quellen
  • Feusi, Alois: Ein Tunnel der Superlative und des technischen Fortschritts. In: Neue Zürcher Zeitung, Dienstag, 24. Mai 2016 - Beilage Gotthard-Eröffnung, S. 8 sowie NZZ Online, 1. Juni 2016
  • Ruh, Boas: Aus dem Berg in den See und anderswohin. In: Neue Zürcher Zeitung, Dienstag, 24. Mai 2016 - Beilage Gotthard-Eröffnung, S. 7

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