Binder war einer jener Unterländer, die schon vor über einem Jahrhundert spürten, was mit der rasant zunehmenden Urbanisierung auf dem Spiel stand: das Volksbrauchtum der Landschaft. Er trug daher über Jahre hinweg heute unschätzbar wertvolle Fakten aus seiner alten Heimat, dem Zürcher Unterland, und insbesondere dem Stadlertal, zusammen. 1925/26 veröffentlichte er dieses umfangreiche Material im Schweizerischen Archiv für Volkskunde.
Selbst der Boden ist konservativ
In der Einleitung schrieb Binder: «Weil hier selbst der Boden konservativ ist und alles treu hütet und erhält, sind die Zugänge zur Seele des Volkes noch grösstenteils unverschüttet und das Volkstum erhalten geblieben. Was aber trotzdem von Sitte und Brauch der Vergangenheit anheimfiel, lebt vorläufig wenigstens noch in des Volkes Erinnerung fort. Beides: das Vergangene und das heute noch Bestehende darzustellen, ist der Zweck der vorliegenden Abschnitte. Was ich darbiete, stammt teils aus meiner eigenen Anschauung, teils aus dem traulichen Erinnerungsschreine meiner Mutter.»
Schönheitsrezept für den Monat Mai
Eine dieser Erinnerungen betrifft Frühlingstage und Frühlingsfeste. Zum Mai passen die folgenden Zeilen, die jedem Kosmetikunternehmen heutiger Tage das Fürchten lehren könnten:
«Die mit Sommersprossen behafteten Töchter des Unterlandes gingen während des Maimonats jeden Tag früh morgens auf die Wiese und wuschen ihr Angesicht mit dem Tau der Gräser, weil sie der Ansicht waren, auf diese Weise eine reine Gesichtsfarbe zu erlangen.»
Ja, nützts nüt, so schadts nüt!
Quelle
- Binder, G.: Aus dem Volksleben des Zürcher Unterlandes. Sonderabdruck aus Schweizerisches Archiv für Volkskunde, Bd. XXV/XXVI. Basel, 1925 – hier: S. 118. Originalpublikation in: Schweizerisches Archiv für Volkskunde (SAVk), 25. Bd., Basel 1925 – S. 91-124; 197-228; 241-256 sowie 26. Bd., Basel 1926 – S. 30-46; 101-123 und 188-201.
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