Nein, nicht Patent Ochsner. Es geht hier zwar auch um etwas, was zum Einführungszeitpunkt im Alltag präsent war. Und Ja, Sie haben richtig gelesen: «Strange». Nicht «Stange». Das zusätzliche «r» macht den Unterschied – gerade bei dieser Erfindung.
Der Eintrag zum Patent von Alfred Griesser aus Weiach unter der Signatur: StAZH PAT 2, 124 a, Nr. 104692 hat von den Erfassern des Zürcher Staatsarchivs zwar einen sonst formell wohl korrekten Eintrag im Online-Katalog erhalten. Aber Enthusiasten des Pferdefahrsports waren offensichtlich nicht unter ihnen. Sonst wäre die «Strange» nicht zur «Stange» geworden. Dieses Hilfsmittel ist nämlich auch Rösselern der Gegenwart wohlbekannt.
Durchs weltliche Kloster des Albert Einstein geprüft
Die heute vor 100 Jahren beim Eidgenössischen Amt für Geistiges Eigentum, dem heutigen staatlichen Institut gleichen Namens, dem IGE, eingereichten Unterlagen sind zwar nicht durch Hände und Kopf des Albert Einstein gegangen. Der wohl berühmteste Mitarbeiter der Bundesverwaltung und des IGE war zu diesem Zeitpunkt längst Nobelpreisträger. Für seine wissenschaftlich bahnbrechenden Überlegungen, die er ausserhalb der Arbeitszeit zu Papier gebracht hatte.
Einstein hat die Arbeit als «technischer Experte 3. Klasse» bei der er Erfindungen auf ihre Patentierbarkeit prüfen musste, dennoch sehr geschätzt. Laut Website des IGE hat er die Institution so charakterisiert: «das weltliche Kloster, wo ich meine schönsten Gedanken ausgebrütet habe». Da kann jedes andere Schweizer Bundesamt einpacken.
Strassen mit vielen Schlaglöchern? Griesser schafft Abhilfe!
Doch Scherz beiseite und zurück in die landwirtschafliche Welt des Alfred Griesser. Ihm ging es in seiner Innovation um die Verbesserung der Leistung der Zugtiere. Je coupierter eine Wiese, je holpriger ein Wald- oder Feldweg, desto eher bleibt ein Wagen in diesen Unebenheiten hängen. Und das resultiert in unangenehmen Schläge auf die Zugeinrichtung, was die Zugtiere alles andere als schont.
An diesem Punkt setzt Griessers Erfindung an, eingereicht durch seinen Vertreter J.H. Hoerni in Zürich (mutmasslich der Patentanwalt), wie man im Digitalisat der Patentschrift beim Europäischen Patentamt auf espacenet nachlesen kann:
«Gegenstand vorliegender Erfindung ist eine Zugstrange für Zugtiergeschirre, die einen in der Zugrichtung federnden Teil aufweist.»
Nach der technischen Erläuterung werden die Vorteile erläutert:
«Die Wirkungsweise der erwähnten Zugstrange ist folgende:
Tritt beim Fahren infolge eines Hindernisses, zum Beispiel einer Erhöhung im Fahrweg, ein Widerstand auf, der plötzlich einen stärkeren als den normalen Zug bedingt, so muß dieser stärkere Zug dank der Anordnung des federnden Teils der Zugstrange von den Zugtieren nicht plötzlich, sondern nach und nach ausgeübt werden, bis der durch das Hindernis verursachte Widerstand überwunden ist, indem die Feder zuerst gespannt und nach Überwindung des Hindernisses entspannt wird.
Der Vorteil der gezeichneten und beschriebenen Zugstrange liegt darin, daß bei ihrer Verwendung sowohl Zugtiere, wie Fahrzeuge geschont werden.
Patentanspruch:
Zugstrange für Zugtiergeschirre, dadurch gekennzeichnet, daß dieselbe einen in der Zugrichtung federnden Teil aufweist.»
Technische Zeichnungen, heute für jedermann zum Nachbau
Wer will, kann die Zugstrange Patent Griesser heute selber nachbauen. Denn der Patentschutz ist längst abgelaufen: «Auf beiliegender Zeichnung ist ein Ausführungsbeispiel des Erfindungsgegenstandes dargestellt, und zwar zeigt: Fig. 1 eine teilweise Vorderansicht dieses an eine Zugwage anhängten Ausführungsbeispiels, Fig. 2 eine Draufsicht im Längsschnitt dazu, und Fig. 3 ein Schaubild.»
[Veröffentlicht am 24. Juni 2023 um 07:07 MESZ]
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen