Freitag, 6. Juni 2025

Reaktionen des Weiacher Gemeinderats auf «Bettelbriefe»

Wenn sich etwas in der Arbeit von Gemeindebehörden in den letzten hundert Jahren nicht geändert hat, dann sind es Beitragsgesuche aller Art von nah und fern. 

Landläufig und etwas abschätzig nennt man sie «Bettelbriefe». Mit den historisch ebenso bezeichneten obrigkeitlichen Genehmigungen (ausgestellt in Form einer Art Urkunde, dem Brief), die dem Inhaber das Recht verliehen, innerhalb eines bestimmten Kreises um Almosen, etc. betteln zu gehen, hat die neue Begrifflichkeit demnach wenig zu tun.

Quizfrage: Welche Berufsgattung war bei Gemeinderäten vorherrschend?

Dem Protokollband des Gemeinderats Weiach der Jahre 1928 bis 1934 kann man entnehmen, für welche Zwecke und Anliegen die damaligen Behördenmitglieder entschieden haben, mehr oder weniger – und zuweilen auch gar nichts – springen zu lassen. Innerhalb von fünf Monaten sind da folgende Einträge zu finden:

15. Dezember 1928, Traktandum 9: «Als letztes Geschäft wurde dem Gesuche der kant. Zürcher Vereinigung für sittliches Volkswohl um einen Beitrag aus der Gemeindekasse mit Frk. 5 entsprochen.»

Worum es dieser Vereinigung ging? Der Begriff «Sittenpolizei» dürfte auch heute noch halbwegs geläufig sein. Die hatte sich auch um Ware zu kümmern, die nur unter der Hand gehandelt werden durfte, wenn überhaupt. Vgl. den Lapsus der genannten Vereinigung, den die Satirezeitschrift Nebelspalter im Oktober 1932 genüsslich aufs Korn genommen hat:

(Quelle: Nebelspalter, 7. Oktober 1932, S. 2)

22. Dezember 1928, Traktandum 3: «Dem Gesuche des Männerchors Weiach um einen Beitrag aus der Gemeindekasse auf Jahreswechsel wurde mit Frk. 20.- entsprochen.»

23. März 1929, Traktandum 4: «Als letztes Geschäft wurde dem Gesuche des Komitee [sic!] für den Wiederaufbau der Lehr- und Kulturfilmarbeit des Schweizer Schul- und Volkskino in Bern um einen Beitrag aus der Gemeindekasse nicht entsprochen.»

6. April 1929, Traktandum 3: «Dem Gesuche des Bezirksvereins um einen Beitrag an die Jungviehprämierung pro 1929 wurde mit Frk. 50.- entsprochen.»  Gemeint ist wohl der Landwirtschaftliche Verein des Bezirks Dielsdorf, eine Sektion des heutigen Zürcher Bauernverbands.

27. April 1929, Traktandum 5: «Dem Gesuche des schweizerischen Blindenverbandes um einen Beitrag aus der Gemeindekasse wurde mit Frk. 5.- entsprochen.»

Wenn Sie die Zahlen dieser fünf Entscheide analysieren, dann fällt es leicht, darauf zu schliessen, dass Weiach damals wirklich noch ein Bauerndorf war. Und die Herren Gemeinderäte sich mehrheitlich als Landwirte betätigt haben.

50 Franken im April 1929, das wären übrigens umgerechnet nach dem Landesindex der Konsumentenpreise (LIK; LIK-Rechner BfS) heutzutage rund 350 Franken, nach dem Historischen Lohnindex (Swistoval Uni Bern) noch um einiges mehr.

Quellen
  • Protokoll des Gemeinderates 1928-1934. -- Archiv der Politischen Gemeinde Weiach; Signatur: IV B 02.11.
  • Haga [Autorenkürzel]: Für sittliches Volkswohl. In: Nebelspalter, 7. Oktober 1932.
    DOI: https://doi.org/10.5169/seals-465453

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