Sonntag, 8. Juni 2025

«Unnd uff sollich tag niemandts [...] wercken noch arbeiten»

Der Pfingstsonntag gilt als ein hoher Feiertag und steht unter besonderem staatlichen Schutz. Das hat nicht zuletzt historische Gründe.

Die Schweiz sei ein säkulares Land, hat der Historiker Dr. Markus Schär vor kurzem im Gespräch mit einem Internetradio gesagt (vgl. WeiachBlog Nr. 2245). Dass dies so nicht ganz stimmt, zeigt sich an den kantonalen Ruhetags-Gesetzgebungen. Diese Erlasse heissen in jedem eidgenössischen Stand anders, haben aber eines gemeinsam: die christlichen Ruhe- und Feiertage stehen unter dem besonderen Schutz des Staates.

So nachzulesen (und zu befolgen) im Ruhetags- und Ladenöffnungsgesetz des Kantons Zürich vom 26. Juni 2000. Da lernt man, dass nicht alle Ruhetage gleichwertig sind: Neben den normalen gibt sogenannte Hohe Feiertage. Und die haben allesamt eine dezidiert christliche Grundierung. Also von wegen säkular.

Hier der Volltext der ersten drei Paragraphen des vom Kantonsrat verabschiedeten Erlasses:

Öffentliche Ruhetage und Hohe Feiertage

§ 1. Abs. 1: «Öffentliche Ruhetage sind: a. Sonntage,  b. Neujahrstag, Karfreitag, Ostermontag, 1. Mai, Auffahrtstag, Pfingstmontag, 1. August, Weihnachtstag und Stephanstag (26. Dezember).»

§ 1. Abs. 2: «Hohe Feiertage sind: Karfreitag, Ostersonntag, Pfingstsonntag, Eidgenössischer Bettag und Weihnachtstag.»

§ 1. Abs. 3: «Die in Abs. 1 lit. b genannten öffentlichen Ruhetage werden im Sinne des Arbeitsgesetzes den Sonntagen gleichgestellt.»

Allgemeine Vorschrift

§ 2. «An öffentlichen Ruhetagen sind alle Tätigkeiten untersagt, die geeignet sind, die dem Charakter des jeweiligen Ruhetages angemessene Ruhe ernstlich zu stören.»

Besondere Vorschriften für die hohen Feiertage

§ 3. Abs. 1: «An den hohen Feiertagen sind insbesondere untersagt: a. Schiessübungen, b. Umzüge und Demonstrationen, c. Schaustellungen, d. kommerzielle Ausstellungen, e. öffentliche Versammlungen nicht religiöser Natur, f. Sportveranstaltungen, Tanzveranstaltungen, Konzertveranstaltungen, Theatervorstellungen und Filmvorführungen; ausgenommen sind Veranstaltungen, die in geschlossenen Räumen stattfinden.»

§ 3. Abs. 2: «Besondere Anlässe und Veranstaltungen, welche dem Charakter des hohen Feiertages nicht widersprechen, können durch die Gemeinde bewilligt werden.»

Das Vorbild ist schon ein halbes Jahrtausend alt

Als der Zürcher Stadtstaat samt seinen Untertanengebieten tatsächlich noch durch und durch ein christliches Land war  man könnte auch sagen, eine Art theokratisch fundierter Oligarchie  da wurde den Leuten in Stadt und Land regelmässig von der Kanzel herab verkündet, was in Sachen Sonntagsheiligung zu gelten habe.

Als Beispiel greifen wir die Almosenordnung von 1572 heraus, in der es primär um die krisenbedingt überhand nehmende Bettlerei und damit verbundene Sachbereiche ging. 

Bei dieser Gelegenheit packte der Zürcher Rat hinter den eigentlichen Erlass zur Erinnerung auch gleich weitere, schon bisher bestehende Bestimmungen in den im Druck und gesprochenem Wort zu verbreitenden Text hinein. Kann nie schaden, wenn es die Leute regelmässig hören. Und so tönte das dann kurz nach dem 10. September 1572: 

«Es soͤllen ouch die unsern von Statt und Land den Sonntag / darzuͦ den heiligen Wienacht und den volgenden tag daruf / deßglychen die beschnydung / unnd Uffart Christi / ouch den Ostermentag und den Pfingstmentag / so wir by unsern Kilchen / von waͤgen deß Nachtmals deß Herren unnd verkündigunt sines Goͤttlichen worts / angenommen / glych fyren / unnd uff sollich tag / niemandts weder durch sich selbs nach sine dienst unnd gesind / wercken noch arbeiten / deßglychen die kraͤmer / glesserfuͤrer / handwerckßlüt noch andere / es sygen froͤmbd oder heimbsch uff dieselben tag / ire laͤden zuͦhalten / und darin nit feylhaben noch verkouffen / sonders mengklich in Christenliche liebe halten / unnd einandern bruͦderlich verschonen soͤllind: dann welliche daß / es werind wyb oder mann / jung oder alt / übersehind / von den unnd den selben jeden insonderheit woͤllen wir so offt unnd dick es beschicht / ein halb March silbers / zuͦ  buͦß unnd straaff inzühen lassen / und gebietend daruf daß ein jeder den andern darumb unsern Voͤgten und amptlüten leyden und anzeigen solle.»

Dass Gläserführer hier explizit genannt werden – gemeint sind fliegende Händler, die Glaswaren in ihren Kräzen von den Waldglashütten zu den Kunden brachten und ihnen verkaufen wollten, – das hing wohl mit in nahem zeitlichen Zusammenhang festgestellten konkreten Verstössen zusammen. 

Kochen dürfte gerade noch erlaubt gewesen sein, man muss ja schliesslich auch an Feiertagen etwas essen und ganz so streng waren die Zürcher dann auch nicht. Aber Arbeiten ausserhalb des Hauses, in Wald und Feld, das lag nicht drin.

Wir sehen in diesem Erlass einen direkten Vorläufer unserer heutigen, für alle geltenden Gesetzgebung: Ruhetage sind verbunden mit einem Arbeitsverbot. In der heutigen Ausprägung wirkt sich dies insbesondere auf Ladengeschäfte aus, was die Titel von Gesetz und zugehöriger Verordnung im Zürichbiet adäquat zum Ausdruck bringen.

Quellen

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