Samstag, 7. März 2020

Miet-Kühlfächer und Milch im Offenausschank

Ein eigenes Gefrierfach? Standard, oder? In Weiach (und nicht nur da) begann das eisige Zeitalter für den Privathaushalt mit einem Sharing-Modell, einer Gemeinschafts-Tiefkühlanlage.

Eine Referentin aus dem Bernbiet hatte den Weiacher Bäuerinnen diesen Floh ins Ohr gesetzt. Offensichtlich hatten die Weiacherinnen trotz fehlendem Frauenstimmrecht sehr viel zu sagen. Die zentral im Dorfkern hinter der Milchannahmestelle beim VOLG gelegene Anlage wurde nämlich in absoluter Rekordzeit realisiert (vgl. WeiachBlog Nr. 356 v. 11. Januar 2007).

Und das, obwohl die Miete auch nicht gerade billig und die Weiacher in der Vorkieswerkzeit finanziell keineswegs auf Rosen gebettet waren: «Miete für je 100 Liter-Fach Fr. 35.- pro Jahr.» notierte Walter Zollinger in seiner Jahreschronik 1957 (G-Ch Weiach 1957 – S. 15).

Technische Anlagen müssen gewartet werden und auch die Teuerung schlägt erbarmungslos zu. So kam es, dass die 1912 gegründete Milchgenossenschaft Weiach, welche diese Tiefkühlanlage anbot, am 25. Juli 1983 zur ersten Mietpreiserhöhung schreiten musste, vgl. Mitteilungen für die Gemeinde Weiach, August 1983:


Die «Mitteilung an alle Gefrierfachmieter» lautete:

«Jnfolge grosser Reperaturen, an der Gefrieranlage, sind wir gezwungen, ab 1. Sept. 1983, die Miete der Fächer zu erhöhen. Seit dem Bau der Anlage (26 Jahre) haben wir noch nie eine Erhöhung vorgenommen.

Neuer Preis jährlich:
Fach 100 L. Fr. 45.-
Fach 150 L. Fr. 65.-
Fach 200 L. Fr. 80.-

Wir möchten unsere Einwohner, aufmerksam machen, dass noch einige Fächer frei sind.»

Mit dem Chesseli in die Milch-Hütte

Die Milchgenossenschaft nutzte die Ankündigung, eines ihrer weiteren Nebengeschäfte zu bewerben, den Frischmilch-Ausschank in der Annahmestelle:

«Bei dieser Gelegenheit, möchten wir Sie wieder einmal auf unseren: Frischmilch-Verkauf aufmerksam machen.

1 L. Frischmilch kostet Fr. 1.20
1 L. Past. Milch kostet Fr. 1.55

Ausschank wärend der Hüttenzeit: von 18.15 Uhr - 18.45 Uhr.»

Das waren noch Zeiten, als man sein Kind noch mit einem Metall-Kesselchen Milch holen lassen konnte. An einem Ort, wo man mit einer eigenen Währung bezahlte: den Milchmarken (vgl. WeiachBlog Nr. 1211 v. 30. April 2015). Mit Zusatzlerneffekt: denn da konnte man auf den einen oder anderen Landwirt treffen, der seine Milch ablieferte.

Strukturwandel weg vom Bauerndorf

Im Januar 1990 war damit Schluss. Die Hütte wurde geschlossen, die Milch wird seither diskret per Tankwagen weggeführt.

Mittlerweile sind die Bauern auch in Weiach buchstäblich an den Rand gedrängt worden, die noch in den 70er-Jahren überall zu findenden Misthaufen aus dem Dorfbild verschwunden. Die wenigen Produktionsbetriebe basieren alle auf Aussiedlerhöfen.

Das ist auch kein Wunder. Wer die heutigen Grossverteiler-Preise für Milch im Tetrapak kennt (die etwa gleich hoch oder noch darunter liegen), der kann sich leicht ausrechnen, dass die Bauern heute bei massiv gestiegenem allgemeinen Kostenniveau nur noch über Produktionsausweitung mithalten können.

Und die Gemeinschafts-Tiefkühlanlage? Ist natürlich auch verschwunden. Nur das Häuschen, das sie beherbergte, das gibt es weiterhin. Immerhin.

Quelle
  • Vorstand der Milchgenossenschaft Weiach: Mitteilung an alle Gefrierfachmieter. In: Mitteilungen für die Gemeinde Weiach, August 1983 – S. 12.

Keine Kommentare: