Die Schweiz ist traditionellerweise kein Selbstversorger mit Brotgetreide. Das ist schon seit Jahrhunderten so. Die Binnenproduktion deckt den Bedarf nicht. Ohne Import explodieren die Brotpreise. Dann droht Aufruhr. Das war und ist jeder nicht auf Revolution erpichten und somit völlig lebensmüden Obrigkeit sonnenklar. Zumal, wenn sie – wie in den Kantonen der Eidgenossenschaft – nicht über ein schlagkräftiges stehendes Söldnerheer verfügt.
Die Zürcher Regierung hat daher (wie in WeiachBlog Nr. 1000 beschrieben) bereits kurz nach der Reformation staatliche Lagerhäuser betrieben, dank denen die gröbsten Preisausschläge bei Missernten zumindest etwas abgefedert werden konnten. Ausgangs des 18. Jahrhunderts gab es sogar Höchstpreisgrenzen, oberhalb derer staatlich interveniert und die Brot- und Mehlpreise für die nachweislich Bedürftigen gedeckelt wurden.
Soll man Importabgaben erheben? Und wie hoch dürfen sie sein?
Importzölle auf das Grundnahrungsmittel Brot (bzw. die dafür nötigen Getreide) sind daher eine heikle Angelegenheit. Und man sollte sie nicht zu hoch ansetzen. Auch wenn man damit allenfalls die einheimische Getreideproduktion ankurbeln kann. Gedanken zum Thema machte sich die «Neue Zürcher-Zeitung» (damals mit Bindestrich geschrieben) im Sommer 1890 in einem dreiteiligen Artikel. Darin werden die im Grenzgebiet auftretenden Preisdifferenzen zwischen dem Badischen (d.h. zum Deutschen Reich gehörendem Gebiet) und der Schweiz detailliert dokumentiert.
Aus unserer lokalhistorischen Sicht interessant sind die Angaben zu Kaiserstuhl, denn die dortigen Preise dürften sich nicht wesentlich von denen unterschieden haben, die auch von den Weiacher Bäckereien für ihre Brote verlangt wurden.
In Deutschland war's teurer!
«Auf dem badischen Ufer gegenüber von Kaiserstuhl waren in der zweiten Hälfte des Monats Dezember 1889 die Mehlpreise 2 1/2 bis 3 Mark für 100 Kilo höher als auf unserem Ufer.»
Dasselbe konnte man auch beim fertig gebackenen Brot feststellen: «Am 23. Dezember 1889 kosteten», so listete die NZZ auf, «2 Kilo Mittelbrod» (laut Idiotikon 5, 972 eine Art Halbweissbrot) in Kaiserstuhl 65 Rp. In der badischen Nachbarschaft hingegen umgerechnet 72.5 Rp. Einsparpotential für deutsche Kunden immerhin 10 %!
«2 Kilo Schwarzbrod» war in Kaiserstuhl für 55 Rp. zu haben. Ennet dem Rhein im Badischen musste man dafür umgerechnet 62.5 Rp. hinlegen. Die Hohentengener zahlten also im Städtchen für Ruchbrot sogar 12 % weniger.
Da lohnte sich der Gang am Hl. Nepomuk vorbei über die damals noch holzgedeckte Brücke. Denn bei der Rückkehr galt am deutschen Zoll beim Schloss Rötteln eine Freigrenze von 3 Kilo Brot pro Person und Tag. (NZZ, 16. Juni 1890)
Wir leben brottechnisch immer noch im Paradies
Was würde ein solcher 2-Kilo-Laib von 1889 in heutigen Preisen kosten? Nun, der wäre wirklich teuer. Laut dem Historischen Lohnindex (HLI) von swistoval.ch wären das in Kaiserstuhl 27 Franken für das Ruchbrot (im Badischen umgerechnet 30.85). Und 32 Franken für das Halbweissbrot (im Badischen umgerechnet 35.80)!
Da können wir uns wahrlich nicht beklagen über die heute zu bezahlenden Brotpreise. Selbst im März 2023 nicht. Bei der Migros kosten 2 Kilo Ruchbrot IP SUISSE aktuell weniger als 5 Franken. In einer gewerblichen Bäckerei zahlte man laut statista.com 2018 rund 10 Franken für 2 Kilo Ruchbrot. Für 2 Kilo einer Roggenmischung müssen allerdings laut Google aktuell rund 17 Franken hingeblättert werden.
Quellen und Literatur
- Brandenberger, U.: Die Brodtaustheilung 1795 und 1796. WeiachBlog Nr. 1000 v. 1. Mai 2011
- Der Getreidezoll. Artikelfolge in der Neuen Zürcher-Zeitung. Teil I: NZZ, N° 163, 12. Juni 1890; Teil II: NZZ, N° 164, 13. Juni 1890; Teil III: NZZ, N° 167, 16. Juni 1890.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen